Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2015 - 2 StR 238/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision der Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insbesondere hat das Schwurgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Rechtfertigung durch Notwehr gemäß § 32 StGB im Ergeb- nis zu Recht verneint. Die Angeklagte befand sich, als das spätere Tatopfer zum Schlag gegen ihren Kopf ausholte, zwar objektiv in einer Notwehrlage. Art und Maß ihrer Verteidigungshandlung waren aber unter den gegebenen Umständen zur Abwehr des drohenden Angriffs nicht erforderlich.
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- 2. Dagegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Bei der konkreten Strafzumessung hat das Schwurgericht zu Lasten der Angeklagten die in der Tat zum Ausdruck kommende Gewaltbereitschaft berücksichtigt, die bei ihr ansonsten persönlichkeitsbedingt reduziert sei. Weitere straferschwerende Umstände führt das Urteil nicht an.
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- Diese Strafzumessungserwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Ebenso wie der Tötungsvorsatz als solcher darf die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 1988 – 5 StR 657/87, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2; vom 28. September 1995 – 4 StR 561/95, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6; vom 24. März 1998 – 4 StR 34/98, StV 1998, 657). Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht beachtet. Indem sie mit einem Messer einmal auf das Tatopfer einstach, hat die Angeklagte lediglich die Gewalt angewendet, die erforderlich war, um den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen.
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- Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
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- Darüber hinaus begründen die Urteilsgründe auch die Besorgnis, dass das Schwurgericht die zu Gunsten der Angeklagten objektiv gegebene Notwehrlage aus dem Blick verloren hat, da es strafmildernd lediglich berücksich- tigt hat, dass der Tat verbale Beschimpfungen und Beleidigungen des Getöteten vorausgegangen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 – 4 StR 213/13).
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- Einer Aufhebung der Feststellungen bedurfte es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitere Feststellungen, die den bestehenden nicht widersprechen dürfen, sind möglich.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.