Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2019 - 3 StR 46/19

bei uns veröffentlicht am06.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 46/19
vom
6. August 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
alias:
ECLI:DE:BGH:2019:060819B3STR46.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. August 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 23. November 2018 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht. Während die Verfahrensrüge nicht weiter ausgeführt ist und sich deshalb als unzulässig erweist (§ 344 Abs. 2 StPO), führt die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils zu dessen Aufhebung.
2
1. Das Landgericht ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:
3
Der Beschuldigte, der seit 2009 an einer Psychose leidet und Amphetamin und Cannabis konsumiert, beschloss, sich mit dem Verkauf von Betäubungsmitteln eine Einnahmequelle von einiger Dauer zu schaffen, um seinen Lebensunterhalt und seinen Eigenkonsum zu finanzieren. Zu diesem Zweck eröffnete er in seiner Wohnung einen sogenannten Coffee-Shop, in dem er ins- besondere Haschisch und Marihuana vorwiegend jüngeren Personen anbot. Vor diesem Hintergrund bewahrte er im Zeitraum zwischen dem 1. März 2018 und 14. April 2018 130 g Marihuana "durchschnittlicher Qualität" und 10 g Haschisch in seiner Wohnung auf, die zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren (Tat II. 1. der Urteilsgründe). Außerdem erwarb er an einem nicht festgestellten Tag vor dem 16. Mai 2018 40 g Cannabisblüten. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 16. Mai 2018 wurden eine Restmenge von 47,6 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 7,38 g THC sowie 9,8 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 0,99 g THC gefunden, die "überwiegend" für den Verkauf bestimmt waren (Tat II. 2. der Urteilsgründe). Zum Zeitpunkt dieser Taten, die die Strafkammer jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet hat, war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten nicht ausschließbar aufgehoben.
4
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hält die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Auch die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und "Betäubungsmittelutensilien" erweist sich als rechtsfehlerhaft.
5
a) Die Feststellungen zu den Anlasstaten belegen schon nicht, dass der Beschuldigte in zwei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb.
6
aa) Bei dem vom Landgericht angenommenen Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist es zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "in nicht geringer Menge" , durch das allein diese Vorschrift sich von der wesentlich milderen Norm des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG unterscheidet, erforderlich, die nicht geringe Menge durch Angabe des Wirkstoffgehalts des Betäubungsmittels genau, notfalls durch Schätzung unter Berücksichtigung des Zweifelsatzes, festzustellen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 15; Beschlüsse vom 18. März 1992 - 3 StR 40/92, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Nicht geringe Menge 7; vom 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16, StV 2017, 293).
7
bb) Dem werden die Feststellungen im Fall II. 1. der Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht teilt lediglich mit, dass die 130 g Haschisch von "mittlerer Qualität" gewesen seien. Die Menge des Wirkstoffgehalts ergibt sich daraus nicht. Auch im Fall II. 2. der Urteilsgründe belegen die Feststellungen den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht. Der Wirkstoffgehalt der am 16. Mai 2018 sichergestellten Betäubungsmittel betrug zwar 8,37 g THC, so dass der Beschuldigte eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln besaß. Da diese Menge aber lediglich "überwiegend" zum Verkauf bestimmt war, versteht sich angesichts der nur geringfügigen Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge von 7,5 g THC (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8) nicht von selbst, dass der Beschuldigte wenigstens eine Menge von 7,5 g THC zum Handeltreiben bestimmt hatte.
8
b) Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht festgestellt.
9
aa) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf - neben der höhergradigen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung erheblicher rechtswidriger Taten - nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Bege- hung der Anlasstaten schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dies setzt die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26 f.; Beschluss vom 6. Februar 1997 - 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 - 3 StR 407/15, NStZ 2016, 144 f.; Urteil vom 10. Januar 2019 - 1 StR 463/18, juris Rn. 15).
10
bb) Gemessen hieran ist nicht sicher festgestellt, dass der Beschuldigte schuldunfähig oder jedenfalls nur eingeschränkt schuldfähig war. Das Landgericht hat nach sachverständiger Beratung festgestellt, dass der Beschuldigte an einer psychotischen Störung leidet. Aufgrund dieser Erkrankung, die "mittlerweile" sämtliche Ebenen seines Denkens, Fühlens und Handelns erfasse, sei der Beschuldigte zu einer Realitätsprüfung nicht mehr in der Lage. Vielmehr sei er fest seinem Gedankengut verhaftet, dass der Besitz von Betäubungsmitteln frei und er zu deren Abgabe berechtigt sei. Deshalb hat das Landgericht - auch insoweit der Sachverständigen folgend - angenommen, dass der Beschuldigte zu den jeweiligen Tatzeitpunkten nicht ausschließbar unfähig gewesen sei, das Unrecht der Taten einzusehen.
