Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2013 - 1 StR 68/13

bei uns veröffentlicht am16.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 68/13
vom
16. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2013 gemäß § 206a
Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 26. September 2012 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall III.2., Tat 6, der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben: aa) in den Fällen III.2., Taten 115a, 115b, 116a, 116b, 117a, 117b, 117c, 118a, 118b, 118c, 119a, 119b, 119c, 120a, 120b, der Urteilsgründe insgesamt, bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, versuchter Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in elf Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig rechtskräftig gewordenen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Anrechnung gemäß § 56f Abs. 3 Satz 2, § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgenommen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die dem Angeklagten zur Last liegende Steuerhinterziehung wegen unterlassener Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 (Fall III.2., Tat 6, der Urteilsgründe) ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Februar 2013 zutreffend dargelegt hat - verjährt. Das Verfahren war daher insoweit gemäß § 206a StPO einzustellen.
3
2. Die Verurteilung des Angeklagten in den (sechs) Fällen III.2., Taten 115a, 115b, 116a, 116b, 117a, 117b, 117c, 118a, 118b, 118c, 119a, 119b, 119c, 120a, 120b, der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts verschaffte sich der Angeklagte ab etwa 1995 ein laufendes Einkommen „mit Firmenbestattungen, dem Handel mit Firmenmänteln und der Erstellung von Schein- und Abdeckrechnun- gen“ (UA S. 14; s. auch UA S. 5). Unter seinen Firmen P. , B. , A. GmbH und Maschinenbau Bo. GmbH erteilte der Angeklagte dem „Gesellschafter-Geschäftsführer Z. der Firmen D. GmbH und I. GmbH Scheinrechnungen über angeblich erbrachte Ingenieurleistungen, aus denen Z. zu Unrecht … Betriebsausgaben- und, soweit Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen war, den Vorsteuerabzug vornahm“ (UA S. 18). Dane- ben führten S. und Z. aber auch „echte gemeinsame Handelsgeschäfte“ durch (UA S. 19).
5
In den für die Jahre 2002, 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007 abgegebenen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen bezifferte Z. für die Firmen D. GmbH bzw. I. GmbH jeweils einen „unzutreffenden Gewinn, weil er Zahlungen … auf Scheinrechnungen zu Unrecht gewinnwirksam verbucht hatte“ (UA S. 37 f.). Dieses förderte der Angeklagte „durch die Überlassung der zugrunde liegenden Scheinrechnungen mit zumindest bedingtem Vorsatz bezüglich deren steuerschädlicher Verwendung“ (UA S. 71; s. auch UA S. 73).
6
b) Den weiteren Feststellungen des Landgerichts ist allerdings nicht ausreichend zu entnehmen, ob bzw. in welcher Höhe es zu Steuerverkürzungen gekommen ist. Insbesondere aus den - aus sich heraus schon nicht ohne weiteres verständlichen - tabellarischen Aufstellungen lassen sich die Berechnungen nicht nachvollziehen. So stellt das Landgericht beispielsweise für das Jahr 2003 ausgehend von einem Scheinrechnungsvolumen von 15.400 € einen Gewerbesteuerhinterziehungsbetrag von 14.850 € fest. Die aufgeführten Hinterzie- hungsbeträge bei Körperschaft- und Gewerbesteuer lassen sich nicht allein mit den in den Urteilsgründen mitgeteilten Rechnungsbeträgen aus den vom Angeklagten zur Verfügung gestellten Scheinrechnungen erklären, zumal der Angeklagte und Z. auch „echte gemeinsame Handelsgeschäfte“ (UA S. 19) durchgeführt haben. Insoweit kann der Senat letztlich nicht abschließend prüfen , ob es überhaupt zu einer Steuerverkürzung durch den Haupttäter gekommen ist, zu der der Angeklagte Beihilfe geleistet hat.
7
Es liegt zudem nicht fern, dass Teilbeträge der vom Haupttäter (möglicherweise ) verkürzten Steuern nicht auf der Verwendung der vom Angeklagten erstellten Scheinrechnungen, sondern auf anderen (unrichtigen) Angaben des Haupttäters beruhen. Auch solche Steuerverkürzungen könnten dem Angeklagten nicht ohne weiteres zugerechnet werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 229/09, NStZ-RR 2009, 311, 312; zur Darstellung im Urteil s. auch Jäger in: Klein, Abgabenordnung, 11. Aufl., § 370 Rn. 461 mwN).
8
Die gebotene Aufhebung zieht die Aufhebung der in den vorbezeichneten Fällen tateinheitlich verwirklichten Fälle III.2., Taten 117a, 118a, 119a, der Urteilsgründe (Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer), die für sich keinen rechtlichen Bedenken begegnen, und die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
9
Ob eine teilweise Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO bzw. eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 1, Abs. 2 StPO in Betracht gezogen werden kann, wird der Tatrichter zu entscheiden haben.
10
3. Die weitere Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Wahl Graf Jäger Radtke Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 56f Widerruf der Strafaussetzung


