Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 330/13
vom
10. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. September 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 24. Januar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Fall II. B der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Eheleute P. ),
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 59 Fällen, wegen unerlaubter Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige in acht Fällen und wegen „vorsätzlicher Körperverletzung“ (richtig: Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer anderweitigen Verurteilung nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass durch Anrechnung von auf die einbezogene Verurteilung erbrachten Geldzahlungen zwei Wochen dieser Strafe als verbüßt gelten. Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Die Verfahrensrüge hat der Beschwerdeführer nicht näher ausgeführt; sie ist daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

II.


4
1. Das angefochtene Urteil hat nur teilweise Bestand.
5
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige sowie wegen unerlaubter Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige verurteilt hat, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
6
b) Hingegen hält die Verurteilung wegen Körperverletzung im Fall II. B der Urteilsgründe zum Nachteil der Eheleute P. sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Insoweit leiden die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten an einem auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht auflösbaren Widerspruch (§ 261 StPO). Danach soll der Angeklagte die Tat zum Nachteil der Eheleute P. vor dem Einkaufscenter in B. am 22. August 2012 gegen 17.30 Uhr begangen haben, als diese ihn mit dem BMX-Rad ihres Sohnes dort antrafen, ihn wegen des vermuteten Diebstahls des Fahrrads an der Flucht zu hindern versuchten und die Polizei riefen. Daraufhin habe der Angeklagte den Geschädigten F. P. zu Boden gestoßen und die helfend eingreifende Ehefrau abgewehrt, indem er den Daumen ihrer rechten Hand nach hinten bog, so dass die Geschädigte einen schmerzhaften Bänderriss erlitt. Demgegenüber hat das Landgericht zu den persönlichen Verhältnissen des seine Täterschaft bestreitenden Angeklagten festgestellt , dieser habe sich in der Zeit vom 1. bis zum 30. August 2012 zur Behandlung seiner psychischen Erkrankung auf der Grundlage von Bestimmungen des PsychKG bzw. des Zivilrechts in der geschützten Station der LWLKlinik L. in stationärer Unterbringung befunden. Dieser im angefochtenen Urteil unerörtert gebliebene Widerspruch, der durchgreifende Zweifel an der Täterschaft des die Tat bestreitenden Angeklagten aufkommen lässt, bedarf der Klärung durch den neuen Tatrichter.
8
2. Mit dem Wegfall der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die das Landgericht für die Körperverletzung im Fall II. B verhängt hat, entfällt nicht nur die Grundlage für den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kann schon aus diesem Grund keinen Bestand haben.
9
Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, vom Angeklagten seien infolge seiner psychischen Erkrankung im Zusammenwirken mit dem Konsum von Betäubungsmitteln in Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten nicht nur in Gestalt von Betäubungsmitteldelikten mit einer die Unterbringungsanordnung gemäß § 63 StGB rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Vielmehr neige er auch, wie die Tat zum Nachteil der Eheleute P. zeige, zu Aggressionsdurchbrüchen mit Körperverletzungen, wobei nach den Gesamtumständen auch die Gefahr gravierender Gewaltdelikte bestehe. Die nach § 63 StGB vorzunehmende Gefährlichkeitsprognose hat dieStrafkammer daher maßgeblich auch auf die Anlasstat im Fall II. B der Urteilsgründe gestützt; mit ihrem Wegfall ist deshalb auch der Maßregel die Grundlage entzogen.

III.


