Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2017 - 4 StR 287/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:071217B4STR287.17.0
bei uns veröffentlicht am07.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 287/17
vom
7. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:071217B4STR287.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (§ 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF) in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensbeanstandung ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig; das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen verbrachte die Nebenklägerin den späten Abend des 22. August 2015 gemeinsam mit dem Angeklagten und der Zeugin J. ; die beiden Frauen tranken Mischgetränke aus Wodka und Eistee. Gegen Mitternacht brachen der Angeklagte und die Nebenklägerin auf, um gemeinsam den Zeugen W. zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt war dieNebenklägerin aufgrund ihres Alkoholkonsums „deutlich angeheitert“, wies aber keine sonstigen Ausfallerscheinungen auf. Bei dem Zeugen W. trank sie weniger als ein Glas Bier oder Wein. Auf der Rückfahrt vom Wohnort des Zeugen W. beschloss der Angeklagte, mit der Nebenklägerin, die während der Autofahrt eingeschlafen war, zu sich nach Hause zu fahren. Dort angekommen, befand sich die Nebenklägerin aufgrund ihrer Alkoholisierung in einem „nahezu lethargischen Zustand“; ihr war es nur noch in geringem Maße möglich, sich zu bewegen , und sie vermochte nicht mehr ihrem Willen entsprechend zu handeln. Sie ließ sich von dem Angeklagten zu dessen im zweiten Obergeschoss liegender Wohnung und dort in das Schlafzimmer führen, wo sie sich auf das Bett legte. Der Angeklagte schenkte ihr ein Glas Rotwein ein, das sie jedoch nicht mehr halten konnte und dessen Inhalt verschüttet wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erkannte der Angeklagte, dass sich die Nebenklägerin gegen die Vornahme sexueller Handlungen durch ihn nicht würde wehren können. Er beschloss , dies auszunutzen, und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durch. Anschließend schlief sie ein. Im weiteren Verlauf der Nacht vollzog der Angeklagte ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr.
3
2. Das angefochtene Urteil kann nicht bestehen bleiben, da die Beweiswürdigung des Landgerichts – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, NStZ-RR 2017, 185 [Ls]; vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13, juris Rn. 19) – rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Sie erweist sich als lückenhaft.
4
a) Das Landgericht hat angenommen, dass sich die Nebenklägerin sowohl während des erstmaligen als auch noch zum Zeitpunkt des späteren zweiten Geschlechtsverkehrs infolge einer akuten Alkoholintoxikation in einem Zustand tiefgreifender Bewusstseinsstörung befand und sie aufgrund dessen widerstandsunfähig im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF war. Seine Überzeugung , dass die Alkoholisierung der Nebenklägerin dieses Ausmaß erreichte, hat die Strafkammer maßgeblich auf die Angaben der von ihr gehörten psychiatrischen Sachverständigen gestützt. Die Sachverständige hat ausgeführt, bei einer nicht trinkgewohnten Person von zierlicher Statur – wie dies auf die Nebenklägerin zutreffe – seien „deutliche Veränderungen“ nach Alkoholkonsum „durchaus häufig“. Diese müsstennicht zwangsläufig motorischer Natur sein, sondern könnten auch zu dem von der Nebenklägerin beschriebenen apathischen , schläfrigen Zustand führen, und zwar bereits ab einem Blutalkoholgehalt von etwa 2,3 bis 2,5 Promille. Allerdings sei eine Bestimmung der Blutalkoholkonzentration der Nebenklägerin „aufgrund der Unklarheiten zu den Trinkmengen , der Trinkdauer und des Trinkzeitendes“ nicht möglich gewesen (UA 24). Das Landgericht ist den Angaben der Sachverständigen gefolgt und hat das Vorliegen einer akuten Alkoholintoxikation der Nebenklägerin zum Zeitpunkt der Taten bejaht. Feststellungen zur Höhe der Blutalkoholkonzentration der Nebenklägerin hat es nicht getroffen.
