Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2012 - 1 StR 50/12

bei uns veröffentlicht am06.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 50/12
vom
6. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 8. November 2011, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben:
a) soweit die Strafaussetzung zur Bewährung versagt und
b) soweit die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen zwei Fällen der gefährlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Be- schlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Schuldspruch, die Einzelstrafaussprüche und die Gesamtstrafenbildung lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
4
2. Die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Entscheidung nicht begründet. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2011 - 4 StR 283/11 mwN).
5
Dies ist hier der Fall, weil angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht so fern liegt, dass eine ausdrückliche Erörterung der Aussetzungsfrage entbehrlich erscheint. Der Angeklagte ist - von den hier abgeurteilten binnen weniger Minuten begangenen Taten abgesehen - nur geringfügig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er wurde 2006 zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Taten haben bei den beiden Geschädigten "keine bleibenden Verletzungen" verursacht, weshalb die Strafkammer jeweils feststellte, "dass sich die Strafe noch im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens bewegen kann" (UA S. 20). Der Angeklagte hat die Taten nicht bestritten, sondern von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich nicht zur Sache einzulassen. Zu dem Motiv der Tat hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen.
6
3. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) war ebenfalls aufzuheben. Es kann dahinstehen, ob - entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts - ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, hier ohne weiteres verneint werden kann, wenn man die Feststellung der Kammer für rechtsfehlerfrei erachtet, dass der Angeklagte sich pro Tag zwei bis drei Gramm Heroin spritzt (UA S. 10). Das Fehlen von Beeinträchtigungen der Arbeits- und Leistungsfähigkeit schließt - abgesehen davon, dass hierzu keine näheren Feststellungen getroffen sind - nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus, wenn diesem Umstand auch indiziell Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommt (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 421/11 Rn. 9).
7
Ohne Feststellungen zum Motiv der Tat lässt sich jedenfalls nicht überprüfen , ob die Tat Symptomwert für den Hang hat.
8
Die Unterbringungsanordnung war hier aber schon deshalb aufzuheben, weil die Maßregelentscheidung im vorliegenden Fall wegen der gleichermaßen maßgeblichen Prognose über das künftige Sucht- und Legalverhalten des Angeklagten mit der Bewährungsentscheidung sachlich so eng zusammenhängt, dass eine einheitliche Entscheidungsfindung hierüber zu gewährleisten ist (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 - 5 StR 118/02; auch BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 2 StR 212/03).
9
Deshalb hat der Senat auch davon abgesehen - wie vom Generalbundesanwalt aber beantragt -, eine eigene Sachentscheidung zur Unterbringungsanordnung zu treffen. Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Sander

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 283/11
vom
28. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 28. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 15. März 2011 aufgehoben, soweit der Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 6. Januar 2009 und Auflösung der dortigen Gesamtstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen hat es gegen die Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Entscheidung des Amtsgerichts Essen vom 24. Februar 2010 und Auflösung der dortigen Gesamtstrafe die weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Darüber hinaus ist der Verfall von Wertersatz in Höhe von 11.000 Euro angeordnet worden. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit welcher die Verletzung materiellen Rechts geltend gemacht wird. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als der Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.
3
Die Strafkammer hat sich in den Urteilsgründen mit der Frage, ob die Vollstreckung der beiden – jeweils aussetzungsfähigen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 1984 – 5 AR (VS) 20/84, BGHSt 33, 94, 96) – Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten gemäß § 58 Abs. 1, § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, nicht befasst. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind aus materiell -rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11; vom 5. März 1997 – 2 StR 63/97; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1985 – 4 StR 559/85, StV 1986, 58; Urteile vom 21. April 1986 – 2 StR 62/86, NStZ 1986, 374; vom 29. April 1954 – 3 StR 898/53, BGHSt 6, 167, 172). Dies ist hier der Fall, weil angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht so fern liegt, dass eine ausdrückliche Erörterung der Aussetzungsfrage entbehrlich erscheint. Die – von den hier abgeurteilten Taten abgesehen – nur geringfügig strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte hat ein umfassendes Geständnis abgelegt, mit dem sie sich nach Ansicht des Landgerichts erkennbar von dem von ihr begangenen Unrecht distanziert hat. Ausweislich der Feststellungen ermöglichte sie durch ihre bereits im Zuge des Ermittlungsverfahrens gemachten Angaben erhebliche Ermittlungserfolge, die zur Aufklärung bislang unbekannter Straftaten aus dem Betäubungsmittelbereich führten.
4
Einer Aufhebung tatsächlicher Feststellungen bedarf es nicht. Neue, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind möglich.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

