Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 288/11
vom
20. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. Januar 2011 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte und die Staatskasse haben die Kosten des Rechtsmittels je zur Hälfte zu tragen; die Staatskasse hat auch die Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Ent- ziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit der Maßregelausspruch hinsichtlich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung betroffen ist; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann keinen Bestand haben. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB a.F. bejaht und auch zutreffend dargelegt, dass die Änderung der Norm durch das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 zu keiner abweichenden Beurteilung zugunsten des Angeklagten führt (vgl. Art. 316e Abs. 2 EGStGB). In materieller Hinsicht erweist sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung jedoch nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - Rn. 172, NJW 2011, 1931, 1946), welche die Strafkammer bei Erlass der angefochtenen Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, als nicht mehr verhältnismäßig.
3
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (aaO) ist die Vorschrift des § 66 StGB verfassungswidrig und gilt nur vorläufig bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber weiter. Während der Dauer der Weitergeltung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts darf die Regelung der Sicherungsverwahrung nur nach Maßgabe einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" angewandt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nur gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Insoweit gilt in der Übergangszeit ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Verhältnismäßigkeitsmaßstab (Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11; BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - 5 StR 192/11; Beschluss vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11).
4
Nach diesem Maßstab sind Betäubungsmitteldelikte, deren Begehung nach den Feststellungen des Landgerichts von dem Angeklagten künftig allein zu erwarten sind (UA S. 108), nicht als ausreichend schwere Straftaten anzusehen , auf die sich nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts der kriminelle Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. StGB beziehen muss. Durch Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, auch in nicht geringer Menge, wird zwar das Rechtsgut der Volksgesundheit verletzt oder gefährdet (vgl. BGHSt 38, 339, 342 f.). Das reicht aber, soweit jedenfalls keine besonderen Umstände hinzutreten, die den Betäubungsmittelhandel im Einzelfall konkret gefährlich erscheinen lassen, nicht aus, diese Delikte schweren Gewalttaten gleichzustellen, bei denen die nach der Verfassung besonders geschützten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Tatopfer (Art. 2 Abs. 2 GG) gefährdet sind (Senat, Beschluss vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. August 2011 - 4 StR 279/11).
5
2. Im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf es keiner Abänderung des Urteils. Denn eine Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel nach § 67 Abs. 2 S. 2 StGB könnte nicht mehr getroffen werden, weil sich der nach der Rechtsprechung zulässige Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft bereits erledigt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 5 StR 551/08; Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 349/09).

Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 184/11
vom
7. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
6. Juli 2011 in der Sitzung am 7. Juli 2011, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 5. November 2010 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Aufgrund einer auf die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil aufgehoben, soweit von der Anordnung der Maßregel abgesehen wurde. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht erneut ausgesprochen, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Maßregel zurückgewiesen wird. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf eine Verfahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützt ist. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den bindend gewordenen Feststellungen zur Anlasstat hatte der frühere Mitangeklagte T. von dem Geschädigten S. die Zahlung von 5.000 Euro als „Strafe“ dafür gefordert, dass dieser Wohnungen, welche die Lebensgefährtin des T. angemietet hatte, um sie Prostituierten als „Ter- minwohnungen“ anzubieten, Dritten gegenüber als unrentabel bezeichnet hatte. Der Zahlungsforderung hatte T. mit der Bemerkung Nachdruck verliehen , dass er S. „mit dem Schädel an die Wand schlagen“ werde, „dass das Blut spritzt“. Am 17. August 2008 sollte die Geldübergabe erfolgen. Der vielfach vorbestrafte Angeklagte begleitete T. zur Gaststätte von S. , wobei er zwei Taschenmesser und einen Teleskopschlagstock mit sich führte und eine Weste mit dem Emblem des Motorradclubs Hell´s Angels trug. Spätestens auf dem Weg zu der Gaststätte erfuhr der Angeklagte von der unberechtigten Zahlungsforderung und der Drohung durch T. gegenüber S. . Bei der polizeilich überwachten Geldübergabe wurden T. und der Angeklagte verhaftet.