5
b) Damit weist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils im Hinblick auf das Ausmaß der Alkoholisierung der Nebenklägerin zum Zeitpunkt der Taten eine Lücke auf. Da das Landgericht im Anschluss an die Ausführungen der Sachverständigen davon ausgegangen ist, dass der „apathische“, zur Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF führende Zustand der Nebenklägerin zumindest eine Blutalkoholkonzentration von etwa 2,3 Promille voraussetzte, durfte es jedenfalls hier nicht offen lassen, ob die Alkoholisierung der Nebenklägerin diesen Wert auch tatsächlich erreichte, sondern hätte ihre Blutalkoholkonzentration für die beiden Tatzeitpunkte bestimmen müssen (vgl. für die Errechnung der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten BGH, Urteil vom 13. Mai 1993 – 4 StR 183/93, StV 1993, 519; Beschlüsse vom 28. April 2010 – 5 StR 135/10, NStZ-RR 2010, 257, 258; vom 20. November 1990 – 2 StR 424/90, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 23). Angesichts der relativ genauen Angaben im Urteil sowohl zu den Trinkmengen als auch zu den Trinkzeiten der Nebenklägerin – hiernach trank sie etwa zwischen 22 und 24 Uhr drei oder vier Wodka-Eistee-Mischgetränke, wobei die Wodkamenge den Angaben der Zeugin J. zufolge jeweils anderthalb bis zwei „Daumenbreit“ betrug und jedenfalls das erste Getränk deutlich mehr Eistee als Wodka enthielt (UA 18), und während des anschließenden Aufenthalts beim Zeugen W. weniger als ein Glas Bier oder Wein (UA 20) – ist auchnicht ersichtlich, dass eine Errechnung der Blutalkoholkonzentration vorliegend nicht möglich gewesen wäre.
6
Die lückenhafte Beweiswürdigung, auf der die Verurteilung insgesamt beruht, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils einschließlich der getroffenen Feststellungen.
7
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, zur Ermittlung der Alkoholisierung der Nebenklägerin einen rechtsmedizinischen Sachverständigen hinzuzuziehen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2013 - 4 StR 159/13

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 159/13 vom 20. Juni 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer Brandstiftung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni 2013, an der teilgenommen ha

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2017 - 1 StR 360/16

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 360/16 vom 12. Januar 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen besonders schwerer Brandstiftung ECLI:DE:BGH:2017:120117U1STR360.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 360/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer Brandstiftung
ECLI:DE:BGH:2017:120117U1STR360.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 10. Januar 2017 in der Sitzung am 12. Januar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 10. Januar 2017 – als Verteidiger des Angeklagten S. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 10. Januar 2017 – als Verteidiger des Angeklagten A. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 7. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es nicht mehr an.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte S. erwarb im Jahr 2002 das spätere Brandobjekt, ein in H. gelegenes Wohnhaus mit Nebengebäuden, zum Kaufpreis von 70.000 Euro zu Alleineigentum und lebte dort zuletzt gemeinsam mit seiner Ehefrau und drei volljährigen Kindern. Abgesehen von dem Einbau einer neuen Heizungsanlage im Jahr 2007 nahm er seit dem Erwerb keinerlei Renovierungsarbeiten vor. Im Oktober 2014 wurde ihm ein Renovierungsdarlehen in Höhe von 80.000 Euro gewährt, über welches er vor dem Tatgeschehen am 30. Dezember 2014 bereits in Höhe von 45.000 Euro durch Barabhebungen verfügte, ohne jedoch Sanierungsarbeiten am Wohnhaus zu finanzieren. Unmittelbar vor dem Tatgeschehen befand sich das Wohnhaus in einem maroden und stark renovierungsbedürftigen Zustand. Es war mit einfachverglasten Holzfenstern ausgestattet. Weder die Außenwände noch das Dach waren isoliert. Im Keller waren tragende Dachbalken an mehreren Stellen mit Holzverstrebungen abgestützt. Die dort befindlichen Heizöltanks waren fast ganz leer.
4
Für das Haustürschloss existierten zwei Schlüssel; einen hatte die Ehefrau des Angeklagten S. stets bei sich. Den zweiten Schlüssel nutzten die übrigen Familienmitglieder im Wechsel.