(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,2. gegen Weisungen gröblich od

Strafgesetzbuch - StGB | § 58 Gesamtstrafe und Strafaussetzung


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend. (2) Ist in den Fällen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder f

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2009 - 1 StR 229/09

bei uns veröffentlicht am 24.06.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 229/09 vom 24. Juni 2009 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des An

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend.

(2) Ist in den Fällen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder für den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und wird auch die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Wird die Gesamtstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, so gilt § 56f Abs. 3 entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 229/09
vom
24. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2009 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 28. Januar 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen 1, 3 bis 8, 10 bis 21 der Urteilsgründe im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. April 2009 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte seit der Gründung der E. GmbH im Februar 2002 Geschäftsführer dieser Gesellschaft mit Sitz in Mannheim. Gesellschafter war ein aus Gefälligkeit für den Angeklagten handelnder Strohmann. Im Jahr 2005 gründete der Angeklagte eine weitere Gesellschaft , die U. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er war.
4
Unter dem jeweiligen Briefkopf dieser Gesellschaften erstellte der Angeklagte in den Jahren 2002 bis 2007 für mehrere Unternehmen gegen Entgelt sog. Abdeckrechungen, um ihnen die auf diese Rechnungen gestützte Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen. Bei den Rechnungen handelte es sich um Scheinrechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis, mit denen in Wirklichkeit nicht ausgeführte Lieferungen oder sonstige Leistungen in Rechnung gestellt wurden. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, wurden die Scheinrechnungen von den Rechnungsempfängern dazu benutzt, durch Geltendmachung der in den Scheinrechnungen enthaltenen Vorsteuerbeträge, durch Vorspiegelung tatsächlich nicht vorhandener Betriebsausgaben und durch Verschleierung verdeckter Gewinnausschüttungen Umsatz-, Körperschaft-, Gewerbe- und Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von mehr als 668.000,-- Euro zu hinterzie- hen. Die in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Rechnungsbeträge überwiesen die Rechnungsempfänger jeweils auf Konten der als Rechnungsaussteller genannten Unternehmen des Angeklagten. Nach Abhebung der eingegangenen Gelder zahlte der Angeklagte von den Nettorechnungsbeträgen jeweils 85 Prozent an die Rechnungsempfänger aus, die verbleibenden 15 Prozent behielt er als Provision.
5
Die aus dem Handel mit Scheinrechnungen erzielten Erlöse gab der Angeklagte in den für die von ihm geleiteten Gesellschaften eingereichten Körperschaftsteuer -, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen nicht an; zum Teil stellte er Einnahmen der Gesellschaft fingierte Betriebsausgaben gegenüber. Hierdurch verkürzte er die von den Gesellschaften geschuldeten Steuern um einen Betrag von mehr als 612.000,-- Euro. Da er plangemäß für sich auch keine Einkommensteuererklärungen abgab, verkürzte er in den Veranlagungszeiträumen 2002 bis 2007 zudem Einkommensteuern in Höhe von mehr als 156.000,-- Euro.

II.


6
Der Schuldspruch wird von den Urteilsfeststellungen getragen.
7
1. In den Fällen 1 bis 22 der Urteilsgründe unterstützte der Angeklagte durch die Überlassung von Abdeckrechnungen die Hinterziehung von Umsatzsteuer , Gewerbesteuer und Körperschaft- bzw. Einkommensteuer durch die Empfänger der Scheinrechnungen. Er hat sich deshalb insoweit jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar gemacht. In den Fällen 23 bis 39 hat der Angeklagte durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen je- weils selbst Einkommensteuern hinterzogen. Da in den Fällen 40 und 41 die Veranlagungsarbeiten für die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 bei dem für den Angeklagten zuständigen Finanzamt Mannheim-Stadt noch nicht allgemein abgeschlossen waren, als der Angeklagte verhaftet wurde, hat das Landgericht den Angeklagten insoweit zurecht lediglich wegen versuchter Hinterziehung von Einkommensteuer durch Unterlassen verurteilt.
8
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist hinsichtlich der Fälle 1 und 4 der Urteilsgründe keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Verjährungsfrist wurde jeweils rechtzeitig durch verjährungsunterbrechende Maßnahmen unterbrochen. Zumindest die Durchsuchungsbeschlüsse vom 10. Juli 2008 hatten die Geschäftsbeziehungen des Angeklagten und der von ihm geführten Gesellschaften zu den Empfängern der Abdeckrechnungen zum Gegenstand. Der hierin zum Ausdruck kommende umfassende Verfolgungswille der Ermittlungsbehörden im Hinblick auf die im Rahmen dieser Geschäftsbeziehungen begangenen Steuerhinterziehungen erfasst auch die Beihilfe des Angeklagten zu den von den Rechnungsempfängern begangenen Steuerhinterziehungen.