11
Danach ist nicht festgestellt, dass die Unrechtseinsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Taten sicher aufgehoben war. Mit der Annahme, dass die Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Taten nicht ausschließbar aufgehoben war, ist die positive Feststellung zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit indes nicht verbunden. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat hier auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsfeststellungen nicht die Gewissheit gewinnen, dass die Strafkammer davon ausgegangen ist, der Beschuldigte habe über keinerlei Un- rechtsbewusstsein verfügt. Im Urteil wird vielmehr ausdrücklich mehrfach darauf verwiesen, dass das "völlig fehlende Unrechtsbewusstsein" des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Taten nicht auszuschließen sei (UA S. 14, 16). Dies genügt zur sicheren Feststellung der Schuldunfähigkeit nicht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 437/09, juris Rn. 3 f.; Urteil vom 25. Februar 2010 - 4 StR 596/09, juris Rn. 15; Beschluss vom 10. Februar 2005 - 3 StR 3/05, juris Rn. 3).
12
Sollte das Landgericht davon ausgegangen sein, die Fähigkeit des Beschuldigten , das Unrecht der Taten einzusehen, sei bei deren Begehung jedenfalls erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB), kann auch darauf die sichere Feststellung einer mangelnden oder eingeschränkten Schuldfähigkeit nicht gestützt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Täter trotz generell verminderter Einsichtsfähigkeit die Einsicht im konkreten Fall hatte oder nicht. Erkannte er das Unrecht seiner Tat, handelte er - unbeschadet seiner eingeschränkten Einsichtsfähigkeit - voll schuldhaft; im anderen Falle kann § 21 StGB, der insoweit nur eine Sonderregelung des Verbotsirrtums darstellt, dagegen nur angewendet werden, wenn dem Täter das Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, dass eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 529/65, BGHSt 21, 27, 28 f.; Beschluss vom 10. Februar 2005 - 3 StR 3/05, juris Rn. 3 mwN). Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht gestützt werden (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2005 - 3 StR 3/05, juris Rn. 3).
13
c) Schließlich hat auch die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und "Betäubungsmittelutensilien" keinen Bestand. Im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO können nur Maßregeln der Besserung und Sicherung an- geordnet werden. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen dagegen allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 435 StPO), wenn die Voraussetzungen des § 74b Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2016 - 4 StR 39/16, StraFo 2016, 256; vom 12. Dezember 2017 - 3 StR 558/17, NStZ 2018, 559 Rn. 3; vom 8. Februar 2018 - 3 StR 549/17, juris Rn. 13). Der insoweit gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderliche gesonderte Antrag ist nicht gestellt worden, so dass es für die Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt.
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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 407/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:101115B3STR407.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 19. Mai 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte im nicht näher eingrenzbaren Zeitraum zwischen Juni 2007 und August 2009 - zugunsten des Angeklagten angenommen: ausschließlich im August 2009 - den damals 13 Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin sexuell. Bei zwei Gelegenheiten übte er den Oralverkehr an dem Kind aus, zwei weitere Male onanierte er bei dem Jungen.
3
Das Landgericht hat - dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend - angenommen, der Angeklagte leide "unter einer schizoiden Persönlichkeitsstörung sowie einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Pädophilie". Aufgrund dessen sei "die Steuerungsfähigkeit … zum Zeitpunkt der Taten in erheblichem Maße vermindert" gewesen (UA S. 5). Es war außerdem davon überzeugt, dass beim Angeklagten ein "sehr hohes Risiko für künftige Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern" bestehe (UA S. 13).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13, juris Rn. 5; vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
6
b) Durch die angefochtene Entscheidung wird bereits die vom Landgericht angenommene erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung nicht belegt.
