Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2016 - 2 ARs 211/16

bei uns veröffentlicht am23.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 211/16
2 AR 103/16
vom
23. August 2016
in der Strafvollzugssache
gegen
wegen Anhörungsrüge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:230816B2ARS211.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2016 beschlossen :
1. Die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl und Dr. Eschelbach sowie gegen die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott und Dr. Bartel werden als unzulässig verworfen. 2. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 14. Juni 2016 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Gründe:

1
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Juni 2016 den Antrag des Landgerichts Potsdam auf Bestimmung des zuständigen Gerichts (§ 14 StPO) für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zurückgewiesen.
2
1. Die dagegen gerichteten Ablehnungsgesuche des Antragstellers vom 8. August 2016 sind unzulässig, nachdem der Senat mit Beschluss vom 14. Juni 2016 über den Antrag des Landgerichts Potsdam entschieden hat. Ein Ablehnungsgesuch ist nur statthaft, solange die Entscheidung noch nicht ergangen ist. Dies gilt auch, wenn das Ablehnungsgesuch mit einer Gehörsrüge verbunden wird (vgl. Senat, Beschluss vom 14. März 2013 - 2 StR 534/12, NStZ-RR 2013, 214).
3
2. Da der Antragsteller eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt hat, ist die von ihm er- hobene Gehörsrüge (§ 33a StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG) als unzulässig zu verwerfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 33a Rn. 7). Fischer Krehl Eschelbach Ott Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 33a Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtgewährung rechtlichen Gehörs


Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 120 Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften


(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entspr

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2013 - 2 StR 534/12

bei uns veröffentlicht am 14.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 534/12 vom 14. März 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. hier: Anhörungsrüge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2013 beschlossen: 1. Das Ablehnungsgesuch des Ver
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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2017 - III ZR (Ü) 2/16

bei uns veröffentlicht am 16.02.2017

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 534/12
vom
14. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
hier: Anhörungsrüge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2013 beschlossen:
1. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten gegen die Richter Prof. Dr. Fischer, Prof. Dr. Schmitt, Dr. Berger, Prof. Dr. Krehl und Dr. Eschelbach wird als unzulässig verworfen. 2. Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 1. März 2013 gegen den Senatsbeschluss vom 12. Februar 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. Februar 2013 die von dem Verurteilten eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Hiergegen richtet sich die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 1. März 2013, die er mit einer Ablehnung derjenigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit verbindet, die bereits am Revisionsverwerfungsbeschluss mitgewirkt hatten.
2
2. Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Entscheidet das Gericht über die Revision außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 356a StPO verbunden wird, die sich - wie hier - mangels Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet erweist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, NStZ 2007, 416, vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55, vom 24. Januar 2012 - 4 StR 469/11, vom 7. November 2009 - 5 StR 356/09, vom 4. August 2009 - 1 StR 287/09, NStZ-RR 2009, 353, vom 2. Mai 2012 - 1 StR 152/11, NStZ-RR 2012, 314, vom 31. Januar 2013 - 1 StR 595/12; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 25 Rn. 11). Denn die Regelung des § 356a StPO soll dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen; der Rechtsbehelf dient indes nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen (BGH, Beschlüsse vom 22. November 2006 - 1 StR 180/06, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Nach dem letzten Wort 1; vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, aaO).
3
Dem Antrag des Verurteilten, ihm die zur Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen, war nicht nachzukommen. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig zu verwerfen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, aaO; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 5 StR 269/05, BGHR StPO § 24 Abs. 3 Satz 2 Besetzungsmitteilung 1).
4
3. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet, da keine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keinen Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
5
Auch die Mutmaßungen des Verurteilten über die Unterrichtung der Richter der Spruchgruppe über den Sach- und Streitstand mit der Behauptung, es hätten nicht sämtliche Richter die Akten gelesen, zeigen eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht auf. Zu der Frage, wie die einzelnen Mitglieder eines Spruchkörpers die erforderliche Kenntnis des Streitstoffs erlangen, enthalten weder das Verfahrens- noch das Verfassungsrecht nähere Vorgaben. Die Entscheidung , ob der Spruchkörper sich mit Blick auf die Arbeitsteilung im Kollegium darauf beschränkt, durch den Berichterstatter über den maßgeblichen Sach- und Streitstand informiert zu werden, oder die Vollständigkeit und Richtigkeit des Vortrags dadurch sichert und verstärkt, dass ein weiteres, mehrere oder alle Mitglieder des Spruchkörpers sich den Streitstoff aus den Akten selbst erarbeiten, ist ihm überlassen. Dabei ist es jedem Richter in Ausübung seiner Unabhängigkeit und persönlichen Verantwortung jederzeit unbenommen, sich selbst unmittelbar aus den Akten kundig zu machen, wenn er dies für seine Überzeugungsbildung für erforderlich hält und nicht allein auf den Vortrag des Berichterstatters zurückgreifen möchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 u. 2 BvR 625/12, NJW 2012, 2334, 2336 Tz. 25; siehe auch schon BVerfG, Beschluss vom 24. März 1987 - 2 BvR 677/86, NJW 1987, 2219, 2220; BGH, Beschluss vom 15. Februar 1994 - 5 StR 15/92, NStZ 1994, 353f.).
6
Eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter kann mit der Anhörungsrüge nach § 356a StPO nicht geltend gemacht werden (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2012 - 2 StR 585/11 mwN; noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - 4 StR 637/10). Allerdings lag die vom Verurteilten behauptete Verletzung von Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG ohnehin nicht vor: Der Senatsvorsitzende war bei der Beratung und Beschlussfassung urlaubsbedingt verhindert und ist von dem ohnehin der betreffenden Spruchgruppe angehörenden Stellvertre- tenden Vorsitzenden unter Hinzuziehung des nach der internen Geschäftsverteilung zur weiteren Vertretung berufenen Senatsmitglieds vertreten worden.
Becker Fischer Appl Berger Krehl

Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. § 47 gilt entsprechend.

(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.