Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2011 - 3 StR 251/11

bei uns veröffentlicht am18.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 251/11
vom
18. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. August 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. März 2011
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren Raubes schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer räuberischer Erpressung" zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und be- anstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen schwerer räuberischer Erpressung hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu dargelegt: "Die sachlich-rechtliche Überprüfung führt zur Änderung des Schuldspruches dahingehend, dass der Angeklagte des schweren Raubes schuldig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfolgt die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat, nämlich danach, ob der Täter eine fremde bewegliche Sache wegnimmt oder das Opfer sie ihm übergibt (BGHSt 14, 386, 390; 25, 225, 228; 41, 123, 124; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 255 Rn. 3 mwN). Vorliegend hat der Angeklagte nach den Feststellungen sowohl das Geld als auch den Schmuck selber weggenommen (UA S. 10). Daran ändert auch nichts, dass die Zeugin W. den Öffnungsmechanismus der Kasse betätigte, bevor der Angeklagte in die Kasse griff (UA S. 10), weil der Einsatz des Nötigungsmittels ausweislich der Urteilsgründe nicht zu einer Gewahrsamsübertragung durch den Genötigten führte, sondern der Angeklagte hierdurch lediglich die Möglichkeit zum Gewahrsamsbruch erlangte (BGH NStZ 2006, 38; Fischer aaO). Die Schuldspruchänderung lässt den Strafausspruch unberührt, da schwerer Raub und schwere räuberische Erpressung denselben Strafrahmen aufweisen und die Schuldspruchänderung vorliegend den Unrechtsgehalt der Tat unberührt lässt."
3
Dem schließt sich der Senat an. § 265 StPO steht der Abänderung des Schuldspruchs schon deshalb nicht entgegen, weil sich der Angeklagte dem Eröffnungsbeschluss entsprechend gegen den Vorwurf des schweren Raubes zu verteidigen hatte und das Landgericht erst im Urteil zu einer abweichenden Bewertung gelangt ist.
4
2. Keinen Bestand hat das Urteil auch, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Insoweit hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: "Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht jedoch die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB nicht geprüft, obwohl sich dies nach den Fallumständen aufdrängte. Ausweislich der Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in erheblichem Maße … Kokain (UA S. 8); darüber hinaus wollte ermit der aus dem Überfall erlangten Beute auch seinen Drogenkonsum finanzieren (UA S. 9). Danach war es nicht fernliegend, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorliegen können. Das Urteil unterliegt daher mit den zugehörigen Feststellungen insoweit der Aufhebung. Der Senat wird jedoch ausschließen können, dass der Strafausspruch hiervon berührt ist."
5
Ergänzend hierzu bemerkt der Senat:
6
Der Umstand, dass die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt den Angeklagten nicht beschwert, hindert das Revisionsgericht nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362) - Revision des Angeklagten das Urteil insoweit aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08, BGHR StGB § 64 Ablehnung 11 mwN). Die Nachholung der Unterbringungsanordnung ist nicht deshalb ausgeschlossen , weil allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Über die Maßregelanordnung ist daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) neu zu entscheiden.
Schäfer Pfister von Lienen
Mayer Menges

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Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
4
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
5
Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu § 64 StGB ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt Folgendes:
6
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5, 7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar 2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08; Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November 2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen, auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978, 245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt, auf die Sachrüge in den Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37,

5).


7
An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht an.
8
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
9
Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn - wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jah- re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.