7
Die Feststellungen beschränken sich auf die Benennung der beiden als gegeben angesehenen Diagnosen. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird das Gutachten des Sachverständigen referiert. Danach bestehe beim Angeklagten eine "Pädophilie des nicht ausschließlichen Typs". Der von ihr ausgehende Drang, sexuelle Kontakte zu Kindern zu finden, führe allein noch nicht zu einer erheblichen psychopathologischen Beeinträchtigung. Diese ergebe sich erst aus dem Zusammentreffen mit der bei dem Angeklagten bestehenden schizoiden Persönlichkeitsstörung, gekennzeichnet durch "emotionale Kälte, Distanziertheit und eingeschränkte Affektivität mit Beeinträchtigung der emotionalen Schwingungsfähigkeit sowie eingeschränkte Empathiefähigkeit".
8
Mit diesen im Allgemeinen verbleibenden Darlegungen ist nicht ausreichend erklärt, dass sich der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat in einem Zustand gesichert eingeschränkter Schuldfähigkeit befand.

9
Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Diagnose einer Pädophilie für sich genommen kaum Aussagekraft für das Vorliegen des vierten Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB ("schwere andere seelische Abartigkeit") und erst recht nicht für die Überzeugung von einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2004 - 4 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 201; Urteil vom 10. März 2004 - 4 StR 563/03, StV 2005, 20; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8 (nur Ls)). Steht für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund, muss diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt, sondern bei der Begehung der Sexualtaten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus handelt. Die Steuerungsfähigkeit kann demzufolge etwa dann beeinträchtigt sein, wenn die abweichenden Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau von Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnet (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305).
10
Dass diese Voraussetzung vorliegend durch das Hinzutreten einer schizoiden Persönlichkeitsstörung geschaffen worden sind, ist nicht dargetan. Auch hier gilt, dass die klinische Diagnose nicht automatisch mit dem juristischen Begriff der schweren anderen seelischen Abartigkeit gleichgesetzt werden darf. Nur wenn die durch die typischerweise in der Jugendzeit auftretende, sich zunehmend entwickelnde Persönlichkeitsstörung hervorgerufenen Leistungseinbußen mit den Defiziten vergleichbar sind, die im Gefolge forensisch relevanter krankhafter seelischer Verfassungen auftreten, kann von einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gesprochen werden (vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 169; BGH, Beschluss vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Beschluss vom 18. Januar 2005 - 4 StR 532/04, NStZ-RR 2005, 137, 138; Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 348/05, NStZ-RR 2006, 199). Dass der Angeklagte aufgrund dieses Störungsbildes aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2006 - 2 StR 210/06, juris Rn. 7), ist nicht festgestellt.
11
c) Eine zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten ist ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Das Landgericht hat sich auch insoweit dem Sachverständigen angeschlossen, der ausgehend vom Punktwert, den der Angeklagte bei dem Prognoseinstrument Stable-2007 erreicht habe, ein sehr hohes Risiko für den Anlassdelikten vergleichbare Sexualstraftaten angenommen hat, was auch "dem eigenen klinischen Eindruck des Sachverständigen entspreche". Der Angeklagte , der seine sexuelle Devianz "bislang nicht aufgearbeitet" habe, könne aufgrund der schizoiden Persönlichkeitsstörung Hemmungen gegenüber Sexualstraftaten "jederzeit überwinden".
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prognose zukünftigen Verhaltens einseitig das Ergebnis des vom Sachverständigen genutzten statistischen Prognoseinstruments in den Blick genommen und dabei außer Acht gelassen hat, dass solche Instrumente zwar Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, indes nicht in der Lage sind, eine fundierte Einzelbetrachtung zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 311/13, NStZ-RR 2014, 42 mwN). Eine solche individuelle Beurteilung kann sich nicht in dem Hinweis auf den "klinischen Eindruck des Sachverständigen" erschöpfen. Sie muss dieses aus der Person fol- gende Risikobild näher darlegen und sich vorliegend u.a. auch mit dem Umstand auseinandersetzen, dass, was angesichts der Unsicherheiten bezüglich der Tatzeitpunkte zu berücksichtigen ist, die Taten möglicherweise acht Jahre zurückliegen oder zwischen ihnen und den - nicht näher geschilderten, mit einer Bewährungsstrafe geahndeten - Vortaten eine Zeitspanne von mehr als fünf Jahren besteht (zu dem Zeitraum straffreien Verhaltens als Prognosegesichtspunkt vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - 5 StR 602/13, StV 2015, 218, 219; Beschluss vom 12. März 2014 - 2 StR 604/13, juris Rn. 7; Urteil vom 10. Dezember 2014 - 2 StR 170/14, NStZ-RR 2015, 72, 73).
