Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2000 - 2 ARs 83/00
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18. Januar 1995 wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Nachdem er zwei Drittel der Strafe in der Justizvollzugsanstalt Bützow verbüßt hatte, wurde von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe durch Beschluß vom 7. Juli 1995 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde durch weitere Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock vom 3. Februar 1997 und vom 12. Februar 1998 bis zum 25. Juli 2001 verlängert. Durch Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 10. Juli 1997 wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.Das Landgericht Rostock (Strafvollstreckungskammer) und das Amtsgericht Halle-Saalkreis (erkennendes Gericht) streiten sich über die Zuständigkeit für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen (§ 453 StPO) hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 10. Juli 1997 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung.
II.
Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen (§ 14 StPO). Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock (§ 462 a Abs. 4 Satz 3 i.V. mit Abs. 1 Satz 2 StPO). Da die weiteren Verurteilungen des Angeklagten durch das Amtsgericht Hamburg vom 27. August 1996 und durch das Amtsgericht Halle-Saalkreis vom 16. Oktober 1996 zum einen durch Erlaß und zum anderen durch vollständige Bezahlung der Geldstrafe erledigt sind, kommt keine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO in Betracht, so daß sich die Zuständigkeit nicht nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO richtet. Maßgebend ist vielmehr § 462 a Abs. 4 StPO, der dem Konzentrationsprinzip Ausdruck verleiht. Durch diese Vorschrift wird die Zuständigkeit e i n e s Gerichts für nachträgliche Entscheidungen in allen Verfahren begründet, auch wenn die Zuständigkeit in dem Einzelverfahren, in dem die Entscheidungen zu treffen sind, an sich nicht gegeben wäre. Eine Entscheidungszersplitterung soll nämlich vermieden werden. Deshalb sind alle nachträglichen Entscheidungen bei e i n e m Gericht oder e i n e r Strafvollstreckungsbehörde konzentriert, wobei die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer stets die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges verdrängt (vgl. u.a. BGHSt 26, 118, 120; 30, 189, 192). Dies giltgerade auch in den Fällen, in denen verschiedene Gerichte den Angeklagten rechtskräftig zu Strafe verurteilt haben (§ 462 a Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 StPO). Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock ist gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach § 462 a Abs. 4 Satz 3 StPO entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 die Strafvollstreckungskammer. Da durch den Verweis auf Fälle des Absatzes 1 sowohl Absatz 1 Satz 1 als auch Absatz 1 Satz 2 erfaßt wird, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, daß die Strafvollstrekkungskammer "nur" zuständig geblieben ist (§ 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO). Für eine Unterscheidung der Fälle dahin, ob die Strafvollstreckungskammer gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 1 zuständig ist oder nach § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben ist, gibt es keinen sachlichen Grund. Danach verdrängt - entsprechend dem allgemeinen Prinzip - die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auch hier die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges. Jähnke Niemöller Bode Otten Rothfuß
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(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.
(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.