5
Am Nachmittag des 29. Dezember 2014 hielten sich der Angeklagte S. und sein Bruder, der Angeklagte A. , als letzte aus der Familie am späteren Brandobjekt auf. Die übrigen Familienmitglieder waren bereits zu Feierlichkeiten im etwa 60 Kilometer entfernten St. aufgebrochen. Beiden Angeklagten war bekannt, dass sämtliche Familienmitglieder dort auch übernachten wollten. Diesen Umstand wollten sie bewusst ausnutzen, um das Wohnhaus unter Ausschluss einer Gefährdung für die Bewohner anzuzünden, auf diese Weise zu zerstören und im Anschluss daran den entstandenen Schaden unrechtmäßig gegenüber der Versicherung geltend zu machen.
6
Während sich der Angeklagte S. vom 29. auf den 30. Dezember 2014 gemeinsam mit seiner Familie in St. aufhielt, verließ der Angeklagte A. die dortigen Feierlichkeiten bereits gegen 23.00 Uhr und traf gegen 23.50 Uhr an seinem Wohnort in W. – etwa sechs Kilometer von H. entfernt – ein. Gegen 1.15 Uhr setzte der Angeklagte A. – entsprechend dem zuvor mit seinem Bruder gemeinsam gefassten Tatplan – das Wohnhaus des Bruders mit Benzin in Brand, wodurch dieses vollständig ausbrannte. In das Haus gelangte er mit einem Haustürschlüssel, welcher ihm vom Angeklagten S. am 29. Dezember 2014 zu diesem Zweck übergeben und der später im Flur des Wohnhauses im Brandschutt aufgefunden wurde. Noch am 30. Dezember 2014 meldete der Angeklagte S. – ebenfalls dem gemeinsamen Tatplan entsprechend – den entstandenen Schaden der Versicherung, bei welcher seit dem 1. Februar 2010 eine Versicherung zum gleitenden Neuwert mit einer Versicherungssumme von 410.000 Euro bestand. Bis dahin war das Wohngebäude noch zum jeweiligen Zeitwert versichert. Zu einer Auszahlung der Versicherungsleistungen kam es in der Folge nicht.
7
2. Die Strafkammer stützt die Tatbeteiligung des die Tat bestreitenden und in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten A. maßgeblich darauf, dass er den Brand vorsätzlich unter Verwendung von Benzin als Brandbeschleuniger im wirtschaftlichen Interesse seines Bruders S. gelegt habe. Sie schließe eine Brandlegung durch außenstehende Dritte – etwa aus einer fremdenfeindlichen Motivation heraus – aufgrund der Tatortspuren aus. Das unmittelbare Anzünden des Tatobjekts könne ausschließlich durch den Angeklagten A. erfolgt sein, der den Schlüssel zum Betreten des Hauses von dem Angeklagten S. vor Tatbegehung zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Auswertung der Mobilfunkverbindungsdaten des vom Angeklagten A. genutzten Handys habe ergeben, dass er sich am 29. Dezember 2014 um 23.50 Uhr an seinem Wohnort in W. aufgehalten habe, so dass es ihm zeitlich möglich gewesen sei, den Brand am etwa sechs Kilometer entfernten Tatort zu legen.
8
Für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten A. sei es nicht von Bedeutung gewesen, dass bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 26. Februar 2015 ein Bargeldbetrag von 12.000 Euro aufgefunden worden sei. Gleiches gelte für zwei anonyme, an die Ermittlungsbehörden gerichtete Schreiben vom 5. Januar 2015, in denen der Verdacht geäußert worden sei, die Familie des Angeklagten S. und der Angeklagte A. hätten den Brand „organisiert“ und das Feuer gelegt, um auf diese Weise Ver- sicherungsleistungen zu erlangen. Auch etwaige weitere mögliche strafbare Handlungen des Angeklagten A. , u.a. der Verdacht einer Brandlegung in seiner eigenen Wohnung im Jahr 2003 seien unberücksichtigt geblieben.

II.


9
Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es sich von der Täterschaft der Angeklagten überzeugt hat, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
10
1. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts, das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteile vom 30.März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238 und vom 1. Juli 2008 – 1StR 654/07). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lü- cken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 mwN). Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14).
