Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 5 StR 264/19

bei uns veröffentlicht am25.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 264/19
vom
25. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:250919B5STR264.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22. Februar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten (unerlaubten) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen trat der gesondert verfolgte S. an den Angeklagten heran, der infolge seiner Betäubungsmittelabhängigkeit beträchtliche Schulden hatte und deswegen erheblich unter Druck gesetzt wurde, und bot ihm an, seine Probleme „wegzumachen“. Der Angeklagte müsse lediglich eine andere Person in den Hafen begleiten und tun, was sie sage. Worum es gehe, werde er noch erfahren. Obgleich dem Angeklagten bewusst war, dass es sich um eine illegale Tätigkeit handeln sollte, willigte er ein, da er in dem Angebot einen Ausweg aus seiner Schuldenproblematik sah.
3
Am Tattag beorderte ihn ein Unbekannter telefonisch in die Nähe des Hafengebietes von , wo er abgeholt würde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste der Angeklagte, dass er größere Mengen Betäubungsmittel aus dem Freihafen holen sollte. Entsprechend der erhaltenen Anweisung traf er mit dem gesondert verfolgten D. zusammen. In dessen PKW begleitete er ihn in das Gebiet des Freihafens, wo sich der gesondert Verfolgte zu einem kurz zuvor gelöschten aus stammenden Container begab. D. ging davon aus, dass in dem Kühlaggregat des Containers Pakete mit Kokain verborgen wären. Er wies den Angeklagten an auszusteigen und aufzupassen, während er selbst dem Kühlaggregat die Pakete entnahm. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte verstauten diese in Sporttaschen, die sie in den Kofferraum des PKW verluden. Tatsächlich war das in dem Container versteckte Kokaingemisch mit einem Gewicht von insgesamt rund 48 kg (Wirkstoffgehalt zwischen etwa 80 % und 83 %) bereits in durch Zollmitarbeiter gegen Paniermehl ausgetauscht worden, nachdem die Besatzung des Containerschiffs das Kokain infolge einer Störungsmeldung des Kühlaggregats auf See entdeckt hatte. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte, dessen PKW bereits seit seiner Einfahrt in den Hafenbereich von Polizeikräften observiert worden war, wurden nach Verlassen des Freihafengeländes festgenommen.
4
2. Die Entscheidung, den Angeklagten nicht in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, ist rechtsfehlerhaft.
5
a) Die Strafkammer geht aufgrund der von ihr als glaubhaft erachteten Angaben des Angeklagten zu seinem jahrelangen, in der Zeit vor der Tat erheblichen (täglich 10 bis 15 g) Cannabis- und gelegentlichen Kokainkonsum zwar davon aus, dass er „betäubungsmittelabhängig“ ist und dieTat begangen hat, um sich von seinen drückenden Schulden aus Drogenkäufen zu befreien. Sie meint jedoch, dass seine Abhängigkeit nicht das Ausmaß eines Hanges im Sinne des § 64 StGB erreiche. Gegen einen hierfür erforderlichen Rauschmittel- konsum „im Übermaß“ spreche, dass Beeinträchtigungen der Gesundheit, Ar- beits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten nicht bekannt geworden seien (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2002 – 1 StR 382/02, NStZ-RR 2003, 106, 107). Insbesondere sei er über Jahre einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgegangen und sogar am Tattag noch „auf Montage“ gewesen.
6
b) Das Landgericht hat bei der Feststellung eines Hanges einen verkürzten Maßstab angelegt.
7
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren. Schon die von der Strafkammer auf der Grundlage der Feststellungen, allerdings ohne Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen, angenommene Betäubungsmittelabhängigkeit legt die Annahme nahe, dass der Angeklagte eine solche Neigung hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 5 StR 613/17). Jedenfalls ist ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 5 StR 427/18, StV 2019, 261 red. Leitsatz). Auf das Bestehen einer solchen Gefährdung und Gefährlichkeit des Angeklagten weisen bereits seine beiden Vorstrafen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und seine Verstrickung in Schulden aus Betäubungsmittelkäufen hin, die ihn in erhebliche Bedrängnis brachten und ihn zur Begehung der Tat veranlassten.
8
3. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
9
Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, da der Senat ausschließt , dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Mutzbauer Schneider Berger Mosbacher Köhler