3
Das Landgericht hat festgestellt, dass die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung vorliegen. Es hat jedoch ausgeführt, es könne nicht feststellen, dass der Angeklagte im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei ist das Gericht den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. gefolgt. Danach liege bei dem Angeklagten zwar eine akzentuierte Persönlichkeit mit dissozialen Zügen vor, die aber nicht als dissoziale Persönlichkeitsstörung einzustufen sei und auch keine Psychopathie nach dem Konzept von Hare darstelle. In der Haft wegen früherer Straftaten habe er mit Erfolg ein Antiaggressionstraining absolviert. Es sei auch eine Nachreifung der Persönlichkeit eingetreten. Früher unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangene aggressive Durchbrüche spielten nun keine Rolle mehr. Der Angeklagte habe erkannt, dass seine früheren Körperverletzungstaten im Kneipenmilieu sinnlos gewesen seien und bereue nun die Verletzung der Opfer. Jüngere Betäubungsmitteldelikte des Angeklagten seien von anderer Bedeutung als die vorher begangenen Gewaltdelikte, die nun nicht mehr zu erwarten seien. Anders zu bewerten seien geplante Taten im kriminellen Milieu. Insoweit sei dem Angeklagten zwar eine Problematik bewusst, aber er distanziere sich bisher nicht von dem Motorradclub. Immerhin sei aber eine Veränderung in seinem Verhalten auch während der Haft zu verzeichnen. Er habe einen stabilen Familiensinn und zeige eine darauf bezogene Lebensführung. Insgesamt könne nicht von einer persönlichkeitsgebundenen Bereitschaft zur Begehung von erheblichen Straftaten ausgegangen werden. Die versuchte schwere räuberische Erpressung sei ein Vermögensdelikt, die auch durch die bloße Drohung mit Gewalt begangen werden könne, ohne dass es zu einer Gewaltanwendung und der Verletzung von Opfern kommen müsse. Hintergrund dieser Tat und der vorangegangenen, auf Gewinnerzielung gerichteten Betäubungsmitteldelikte seien Schulden des Angeklagten gewesen. Der früher auch vorhandene übermäßige Alkohol- und Drogenkonsum spiele keine Rolle mehr.

II.

4
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil ist unbegründet.
5
1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
6
Ihr liegt zu Grunde, dass die Staatsanwaltschaft den Hilfsbeweisantrag gestellt hatte, zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte sich nach der letzten Haftentlassung weiterhin in einem kriminellen Umfeld bewege, in dem die Begehung von Gewalttaten zum Selbstverständnis der Gruppe gehöre, die Vernehmung des für Rockerkriminalität zuständigen Kriminaloberkommissars als Zeuge durchzuführen. Das Landgericht hat den Beweisantrag im Urteil mit Hinweis darauf abgelehnt, dass die Strafkammer von derselben Tatsacheneinschätzung ausgehe und der Befund offenkundig sei. Die Beschwerdeführerin hält dies für rechtsfehlerhaft, nachdem die vernommenen Sachverständigen milieubedingte Straftaten des Angeklagten wegen der Zugehörigkeit zu den Hell´s Angels für wahrscheinlich erachtet hatten.
7
Die Rüge ist unbegründet. Die Annahme von Allgemeinkundigkeit der behaupteten Tatsache ist rechtlich unbedenklich. Eine Verkennung der Zielrichtung des Antrags der Staatsanwaltschaft liegt nicht vor. Das Landgericht hat nicht übersehen, dass „die Begehung von Gewalttaten zum Selbstverständnis“ des Motorradclubs Hell´s Angels gehört und die Zugehörigkeit des Angeklagten zu diesem Umfeld ein Risikofaktor für die künftige Begehung von Straftaten durch den Angeklagten ist. Das Landgericht ist demnach von denselben Tatsachen ausgegangen wie die Beschwerdeführerin; es hat sie nur anders bewertet.
8
2. Die Sachrüge ist ebenfalls unbegründet.
9
a) Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 66 StGB nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 - (NJW 2011, 1931 ff.) verfassungswidrig ist. Er gilt vorläufig bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter. Während der Dauer seiner Weitergeltung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungs- widrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Der hohe Wert dieses Grundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Danach dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Die Sicherungsverwahrung darf nur nach Maßgabe einer besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nur gewahrt sein, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist. Insoweit gilt in der Übergangszeit ein strengerer Verhältnismäßigkeitsmaßstab als bisher (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - 5 StR 192/11).
10
b) Jedenfalls nach diesem Maßstab ist es ausgeschlossen, dass das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler beruht.
11
Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hangs zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dies wäre bei einer Gefahr der Wiederholung solcher Körperverletzungstaten, wie sie der Angeklagte in der Vergangenheit mit schweren Verletzungsfolgen für die Opfer begangen hatte, der Fall, sofern ein Hang zu derartigen Taten noch als gegenwärtiger Zustand festzustellen wäre (vgl. BGHSt 50, 188, 196). Insoweit hat das Landgericht aber im Einklang mit den Ausführungen der Sachverständigen ausgeführt, solche Körperverletzungen infolge impulsiver Durchbrüche und vor dem Hintergrund eines damaligen Substanzmissbrauchs seien nicht mehr zu erwarten.