III.


9
Die Strafaussprüche in den Fällen 1, 3 bis 8 und 10 bis 21 der Urteilsgründe - jeweils Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung - haben keinen Bestand. Die zugehörigen Feststellungen enthalten keine ausreichende Tatsachengrundlage zur Höhe der von den Rechnungsempfängern hinterzogenen Ertragsteuern. Sie ermöglichen dem Senat nicht die gebotene Nachprüfung, ob das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten von einem zutreffenden Schuldumfang ausgegangen ist, zumal das Landgericht auch in diesen Fällen den Umfang der verkürzten Steuern ausdrücklich als straferschwerenden Umstand ge- wertet hat. Dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
10
1. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Beim Delikt der Steuerhinterziehung finden sich die Merkmale der Straftat in der Blankettstrafnorm des § 370 AO und den im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Normen, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. vom 12. Mai 2008 - 1 StR 718/08 m.w.N.). Um dem Revisionsgericht die sachlich-rechtliche Überprüfung der vom Tatgericht vorgenommenen Rechtsanwendung zu ermöglichen, ist es bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erforderlich, dass alle steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sind. Dazu gehören jedenfalls die Tatsachen, die den staatlichen Steueranspruch begründen, und diejenigen Tatsachen, die für die Höhe der geschuldeten und der verkürzten Steuern von Bedeutung sind.
11
2. Bei Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist für die Bemessung der Strafe des Gehilfen das im Gewicht seines Tatbeitrages zum Ausdruck kommende Maß seiner Schuld maßgeblich; dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit Umfang und Folgen der Haupttat ihm zuzurechnen sind (vgl. BGH wistra 2000, 463 m.w.N.). Denn die Strafe jedes einzelnen Tatbeteiligten einer Steuerhinterziehung bestimmt sich - wie auch sonst - nach dem Maß seiner individuellen Schuld. Hieraus folgt, dass sich im Falle der Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung aus dem Urteil auch ergeben muss, in welcher Höhe die eingetretene Steuerverkürzung vom Gehilfen gefördert wurde, wenn der Haupttäter vom Gehilfenbeitrag unabhängig weitere Steuern verkürzt hat, das Aus- maß der vom Haupttäter verkürzten Steuern aber beim Gehilfen strafschärfend gewertet werden soll.
12
3. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in den Fällen 1, 3 bis 8 und 10 bis 21 der Urteilsgründe nicht, in denen der Angeklagte durch Übergabe von Scheinrechnungen nicht nur zur Hinterziehung von Umsatzsteuer , sondern auch zur Verkürzung von Ertragsteuern Hilfe geleistet hat. Denn die getroffenen Feststellungen lassen in diesen Fällen nicht erkennen, in welchem Umfang die von den Rechnungsempfängern verwirklichte Hinterziehung von Ertragsteuern durch Unterstützungsleistungen des Angeklagten gefördert wurde und inwieweit die Rechnungsempfänger unabhängig davon weitergehend Steuern verkürzt haben. Das Urteil ist daher insoweit im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Übrigen im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.
13
In den Urteilsgründen werden zwar hinsichtlich der von den Haupttätern verkürzten Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowohl jeweils die tatsächlich geschuldeten als auch die aufgrund unrichtiger Angaben der Haupttäter zu niedrig festgesetzten Ertragsteuern genannt und hieraus der Verkürzungsbetrag errechnet. Auch gibt das Landgericht - zumeist unter ausdrücklicher Nennung des festgestellten Gewinns aus Gewerbebetrieb - jeweils das zu versteuernde Einkommen und das aufgrund unrichtiger Angaben bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegte niedrigere zu versteuernde Einkommen an. Die aufgeführten Unterschiedsbeträge in den Bemessungsgrundlagen lassen sich dabei aber überwiegend nicht allein mit den in den Urteilsgründen mitgeteilten Rechnungsbeträgen aus den vom Angeklagten zur Verfügung gestellten Scheinrechnungen erklären. Es liegt daher nahe, dass in diesen Fällen Teilbeträge der von den Haupttätern verkürzten Steuern nicht auf der Verwendung der vom Angeklagten erstellten Scheinrechnungen, sondern auf anderen unrichtigen Angaben der Haupttäter beruhen. Jedenfalls kann der Senat auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen in den Fällen 1, 3 bis 8 und 10 bis 21 der Urteilsgründe nicht ausschließen, dass die Steuerverkürzungen der Haupttäter zum Teil auf unrichtigen Angaben beruhen, die nicht im Zusammenhang mit den im Urteil festgestellten Unterstützungsleistungen des Angeklagten stehen. Solche Steuerverkürzungen könnten dem Angeklagten damit nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Da die Strafkammer die Höhe der durch die Haupttäter hinterzogenen Steuern als maßgeblichen straferschwerenden Gesichtspunkt bei der Bemessung der Einzelstrafen für den Angeklagten berücksichtigt hat, beruht das Urteil in den genannten Fällen auf diesem Darstellungsmangel (vgl. hierzu auch BGH, Urt. vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08). Die gebotene Aufhebung dieser Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
14
4. Anders als in den genannten Fällen enthält die Darstellung der Fälle 23 bis 41 der Urteilsgründe, die eigene Steuerhinterziehungen des Angeklagten betreffen, noch ausreichende Feststellungen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung des Schuldumfangs zu ermöglichen. Entgegen der Auffassung der Revision ist insoweit ein den geständigen Angeklagten beschwerender Rechtsfehler nicht vorhanden. Die Fälle 2, 9 und 22 der Urteilsgründe, die lediglich die Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zum Gegenstand haben, sind von dem Darstellungsmangel ebenfalls nicht betroffen.

