Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2000 - 4 StR 146/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall II 5 der Urteilsgründe der Bedrohung schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Vergewaltigung in vier Fällen und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsanordnung getroffen.Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit das Landgericht ihn in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe jeweils der Vergewaltigung und im Fall II 5 der Bedrohung für schuldig befunden hat. Dagegen beanstandet die Revision mit Erfolg, daß das Landgericht den Angeklagten im Fall II 5 darüber hinaus auch wegen - tateinheitlich begangener - versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen zog der Angeklagte im Rahmen eines Streites um das Besuchsrecht bei der gemeinsamen Tochter ein Bajonett aus der Scheide, "drückte die Spitze der ca. 20 cm langen Klinge fest gegen den Bauch der Zeugin Sandra Sch. und äußerte dabei, daß ... er die Zeugin ... umbringen werde" (UA 12/13); diese Handlung wiederholte er zweimal. Sandra Sch. spürte deutlich die Spitze der Bajonettklinge, verletzt wurde sie jedoch nicht. Nachdem ihr eine Freundin zur Hilfe gekommen war und den Angeklagten mit einem Messer verletzt hatte, gelang es ihr schließlich, diesen zu beruhigen. Aus diesem objektiven Geschehen allein kann nicht auf einen bedingten Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten, den dieser in Abrede gestellt hat (UA 17), geschlossen werden (vgl. auch BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 3). Die Tatsache, daß es trotz mehrmaligen Ansetzens der äußerst spitzen Bajonettklinge an den Körper Sandra Sch. s z u keiner Verletzung kam, spricht vielmehr eher dafür, daß der Angeklagte seine frühere Freundin nur
bedrohen, nicht aber verletzen wollte. Der Senat schließt aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen werden können; er ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab.
2. a) Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für den Fall II 5 verhängten Einzelstrafe.
b) Die für die vier Vergewaltigungstaten ausgesprochenen Einzelstrafen haben ebenfalls keinen Bestand. Das Landgericht hat diese Strafen jeweils dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen. Die Begründung, mit der die Strafkammer eine Ausnahme von der Regelwirkung dieser Vorschrift abgelehnt hat (UA 24/25), hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar gesehen, daß für die Prüfung der Frage, ob trotz Vorliegens eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall verneint werden kann, eine Gesamtwürdigung aller für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen ist. Es hat dann aber im Rahmen seiner Gesamtbetrachtung einen wesentlichen strafmildernden Gesichtspunkt nicht erwähnt, nämlich die mehrjährige intime Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten. Daher ist zu besorgen, daß der Tatrichter diesen wesentlichen Umstand (vgl. BGH NStZ 1982, 26; StV 1997, 634; 1998, 76), der im übrigen auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung für die Einzelstrafen unerwähnt geblieben ist, bei der Strafrahmenwahl nicht berücksichtigt hat. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei fehlerfreier Gesamtwürdigung besonders schwere Fälle bereits ohne Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB verneint und sich
dies auf die Strafhöhe ausgewirkt hätte, zumal in den Fällen II 1 und 2 der Urteilsgründe die Gewaltanwendung den unteren Bereich nicht überstieg. 3. Der Senat hebt den Strafausspruch insgesamt auf; die rechtsfehlerfrei getroffenen Anordnungen der Unterbringung nach § 64 StGB und der Einziehung bleiben bestehen. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung die straferschwerende Erwägung, "daß der Angeklagte seine eigenen Interessen massiv über die Belange der Zeugin gestellt" hat (UA 25), mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB unzulässig ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vergewaltigung 1, Sexualdelikte 4; BGH, Beschluß vom 30. Mai 2000 - 4 StR 80/00). Maatz Kuckein Athing Ernemann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.