12
Rechtlich bedenklich kann die weitere Überlegung des Landgerichts erscheinen , dass die nach dem Jahr 1998 begangenen Taten des Angeklagten nicht mehr auf aggressive Impulsdurchbrüche zurückzuführen seien, sondern dabei handele es sich um „Straftaten, zu denen sich der Angeklagte bewusst entschlossen“ habe. Dies stünde der Annahme eines Hangs nicht entgegen; gerade vorausgeplante Taten können auf einen Hang zurückzuführen sein. Das Landgericht hat jedoch bei seiner Überlegung zugleich einen Bezug zu Art und Schwere der Delikte, die vom Angeklagten wahrscheinlich in Zukunft zu erwar- ten sind, dahin hergestellt, die „Integration in die kriminelle Subkultur“ ergebe noch keine „fest verwurzelte Neigung“ des Angeklagten, „sich auf `kriminelle Weise´ Geld oder andere Wertgegenstände zumeist mittels Gewaltanwendung oder Drohung zu verschaffen“. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Straftaten, für deren künftige Begehung durch den Angeklagten nach Ansicht des Landgerichts ein Hang und eine Wahrscheinlichkeit besteht, besitzen nicht die erforderliche Erheblichkeit zur Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dem Übergangsrecht; für schwerere Delikte besteht hingegen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
13
Der Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB muss sich auf „erhebli- che“ Straftaten beziehen (Fischer, StGB 58. Aufl. § 66 Rn. 30; LK/Rissing-van Saan StGB 12. Aufl. § 66 Rn. 143 ff.; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 66 Rn. 29). Was darunter zu verstehen sein soll, ist im Gesetzestext nicht nach Deliktsgruppen bestimmt. Insbesondere ist dies auch dadurch geschehen , dass unter den erheblichen Straftaten „namentlich“ solche zu verste- hen seien, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“ (vgl. BGHSt 24, 153, 154). Während nach der anfänglichen Fassung des Gesetzes die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch bei Tätern in Betracht gekommen war, von denen vorwiegend kleinere Diebstähle oder Betrügereien zu erwarten waren, sollte nach der Neufassung die Maßregelanordnung bei Tätern, die zu derartigen und zu ähnlichen Taten neigen, welche die öffentliche Sicherheit nicht schwerwiegend stören, vermieden werden. Im Rahmen der jüngeren Reformen (vgl. dazu Boetticher in: Festschrift für Widmaier, 2008, S. 871, 881 ff.; Schöch in: Festschrift für Roxin, 2011, Bd. 2, S. 1193, 1196 ff.) wurde der Cha- rakter der Sicherungsverwahrung als „letzte Notmaßnahme der Kriminalpolitik“ (BT-Drucks. V/4094 S. 19) zur Verhinderung besonders schwerer Kriminalität weiter betont. Dies gilt für die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2011 bestehende Rechtslage in der Übergangszeit erst recht. Demgemäß darf ein Täter, dessen Hang sich nur auf die Begehung von Straftaten der leichten oder allenfalls mittleren Kriminalität richtet, nicht in Sicherungsverwahrung genommen werden. Die Annahme, ein Angeklagter sei ein Hangtäter , setzt allerdings nicht voraus, dass die Straftaten, aus denen diese Eigenschaft abgeleitet wird, gleichartig sind oder sich gegen dasselbe Rechtsgut richten. Es ist andererseits selbstverständlich, dass bei Straftaten verschiedener Art der Nachweis ihrer für einen kriminellen Hang und für die Gefährlichkeit des Täters kennzeichnenden Bedeutung einer besonders sorgfältigen Begründung bedarf (vgl. BGHSt 16, 296, 297; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10). Diese hat das Landgericht abgegeben. Hierbei hat es die für einen Hang des Angeklagten sprechenden Umstände durchaus gesehen, aber im Einzelnen dargelegt, weshalb es ein dauerhaft stabiles Verhaltensmuster nicht annehmen kann.
14
Betäubungsmitteldelikte, deren künftige Begehung durch den Angeklagten im Umfeld der Hell´s Angels möglich erscheinen, sind nach dem im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zu § 66 StGB geltenden Maßstab kein ausreichender Grund zu der Annahme, der Angeklagte habe einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten. Durch Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, auch in nicht geringer Menge, wird zwar das Rechtsgut der Volksgesundheit verletzt oder gefährdet (vgl. BGHSt 38, 339, 342 f.). Das reicht aber, soweit jedenfalls keine besonderen Umstände hinzutreten, die den Betäubungsmittelhandel für Leib oder Leben Anderer im Einzelfall konkret gefährlich erscheinen lassen, nach dem derzeit geltenden Verhältnismäßigkeitsmaßstab nicht zur Anordnung der Sicherungsverwahrung aus. Gleiches gilt erst recht für ein Fahren ohne Fahrerlaubnis durch den Angeklagten mit seinem Motorrad. Zwar hat der Angeklagte einen Hang hierzu, jedoch wiegt ein solches Vergehen schon nach bisherigem Recht nicht schwer genug (vgl. BGHSt 19, 98, 99).
15
Das Landgericht hat schließlich nicht übersehen, dass es sich bei der versuchten schweren räuberischen Erpressung um ein Vermögensdelikt mit einer Droh- und Gewaltkomponente handelte. Weil diese Tat jedoch von dem Angeklagten nur im Sinne einer sukzessiven Mittäterschaft aufgrund eines spontanen Entschlusses zur Mitwirkung an der von dem Mittäter T. bereits begonnenen Tat gefördert wurde und es nicht zu einer Gewaltanwendung gekommen ist, begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, diese Tat nicht als ausreichendes Symptom für einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten anzusehen. Dafür war es nach Ansicht des Landgerichts von Bedeutung, dass eine räuberische Erpressung auch mit einer bloßen Drohung begangen werden kann. Einen Symptomcharakter der Tat für ein hangbedingtes Raubdelikt, das mit einer Anwendung von Gewalt mit schweren Verletzungsfolgen für die Opfer verbunden ist, musste es aus der Anlasstat für die Maßregelprüfung nicht entnehmen.