IV.


15
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
16
1. Bei Beihilfe zur Hinterziehung von Ertragsteuern durch Verschaffung von Scheinrechnungen müssen in steuerstrafrechtlichen Urteilen grundsätzlich nicht nur Feststellungen zu den dem Haupttäter überlassenen Scheinrechnungen und der Höhe der von diesem verkürzten Steuern getroffen werden. Vielmehr sind in den Urteilsgründen sämtliche steuerlich erheblichen Tatsachen anzugeben, die erforderlich sind, damit das Revisionsgericht die Berechnung der Höhe der vom Haupttäter verkürzten Steuern nachvollziehen kann. Bestehen Anhaltspunkte, dass der Haupttäter Steuern auch unabhängig von Unterstützungsbeiträgen des Gehilfen hinterzogen hat, muss zudem erkennbar sein, ob sich die Hilfeleistung des Gehilfen auf die gesamte Steuerverkürzung des Haupttäters oder nur auf einen näher zu bestimmenden Teil bezogen hat. Als Hilfeleistung in diesem Sinne ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (vgl. BGHR § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21, 27).
17
2. Unterstützt der Gehilfe mit seinem Verhalten die Hinterziehung verschiedener Steuern, hier etwa Umsatzsteuer und Ertragsteuern, kann nach § 154a Abs. 2 StPO eine Verfolgungsbeschränkung auf einzelne Steuerarten - etwa die Umsatzsteuer - in Betracht kommen, wenn der weitergehende Steuerschaden bezüglich der übrigen Steuerarten für die Strafzumessung beim Gehilfen aufwändig zu ermitteln ist und nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Dies schließt die straferschwerende Berücksichtigung des Umstandes, dass der Ge- hilfe durch dieselben Handlungen auch die Verkürzung weiterer Steuern gefördert hat, nicht aus. Lediglich dann, wenn auch die Höhe dieser weitergehenden Steuerverkürzungen straferschwerend berücksichtigt werden soll, bedarf es einer revisionsgerichtlich anhand der Urteilsgründe im Einzelnen nachprüfbaren Berechnung des Umfangs auch dieser Steuerverkürzungen.
18
3. Angesichts des in der neuen Hauptverhandlung zu beachtenden Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) und damit einer Obergrenze für die neu zu bildende Gesamtstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe erscheint im vorliegenden Fall - auch mit Blick auf den für die Strafzumessung bedeutsamen Umstand der Vorstrafen des Angeklagten - eine Anwendung des § 154a Abs. 2 StPO erwägenswert.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.