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 382/02
vom
6. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2002 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bamberg vom 28. Mai 2002 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und weiterer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hat einmal 5 g und einmal 170 g Heroin erworben, das er vorgefaßter Absicht gemäß zum Teil in kleinen Portionen gewinnbringend weiterverkauft und zum Teil zum Eigenbedarf verwendet hat. Ein nicht unerheblicher Teil der 170 g Heroin konnte sichergestellt werden. Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
Hinsichtlich des Schuldspruchs und des Strafausspruchs nimmt der Se- nat auf die Ausführungen im Antrag des Generalbundesanwalts vom 19. September 2002 Bezug, die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) vom 18. Oktober 2002 nicht entkräftet werden.

II.

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Urteil aufzuheben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Der Senat vermag diesem Antrag nicht zu entsprechen. 1. Die Revision erwähnt § 64 StGB nicht. Ob dies in einer Gesamtschau mit ihrem übrigen Vorbringen ergibt, daß die Nichtanwendung von § 64 StGB wirksam vom Rechtsmittelangriff ausgenommen ist (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 10 m.w.N.; die im übrigen uneingeschränkte Anfechtung des Urteils stünde dem nicht entgegen, vgl. BGH, Beschluß vom 27. März 2000 - 1 StR 87/00; Beschluß vom 6. Mai 1998 - 5 StR 53/98 m.w.N.), kann aber offen bleiben. Unabhängig davon kann der Senat den Urteilsgründen nämlich nicht entnehmen , daß eine neue Verhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Unterbringungsanordnung führen wird (vgl. BGHSt 37, 5, 9): 2. Der Angeklagte, der im Jahre 2000 mit dem Heroinkonsum begann, hat keine "offenen Angaben" zum Umfang seines Drogenkonsums gemacht, an anderer Stelle bezeichnet die Kammer seine Angaben hierzu sogar als nicht nachvollziehbar. Er hat "mehrfach angegeben, daß er nicht sagen könne, wieviel er genommen habe"; erst auf "mehrmaliges Nachfragen ... hat er schließ-
lich gemeint", er habe zwar nicht jeden Tag Heroin konsumiert, aber "an manchen Tagen bis zu drei Gramm gespritzt". Dabei hat er "keine typischen Suchtsymptome geschildert". Zu den Wirkungen des Rauschgiftkonsums beim Angeklagten hat die Strafkammer festgestellt, daß er seine Arbeitsleistung - er war bei einer Straßenbaufirma für einen Nettomonatslohn von 3.000 DM beschäftigt - "durchgehend zur vollen Zufriedenheit seines Arbeitgebers erbracht hat". Ebenso ist er "seiner Rolle als Familienvater uneingeschränkt nachgekommen". Insgesamt hat er "sein Leben ohne jegliche Einschränkung im Alltag" geführt. Nach seiner Festnahme sind beim Angeklagten Entzugserscheinungen aufgetreten, wobei der Angeklagte hierzu zunächst nur angegeben hat, er sei "krank" gewesen. Erst auf "mehrfache Nachfrage" hat er die Symptomatik dahin konkretisiert, daß er "Knochenschmerzen und Schlafstörungen" gehabt habe, die aber aufgrund dreiwöchiger ärztlicher Behandlung nach sechs Wochen verschwunden seien. Außerdem hat der Angeklagte infolge seines Drogenkonsums noch einen Leberschaden. Worauf sich diese Annahme stützt, ist unklar, aus den Angaben des Angeklagten ergibt sich dies nicht, andere Erkenntnisquellen sind nicht mitgeteilt. Ebensowenig wird die Schwere dieser Erkrankung deutlich, jedoch spricht der Hinweis, daß "sonst keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen" nicht für eine sehr schwerwiegende Erkrankung. 3. Voraussetzung für eine Unterbringung gemäß § 64 ist (unter anderem ) ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muß (vgl. nur BGHSt StGB §
64 Abs. 1 Hang 5; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297; Hanack in LK 11. Aufl. § 64 Rdn. 40 jew. m.w.N.). "Im Übermaß" bedeutet, daß der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, daß seine Gesundheit, Arbeits - und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (Körner aaO; Hanack aaO Rdn. 44 m.w.N. in Fußn. 12). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch die unterbliebene Erörterung einer Unterbringung bei einem Täter gebilligt, bei dem zwar "eine Tendenz zum Betäubungsmittelmißbrauch ... jedoch keine Depravation und erhebliche Persönlichkeitsstörung" vorlag (BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 1). Angesichts der genannten Feststellungen zu den Auswirkungen des Rauschgiftkonsums auf Sozialverhalten und Gesundheit des Angeklagten liegt nach alledem die Annahme eines Hangs i.S.d. § 64 StGB beim Angeklagten nicht nahe. 4. Allerdings ist die Strafkammer, im wesentlichen gestützt auf die genannten Angaben des Angeklagten, letztlich davon ausgegangen, daß der Weiterverkauf "auch der Finanzierung der eigenen Sucht dienen sollte" und hat dies dem Angeklagten strafmildernd angerechnet. Unter den hier gegebenen Umständen beruht diese Annahme (allenfalls) auf der Grundlage des Zweifelssatzes. Hierfür spricht schon die Bewertung der letztlich doch den Feststellungen zugrundegelegten Angaben als "nicht offen". Erhärtet wird diese Annahme dadurch, daß auch die Feststellungen der Strafkammer dazu, in welchem Umfang der Angeklagte das von ihm erworbene Heroin (nicht weiterverkauft sondern) selbst verbraucht hat, ausdrücklich auf der Anwendung des Zweifelssatzes beruhen.
Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 64 StGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn das Vorliegen eins Hangs sicher ("positiv") festgestellt ist. Kommt das Gericht jedoch, wie erkennbar hier, lediglich zu dem Ergebnis, ein Hang sei als Grundlage der Tat nicht auszuschließen, so ist für eine Unterbringung kein Raum (BGH, Beschluß vom 6. Juli 1983 - 2 StR 334/83; Körner aaO). 5. Der Senat ist nicht gehindert, gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu entscheiden. Der Aufhebungsantrag hinsichtlich der Entscheidung über eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB wirkt zu Lasten und nicht zu Gunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3; BGH NStZ-RR 1998, 142; BGH, Beschluß vom 4. April 2000 - 5 StR 94/00). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 613/17
vom
9. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:090118B5STR613.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. August 2017
a) im Fall II.3 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last,
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln entfällt,
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwanzig Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision ist teilweise begründet.
2
1. Mit der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.3 hat das Landgericht nicht ausschließbar gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) verstoßen. Die Feststellungen zum Ankauf von Haschisch und Kokain für den Weiterverkauf in den Fällen II.1 und 2 in Verbindung mit den Feststellungen zur Sicherstellung derartiger Betäubungsmittel im Fall II.3 legen nahe, dass die aufgefundenen Drogen aus dem Bestand des Haschischs und Kokains der Fälle II.1 und 2 stammen. Dies zugrundegelegt, ist das Geschehen im Fall II.3 schon als Handeltreiben mit Betäubungsmitten in nicht geringer Menge abgeurteilt , weswegen es nicht abermals, hier als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, geahndet werden darf. Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine anderweitige Bewertung rechtfertigen. Infolgedessen war das Verfahren hinsichtlich dieses Falls einzustellen und der Schuldspruch abzuändern.
3
2. Die Einstellung des Verfahrens bedingt den Fortfall der Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten. Gleichwohl kann der Gesamtstrafausspruch bestehen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer angesichts der Vielzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.
4
3. Die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der mittellose, einschlägig vorbestrafte Angeklagte schon seit etwa dem 14. Lebensjahr eine Vielzahl unterschiedlicher Betäubungsmittel. Im Alter von 28 Jahren begann er mit dem regelmäßigen Kokainkonsum, gelegentlich unterbrochen durch die Einnahme von Amphetamin. Vor seiner Festnahme, an die sich nach Haftverschonung eine kurzzeitige Entgiftung anschloss, nahm er jeden Tag bis zu einem Gramm Kokain zu sich. Darüber hinaus rauchte er insbesondere im Tatzeitraum täglich bis zu acht Gramm Cannabis. Dem für den Handel bestimmten Cannabis entnahm der Angeklagte Teilmengen für den Eigenkonsum.
6
Ausgehend hiervon begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Vorliegen eines Hangs gemäß § 64 StGB verneint hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. Mai 2017 – 1 StR 163/17) ist für die Annahme eines Hangs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren. Bereits die vom psychiatrischen Sachverständigen auf der Grundlage der vorgenannten Feststellungen diagnostizierte Abhängigkeitserkrankung von Cannabis drängt zu der Annahme, dass der Angeklagte eine solche Neigung hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. April 2016 – 3 StR 566/15 Rn. 6; vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 Rn. 14). Angesichts dessen hätte das Merkmal des Hangs nicht allein mit der nicht näher begründeten Erwägung abgelehnt werden dürfen, der Drogenkonsum „spiegele lediglich seine unstete Lebensführung mit einem unstrukturierten Freizeitverhalten“ (UA S. 24), sondern hätte eingehender Prüfung bedurft.
7
Da auch die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung des therapiewilligen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sein können, bedarf die Sache insoweit – unter abermaliger Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung.