16
Auch im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Mitgliedschaft zu dem Motorradclub Hell´s Angels den äußeren Umständen zugeordnet hat, bei denen es sich nicht um ein die Persönlichkeit des Ange- klagten bestimmendes Element handele. Seiner „Integration in die kriminelle Subkultur“ ist nicht schon als solcher zu entnehmen, dass deshalb ein „Hang“ des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten bestehe. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht zugleich eine Neigung zur Tatbegehung dauerhaft oder sogar irreversibel (vgl. NK/Böllinger/Pollähne StGB 3. Aufl. § 66 Rn. 90) im Persönlichkeitsgefüge des Täters verankert ist. Eine solche Verankerung hat das Landgericht aber mit seinem Hinweis auf die festgestellten Veränderungen in der Persönlichkeit und im Verhalten des Angeklagten ausgeschlossen. Fischer Appl Berger Krehl Eschelbach
5 StR 192/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juli
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Februar 2011 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen das Urteil gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Am späten Abend des 17. Juli 2010 besuchte der erheblich alkoholisierte Angeklagte den Friedhof, um das Grab seines verstorbenen Bruders zu wässern. Er bemerkte die vor dem Grab ihrer einige Monate zuvor verstorbenen kleinen Tochter kniende Geschädigte, kniete sich zu ihr nieder und sagte, er habe auch einen Trauerfall zu beklagen; sie müsse loslassen. Die Geschädigte bat ihn, sie alleine zu lassen. Der Bitte kam der Angeklagte zunächst nach, fasste dann aber den Entschluss, die Geschädigte sexuell zu missbrauchen, und kehrte zur Grabstelle zurück. Als die Geschädigte gerade aufstehen wollte, hielt er ihr die Hände an den Hals und forderte sie auf, nicht zu schreien. Die Geschädigte schrie um Hilfe, woraufhin der Angeklagte sie fest um den Hals packte, so dass sie zeitweise keine Luft bekam und zu Boden sank. Der Angeklagte lockerte den Griff und streichelte mit seinen Fingern am Hals der Geschädigten entlang. Zuvor hatte er seine Turnhose bis zu den Kniekehlen heruntergezogen, weswegen sein Unterkörper unbekleidet war. Nunmehr lief der auf das Geschehen aufmerksam gewordene seinerzeitige Lebensgefährte der Geschädigten hinzu und stieß den Angeklagten zur Seite. Der Angeklagte flüchtete.
4
b) Der Angeklagte ist unter anderem wegen in alkoholisiertem Zustand begangener Sexualstraftaten erheblich vorbestraft:
5
1986 verhängte das Kreisgericht Senftenberg gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen versuchter Nötigung zu sexuellen Handlungen, weil er eine Frau vom Fahrrad gezogen hatte, um sie sexuell zu missbrauchen; er würgte sie und versuchte, sie zu einer Mülldeponie zu schleifen, bevor sie sich befreien und davonlaufen konnte. 1988 folgte eine erneut durch das Kreisgericht Senftenberg verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen versuchter Nötigung zu sexuellen Handlungen im schweren Fall. Der Angeklagte hatte eine Passantin in sexueller Motivation verfolgt, geschlagen und unter Todesdrohungen gewürgt, weil sie schrie. 1992 wurde er durch das Bezirksgericht Cottbus wegen Nötigung zu sexuellen Handlungen in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die später erlassen wurde. Er hatte eine Frau in einen Keller gestoßen, wo er sie namentlich durch Würgen zum Oralverkehr zwang. In derselben Nacht fiel er eine Passantin von hinten an, würgte sie und führte einen Finger in ihre Scheide ein. 1997 wurde er durch das Amtsgericht Senftenberg – neben weiteren Straftaten – wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, weil er vor einem 13-jährigen Mädchen und an einem anderen Tag vor einer erwachsenen Frau onaniert hatte. Am 8. April 2002 verhängte das Landgericht Cottbus gegen ihn eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung. Der Angeklagte hatte sich mit unbekleidetem Unterkörper einer 15-jährigen Radfahrerin in den Weg gestellt und sie am Hals vom Fahrrad gezogen. Über eine halbe Stunde hinweg zwang er sie unter Todesdrohungen zu sexuellen Handlungen, insbesondere zum Oralverkehr. Obwohl sie sagte, sie sei 13 Jahre alt und noch Jungfrau, vergewaltigte er sie vaginal. Die Strafe verbüßte er bis zum 9. März 2006.
