Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2005 - 1 StR 411/05

bei uns veröffentlicht am15.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 411/05
vom
15. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
Rechtsmissbräuchlicher Befangenheitsantrag.
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 1 StR 411/05 - LG Mannheim
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 6. Mai 2005 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Bandendiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Näherer Erörterung bedarf allein die Verfahrensrüge, die Strafkammer habe einen vom Angeklagten gegen sie gerichteten Befangenheitsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt.
3
1. Dem Ablehnungsgesuch liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
4
a) Nach der Mittagspause des 13. Hauptverhandlungstages am 18. April 2005 äußerte die Verteidigerin des Angeklagten Bedenken über den Zustand ihres Mandanten und beantragte dessen Untersuchung durch einen Arzt. Die Hauptverhandlung wurde kurz unterbrochen. Der Vorsitzende gab danach den Inhalt seines Gespräches mit dem Anstaltsarzt bekannt. Der Untersuchungshaftanstalt , aus der der Angeklagte am Morgen vorgeführt worden war, seien keine Anhaltspunkte bekannt, die gegen eine Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten sprächen. Die Verteidigerin stellte daraufhin den Antrag, den Angeklagten umgehend durch einen Notarzt auf seine Verhandlungsfähigkeit untersuchen zu lassen. Zur Begründung gab sie an, nachdem der Angeklagte am Vormittag dem äußeren Eindruck nach bewusstseinsklar und orientiert gewirkt habe, sei er nach der Sitzungspause gegen 13.15 Uhr in den Sitzungssaal geschwankt. Er sei nicht ansprechbar gewesen, habe sich kaum auf den Stuhl setzen können und habe die Augen geschlossen gehalten. Da eine konkrete Verschlechterung seiner Gesundheit sich diesem Eindruck zufolge aufdränge und nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte seine eigene Behandlungsbedürftigkeit nicht einzuschätzen vermöge, könne diese Frage weder durch Rückfrage beim Angeklagten noch in der Justizvollzugsanstalt, in der er sich seit dem frühen Morgen nicht mehr aufhalte, geklärt werden.
5
Der Vorsitzende stellte an den Angeklagten die Frage, was ihm fehle, ob er sich nicht wohl fühle. Der Angeklagte machte keine konkreten Beschwerden geltend. Es erging daraufhin die Verfügung des Vorsitzenden, mit der die ärztliche Untersuchung des Angeklagten abgelehnt wurde. Die Verteidigerin rügte die Verfügung des Vorsitzenden und beantragte einen Gerichtsbeschluss. Der diensthabende Justizwachtmeister wurde informatorisch gehört.
6
Die Strafkammer verkündete den Beschluss, die Beanstandung der Verfügung des Vorsitzenden, ungeachtet der geltend gemachten Verhandlungsunfähigkeit die Verhandlung fortzusetzen und keinen Arzt zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten herbeizurufen, werde abgelehnt. Zur Begründung führte die Kammer aus, es gebe keine Anhaltspunkte für eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Angeklagten während der Mittagspause. Nach den Beobachtungen des Gerichts während der Verhandlung am Vormittag und nach dem Bericht des Gerichtswachtmeis- ters, der den Angeklagten während der Pause gesehen habe, sei der Angeklagte bei vollem Bewusstsein und voller Konzentrationsfähigkeit. Ein Rückruf beim Anstaltsarzt habe erbracht, dass sich der Angeklagte zuletzt am 15. April 2005 dem Arzt vorgestellt habe, über Schlaflosigkeit, körperliche Missempfindungen geklagt habe und ohne aktuelle Veränderung der Medikation erneut zur Vorstellung während der laufenden Woche einbestellt worden sei. Auf Befragen habe der Angeklagte keine besonderen Klagen über seinen Gesundheitszustand geltend gemacht. Angesichts dieser Umstände könne von einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Angeklagten, der ständig ärztlicher Kontrolle unterliege, nicht ausgegangen werden.
