Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2019 - 1 StR 563/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 8. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 85 Fällen (Angeklagte P. und E. ) und 47 Fällen (Angeklagte T. und K. ) sowie wegen zweier Beihilfetaten zu diesen Delikten (Angeklagte S. , B. , Z. ) mit Gesamtfreiheitsstrafen belegt. Bei dem Angeklagten P. hat es in die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren die Einzelstrafen aus zwei Vorverurteilungen einbezogen, die in den Jahren 2013 und 2016 ergangen waren. Des Weiteren hat das Landgericht die gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.
- 2
- Hiergegen richten sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten P. hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es – wie die Rechtsmittel der weiteren Angeklagten – unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
II.
- 3
- 1. Das angefochtene Urteil begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken nur insoweit, als das Landgericht in die gegen den Angeklagten
P.
verhängte dreijährige Gesamtfreiheitsstrafe auch die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 9. November 2016 einbezogen hat. Diese Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen hat Taten aus den Jahren 2015 und 2016 zum Gegenstand. Einer Einbeziehung der dafür verhängten Einzelstrafen steht indes die Zäsurwirkung der unerledigten – und vomLandgericht zu Recht im Rahmen von § 55 StGB herangezogenen – Entscheidung des Landgerichts Kleve vom 21. November 2013 entgegen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. September 2012 – 4 StR 329/12 Rn. 2 mwN).
- 4
- Der Senat lässt die Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 9. November 2016 entfallen, dessen Gesamtstrafenausspruch unberührt bleibt. Darüber hinaus kann der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO die neue Gesamtstrafe gegen den Angeklagten P. selbst festsetzen. Deren Obergrenze ergibt sich wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) aus der Höhe der vom Landgericht verhängten Gesamtstrafe abzüglich der zu Unrecht aufgelösten Gesamtstrafe aus dem früheren Verfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 – 2 StR 636/13 Rn. 5 f.; vom 10. Januar 2012 – 3 StR 370/11 Rn. 4 und vom 7. Dezember 1990 – 2 StR 513/90 Rn. 4; KK-StPO/Paul, 8. Aufl., § 331 Rn. 2a). Die neu festzuset- zende Gesamtfreiheitsstrafe darf daher zwei Jahre und neun Monate nicht übersteigen (vgl. § 43 Satz 2 StGB). Eine solche Gesamtstrafe hätte das Landgericht mindestens verhängt, wäre ihm der aufgezeigte Rechtsfehler nicht unterlaufen.
- 5
- 2. Die Angeklagten sind dadurch nicht beschwert, dass das Landgericht mit seinem Einziehungsausspruch ohne weitere Differenzierung ihre Haftung „als Gesamtschuldner“ in der Urteilsformel festgestellt hat, obgleich ihren Verur- teilungen zwei Tatserien mit unterschiedlicher Tatbeteiligung zugrunde liegen. Denn die Strafkammer hat die Zahlungsverpflichtung der einzelnen Angeklagten zugleich auf den individuellen Wert der erlangten Taterträge beschränkt.
Leplow Pernice
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.