Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Nov. 2016 - 2 StR 141/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:161116B2STR141.16.0
published on 16/11/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Nov. 2016 - 2 StR 141/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 141/16
vom
16. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung
ECLI:DE:BGH:2016:161116B2STR141.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. November 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten Z. I. wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 19. Oktober 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Z. I. wegen Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen bewohnte der Angeklagte Z. I. zusammen mit mehreren Mitgliedern einer Großfamilie, darunter auch sein mitangeklagter Bruder L. I. und seine mitangeklagte Schwägerin V. I. ein Wohn-/Geschäftshaus in W. . Das stark verwohnte und heruntergekommene Gebäude wurde aufgrund eines zwischen dem MitangeklagtenL. I. und dem Eigentümer R. geschlossenen Miet-/Kaufvertrages seit 2008 durch wechselnde Mitglieder der Familie I. genutzt. Im Erdgeschoss betrieb L. I. einen Döner-Imbiss. Der Angeklagte Z. I. und der Mitangeklagte L. I. hatten bereits in den Jahren 2011 und 2012 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Zahlungen auf den Mietkaufvertrag blieben überwiegend aus; von den bis Februar 2013 geschuldeten 72.600 Euro hatte der Eigentümer nur 15.800 Euro erhalten, weshalb er mit Schreiben vom 23. Mai 2013 vom Mietkaufvertrag zurücktrat und – erfolglos – Räumung des Anwesens verlangte.
3
In dieser Situation kamen die Mitangeklagten V. und L. I. auf die Idee, ihre finanzielle Situation durch die Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aufzubessern. Mit der Behauptung, Eigentümerin des Gebäudes zu sein, schloss V. I. im März 2014 bei der A. V. -AG eine u.a. Feuerschäden abdeckende Gebäudeversicherung mit einem Gesamtvolumen von 748.000 Euro sowie eine Inventarversicherung für den im Erdgeschoss betriebenen Döner-Imbiss von 50.000 Euro ab. Die erste Jahresprämie von ca. 1.900 Euro überwies V. I. fristgerecht an die A. V. -AG. Parallel dazu schlossen L. und V. I. einen Pachtvertrag mit dem Eigentümer rückwirkend zum 1. Januar 2014 und einigten sich auf den Entwurf eines neuen Mietkaufvertrages, der V. I. als Käuferin auswies; in dem Urkundenentwurf wurde zugleich die Auflassung unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung erklärt.
4
In der Folge kamen alle erwachsenen Bewohner des Gebäudes überein, den Versicherungsfall durch Brandstiftung herbeizuführen, um die desolate finanzielle Lage der Großfamilie zu verbessern. Spätestens am 5. Juli 2014 fertigten der Angeklagte Z. I. sowie ein weiteres erwachsenes Familienmitglied aus mindestens sieben Zuckerstreuern Brandsätze. Sie füllten Benzin in die Zuckerstreuer, brachten in die Ausschüttöffnung Textil-Lunten ein und kleb- ten die Deckel mit Panzertape fest. Fünf Zuckerstreuer verteilten sie im Haus, zwei in der Dachrinne. In den frühen Morgenstunden des 6. Juli 2014 entzündeten sie mindestens die fünf im Haus befindlichen Zuckerstreuer, verschütteten Benzin im Dachgeschoss und entzündeten auch dieses. Der Dachstuhl brannte komplett aus, durch Löschwasser wurde das Gebäude bis ins Kellergeschoss vollständig zerstört. Von den eingeweihten Hausbewohnern kam niemand zu Schaden.

II.

5
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
6
2. Hingegen beanstandet die Revision mit der Sachrüge zu Recht die Beweiswürdigung.
7
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten Z. I. entscheidend aufgrund zweier DNA-Spuren, gesichert an einem in der Dachrinne aufgefundenen Zuckerstreuer sowie an einem Benzinkanister , gewonnen. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht Sachverständigenbeweis erhoben und auf dessen Basis nachvollziehbar dargestellt, dass sich Z. I. als Verursacher der DNA-Mischspuren am Glasteil mit Klebeband aus der Dachrinne und am Benzinkanister nicht ausschließen lasse und dass bei beiden Spuren sogar zahlreiche Merkmale des Z. I. gegenüber anderen Personen überwögen. Insoweit handelte es sich – was das Landgericht unbeachtet lässt – jedenfalls um keine Typ-B-Spur nach den Grundsätzen der Spurenkommission (vgl. Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), die einen sicheren Schluss auf einen Hauptverursacher zuließe. Gleichwohl hat die Strafkammer, obwohl kein eindeutiger Hauptverursacher feststellbar war, aus der Nicht-Ausschließbarkeit des Angeklagten Z. I.
als Spurenverursacher auf dessen Täterschaft geschlossen. So hat die Strafkammer ihrer Überzeugungsbildung zugrunde gelegt, dass sich DNA des Angeklagten am präparierten Zuckerstreuer sowie an dem Benzinkanister befunden habe. Eine solche Folgerung lässt sich aber aus der NichtAusschließbarkeit einer Spurenverursachung nicht herleiten.
8
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dieser fehlerhaften Beweiswürdigung beruht. Zwar hat die Strafkammer auch andere Beweisanzeichen für die Täterschaft des Angeklagten herangezogen, diesen gegenüber den DNA-Spuren aber nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Appl Krehl Eschelbach Zeng Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern
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published on 27/06/2017 00:00

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.