7
Daraufhin stellte die Verteidigerin für den Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen die gesamte Strafkammer. Zur Begründung führte sie aus, das Verhalten der abgelehnten Kammermitglieder begründe die Besorgnis, die Gerichtsmitglieder wollten den Angeklagten ohne Rücksicht auf eine mögliche Gesundheitsverschlechterung verurteilen, was ihn an deren Unparteilichkeit zweifeln lasse. Sämtliche abgelehnten Personen und Anwesenden seien medizinische Laien, die ohne entsprechende Fachkenntnis nur auf äußere Eindrücke ihre Schlüsse stützen könnten. Der Angeklagte habe bis zum Zeitpunkt des Befangenheitsantrags die Augen kaum öffnen können. Der Eindruck vom Zustand des Angeklagten, so wie ihn die Unterzeichnete geschildert habe, und wie er vom Justizangestellten S. bestätigt worden sei, könne nicht durch Angaben der Justizvollzugsanstalt vom 15. April 2005 entkräftet werden, weshalb der Angeklagte davon ausgehen müsse, dass ihm die Mitglieder des Gerichts noch nicht einmal hinsichtlich seines Gesundheitszustandes unparteiisch gegenüberständen.
8
Die Strafkammer verwarf den Befangenheitsantrag als unzulässig. Ein Befangenheitsantrag sei gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig abzulehnen, wenn eine Begründung fehle. Dem sei der Fall gleichzustellen, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sei. Hier werde die Befangenheit der Kammer mit den Gründen des Beschlusses der Kammer vom heutigen Tage begründet. Die Mitwirkung an Zwischenentscheidungen im anhängigen Verfahren begründe jedoch i. d. R. keine Ablehnung eines Richters. Da keine Besonderheiten vorgetragen wurden, die zu einer anderen Beurteilung Veranlassung geben könnten, sei der Antrag als unzulässig abzulehnen.
9
Nach diesem Gerichtsbeschluss wurden noch zwei weitere Gerichtsbeschlüsse verkündet. Da keine Anträge mehr gestellt wurden, wurde die Beweisaufnahme geschlossen und die Hauptverhandlung unterbrochen.
10
b) Die Revision macht geltend, das Gericht habe den Befangenheitsantrag der Verteidigung zu Unrecht als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO abgelehnt. Der wesentliche Ablehnungsgrund, der dem Antrag der Verteidigung zugrunde liege, sei die Besorgnis, das Verhalten der Kammermitglieder , die sich trotz offenkundiger und sichtbarer Zeichen für eine massive Erkrankung oder/und Bewusstseinseintrübung beim Angeklagten hierüber hinwegsetzten , sodass der Angeklagte davon ausgehen müsse, dass die abgelehnten Personen ihn nicht einmal im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand unparteiisch gegenübergetreten seien. Der Antrag sei auch damit begründet worden, dass er auf die Besorgnis des Angeklagten gestützt sei, er solle ohne Rücksicht auf eine mögliche Gesundheitsverschlechterung (noch an diesem Tage) verurteilt werden. Das Gericht habe sowohl den Antrag auf Untersuchung als auch den Befangenheitsantrag mit Gründen abgelehnt, die den Zustand des Angeklagten am Vormittag des betreffenden Tages wiedergäben. Über seinen Zustand am Nachmittag habe der Anstaltsarzt keine Angaben machen können, da sich der Angeklagte seit dem frühen Vormittag diesen Tages bei Gericht und nicht in der Justizvollzugsanstalt aufgehalten habe. Ein Fall der Unzulässigkeit liege nicht vor, bei welchem die Begründung im Befangenheitsantrag aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sei, denn die Frage, ob die Begründung eines Gerichtsbeschlusses in laufender Verhandlung überhaupt die Möglichkeit eines Befangenheitsgrundes eröffne, sei eine Frage der Begründetheit, die in der Prüfung der Zulässigkeit keine Rolle spiele. Nur für den Fall der "völligen Ungeeignetheit" einer Begründung des Befangenheitsantrages könne dieser einem nicht begründeten Antrag gleichgesetzt und damit als unzulässig abgelehnt werden. Ein solcher Fall habe entgegen der Annahmen des Gerichts nicht vorgelegen. Da die Mitglieder der Kammer durch den zulässigen Befangenheitsantrag nicht mehr zur Entscheidung berufen gewesen seien, liege der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vor.
