Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - 3 StR 419/16

bei uns veröffentlicht am20.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 419/16
vom
20. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Dezember 2016
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 26. Juli 2016 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergebenhat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

ECLI:DE:BGH:2016:201216B3STR419.16.0 Ergänzend bemerkt der Senat: Die Rüge nach § 338 Nr. 1 Buchstabe b StPO, die Strafkammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil ein Fall notwendig erscheinender Mitwirkung eines dritten Richters im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GVG nicht vorgelegen habe, dürfte jedenfalls dann, wenn sich die Besetzungsentscheidung als objektiv willkürlich erweist, nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. November 2002 - 3 StR 285/02, StraFo 2003, 134; vom 11. Januar 2005 - 3 StR 488/04, NStZ 2005, 465; siehe auch Rieß, NStZ 1999, 369, 370; aA offenbar indes - nicht tragend - BGH, Urteil vom 31. August 2010 - 5 StR 159/10, NStZ 2011, 54 f.). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, war der dem Tatgericht insoweit eingeräumte Beurteilungsspielraum hier jedoch nicht überschritten.
Becker Gericke Tiemann Berg Hoch

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - 3 StR 419/16 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 76


(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (klein

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Bundesgerichtshof Urteil, 31. Aug. 2010 - 5 StR 159/10

bei uns veröffentlicht am 31.08.2010

5 StR 159/10 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 31. August 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Waffen u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. August 2010, an der teilgen

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer) besetzt. Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Schöffen nicht mit.

(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Strafkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn

1.
sie als Schwurgericht zuständig ist,
2.
die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist oder
3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 ist in der Regel notwendig, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.

(4) Hat die Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(5) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Strafkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 über ihre Besetzung beschließen.

(6) In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein.

5 StR 159/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 31. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Waffen u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. August
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Richterin am Amtsgericht
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 11. November 2009 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Revision.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten, einen vorläufig suspendierten Polizeibeamten, – unter Freisprechung im Übrigen – wegen unerlaubten Handeltreibens mit Waffen in 19 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit (zweifachem ) unerlaubtem Waffenbesitz und mit (zweifacher) Amtsanmaßung, wegen (zweifacher) Amtsanmaßung, wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in drei Fällen und wegen Bestechlichkeit zu einem Jahr und zwei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung und zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt; vier Monate der Freiheitsstrafe und 30 Tagessätze der Geldstrafe hat es wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt angerechnet.
2
Nach dem auf eine Verständigung zurückgehenden Urteil bleibt die mit punktuellen sachlichrechtlichen Beanstandungen gegen den Teilfreispruch, die Behandlung mancher Konkurrenzfragen, die Zubilligung eines vermeid- baren Verbotsirrtums, die Strafzumessung und die Bemessung der Vollstreckungsanrechnung gerichtete, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ebenso erfolglos wie die mit einer Besetzungsrüge und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten.
3
1. Die Besetzungsrüge versagt. Mit ihr wird die nach dreieinhalb Monaten in zeitlichem Zusammenhang mit der Terminierung erfolgte Abänderung der mit Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossenen Reduzierung der Strafkammerbesetzung nach § 76 Abs. 2 GVG beanstandet.
4
Ob die Rüge bereits – was der Senat entgegen BGHR GVG § 76 Abs. 2 Verfahren 2 schon im Blick auf den Charakter der einzig zum Zwecke der Schonung von Justizressourcen nach der Wiedervereinigung geschaffenen und wiederholt verlängerten Übergangsvorschrift des § 76 Abs. 2 GVG für naheliegend hält (vgl. BTDrucks 12/1217 S. 46 ff.; BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09 Tz. 18, zur Veröffentlichung in BGHR GVG § 76 Abs. 2 bestimmt; sowie zur Gesetzgebungshistorie im einzelnen Rieß in Festschrift für Heinz Schöch 2010 S. 895, 897 ff.) – daran scheitern muss, dass die Verhandlung in der Regelbesetzung den Angeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschweren kann (vgl. auch das unveränderte Schutzquorum des § 263 Abs. 1 StPO), bedarf hier keiner Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob die Rüge, wie der Generalbundesanwalt meint, deshalb erfolglos bleibt, weil sich der Angeklagte vor der Strafkammer verständigt und damit seinen Besetzungseinwand schlüssig zurückgenommen oder verwirkt hat (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation BGH StV 2010, 470; vgl. bereits BGHR StPO § 338 Revisibilität 1). Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
5
Nicht anders als auf einen entsprechend begründeten Besetzungseinwand (vgl. BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 2) durfte die Strafkammer die Verbindlichkeit der Besetzungsentscheidung auch schon vor Beginn der Hauptverhandlung überprüfen. Dass eine Besetzungsredukti- on schon bei Annahme schlichter Fehlerhaftigkeit in den Regelfall korrigiert werden kann, liegt dabei nicht fern, bedarf indes keiner Entscheidung. Denn die Besetzungsentscheidung durfte jedenfalls darauf überprüft werden, ob sie nach dem Stand der Beschlussfassung sachlich gänzlich unvertretbar, damit objektiv willkürlich erfolgt und daher abzuändern war (vgl. Kissel /Mayer, GVG 6. Aufl. § 76 Rdn. 6, 10; Haller/Janßen NStZ 2004, 469, 471; wohl noch weitergehend Rissing-van Saan in Festschrift für Volker Krey 2010 S. 431, 439; vgl. zu den Grenzen der Unabänderlichkeit der Besetzungsreduktion auch BGHSt 53, 169). Dass dies hier der Grund für die Abänderungsentscheidung war, hat die Strafkammer zwar nicht – was vorzugswürdig gewesen wäre – in einer Begründung jener Entscheidung ausgeführt, indes noch rechtzeitig und mit hinreichender Deutlichkeit in dem den entsprechenden Besetzungseinwand zurückweisenden Beschluss: Darin heißt es, die Besetzung mit drei Berufsrichtern sei hier „zwingend notwendig“. Die Annahme „objektiver Willkür“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG war angesichts des Umfangs der Anklage mit 48 fast durchweg nicht alltäglichen Anklagevorwürfen, mit 44 benannten Zeugen, vier Sachverständigen und einer Vielzahl sachlicher Beweismittel, der die Anberaumung von zunächst zehn Hauptverhandlungstagen veranlasste (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09 Tz. 19), mindestens vertretbar, damit ihrerseits willkürfrei und folglich als Grundlage für die abändernde Besetzungsentscheidung im Rahmen von §§ 222b, 338 Nr. 1 StPO verbindlich (vgl. MeyerGoßner , StPO 53. Aufl. § 76 GVG Rdn. 8).
6
2. Die im Wesentlichen an den gleichzeitigen Besitz von Waffen anknüpfende Beurteilung der Konkurrenzen ist jedenfalls sachlich vertretbar. Die Ablehnung mittelbarer Falschbeurkundung, die Strafrahmenwahl und Strafzumessung sowie die Erwägungen im Zusammenhang mit einer angenommenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sind rechtsfehlerfrei , die Zubilligung eines vermeidbaren Verbotsirrtums ist im Blick auf die Gesamtverhältnisse des sehr weitgehend zu Waffenbesitz befugten Angeklagten als nicht durchgreifend bedenklich hinnehmbar.
7
3. Der Gesamttatzeitraum und die Gesamtzahl der Waffendelikte rechtfertigen im Zusammenhang mit dem Blick auf die Gesamtsumme der vom Angeklagten erzielten Taterlöse bereits die Annahme gewerbsmäßigen Verhaltens. Auch sonst enthält das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Basdorf Brause Schaal Schneider König