Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 2 StR 262/14
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Ausspruch über die Einzelstrafe für die Tat zum Nachteil des L. N. ;
b) im Gesamtstrafenausspruch. Die getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger L. N. insoweit entstandenen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil L. N. ) und wegen gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil D. N. ) unter Einbeziehung einer früher verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und sechs Monate hiervon für vollstreckt erklärt.
- 2
- Die Revision des Angeklagten führt auf die allgemeine Sachrüge im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Urteils; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 3
- Der Ausspruch über die Einzelstrafe für die Tat zum Nachteil des L. N. kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die für diese Tat verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten dem gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 StGB entnommen. Es hat dabei nicht – wie geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 494/13 mwN) – vorrangig geprüft, ob das Hinzutre- ten des „vertypten“ Milderungsgrundes zu den allgemeinen Milderungsgründen für die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 StGB ausgereicht und damit zur Anwendung des entsprechend niedrigeren Strafrahmens geführt hätte.
- 4
- Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht unter Zugrundelegung dieses – möglichen – Strafrahmens eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte. Aufgrund der Aufhebung der Einzelstrafe hat der Gesamtstrafenausspruch ebenfalls keinen Bestand.
- 5
- Da die von der Strafkammer festgestellten Strafzumessungstatsachen von dem Rechtsfehler nicht berührt werden, können die Feststellungen aufrechterhalten bleiben.
Ott Zeng
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Durchfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung im Strafausspruch; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zur Einziehungsentscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Für die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuld- spruchberichtigung ist mit Blick auf § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG kein Raum. Der Senat ist insoweit an einer Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch den Antrag des Generalbundesanwalts, der allein auf Berichtigung des Schuldspruchs, im Ergebnis aber auf die Verwerfung der Revision gerichtet ist, nicht gehindert (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 247/13, insoweit in NStZ-RR 2013, 349 nicht abgedruckt, mwN).
- 3
- 2. Der Strafausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die Strafe aus dem nach § 27 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen und „sodann“ (UA S. 8) einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG verneint.
- 4
- Die Strafkammer hat dabei nicht bedacht, dass nach ständiger Rechtsprechung in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR218/11, NStZ 2012, 271, 272; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 50 Rn. 3 f., jeweils mwN). Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrunds gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen. Das Landgericht hat weder diese Prüfungsreihenfolge beachtet noch erwogen, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds al- lein oder zusammen mit den anderen Umständen das Vorliegen eines minder schweren Falls begründet.
- 5
- Zwar hat die Strafkammer den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (drei Monate bis elf Jahre und drei Monate) zugrunde gelegt; doch schon der gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG (drei Monate bis fünf Jahre) wäre für den Angeklagten günstiger. Der Senat kann daher nicht sicher ausschließen, dass der Tatrichter unter Zugrundelegung eines anderen Strafrahmens zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
- 6
- Da die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen sind, hat der Senat sie aufrechterhalten. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.