11
2. Der Verfahrensrüge muss der Erfolg versagt bleiben.
12
a) Der Senat kann offen lassen, ob - was nicht nahe liegt - der Vortrag zur Verfahrensrüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Die Revision trägt zwar vor, dass der Vorsitzende am darauf folgenden Hauptverhandlungstag, dem 6. Mai 2005, den Verfahrensbeteiligten die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen nach dem 18. April 2005 durch den Notarzt , das Zentralinstitut für seelische Gesundheit und das Vollzugskrankenhaus Hohen- asperg betreffend den Angeklagten bekannt gemacht hat und den Verfahrensbeteiligten die Ablichtungen der Arztberichte ausgehändigt hat. Sie verschweigt jedoch, dass der Angeklagte ausweislich der Arztberichte gegenüber den Ärzten u.a. angegeben hatte, er habe am 18. April 2005 - bei Gericht - Rattengift eingenommen, das er sich zuvor aus der Küche der Justizvollzugsanstalt besorgt hatte; diese Substanz hatte am Nachmittag des Verhandlungstages zu mehrfachem Erbrechen geführt (GA Bd. XIV S. 234).
13
Der Senat kann auch offenlassen, ob die Kammer nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verfahren durfte (vgl. dazu BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3410; BGH NJW 2005, 3434; NJW 2005, 3436).
14
b) Der Verfahrensrüge muss jedenfalls deshalb der Erfolg versagt werden, weil sie auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Angeklagten gestützt ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 5 StR 494/05 -, BGH NStZ 2002, 217; NStZ 2000, 606; NStZ 1998, 267; NStZ 1998, 209; NStZ 1997, 451; NStZ`1993, 198 jeweils m. w. Nachw.)
15
aa) Nach § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 1 StPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters oder Schöffen zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 24 Rdn. 6, 8) ist das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes grundsätzlich vom Standpunkt des Ablehnenden zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich befangen ist, spielt daher keine Rolle. Das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des - ihm bekannten - Sachverhalts Grund zur Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt , die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.
16
bb) Der Angeklagte hat, nach seinen eigenen, später den Ärzten gegenüber gemachten Angaben bei Gericht Rattengift eingenommen und sich damit vorsätzlich und schuldhaft - Anhaltspunkte für Anderes sind weder vorgetragen , noch sonst ersichtlich - in einen Zustand versetzt, der seine Verhandlungsfähigkeit beinträchtigen konnte (vgl. § 231a StPO). Dies hat er dem Gericht nicht nur verschwiegen. Er hat vielmehr durch seine Verteidigerin vortra- gen lassen, die Frage seiner Verhandlungsfähigkeit könne nicht durch eine Rückfrage bei ihm geklärt werden. Als der Vorsitzende den Angeklagten gleichwohl fragte "was ihm fehle" - eine Frage, die er leicht hätte beantworten können - machte er zudem, bewusst falsch, keine konkreten Beschwerden geltend. Das Gericht hat - anders als die Verteidigerin - keine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Angeklagten wahrgenommen und konnte sich dadurch aufgrund der Antwort des Angeklagten auf die Frage des Vorsitzenden auch bestätigt sehen. Wenn der Angeklagte - auf dessen Sichtweise es ankommt - daraufhin gleichwohl das Gericht als befangen ansah, so kann der Senat sein Verhalten nur dahin verstehen, dass der Angeklagte das Gericht absichtlich in die Irre geführt hat.
17
Ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich. Der Angeklagte hat damit sein Recht auf Stellung eines Befangenheitsantrages verwirkt. Einer darauf gestützten Verfahrensrüge muss der Erfolg versagt bleiben. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 26a Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags


(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn 1. die Ablehnung verspätet ist,2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angege

Strafprozeßordnung - StPO | § 231a Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten


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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

5 StR 494/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2005

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. März 2005 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen von jeweils drei Jahren verurteilt. Ihre Revisionen sind, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 7. November 2005 dargelegt hat, unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat erachtet die Verfahrensrüge des Angeklagten S , das Landgericht habe es unterlassen, seinen Verteidiger Rechtsanwalt W zu den Hauptverhandlungsterminen zu laden (§ 218 Satz 1 StPO) – über die Auffassung des Generalbundesanwalts hinausgehend, der ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler ausschließt – bereits als unbegründet.