10
Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist ergänzend auf Folgendes hin:
11
1. Die Erwägungen des Landgerichts zu der die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Anordnung der Maßregel tragenden psychischen Störung begegnen jedenfalls im Fall II. B rechtlichen Bedenken.
12
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen angenommen , die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei bei der Begehung sämtlicher Taten wegen einer bei ihm mindestens seit 2002 bestehenden, inzwischen chronifizierten hebephrenen Psychose im Zusammenwirken mit dem Konsum von Marihuana im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert gewesen. Von den verschiedenen Symptomen dieser psychischen Erkrankung imponiere beim Angeklagten insbesondere die Affektverarmung; die bei ihm festzustellenden psychotischen Veränderungen beträfen daher ganz wesentlich eine Lockerung der Bindung an soziale Werte und Normen. Symptome wie Wahn oder Halluzinationen lägen bei ihm hingegen nicht vor. Der Drogenmissbrauch sei nicht als eigenständiges Störungsbild anzusehen, sondern lediglich als Versuch der Selbstmedikation.
13
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen vermögen die Urteilsgründe nicht zu vermitteln, aus welchen Gründen die vom Sachverständigen angenommene Neigung des Angeklagten zu Aggressionsdurchbrüchen, die das Landgericht maßgeblich für die Gefährlichkeitsprognose herangezogen hat, auch hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Eheleute P. gerade auf der diagnostizierten psychischen Erkrankung beruht, die nach Auffassung des Landgerichts die erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründet. Denn diese ist vom Sachverständigen als eine im Fall des Angeklagten wesentlich von einer Affektverflachung gekennzeichnete psychische Störung beschrieben worden, bei der Wahnerleben bzw. Halluzinationen, die Auslöser für Aggressionshandlungen sein können (beispielhaft BGH, Urteil vom 23. Mai 2000 – 1 StR 56/00, NStZ 2000, 470), gerade „nicht vorliegen dürfte[n]“ (UA 20).
14
2. Zum Tatvorwurf der Körperverletzung im Fall II. B der Urteilsgründe bemerkt der Senat ferner:
15
Sollte die neue Verhandlung wiederum ergeben, dass die Eheleute P. den Angeklagten festzuhalten versuchten und dieser sie attackierte, um eine polizeiliche Überprüfung des Diebstahlsverdachts zu verhindern, wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob das Verhalten des Angeklagten als erforderliche Verteidigungshandlung im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff der Eheleute P. auf seine Fortbewegungsfreiheit zu bewerten ist. Andererseits könnte deren Verhalten durch das Festnahmerecht des § 127 StPO gedeckt sein, was ein Notwehrrecht des Angeklagten insgesamt ausschließen würde. Dabei wird insbesondere auf das Tatbestandsmerkmal der frischen Tat Bedacht zu nehmen sein (vgl. dazu LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 127 Rn. 13 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 127 Vorläufige Festnahme


(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Festste

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2000 - 1 StR 56/00

bei uns veröffentlicht am 23.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 56/00 vom 23. Mai 2000 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Mai 2000, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ma