6
c) Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten eine alkoholbedingte Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nicht auszuschließen vermocht, jedoch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB wegen selbstverschuldeter Trunkenheit nicht vorgenommen. Sonstige Eingangsmerkmale des § 20 StGB lägen nicht vor. Zwar weise dieser dissoziale Persönlichkeitszüge auf. Eine zur Schuldminderung führende Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit liege jedoch nicht vor. Auch eine unter dem Aspekt der §§ 20, 21 StGB relevante sexuelle Devianz sei maßgebend mit Blick auf eine durchaus normale sexuelle Entwicklung und normale sexuelle Aktivität in zwei Partnerschaften nicht gegeben. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat das Landgericht unter anderem mit Blick auf die Vollendungsnähe der Tat versagt, deren Scheitern nur dem beherzten Eingreifen des Lebensgefährten der Geschädigten zu verdanken sei. Die Voraussetzungen des § 64 StGB seien schon mangels hinreichend sicher feststellbaren Hangs des Angeklagten nicht erfüllt, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen. Dem Angeklagten gelinge es ohne Probleme, auch über längere Zeit hin völlig abstinent zu leben. Jedenfalls fehle es an der für die Maßregel erforderlichen hinreichend konkreten Erfolgsaussicht.
7
2. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und Strafausspruch ohne Erfolg.
8
a) Entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei getroffen. Namentlich bestand für die Strafkammer kein Anlass zu einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Angeklagte bereits vor dem Eingreifen des Lebensgefährten der Geschädigten die weitere Ausführung der Tat im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB endgültig aufgegeben hat. Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Tat lassen sich dem Verhalten des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten nicht entnehmen. Durch das Würgen der Geschädigten hatte er deren Hilferufe unterbrochen, weswegen er den Griff lockern konnte. Das Streicheln am Hals der Geschädigten, auch in Verbindung mit etwaigen, vom Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung erwähnten beschwichtigenden Worten, spricht dabei nicht gegen, sondern für ein Fortbestehen der sexuellen Absichten des Angeklagten, deren gewaltfreie Durchsetzung er offensichtlich nicht erwarten konnte. Deswegen waren nähere Erörterungen des Tatgerichts entbehrlich. Auf den Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte seine Hose heruntergezogen hat, kommt es danach nicht an.
9
b) Soweit das Landgericht Strafrahmenverschiebungen nach §§ 21 und 23 Abs. 2, jeweils i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB, versagt hat, hält sich dies nach den konkreten Umständen des Falles in dem vom Revisionsgericht hinzunehmenden tatgerichtlichen Ermessensspielraum.
10
3. Dagegen genügt die Begründung des Maßregelausspruchs angesichts der durch das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 4. Mai 2011 (BGBl. I S. 1003) entwickelten strengeren Maßstäbe zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit rechtlicher Überprüfung letztlich nicht.
11
a) Allerdings hat die Strafkammer nach dem zum Zeitpunkt ihres Urteils maßgeblichen Rechtszustand fehlerfrei auf Sicherungsverwahrung erkannt.
12
aa) Zutreffend hat sie sich auf den – nach Ziffer III 1 des vorgenannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts weiterhin anwendbaren – § 66 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 StGB in der vor dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung gestützt. Die Vorschrift stellt im Hinblick auf die durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) erfolgte Neufassung von § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB (Verlängerung der sogenannten „Rückfallver- jährung“ bei Sexualstraftaten auf 15 Jahre) das dem Angeklagten günstigere Gesetz dar (vgl. Art. 316e Abs. 2 EGStGB).
13
bb) Nachvollziehbar hat das Landgericht einen Hang des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt. Die Gefährlichkeitsprognose hat es auf eine umfassende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten unter besonderer Berücksichtigung seiner den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Taten gestützt. Dabei hat es sich an den individuell bedeutsamen Bedingungsfaktoren für die bisherige Delinquenz, deren Fortbestand, der fehlenden Kompensation durch protektive Umstände und dem Gewicht dieser Faktoren in zukünftigen Risikosituationen ausgerichtet. Besondere Bedeutung hatte der Umstand, dass die Anlasstat bereits das sechste Sexualdelikt darstellt, das der Angeklagte nach einem sehr ähnlichen Verhaltensmuster verübt hat, indem er – spontanen Entschlüssen folgend – ihm unbekannte Frauen überfallen und nach Würgen, teils auch unter Todesdrohungen, sexuell missbraucht oder dies versucht hat. Den Zeitablauf hat das Landgericht in seine Würdigung einbezogen.
14
Die bei der Darstellung des Gutachtens des Sachverständigen erörterten Ergebnisse psychiatrischer Prognoseinstrumente dienen bei der Prüfung des Landgerichts nach dem Zusammenhang nur der vollständigen Erfassung der Beurteilungsaspekte. Es hat dem hierdurch erlangten empirischen Wissen sowie dem statistischen Rückfallrisiko gegenüber den individuell belangreichen Faktoren insoweit noch nicht zu viel Bedeutung beigemessen (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 296/09, NJW 2010, 245, und Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204).
15
b) Die Urteilsbegründung genügt indes nicht ohne weiteres auch den Anforderungen an die im Hinblick auf die durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 4. Mai 2011 aaO) festgestellte Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung gebotene strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO Rn. 172).