13
3. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals entschieden werden. Der Schuld- und der Strafausspruch werden davon nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass eine erneute Verhandlung zur Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten führen wird. Durch die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung ist der Angeklagte nicht beschwert.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
15
a) Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Satz 1 StGB kommt als außerordentlich beschwerende Maßnahme nur dann in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18, NStZ-RR 2019, 41, 42; vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18, Rn. 12 und vom 10. April 2014 – 4 StR 47/14, Rn. 14; Beschlüsse vom 31. Oktober 2018 – 3 StR 432/18, Rn. 6 und vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338, jeweils mwN). Zudem ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung solcher Taten erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2018 – 1 StR 36/18, Rn. 25 und vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN; Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 618/16, Rn. 9 [insoweit nicht abgedruckt in BGHR StGB § 63 Beweiswürdigung 2]). Die zu stellende Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18, aaO; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2013, 424], jeweils mwN).
3
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die Überzeugung gewonnen , dass der Angeklagte an einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung mit hypomanischen, paranoiden, narzisstischen, schizothymen und histrionischen Anteilen leidet. Infolge dieser Erkrankung unterliegt der Angeklagte periodisch Realitätsverzerrungen, Identitätsverkennungen, dem Verlust der affektiven Verhaltenskontrolle, Impulskontrollstörungen, sozialen Anpassungsstörungen und überwertigen wahnähnlichen Kognitionen [UA 7]. Davon ausgehend hat das Landgericht - auch insoweit den Sachverständigen folgend - angenommen, dass dem Angeklagten zum Zeitpunkt der sämtlich gegen seine Ehefrau gerichteten Taten die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht nicht ausschließbar gefehlt habe [UA 7, 12].
15
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt voraus, dass die Voraussetzungen des § 20 StGB oder die des § 21 StGB zweifelsfrei festgestellt sind (vgl. Senat, Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86; Fischer StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 11 m.w.N.). Auf die Feststellung, dass eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen sei, kann die Anordnung der Maßregel nicht gestützt werden, weil damit weder die Voraussetzungen des § 20 StGB noch die des § 21 StGB festgestellt sind, denn eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - 4 StR 437/09; Fischer aaO, jew. m.w.N.). Ist das nicht der Fall, wird der neue Tatrichter, sofern die paranoide Schizophrenie des Angeklagten zur Tatzeit virulent war, auch die Frage einer (sicheren) erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zu prüfen haben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 3/05
vom
10. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. Februar 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. September 2004 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Unterbringung des Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus,
der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26; 42, 385). Daß diese Voraussetzung gegeben ist, wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Das Landgericht hat nach sachverständiger Beratung festgestellt, daß der Angeklagte an einer Schizophrenie leidet. Es hat "nicht auszuschließen" vermocht, daß dessen "Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat völlig aufgehoben war" (UA S. 10). Mit dieser unter Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten zustande gekommenen Annahme ist die positive Feststellung zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit nicht verbunden. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat hier auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsfeststellungen nicht die Gewißheit gewinnen, daß der sichere Bereich des § 21 StGB vorgelegen hat und eine dauerhafte krankhafte seelische Störung des Angeklagten gegeben ist, die ursächlich für die Anlaßtat war. Die bloße Feststellung, beim Angeklagten sei die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, bei Begehung der Tat erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB), sagt über die Schuldfähigkeit noch nichts Entscheidendes aus. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Täter trotz generell verminderter Einsichtsfähigkeit die Einsicht im konkreten Fall hatte oder nicht. Erkannte er das Unrecht seiner Tat, handelte er - unbeschadet seiner eingeschränkten Einsichtsfähigkeit im allgemeinen - voll schuldhaft; im anderen Falle kann § 21 StGB, der insoweit nur eine Sonderregelung des Verbotsirrtums bedeutet, dagegen nur angewendet werden, wenn dem Täter das Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 21, 27, 28; BGH NStZ 1985, 309; 1986, 264;
BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 1 bis 5; vgl. BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2; BGH NStZ-RR 1999, 207). Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht gestützt werden (BGH NStZ-RR 2004, 201).
Über die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit und die Anordnung der Maßregel ist neu zu entscheiden.