1. Der Senat entnimmt der Revision, der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft und dem Urteil insoweit folgenden Verfahrensgang: Der am 31. August 2004 verhaftete Angeklagte wählte durch Zeichnung einer Vollmachtsurkunde die Rechtsanwälte L und W als Verteidiger. Rechtsanwalt W nahm die Wahl an. Er telefonierte am 1. September 2004 mit dem ermittelnden Staatsanwalt, und sicherte diesem zu, noch von der Staatsanwaltschaft zu übernehmende Aktenteile an den Rechtsanwalt weiterzuleiten, der als reiner Strafrechtler vom Angeklagten als Wahlverteidiger beauftragt werden würde. Rechtsanwalt W holte am 2. September 2004 zwölf Akten in Kartons bei der Staatsanwaltschaft ab und übergab diese – nach Durchsicht und Fertigung einer Handakte – am 9. September 2004 an Rechtsanwalt R , dem er einen Tag später zur Erleichterung des Einlesens mit der Bitte um Rückgabe nach Gebrauch auch seine Handakte zusandte. Unter Vorlage einer Vollmacht des Angeklagten nahm Rechtsanwalt R gegenüber der Staatsanwaltschaft die Wahl an und wies darauf hin, dass die Ermittlungsakte von dem Mitverteidiger W zur Verfügung gestellt worden sei. Rechtsanwalt W besuchte den Angeklagten bis zum Jahresende 2004 mehrfach in der Untersuchungshaftanstalt. Der Angeklagte übersandte Rechtsanwalt W am 5. Januar 2005 ein letztes über das Gericht geleitetes und als Verteidigerpost gekennzeichnetes Schreiben.
Am 18. November 2004 meldete sich Rechtsanwalt B durch Vorlage einer undatierten Vollmacht als weiterer Verteidiger bei der Geschäftsstelle der Strafkammer. Am gleichen Tag ging dort ein Schreiben des Angeklagten ein, in dem dieser klarstellte, dass er Rechtsanwalt B das Mandat entziehe. Der Vorsitzende stimmte am 23. November 2004 telefonisch mit neun Verteidigern einen dann für den 14. Dezember 2004 festgelegten Besprechungstermin zur Vorbereitung einer verfahrensverkürzenden Absprache ab. Im Gespräch mit Rechtsanwalt R drang er auf eine Klärung der Verteidigungsverhältnisse des Angeklagten. Rechtsanwalt R teilte dabei mit, er sei alleiniger Verteidiger. Rechtsanwalt W , der in Zivilrechtsstreitigkeiten tätig sei und von dem er in Abstimmung mit seinem Mandanten die Verteidigung übernommen habe, sei vom Angeklagten mit dessen zivilrechtlichen Angelegenheiten und derjenigen seiner Firma betraut. Der Vorsitzende beließ es danach bei der Ladung von Rechtsanwalt R zu der Besprechung vom 14. Dezember 2004 und den ab 4. Februar 2005 bestimmten Hauptverhandlungstagen als alleinigem Verteidiger des Angeklagten.
Der am 28. Januar 2005 zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt R reichte am 1. Februar eine sieben Seiten umfassende, vom Angeklagten unterzeichnete Einlassung zur Gerichtsakte und kündigte an, dass der Angeklagte diese durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung vortragen lassen werde. Der Vorsitzende der großen Strafkammer gab am ersten Verhandlungstag nach Verlesung der Anklage den Inhalt der auf eine Verfahrensverkürzung gerichteten Erörterungen der Verfahrensbeteiligten bekannt. Nachdem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seine Vorstellungen über das Strafmaß dargelegt hatte, sicherte die große Strafkammer nach Beratung dem Angeklagten zu, im Fall eines detaillierten Geständnisses eine Strafobergrenze von drei Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe nicht zu überschreiten. Am nächsten Tag der Hauptverhandlung wurde das vorbereitete Geständnis des Angeklagten verlesen und dann im Urteil zur Grundlage des Schuldspruchs genommen.
2. Rechtsanwalt W musste nicht zu der am 4. Februar 2005 beginnenden Hauptverhandlung geladen werden, weil der Angeklagte durch schlüssiges Verhalten auf eine Ladung dieses Verteidigers verzichtet hat.
