Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2014 - 2 StR 626/13

bei uns veröffentlicht am15.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 2 6 / 1 3
vom
15. April 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
zu 2.: unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. April 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 14. Mai 2013, soweit es ihn betrifft und soweit er verurteilt wurde, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird vorgenanntes Urteil , soweit es ihn betrifft und soweit er verurteilt wurde, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. - unter Freisprechung im Übrigen - wegen unerlaubten "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Den Angeklagten A. hat es wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten F. hat in vollem Umfang Erfolg, diejenige des Angeklagten A. ist hinsichtlich des Strafausspruchs erfolgreich ; im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet.
2
I. Die Revision des Angeklagten F. hat in vollem Umfang Erfolg. Die Verurteilung wegen unerlaubten "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht entgegen der Einlassung des Angeklagten F. zu der für das Handeltreiben erforderlichen Annahme von Eigennützigkeit gelangt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, soweit das Landgericht davon ausgeht, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel nicht zum Einkaufspreis an die Mitangeklagte S. weiterverkaufte , sondern hierdurch selbst - in der Höhe allerdings nicht näher bestimmten - Gewinn erzielte. Die Strafkammer zieht aus den dargelegten Einkommensverhältnissen des Angeklagten und seinen Verbindlichkeiten den Schluss, dass er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld seinen Kokainkonsum nicht hätte finanzieren können, und nimmt deshalb an, dass die abgeurteilten Verkäufe der Gewinnerzielung zur Finanzierung der Drogenkäufe dienten. Jedoch tragen die in den Urteilsgründen mitgeteilten Zahlen den Schluss der Kammer nicht. Zum einen fehlen - wie die Kammer selbst mitteilt - nähere Einzelheiten zu den vom Einkommen abzuziehenden Aufwendungen für sich, den Unterhalt für seine Töchter und einen abzuzahlenden Kredit, so dass letztlich offen bleibt, wieviel an Mitteln der Angeklagte tatsächlich zur Verfügung hatte. Hinzu kommt, dass Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Lebensgefährtin des Angeklagten fehlen, der mit ihr und einer seiner Töchter in einem Reihenhaus zusammen lebt. So enthalten die Urteilsgründe keine Erkenntnisse dazu, ob die Lebensgefährtin des Angeklagten - was im Rahmen des Zusammenlebens nahe liegt oder jedenfalls möglich ist - im Tatzeitraum finanzielle Leistungen im Rahmen des Lebensunterhaltes erbrachte. Um einen vollständigen Überblick über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten zu erlangen, hätte die Strafkammer deshalb auch ihre möglichen Einkünfte und Ausgaben in den Blick nehmen müssen.
4
Soweit das Landgericht die Eigennützigkeit der Drogenverkäufe nicht hinreichend belegt hat, entzieht dies dem Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln die Grundlage.
5
II. Die Revision des Angeklagten A. führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
6
Das Landgericht hat für den Besitz von 0,5 Gramm Marihuana eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt und deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Angeklagte einschlägig vorbestraft ist und unter Bewährung stand, bleibt die Strafkammer den Nachweis schuldig, dass diese Strafe noch einen gerechten Schuldausgleich für das begangene Tatunrecht darstellt. Bewegt sich ein Konsumentenfall, um den es hier augenscheinlich geht, im untersten Bereich der geringen Menge, sind der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 90, 145, 188 ff.) besonders zu beachten. Bei einem derartigen Bagatelldelikt mag zwar die Ablehnung eines Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG hinzunehmen sein, wenn der Angeklagte wie hier ca. neun Monate zuvor wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten kurzfristigen Freiheitsstra- fe steht aber in keinem angemessenen Verhältnis zu dem abgeurteilten Tatunrecht (vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 13, Rn. 74), wenn nicht besondere Umstände gerade auch die Anordnung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unter sechs Monaten, die eingehend auch unter Berücksichtigung des § 47 StGB zu begründen wäre, rechtfertigen (Patzak, a.a.O., Rn. 75). Solche Umstände aber hat das Landgericht nicht dargetan. Dass der Angeklagte "dreist und unbelehrbar" (UA S. 30) sein soll, wird von den kargen Feststellungen zur abgeurteilten Tat nicht belegt. Allein der (erneute) Verstoß gegen Vorschriften des BtMG neun Monate nach einer Verurteilung, der sich offensichtlich in dem Eigenkonsum geringer Mengen (die auf dem Wohnzimmertisch aufgefunden wurden) erschöpft, rechtfertigt diese moralisierende Einschätzung des Landgerichts nicht. Zusätzliche Gesichtspunkte, die diese Wertung tragen könnten, hat das Landgericht nicht vorgebracht. Soweit es anführt, der Angeklagte sei auch nicht dadurch entlastet, dass er, wie es sonst oft der Fall sei, drogenabhängig gewesen wäre und es sich nicht um einen geringfügigen Rückfall gehandelt habe, stellt dies keinen strafschärfenden Umstand dar. Vielmehr lassen diese Formulierungen besorgen, das Landgericht habe das Fehlen strafmildernder Umstände nachteilig zu Lasten des Angeklagten gewichtet. Hinzu kommt, dass die Strafkammer jede Erklärung dafür schuldig bleibt, warum es sich angesichts einer am untersten Rand bewegenden Menge von Betäubungsmitteln nicht um einen "geringfügigen" Rückfall handeln sollte. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafgesetzbuch - StGB | § 47 Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen


(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rech

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Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2015 wird geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids wiederhergestellt, gegen Nr. 2 des Bescheids angeordnet. II. Der Antragsg

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.