16
Im Rahmen seiner sorgfältigen Gesamtwürdigung hat das Landgericht unter anderem berücksichtigt, dass der Angeklagte – wie seine einschlägigen früheren Taten nachdrücklich zeigen – eine Willensschwäche aufweist, aufgrund derer er sich ihm bietenden Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag: Selbst die wegen der Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens bis März 2006 verbüßte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die anschließend bestehende und andauernde Führungsaufsicht sowie die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin hätten ihn nicht von der durch besondere Gewissenlosigkeit geprägten, auf einem Friedhof zum Nachteil einer um ihr verstorbenes Kind trauernden Frau begangenen Anlasstat abhalten können. Auf der Basis sachverständiger Begutachtung ist das Landgericht in Anbetracht der Persönlichkeit und des bisherigen Werdegangs des Angeklagten auch davon ausgegangen, dass dessen Gefährlichkeit in Bezug auf weitere schwere Sexualstraftaten nach derzeitigem Stand im Strafvollzug selbst mit Einzeltherapiemaßnahmen oder der Unterbringung in der sozialtherapeutischen Abteilung derzeit nicht wirksam begegnet werden könne.
17
Gleichwohl kann der Senat im Ergebnis nicht eindeutig feststellen, dass auch die vom Bundesverfassungsgericht neu aufgestellten Verhältnismäßigkeitskriterien zweifelsfrei erfüllt sind, wenngleich dies keineswegs fernliegt. Die geforderte Schwere der drohenden Taten ist sicher gegeben. Auf die vom Bundesverfassungsgericht für Fälle rückwirkender Anwendung im Rahmen von § 66b oder § 67d StGB entwickelten nochmals deutlich strengeren Verhältnismäßigkeitskriterien (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – 5 StR 52/11, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) kommt es hier nicht an.
18
Die Zweifel ergeben sich aus den vom Landgericht im Rahmen seiner Gefährlichkeitsprüfung hervorgehobenen Umständen nicht unbeträchtlicher Zwischenräume zwischen den Taten und einer nicht feststellbaren Eskalation von deren Häufigkeit und Schwere (vgl. UA S. 45). Letztlich macht sich das Landgericht auch die Wahrscheinlichkeit eines vom Sachverständigen darge- legten Rückfallrisikos „von über 30 %“ (UA S. 47) zueigen. Bei dieser Sach- lage vermag der Senat die grundsätzlich dem Tatgericht obliegende strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht in dem Sinne zu ersetzen, dass ein für den Angeklagten negatives Ergebnis dieser Prüfung rechtlich zwingend wäre (vgl. dazu BGH, aaO).
19
c) Sollte das neue Tatgericht wiederum zur Anordnung der Sicherungsverwahrung gelangen, werden die vom Bundesverfassungsgericht bezeichneten durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der gleichwohl vorübergehend fortgeltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung allerdings schon jetzt Anlass für erhebliche Bemühungen um therapeutische Resozialisierungsmaßnahmen geben. Solches gilt nicht nur von Beginn des Vollzugs der gegen den Angeklagten verhängten verhältnismäßig niedrigen Freiheitsstrafe an und ungeachtet etwa fortbestehenden mangelnden Therapiewillens des Angeklagten. Entsprechende Maßnahmen werden schon alsbald vorzubereiten sein.
20
d) Im Rahmen der gebotenen umfassenden neuen Prüfung der Maßregelanordnung müsste das neue Tatgericht für den Fall abweichender nicht zweifelsfreier Feststellung der Gefährlichkeit eine Anwendung des § 66a StGB aF in Betracht ziehen.
Basdorf Raum Schaal König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 235/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1., 2. b) und 3. auf dessen Antrag -
am 4. August 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. März 2011 aufgehoben
a) im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sowie
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. a) Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.

b) Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der zur Tatzeit zweiundzwanzigjährige, in vollem Umfang geständige Angeklagte, der an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und einer Polytoxikomanie leidet, vor dem 1. Januar 2011 innerhalb weniger Wochen zweimal in die Filiale einer deutschen Großbank und erzwang dort unter Vorhalt einer ungeladenen Schreckschusspistole die Herausgabe von mehreren tausend Euro.
3
1. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
2. Die vom Landgericht nach § 66 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung angeordnete Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hält bereits für sich betrachtet sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn sie erweist sich nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) als nicht mehr verhältnismäßig.
5
a) Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. Die Anordnung wird "in der Regel" nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist" (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 172). Diese vom Bundesverfassungsgericht geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" ist dahin zu verstehen, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 164/11) - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11).
6
b) Zwar sind schwere räuberische Erpressungen im Sinne der §§ 249, 250 Abs. 1, §§ 253, 255 StGB wegen der dafür angedrohten Mindeststrafe von drei Jahren und den für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als ausreichend "schwere Straftaten" im vorstehenden Sinn anzusehen (vgl. für Straftaten nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11). Dies gilt auch dann, wenn der Täter - wie hier - die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB dadurch verwirklicht, dass er bei einem Banküberfall mit einer ungeladenen Schreckschusspistole droht.