11
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten A. ist nicht tragfähig begründet, so dass die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen sich als bloße Vermutungen erweisen (dazu unten a). Dieser Rechtsfehler lässt auch die Grundlage für die Verurteilung des Angeklagten S. als Mittäter entfallen (dazu unten b).
12
a) Die vom Landgericht in seine Gesamtwürdigung einbezogenen Beweistatsachen genügen nicht, um eine Täterschaft des Angeklagten A. bei der unmittelbaren Brandlegung tragfähig zu begründen. Die Strafkammer zeigt lediglich auf, dass er die Möglichkeit zur Tatausführung gehabt habe, weil er in Besitz des Haustürschlüssels durch dessen Überlassung seitens des Angeklagten S. vor Tatbegehung gekommen sein kann und die Tat aufgrund seiner Nähe zum Tatort in zeitlicher Hinsicht begangen haben kann.
13
aa) Der Umstand, dass dieser Schlüssel nach dem Brand im Brandschutt des Wohnhauses aufgefunden wurde, besagt zur Täterschaft des Angeklagten A. jedoch nichts. Das Landgericht trifft insoweit auch keine Feststellungen dazu, dass der Angeklagte S. nach der Tat nicht (mehr) im Besitz eines Haustürschlüssels gewesen ist.
14
bb) Die Möglichkeit des Angeklagten A. , zum Tatzeitpunkt am Tatort gewesen zu sein, reicht allein zu dessen Überführung nicht aus. Die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte könnte sein Handy, das zuletzt an seinem Wohnort in W. und nicht am Tatort eingebucht war, nicht zum Tatort mitgenommen oder ausgeschaltet haben, belegt seine Anwesenheit am Tatort nicht. Die Begründung des Landgerichts, dass dieser Umstand seiner Täterschaft nicht entgegenstehe, weil der Angeklagte sich „unter Berücksichti- gung des gesamten Tatbildes, das eine detaillierte Planung der Tat“ (UA S. 26) belege, über die Möglichkeit der Erhebung von Telekommunikationsverbindungsdaten bewusst gewesen sei und deshalb Vorkehrungen getroffen habe, ist jedenfalls kreisschlüssig. Die nachzuweisende Tatbeteiligung des Angeklagten A. wird daraus hergeleitet, dass er die Tat mit dem Angeklagten S. detailliert geplant habe und deshalb sein Handy nicht am Tatort eingeloggt war. Die zu beweisende Tatsache, nämlich die detaillierte Tatplanung der Täter, wird insoweit zum Tatnachweis der Täterschaft des Angeklagten A. vorausgesetzt.
15
cc) Das Landgericht begründet des Weiteren nicht, warum ausschließlich der Angeklagte A. als Tatausführender in Betracht kommt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte S. in der Tatnacht gegen 2.00 Uhr von seinem Schwager angerufen worden, der ihm vom Brand des Wohnhauses berichtet habe. Es stellt angesichts der vorliegenden Beweislage einen Erörterungsmangel dar, weshalb der Schwager des Angeklagten S. trotz zeitnaher Kenntnis vom Brandgeschehen als Täter ausscheidet.
16
dd) Die übrigen Beweistatsachen, die sich aus den wirtschaftlichen Interessen des Angeklagten S. an der Brandlegung herleiten, betreffen den Angeklagten A. nicht unmittelbar; sie sind daher ohne weitere Beweisanzeichen nicht dazu geeignet, den Angeklagten A. als unmittelbaren Täter der Inbrandsetzung zu überführen.
17
b) Die Verurteilung des Angeklagten S. ist – obwohl gewichtige Umstände für seine Tatbeteiligung sprechen – bereits deswegen aufzuheben , weil seine Mittäterschaft im Rahmen der Beweiswürdigung untrennbar aus dem Zusammenwirken mit dem Angeklagten A. hergeleitet wird, dessen Täterschaft indes nicht rechtsfehlerfrei begründet wurde.
18
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Raum Jäger Bellay Cirener Bär
19
1. Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2012 – 4 StR 599/11, Rn. 9; vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180).

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.