Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2000 - 2 ARs 270/00

bei uns veröffentlicht am27.09.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 270/00
2 AR 174/00
vom
27. September 2000
in der Bewährungssache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz
Az.: 2 Ds 230 Js 19748/99 Amtsgericht Kitzingen
Az.: 2 StVK 213/2000 Landgericht Amberg
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 27. September 2000 beschlossen:
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg ist für die Bewährungsaufsicht und die gemäß § 453 StPO zu treffenden nachträglichen Entscheidungen hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Kitzingen vom 2. Februar 2000 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung zuständig.

Gründe:

I.

Durch Beschluß der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Amberg vom 23. September 1997 wurde die Vollstreckung der Strafreste aus dem Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 23. Mai 1990 und dem Gesamtstrafenbeschluß des Amtsgerichts Hersbruck vom 13. August 1996 zur Bewährung ausgesetzt. Durch weiteren Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 19. Mai 2000 wurde die Bewährungszeit verlängert. Durch Urteil des Amtsgerichts Kitzingen vom 2. Februar 2000 wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht Amberg (Strafvollstreckungskammer) und das Amtsgericht Kitzingen (erkennendes Gericht) streiten sich über die Zuständigkeit für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen (§ 453 StPO)
hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Kitzingen vom 2. Februar 2000 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung.

II.

Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen (§ 14 StPO). Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg (§ 462 a Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 StPO). Da hier eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO nicht in Betracht kommt, richtet sich die Zuständigkeit nicht nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO. Maßgebend ist vielmehr § 462 a Abs. 4 StPO, der dem Konzentrationsprinzip Ausdruck verleiht. Durch diese Vorschrift wird die Zuständigkeit e i n e s Gerichts für nachträgliche Entscheidungen in allen Verfahren begründet , auch wenn die Zuständigkeit in dem Einzelverfahren, in dem die Entscheidungen zu treffen sind, an sich nicht gegeben wäre. Eine Entscheidungszersplitterung soll nämlich vermieden werden. Deshalb sind alle nachträglichen Entscheidungen bei e i n e m Gericht oder e i n e r Strafvollstreckungsbehörde konzentriert, wobei die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer stets die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges verdrängt (vgl. u.a. BGHSt 26, 118, 120; 30, 189, 192). Dies gilt gerade auch in den Fällen, in denen verschiedene Gerichte den Angeklagten rechtskräftig zu Strafe verurteilt haben (§ 462 a Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 StPO). Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg ist gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach § 462 a Abs. 4 Satz 3 StPO entscheidet in
den Fällen des Absatzes 1 die Strafvollstreckungskammer. Da durch den Verweis auf Fälle des Absatzes 1 sowohl Absatz 1 Satz 1 als auch Absatz 1 Satz 2 erfaßt wird, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, daß die Strafvollstrekkungskammer "nur" zuständig geblieben ist (§ 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO). Für eine Unterscheidung der Fälle dahin, ob die Strafvollstreckungskammer gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 1 zuständig ist oder nach § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben ist, gibt es keinen sachlichen Grund. Danach verdrängt - entsprechend dem allgemeinen Prinzip - die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auch hier die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges (vgl. auch Senatsbeschluß vom 5. April 2000 - 2 ARs 83/00). Bode Detter Otten Rothfuß Fischer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Strafprozeßordnung - StPO | § 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt


(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2000 - 2 ARs 83/00

bei uns veröffentlicht am 05.04.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 83/00 2 AR 32/00 vom 5. April 2000 in der Bewährungssache gegen Az.: III StVK 232/95 Landgericht Rostock Az.: 361 (300) BRs 54/97 Amtsgericht Halle Az.: 1 Ws 525/99 Generalstaatsanwaltschaft Naumburg Der 2. Strafs

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(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 83/00
2 AR 32/00
vom
5. April 2000
in der Bewährungssache
gegen
Az.: III StVK 232/95 Landgericht Rostock
Az.: 361 (300) BRs 54/97 Amtsgericht Halle
Az.: 1 Ws 525/99 Generalstaatsanwaltschaft Naumburg
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 5. April 2000 beschlossen:
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock ist für die Bewährungsaufsicht und die gemäß § 453 StPO zu treffenden nachträglichen Entscheidungen hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 10. Juli 1997 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung zuständig.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18. Januar 1995 wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Nachdem er zwei Drittel der Strafe in der Justizvollzugsanstalt Bützow verbüßt hatte, wurde von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe durch Beschluß vom 7. Juli 1995 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde durch weitere Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock vom 3. Februar 1997 und vom 12. Februar 1998 bis zum 25. Juli 2001 verlängert. Durch Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 10. Juli 1997 wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das Landgericht Rostock (Strafvollstreckungskammer) und das Amtsgericht Halle-Saalkreis (erkennendes Gericht) streiten sich über die Zuständigkeit für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen (§ 453 StPO) hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 10. Juli 1997 bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung.

II.

Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen (§ 14 StPO). Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock (§ 462 a Abs. 4 Satz 3 i.V. mit Abs. 1 Satz 2 StPO). Da die weiteren Verurteilungen des Angeklagten durch das Amtsgericht Hamburg vom 27. August 1996 und durch das Amtsgericht Halle-Saalkreis vom 16. Oktober 1996 zum einen durch Erlaß und zum anderen durch vollständige Bezahlung der Geldstrafe erledigt sind, kommt keine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO in Betracht, so daß sich die Zuständigkeit nicht nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO richtet. Maßgebend ist vielmehr § 462 a Abs. 4 StPO, der dem Konzentrationsprinzip Ausdruck verleiht. Durch diese Vorschrift wird die Zuständigkeit e i n e s Gerichts für nachträgliche Entscheidungen in allen Verfahren begründet, auch wenn die Zuständigkeit in dem Einzelverfahren, in dem die Entscheidungen zu treffen sind, an sich nicht gegeben wäre. Eine Entscheidungszersplitterung soll nämlich vermieden werden. Deshalb sind alle nachträglichen Entscheidungen bei e i n e m Gericht oder e i n e r Strafvollstreckungsbehörde konzentriert, wobei die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer stets die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges verdrängt (vgl. u.a. BGHSt 26, 118, 120; 30, 189, 192). Dies gilt
gerade auch in den Fällen, in denen verschiedene Gerichte den Angeklagten rechtskräftig zu Strafe verurteilt haben (§ 462 a Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 StPO). Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock ist gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach § 462 a Abs. 4 Satz 3 StPO entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 die Strafvollstreckungskammer. Da durch den Verweis auf Fälle des Absatzes 1 sowohl Absatz 1 Satz 1 als auch Absatz 1 Satz 2 erfaßt wird, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, daß die Strafvollstrekkungskammer "nur" zuständig geblieben ist (§ 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO). Für eine Unterscheidung der Fälle dahin, ob die Strafvollstreckungskammer gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 1 zuständig ist oder nach § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO zuständig geblieben ist, gibt es keinen sachlichen Grund. Danach verdrängt - entsprechend dem allgemeinen Prinzip - die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auch hier die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges. Jähnke Niemöller Bode Otten Rothfuß