7
c) Jedoch verstößt die Anordnung der Sicherungsverwahrung gleichwohl bei angemessener Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles mit Blick auf die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung durch den Gesetzgeber, die einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Abstandsgebot begründet (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 172), gegen das Übermaßverbot. Dabei ist neben Art und Gewicht der vom Landgericht prognostizierten Straftaten insbesondere das noch junge Alter des Angeklagten von Belang. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung stellt für den bei Tatbegehung erst 22 Jahre alten Angeklagten einen besonders belastenden Eingriff dar. Bereits nach der früheren fachgerichtlichen Rechtsprechung war die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei derart jungen Tätern zwar nicht ausgeschlossen; sie kam jedoch nur in Ausnahmefällen in Betracht (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1988 - 3 StR 406/88, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Gefährlichkeit 1; Beschluss vom 6. August 1997 - 2 StR 199/97, juris Rn. 13). In Ermangelung einer umfassend als Gesamtkonzept ausgestalteten Regelung der Sicherungsverwahrung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung eine erhöhte Resozialisierungschance des Angeklagten bewirkt (zu den Defiziten beim Zugang zu sozialtherapeutischen Anstalten aus dem regulären Strafvollzug vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 121). Zu beachten ist schließlich der Ausnahmecharakter des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB, der eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt.
8
d) Der Senat schließt aus, dass ein neues Tatgericht Tatsachen feststellen könnte, die bei Beachtung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnten. Er entscheidet deshalb selbst in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.
9
3. Auch die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
10
a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt : "Die Strafkammer hat diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten psychiatrischen Sachverständigen - die jedoch insoweit nicht näher mitgeteilt werden - damit begründet, dass 'trotz des Substanzmittelkonsums' des Angeklagten , der in den Monaten vor den beiden in Rede stehenden Taten vermehrt Alkohol trank und auch Kokain konsumierte (UA S. 3 bis 5, 15 f.)‚ 'die Feststellung eines Hanges im Sinne von § 64 StGB' nicht 'mit hinreichender Sicherheit zu treffen' sei (UA S. 17 f.). Diese äußerst knappen Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 S[atz] 1 StGB verkannt hat. Ein solcher ist nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden (erheblichen) Abhängigkeit zu bejahen; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5, Senat Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Beschluss vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10 Rdnr. 4; Fischer[, StGB, 58. Aufl. 2011,] § 64 Rdnr. 9 m.w.N.). Dass eine derartige Neigung beim Angeklagten besteht , liegt nach den getroffenen Feststellungen nahe, denn nach der Einschätzung des Sachverständigen, die sich die Strafkammer zu eigen gemacht hat, hat der Angeklagte zur Tatzeit im Hinblick auf Alkohol und Kokain eine 'Polytoxikomanie (F 19.2)' - mithin ein psychisch bedingtes Abhängigkeitssyndrom - entwickelt (UA S. 15, 23). Mit diesem Umstand hätte sich das Tatgericht bei der Frage des Hanges nach § 64 StGB zwingend auseinandersetzen müssen. … Außerdem hält die sachverständig beratene Strafkammer die in § 64 StGB normierten Anordnungsvoraussetzungen für nicht gegeben, weil 'eine kausale Verknüpfung zwischen dem Alkohol- und Drogenkonsum und den aktuell zu beurteilenden Taten' nicht 'eindeutig herzustellen' sei (UA S. 18). Auch dies stellt keine ausreichende Begründung dar. Ihr kann nicht entnommen werden, ob sich die Strafkammer bewusst war, dass der symptomatische Zusammenhang zwischen der Tatbegehung und dem Hang i.S.d. § 64 S[atz] 1 StGB auch dann zu bejahen ist, wenn der Hang zum Rauschmittelgenuss - neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat. Der Zusammenhang kann daher nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel - etwa die vorliegend bei dem Angeklagten zusätzlich zu seiner Polytoxikomanie diagnostizierte dissoziale Persönlichkeitsstörung (UA S. 15) - eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09 Rdnr. 12 m.w.N.). Dass die festgestellte Polytoxikomanie des Angeklagten für die in Rede stehenden Banküberfälle zumindest mitursächlich gewesen sein kann, ist hier jedenfalls nicht auszuschließen, denn er nutzte die erbeuteten Geldmittel in beiden Fällen jeweils - neben der Erfüllung von Verbindlichkeiten für Hotelkosten u.ä. - für seinen Alkohol- und Kokainkonsum (UA S. 11, 13). Mithin steht zu besorgen, dass das Landgericht auch das Vorliegen des symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstaten i.S.v. § 64 S[atz] 1 StGB von zu engen Voraussetzungen abhängig gemacht hat."
11
Dem schließt sich der Senat an.
12
b) Aus den vom Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegten Gründen scheiden die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht von vorneherein aus. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung gemäß § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5 ff.; Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 ff.). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden ; hierzu werden unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neue Feststellungen zu treffen sein.