2. Soweit sich die Revision gegen die Feststellung richtet, daß der Angeklagte den Brand rechtswidrig i. S. v. § 63 StGB (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 30) verursacht hat, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Der Senat hat deshalb die Feststellungen zur Verursachung des Brandes durch den Angeklagten aufrechterhalten und die Revision insoweit verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlaß zu folgenden Hinweisen :
Nachdem nur der Angeklagte Revision eingelegt hat und der Freispruch durch die Staatsanwaltschaft nicht angefochten worden ist, scheidet eine Bestrafung des Angeklagten auch für den Fall aus, daß der neue Tatrichter von der Schuldfähigkeit des Angeklagten überzeugt wäre. Wenn er sich nicht positiv überzeugen könnte, daß eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen hat, verbliebe es allein bei dem Freispruch.
Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte aufgrund seiner Schizophrenie die wahnhafte Vorstellung, er müsse seine handschriftlichen
Notizen über von ihm durchgeführte mathematische Berechnungen jeweils durch Verbrennen vernichten, damit sie nicht in falsche Hände gerieten. Deshalb hatte er schon seit Jahren immer wieder kleine Zettel in einem Kamin oder in einer Blechdose verbrannt, ohne daß es - soweit erkennbar - zu einem Brand gekommen war. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung kommen, daß der Angeklagten trotz seiner Erkrankung das Unrecht seiner Tat, nämlich den unvorsichtigen Umgang mit Feuer, erkannte, wird er den Einfluß der Erkrankung auf die Steuerungsfähigkeit zu prüfen haben.
Die Unterbringung nach § 63 StGB setzt neben der positiven Feststellung einer auf einem länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt beruhenden Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) voraus, daß die unterzubringende Person eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, d. h. mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Schließlich muß die Gesamtwürdigung von Tat und Täter ergeben, daß - aufgrund des zur Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderten Schuldfähigkeit führenden Zustandes - eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht (st. Rspr.; z. B. BGH NStZRR 2003, 232 m. w. N.). Es wäre deshalb eine über die bisherigen Ausführungen
(UA S. 11 unten) hinausgehende Darlegung erforderlich, daß die wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten auch zukünftig einen unvorsichtigen Umgang mit Feuer wahrscheinlich machen.
VRiBGH Dr. Tolksdorf ist urlaubsbe- Winkler Pfister
dingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Winkler von Lienen Hubert

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 3/05
vom
10. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. Februar 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. September 2004 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Unterbringung des Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus,
der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26; 42, 385). Daß diese Voraussetzung gegeben ist, wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Das Landgericht hat nach sachverständiger Beratung festgestellt, daß der Angeklagte an einer Schizophrenie leidet. Es hat "nicht auszuschließen" vermocht, daß dessen "Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat völlig aufgehoben war" (UA S. 10). Mit dieser unter Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten zustande gekommenen Annahme ist die positive Feststellung zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit nicht verbunden. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat hier auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsfeststellungen nicht die Gewißheit gewinnen, daß der sichere Bereich des § 21 StGB vorgelegen hat und eine dauerhafte krankhafte seelische Störung des Angeklagten gegeben ist, die ursächlich für die Anlaßtat war. Die bloße Feststellung, beim Angeklagten sei die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, bei Begehung der Tat erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB), sagt über die Schuldfähigkeit noch nichts Entscheidendes aus. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Täter trotz generell verminderter Einsichtsfähigkeit die Einsicht im konkreten Fall hatte oder nicht. Erkannte er das Unrecht seiner Tat, handelte er - unbeschadet seiner eingeschränkten Einsichtsfähigkeit im allgemeinen - voll schuldhaft; im anderen Falle kann § 21 StGB, der insoweit nur eine Sonderregelung des Verbotsirrtums bedeutet, dagegen nur angewendet werden, wenn dem Täter das Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 21, 27, 28; BGH NStZ 1985, 309; 1986, 264;
BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 1 bis 5; vgl. BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2; BGH NStZ-RR 1999, 207). Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht gestützt werden (BGH NStZ-RR 2004, 201).
Über die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit und die Anordnung der Maßregel ist neu zu entscheiden.
2. Soweit sich die Revision gegen die Feststellung richtet, daß der Angeklagte den Brand rechtswidrig i. S. v. § 63 StGB (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 30) verursacht hat, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Der Senat hat deshalb die Feststellungen zur Verursachung des Brandes durch den Angeklagten aufrechterhalten und die Revision insoweit verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlaß zu folgenden Hinweisen :
Nachdem nur der Angeklagte Revision eingelegt hat und der Freispruch durch die Staatsanwaltschaft nicht angefochten worden ist, scheidet eine Bestrafung des Angeklagten auch für den Fall aus, daß der neue Tatrichter von der Schuldfähigkeit des Angeklagten überzeugt wäre. Wenn er sich nicht positiv überzeugen könnte, daß eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen hat, verbliebe es allein bei dem Freispruch.
Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte aufgrund seiner Schizophrenie die wahnhafte Vorstellung, er müsse seine handschriftlichen
Notizen über von ihm durchgeführte mathematische Berechnungen jeweils durch Verbrennen vernichten, damit sie nicht in falsche Hände gerieten. Deshalb hatte er schon seit Jahren immer wieder kleine Zettel in einem Kamin oder in einer Blechdose verbrannt, ohne daß es - soweit erkennbar - zu einem Brand gekommen war. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung kommen, daß der Angeklagten trotz seiner Erkrankung das Unrecht seiner Tat, nämlich den unvorsichtigen Umgang mit Feuer, erkannte, wird er den Einfluß der Erkrankung auf die Steuerungsfähigkeit zu prüfen haben.
Die Unterbringung nach § 63 StGB setzt neben der positiven Feststellung einer auf einem länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt beruhenden Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) voraus, daß die unterzubringende Person eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, d. h. mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Schließlich muß die Gesamtwürdigung von Tat und Täter ergeben, daß - aufgrund des zur Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderten Schuldfähigkeit führenden Zustandes - eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht (st. Rspr.; z. B. BGH NStZRR 2003, 232 m. w. N.). Es wäre deshalb eine über die bisherigen Ausführungen
(UA S. 11 unten) hinausgehende Darlegung erforderlich, daß die wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten auch zukünftig einen unvorsichtigen Umgang mit Feuer wahrscheinlich machen.
VRiBGH Dr. Tolksdorf ist urlaubsbe- Winkler Pfister
dingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Winkler von Lienen Hubert

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 3/05
vom
10. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. Februar 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. September 2004 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Unterbringung des Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus,
der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26; 42, 385). Daß diese Voraussetzung gegeben ist, wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Das Landgericht hat nach sachverständiger Beratung festgestellt, daß der Angeklagte an einer Schizophrenie leidet. Es hat "nicht auszuschließen" vermocht, daß dessen "Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat völlig aufgehoben war" (UA S. 10). Mit dieser unter Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten zustande gekommenen Annahme ist die positive Feststellung zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit nicht verbunden. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat hier auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsfeststellungen nicht die Gewißheit gewinnen, daß der sichere Bereich des § 21 StGB vorgelegen hat und eine dauerhafte krankhafte seelische Störung des Angeklagten gegeben ist, die ursächlich für die Anlaßtat war. Die bloße Feststellung, beim Angeklagten sei die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, bei Begehung der Tat erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB), sagt über die Schuldfähigkeit noch nichts Entscheidendes aus. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Täter trotz generell verminderter Einsichtsfähigkeit die Einsicht im konkreten Fall hatte oder nicht. Erkannte er das Unrecht seiner Tat, handelte er - unbeschadet seiner eingeschränkten Einsichtsfähigkeit im allgemeinen - voll schuldhaft; im anderen Falle kann § 21 StGB, der insoweit nur eine Sonderregelung des Verbotsirrtums bedeutet, dagegen nur angewendet werden, wenn dem Täter das Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 21, 27, 28; BGH NStZ 1985, 309; 1986, 264;
BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 1 bis 5; vgl. BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2; BGH NStZ-RR 1999, 207). Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht gestützt werden (BGH NStZ-RR 2004, 201).
Über die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit und die Anordnung der Maßregel ist neu zu entscheiden.
2. Soweit sich die Revision gegen die Feststellung richtet, daß der Angeklagte den Brand rechtswidrig i. S. v. § 63 StGB (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 30) verursacht hat, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Der Senat hat deshalb die Feststellungen zur Verursachung des Brandes durch den Angeklagten aufrechterhalten und die Revision insoweit verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlaß zu folgenden Hinweisen :
Nachdem nur der Angeklagte Revision eingelegt hat und der Freispruch durch die Staatsanwaltschaft nicht angefochten worden ist, scheidet eine Bestrafung des Angeklagten auch für den Fall aus, daß der neue Tatrichter von der Schuldfähigkeit des Angeklagten überzeugt wäre. Wenn er sich nicht positiv überzeugen könnte, daß eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen hat, verbliebe es allein bei dem Freispruch.
Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte aufgrund seiner Schizophrenie die wahnhafte Vorstellung, er müsse seine handschriftlichen
Notizen über von ihm durchgeführte mathematische Berechnungen jeweils durch Verbrennen vernichten, damit sie nicht in falsche Hände gerieten. Deshalb hatte er schon seit Jahren immer wieder kleine Zettel in einem Kamin oder in einer Blechdose verbrannt, ohne daß es - soweit erkennbar - zu einem Brand gekommen war. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung kommen, daß der Angeklagten trotz seiner Erkrankung das Unrecht seiner Tat, nämlich den unvorsichtigen Umgang mit Feuer, erkannte, wird er den Einfluß der Erkrankung auf die Steuerungsfähigkeit zu prüfen haben.
Die Unterbringung nach § 63 StGB setzt neben der positiven Feststellung einer auf einem länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt beruhenden Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) voraus, daß die unterzubringende Person eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, d. h. mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Schließlich muß die Gesamtwürdigung von Tat und Täter ergeben, daß - aufgrund des zur Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderten Schuldfähigkeit führenden Zustandes - eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht (st. Rspr.; z. B. BGH NStZRR 2003, 232 m. w. N.). Es wäre deshalb eine über die bisherigen Ausführungen
(UA S. 11 unten) hinausgehende Darlegung erforderlich, daß die wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten auch zukünftig einen unvorsichtigen Umgang mit Feuer wahrscheinlich machen.
VRiBGH Dr. Tolksdorf ist urlaubsbe- Winkler Pfister
dingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Winkler von Lienen Hubert

Führt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durch, so kann sie den Antrag stellen, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie als Nebenfolge die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig ist und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist (Sicherungsverfahren).

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn

1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder
2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.

(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn

1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte
a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.
Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 39/16
vom
16. März 2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
alias:
ECLI:DE:BGH:2016:160316B4STR39.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Nr. 1 a) auf dessen Antrag, und des Beschwerdeführers am 16. März 2016 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Oktober 2015 wird
a) das Verfahren im Fall II.9. der Urteilsgründe (Nr. 9 der Antragsschrift vom 3. August 2015) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; die Einziehungsentscheidung entfällt. 2. Die weiter gehende Revision des Beschuldigten wird verworfen. 3. Der Beschuldigte trägt die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und einen Ge- genstand eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten.
2
Der Senat stellt das Verfahren im Fall II.9. der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil nach Aktenlage nicht abschließend beurteilt werden kann, ob in diesem Fall ein nach § 77 Abs. 3 StGB wirksamer Strafantrag vorliegt.
3
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im Maßregelausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Dagegen hat die getroffene Einziehungsentscheidung keinen Bestand. Die selbständige Einziehung eines Gegenstandes gemäß § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB ist nicht im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO, sondern nur im selbständigen Einziehungsverfahren gemäß § 440 Abs. 1 StPO möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 – 3 StR 405/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 69; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08; Rosenau in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 413 Rn. 2). Da der nach § 440 Abs. 1 StPO erforderliche gesonderte Antrag nicht gestellt worden ist, fehlt es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung.
4
Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschuldigten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender
3
Im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO können nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern dagegen allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO aF bzw. nunmehr § 435 StPO nF), wenn die Voraussetzungen des § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB aF bzw. nunmehr § 76a Abs. 1 Satz 1, 2 StGB nF vorliegen (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03, juris Rn. 11; vom 16. März 2016 - 4 StR 39/16, juris Rn. 3). Der insoweit gemäß § 440 Abs. 1 StPO aF bzw. § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO nF erforderliche gesonderte Antrag ist nicht gestellt worden, so dass es für die Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt.
13
3. Schließlich kann auch die Einziehung des Messers und der Schere keinen Bestand haben. Im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO können nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen dagegen allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO aF bzw. nunmehr § 435 StPO nF), wenn die Voraussetzungen des § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB aF bzw. nunmehr § 76a Abs. 1 Satz 1, 2 StGB nF vorliegen (BGH, Beschlüsse vom 16. März 2016 - 4 StR 39/16, StraFo 2016, 256; vom 12. Dezember 2017 - 3 StR 558/17, juris Rn. 3). Der insoweit gemäß § 440 Abs. 1 StPO aF bzw. § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO nF erforderliche gesonderte Antrag ist nicht gestellt worden, so dass es für die Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt.

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.