Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2015 - 4 StR 215/15

bei uns veröffentlicht am16.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR215/15
vom
16. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. März 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Die Strafbemessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen und dabei neben mehreren allgemeinen Milderungsgründen (keine Vorstrafen, geringe Beuteerwartung, alkoholbedingte Enthemmung) auch berücksichtigt , dass die Tat im Versuchsstadium steckengeblieben ist. Das Geständnis des Angeklagten und seinen Entschuldigungsversuch hat es erst bei der konkreten Strafbemessung in Ansatz gebracht.
4
Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Treffen – wie hier – allgemeine Milderungsgründe und ein vertypter Milderungsgrund zusammen , ist zunächst zu prüfen, ob allein die allgemeinen Milderungsgründe zur Annahme eines minder schweren Falls führen, da der vertypte Milderungsgrund dann für eine Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB noch nicht verbraucht ist. Erst wenn nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungstatsachen das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen ist, ist bei derweiter gehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, der gesetzlich vertypte Strafmilderungsgrund zusätzlich heranzuziehen (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 287/14, Rn. 13; Beschluss vom 9. Juni 2011 – 2 StR 143/11, Rn. 4 mwN). Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Der Umstand, dass das Geständnis des Angeklagten erst bei der konkreten Strafzumessung Berücksichtigung gefunden hat, lässt besorgen, dass eine Prüfung der Frage, ob bereits nach Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungstatsachen ein minder schwerer Fall zu bejahen ist, nicht stattgefunden hat.
5
2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer Prüfung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 3 StGB auf der Grundlage aller allgemeinen Strafzumessungstatsachen bereits einen minder schweren Fall angenommen und den Sonderstrafrahmen dann wegen des Vorliegens eines Versuchs nochmals gemildert hätte. Die weiter gehende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

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Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 3 StR 287/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 2 8 7 / 1 4 vom 8. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2011 - 2 StR 143/11

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 143/11 vom 9. Juni 2011 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Juni 2011 gemäß § 349

Referenzen

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

13
Nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minderschweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund im Sinne von § 49 StGB gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob ein minderschwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Milderungsgründe allein schon zur Annahme eines minderschweren Falls führen , da die vertypten Milderungsgründe dann für eine Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB noch nicht verbraucht sind. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungstatsachen das Vorliegen eines minderschweren Falles abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin die Annahme eines minderschweren Falles nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st.
4
Die Ausführungen lassen nicht erkennen, ob das Landgericht bedacht hat, dass beim Zusammentreffen allgemeiner und vertypter Milderungsgründe zunächst zu prüfen ist, ob die allgemeinen Milderungsgründe allein zur Annahme eines minderschweren Falls führen, da die vertypten Milderungsgründe dann für eine Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB nicht verbraucht sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 StR 450/06; BGHR StGB vor § 1/minderschwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollständige 11). Angesichts der vom Landgericht festgestellten zahlreichen, zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Umstände, die schon für sich genommen in dem vom Schuldumfang schwerwiegenderen Fall II.2.e) die Annahme eines minderschweren Falles begründen konnten, hätte sich die Annahme eines minderschweren Falles auch im Fall II.2.d) bereits ohne gleichzeitigen Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes aufgedrängt.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.