13
c) Der Strafausspruch wird durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Maßregel nicht berührt und kann daher bestehen bleiben. Es ist auszuschließen , dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
VRiBGH Becker befindet sich Pfister Schäfer im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Mayer Menges

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 279/11
vom
11. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. August 2011 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Januar 2011
a) aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist; die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit Wertersatzverfall in Höhe von 83.600 € ange- ordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung des Wertersatzverfalls wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils deckt zum Strafausspruch keinen Rechts3 fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat die Anwendung des § 31 BtMG bereits deshalb zu Recht abgelehnt, weil nach den Feststellungen ein Aufklärungserfolg nicht eingetreten ist. Der Angeklagte hat lediglich den Vornamen seines Abnehmers aus Essen angeben können, wodurch „vielver- sprechende“ polizeiliche Ermittlungen in Gang gesetzt wurden. Damit ist ein Aufklärungserfolg nicht erzielt worden. Es genügt nicht, wenn der Täter nur Ermittlungsansätze aufgezeigt hat, erforderlich ist vielmehr, dass eine Aufdeckung erfolgt ist. Dafür müsste der Abnehmer zumindest so genau ermittelt worden sein, dass er zur Festnahme hätte ausgeschrieben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 – 2 StR 532/99, StV 2000, 318; Franke /Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 31 Rn. 15 jeweils m.w.N.).
3
2. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. Juni 2011 keinen Bestand haben, da – anders als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung – das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 4. Mai 2011 § 66 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) für unvereinbar mit Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Abs. 1 Grundgesetz erklärt hat und die Vorschrift bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013 nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden darf.
4
3. Auch die Anordnung des Wertersatzverfalls begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der von der Strafkammer angenommene Wert des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1, § 73a StGB in Höhe von 83.600 € erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht. Eine nachvollziehbare Darstellung ist jedoch erforderlich, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob das Landgericht den Betrag zutreffend errechnet hat. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben , dass gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB über die Anordnung des Verfalls nach tatrichterlichem Ermessen zu entscheiden ist, soweit der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist; auf eine unbillige Härte kommt es dabei nicht an. Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Franke RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 349/09
vom
1. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
1. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. Mai 2009, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte wegen besonders schweren Raubes verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die Vorwegvollziehung von neun Monaten Freiheitsstrafe vor der Maßregel aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen schweren Raubes im minder schweren Fall" zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Freiheitsstrafe zu einem Teil von neun Monaten vor der Unterbringung zu vollziehen ist. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch be- http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=67 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=StGB&p=67&x=5 - 3 - schränkten, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Ausspruch über die Vollziehung eines Teiles der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kann nicht bestehen bleiben.
Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist, sofern bei einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren nicht ausnahmsweise von einer Vikariierung abgesehen wird, der vorweg zu vollstreckende Teil der Freiheitsstrafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum für den Tatrichter besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht. Zur Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe ist eine Prognose darüber notwendig, wie lange die Unterbringung in der Maßregel zur Durchführung der Therapie voraussichtlich erforderlich sein wird (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 172 m. w. N.).
3
Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, dass das Landgericht den Ausspruch über den Vorwegvollzug nach diesen Grundsätzen getroffen hat. Vielmehr lassen die Ausführungen besorgen, dass es seine Entscheidung über die Vollsteckungsreihenfolge auf § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB ge- http://www.juris.de/jportal/portal/t/bjg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE037604301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bjg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE037604301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bjg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE037604301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bjg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE037604301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bjg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044003307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - stützt und verkannt hat, dass bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren Satz 2 dieses Absatzes Anwendung findet. Hierfür spricht auch, dass die Feststellung des zur erfolgreichen Therapie des Angeklagten voraussichtlich erforderlichen Zeitraumes fehlt, der - ausgehend vom Halbstrafenzeitpunkt - notwendige Grundlage für die Berechnung des gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu bestimmenden , vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der verhängten Freiheitsstrafe ist. Dies hindert den Senat, diesen Teil der Freiheitsstrafe selbst festzulegen (vgl. BGH NStZ 2008, 213). Der Ausspruch über den Vorwegvollzug von neun Monaten Freiheitsstrafe vor der Maßregel muss daher aufgehoben werden.
4
Im Hinblick auf die seit dem 9. Februar 2009 ununterbrochen erlittene Untersuchungshaft, die auf einen vor der Maßregel zu vollziehenden Teil der verhängten Freiheitsstrafe anzurechnen wäre, und wegen der festgestellten massiven Abhängigkeit des Angeklagten von Heroin hat der Senat von einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten tatrichterlichen Entscheidung abgesehen. Vielmehr erscheint es unter diesen Umständen sachgerecht, die sofortige Vollziehung der angeordneten Maßregel durch den Wegfall des landgerichtlichen Ausspruches zu ermöglichen.
5
2. Der Senat hat ferner den Schuldspruch berichtigt. Die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat macht die Kenn- zeichnung der jeweils gegebenen Qualifikation notwendig (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4). Wegen der - vom Landgericht zutreffend ange- nommenen - Verwirklichung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. StGB durch die Verwendung eines Messers ist deshalb auf "besonders schweren Raub" zu erkennen (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 342). Die Angabe mittäterschaftlicher Begehung ("gemeinschaftlich") in der Urteilsformel ist dagegen ebenso entbehrlich, wie die Aufnahme des Vorliegens eines gesetzlichen Regelbeispieles in die Urteilsformel ("im minder schweren Fall") (vgl. BGH, Beschl. vom 29. Juli 2009 - 3 StR 295/09; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 24 f.).
6
3. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs des Rechtmittels besteht für eine Entscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO kein Anlass.
7
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 31. August 2009 hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Sost-Scheible RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Schäfer Mayer