Mutzbauer Sander Schneider
Dölp RiBGH Prof. Dr. König ist infolge Sonderurlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 427/18
vom
10. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:101218B5STR427.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 10. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. April 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von einer Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt und daneben Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Rechtsmittel führen jedoch zur Urteilsaufhebung, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen.
2
1. Nach den Feststellungen avisierten die Angeklagten im August 2018 dem Tatopfer, mit dem sie sich seit 2016 zum gelegentlichen Drogenkonsum und Biertrinken getroffen und sich ihm als Drogenbezugsquelle angeboten hatten , ein Betäubungsmittelgeschäft. Dies diente ihnen als Vorwand, ihm durch List oder Drohung, nötigenfalls auch durch Gewalt das als Kaufpreis vereinbarte Geld sowie sein Mobiltelefon an sich zu bringen. Noch am Tattag konsumierten die Angeklagten, die sich bereits an den beiden Wochenendtagen zuvor „reich- lich Amphetamin und Cannabis zugeführt hatten“, neben Cannabis auch jeweils eine Dosis Amphetamin (UA S. 14). Das Landgericht hat deshalb nicht aus- schließen können, dass zum Zeitpunkt der als „Milieutat“ charakterisierten Tat (UA S. 30) die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten jeweils erheblich eingeschränkt war.
3
Das Landgericht hat – ohne einen Sachverständigen hinzuzuziehen – die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB verneint, „da eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit , mithin ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, bei keinem der Angeklagten festzustellen“ gewesen sei (UA S. 33).
4
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne von § 64 StGB ausgegangen ist.
5
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren. Diese Neigung muss noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16, insoweit nicht abgedruckt unter NStZ-RR 2017, 250; 20. Februar 2018 – 3 StR 645/17 mwN).
6
b) Danach hat sich ein Hang der Angeklagten nicht schon unter Hinweis auf ihre fehlende Drogenabhängigkeit verneinen lassen, zumal das Landgericht auch diese Feststellung nicht näher begründet und hierfür sachverständige Hilfe nicht beigezogen hat (vgl. zum Erfordernis der Anhörung eines Sachverständigen nach § 246a Satz 2 StPO; BGH, Beschluss vom 20. September 2011 – 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463 mwN). Angesichts des festgestellten Konsum- verhaltens der Angeklagten, die – ausweislich ihrer Vorstrafen – auch schon seit Jahren Umgang mit Betäubungsmitteln hatten, war das Vorliegen eines Hangs auch nicht von vornherein ausgeschlossen.
7
3. Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten haben.
8
Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mildere Strafen verhängt hätte. Die Strafaussprüche können deshalb bestehen bleiben.
Mutzbauer König Berger Mosbacher Köhler

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
4
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
5
Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu § 64 StGB ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt Folgendes:
6
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5, 7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar 2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08; Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November 2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen, auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978, 245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt, auf die Sachrüge in den Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37,

5).


7
An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht an.
8
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
9
Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn - wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jah- re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.