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 56/00
vom
23. Mai 2000
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Mai 2000,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Maul
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Granderath,
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 2. November 1999 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Vollstreckung der Unterbringung des Beschuldigten nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten, die das Urteil - ausgenommen die Feststellungen zum Tatgeschehen - mit der Sachrüge angreift, hat teilweise Erfolg. 1. Die Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Gefährlichkeitsprognose setzt zwar grundsätzlich eine Gesamtwürdigung der Person und des Vorlebens des Beschuldigten, insbesondere seiner bisherigen Straftaten voraus (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12). Insoweit weist das angefochtene Urteil Mängel auf, worauf der Ge-
neralbundesanwalt zutreffend hinweist; allerdings betrafen die wegen Schuldunfähigkeit eingestellten Vorverfahren, soweit das dem landgerichtlichen Urteil überhaupt zu entnehmen ist, nur geringfügige Gesetzesverletzungen, die für die Frage einer Unterbringung ohne Bedeutung gewesen wären. Folgerichtig hat das Landgericht daher nur die Anlaßtat des vorliegenden Verfahrens zur Grundlage seiner Prognoseentscheidung in bezug auf die zukünftige Gefährlichkeit des Beschuldigten gemacht; dagegen sind grundsätzlich rechtliche Einwände nicht zu erheben (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12). Insoweit hat das Landgericht in dem fortbestehenden Wahn des Beschuldigten ein eindeutiges Indiz dafür gesehen, daß ohne eine weitere effektive Behandlung jederzeit wieder mit erheblichen Straftaten des Beschuldigten zu rechnen ist. Damit ist das Landgericht zunächst von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen; die bloße Möglichkeit, daß von dem Beschuldigten in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien, worauf die psychiatrische Sachverständige abgehoben hat, wäre nicht ausreichend gewesen (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26). In tatsächlicher Hinsicht ist die Erwartung künftiger erheblicher Straftaten ausreichend belegt. Nach dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen liegt beim Beschuldigten eine sich zunehmend chronifizierende paranoid-halluzinatorische Schizophrenie vor, die zu einem derart ausgeprägten Wahnsystem geführt hat, daß der Beschuldigte den Wahn als Realität erlebt und demgemäß auch Erlebnisse in diesem Wahnsystem interpretiert. Kern dieses Wahnsystems ist, daß in demHaus A. straße in L. , wo der Beschuldigte wohnt, Raub, Raubmord und Kindsmord durch Mitbewohner an der Tagesordnung seien und dort auch seine leibliche Tochter festgehalten werde.
Demgemäß hat der Beschuldigte auch der Sachverständigen berichtet, er sei mit seinem Angriff lediglich einem jungen Mädchen zu Hilfe gekommen, das gefangen gehalten, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden sei; er habe den Hilferuf des Mädchens gehört, und es sei auch geschossen worden, so daß er den später Geschädigten aufgefordert habe, seine Waffe abzugeben. Bei einem derart konkret ausgeprägten, mit anhaltenden akustischen Halluzinationen verbundenen Wahnsystem, das den Beschuldigten unter einen ständigen Handlungsdruck setzt, ist daher die Gefahr sich daraus entwickelnder Straftaten zutreffend bejaht worden; es kann nicht entscheidend darauf ankommen, daß es in der Vergangenheit zu wesentlichen Straftaten trotz der bereits seit 1974 bestehenden Erkrankung noch nicht gekommen ist. Die infolge des bestehenden Wahnsystems zu erwartenden vergleichbaren Taten wären auch erheblich. Das Tatopfer erlitt durch den Angriff des Beschuldigten eine Schulterprellung, ein HWS-Schleudertrauma, eine Schädelprellung sowie Kontusionen des linken Jochbeins und der linken Orbita. Auf Grund der Verletzungen war eine ambulante Behandlung in einem Krankenhaus erforderlich; der Verletzte mußte eine Schanzsche-Krawatte tragen und sich schließlich zur weiteren Behandlung für zweieinhalb Monate in eine Rehabilitationsklinik begeben. Sowohl diese Tat wie zu erwartende vergleichbare Taten sind vom Landgericht daher zu Recht als erheblich eingestuft worden. 2. Die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67b Abs. 1 StGB hat das Landgericht wegen fehlender Therapiemotivation abgelehnt. Der Beschuldigte habe sich bisher geweigert, sich die erforderlichen Medikamente verabreichen zu lassen; soweit er in der Hauptverhandlung eingelenkt habe, bestünden an der Ernsthaftigkeit des Anerbietens erhebliche Zweifel. Diese
Erwägungen tragen die Ablehnung der Aussetzung nicht. Nach den Feststellungen war der Beschuldigte zum Zeitpunkt, als das landgerichtliche Urteil erging , aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Landshut gemäß dem Bayerischen Unterbringungsgesetz seit 7. Mai 1999 stationär im Bezirkskrankenhaus Landshut untergebracht. Das Urteil macht keine Ausführungen dazu, welchen Erfolg die dortige Therapie hatte, für welchen Zeitraum sie vorgesehen war und welche Folgerungen hieraus für die Beantwortung der Frage zu ziehen sind, ob die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden kann (vgl. BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 5). Eine anderweitige Unterbringung kann ein besonderer Umstand im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 StGB sein (BGHSt 34, 313, 316; BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 3). Daneben wäre auch die Möglichkeit einer Betreuung außerhalb einer stationären Unterbringung zu
erörtern gewesen. So könnte die Möglichkeit bestehen, daß sein Betreuer den Beschuldigten mit gerichtlicher Genehmigung in einem Heim oder einer Einrichtung betreuten Wohnens unterbringt, wo auch die regelmäßige Einnahme der erforderlichen Medikamente gewährleistet wird. Maul Granderath Wahl Boetticher Schluckebier

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.

(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.

(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.

(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.