9
Die Umstände legen auch nahe, dass der Angeklagte Alkohol und Drogen im Übermaß konsumiert. Denn ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 mwN). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelgenuss bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen; das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198). Dass der Angeklagte im Falle einer Beschäftigung in der Lage war, seinen Alkoholkonsum zu unterlassen, steht daher dem Vorliegen eines Hangs nicht entgegen, zumal der Angeklagte nach den Feststellungen bislang im Wesentlichen ohne Arbeit ist. Nahe liegt demgegenüber ein Hang insbesondere bei Beschaffungskriminalität (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210), die hier jedenfalls bei den zwei Vorstrafen vom 11. Juni 2003 und vom 17. September 2008 festgestellt wurde. Auch mit den hier abgeurteilten Erpressungen wollte sich der Angeklagte Geld beschaffen , um sich Alkohol und Marihuana besorgen zu können.
5 StR 118/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2002

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. November 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist,
b) soweit eine Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im übrigen – wegen sieben Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln , davon zweimal in nicht geringer Menge, sechsmal in Tatein- heit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, in einem Verbrechensfall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Angeklagten ± die im übrigen unbegründet ist (§ 349 Abs. 2 StPO) ± führt zur Urteilsaufhebung, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Dies zieht die Aufhebung der negativen Entscheidung über die Strafaussetzung nach sich.
Nach den Urteilsfestsstellungen hat der wegen seiner Kokainabhängigkeit möglicherweise erheblich vermindert steuerungsfähige Angeklagte die Taten zur fortdauernden Befriedigung und Finanzierung seiner Sucht begangen. Der Tatrichter hat die negative Prognose des Angeklagten maßgeblich damit begründet, daß dieser seinen Drogenkonsum während laufender Bewährungszeit nicht ernsthaft bekämpft habe; die Strafkammer “ist der Auffassung, daß es bei seinem bisherigen Konsumverhalten allein mit dem Aufhören nicht getan ist, sondern eine ernsthafte Therapie erforderlich wäre” (UA S. 13). Angesichts dieser für sich rechtsfehlerfreien Beurteilung war eine Prüfung und Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB vorlagen, unerläßlich. Dies ist unterblieben, was das Revisionsgericht auch auf die alleinige Revision des Angeklagten ± der das Rechtsmittel auch nach entsprechender Rückfrage nicht beschränkt hat ± zu beanstanden hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Strafausspruch bleibt von dem Rechtsfehler unberührt; der Senat kann ausschließen, daß die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe im Falle entsprechender Unterbringung noch milder bemessen worden wären. Indes zieht die Beanstandung der unterbliebenen Unterbringungsentscheidung die Aufhebung der für sich fehlerfrei begründeten negativen Entscheidung zur Strafaussetzung gemäß § 56 StGB nach sich. Die vom neuen Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu treffende Maûregelentscheidung hängt im vorliegenden Fall wegen der gleichermaûen maûgeblichen Prognose über das künftige Sucht- und Legalverhalten des Angeklagten mit der Bewährungsentscheidung sachlich so eng zusammen, daû eine einheitliche Entscheidungsfindung hierüber zu gewährleisten ist.
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