Zwar hat Rechtsanwalt W seine Stellung als Wahlverteidiger durch die Erklärung des Verteidigers Rechtsanwalt R vom 23. November 2004 gegenüber dem Vorsitzenden der Strafkammer nicht verloren. Seiner Erklärung, er sei alleiniger Verteidiger und habe in Abstimmung mit dem Mandanten die Verteidigung von Rechtsanwalt W übernommen , ist keine Ermächtigung in dem Sinn und auch keine Erklärung des Inhalts zu entnehmen, Rechtsanwalt R erkläre für Rechtsanwalt W die Niederlegung von dessen Wahlmandat. Im Blick auf die grundsätzlich eigenverantwortliche Wahrnehmung der Aufgaben durch jeden einzelnen Verteidiger liegt es fern, ohne besondere Ermächtigung lediglich aufgrund einer „Abstimmung mit dem Mandanten“ eine Bevollmächtigung eines Verteidigers durch den ausscheidenden Verteidiger zur Mitteilung der Mandatsniederlegung anzunehmen.
Rechtsanwalt R hat darüber hinaus auch nicht als Vertreter des Angeklagten das Erlöschen der Vollmacht des Rechtsanwalts W dem Gericht angezeigt. Eine solche Anzeige kann durch den Vollmachtgeber zwar formlos erfolgen und sich auch aus dem Verhalten des Vollmachtgebers schlüssig ergeben (vgl. Wohlers in SK-StPO 36. Lfg. § 145a Rdn. 9). Für das Revisionsverfahren bleibt aber vorliegend offen, ob Rechtsanwalt R zu einer solchen Erklärung von dem Angeklagten bevollmächtigt war. Zwar ist aufgrund des Vortrags der Revision bewiesen, dass Rechtsanwalt R eine Verteidigungsvollmacht des Angeklagten zu der Akte gereicht hat. Danach war dieser Verteidiger zu allen Handlungen berechtigt, die zu der Verteidigung des Angeklagten zu rechnen sind. Dazu zählt aber nicht eine Mitwirkung bei der Bestimmung der Anzahl der Verteidiger. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Verteidigungshandlung, die von einem einzelnen Verteidiger vorgenommen werden kann, sondern um die Festlegung des Verteidigungsumfangs durch die Bestimmung der Anzahl der Verteidiger. Diese bleibt sachnotwendig der Entscheidung durch den Angeklagten vorbehalten und erfordert deshalb eine neben der Verteidigungsvollmacht erforderliche Vertretungsvollmacht (vgl. BGHSt 9, 356; Laufhütte in KK 5. Aufl. vor § 137 Rdn. 3).
Dass die Revision die vom Angeklagten für Rechtsanwalt R ausgestellte Vollmacht nicht vorgelegt hat und der Senat deshalb nicht prüfen kann, ob neben der Verteidigungs- auch eine Vertretungsvollmacht erteilt worden ist, macht die Revision vorliegend nicht unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die hier als Anzeige des Erlöschens der Verteidigungsvollmacht von Rechtsanwalt W zu würdigende Erklärung des Verteidigers R gegenüber dem Vorsitzenden konnte der Revision nicht bekannt sein. Der Vorsitzende hat sie nicht aktenkundig gemacht, sondern erst im Rahmen der Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft in einer dienstlichen Erklärung niedergelegt.
Eine Vertretung des Angeklagten durch Rechtsanwalt R bei der Klärung der Verteidigungsverhältnisse ist auch aufgrund der gesamten Umstände keinesfalls offensichtlich. Der Angeklagte hat die Dienste von Rechtsanwalt W noch bis zum Jahresende 2004 in Anspruch genommen und hat durch eigenes Schreiben, das am Tag der Erklärung von Rechtsanwalt R gegenüber dem Vorsitzenden bei Gericht eingegangen ist, selbst für eine Klarstellung der Verteidigungsverhältnisse insofern gesorgt, als er eine zuvor Rechtsanwalt B ausgestellte Verteidigungsvollmacht widerrufen hat.
3. Die Rüge der Verletzung des § 218 Satz 1 StPO ist gleichwohl unbegründet. Der Angeklagte hat durch schlüssiges Verhalten auf die Ladung von Rechtsanwalt W als seinem Verteidiger zu den Hauptverhandlungstagen verzichtet. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass weder in der rügelosen Einlassung noch im Unterlassen eines Aussetzungsantrags ein wirksamer Verzicht des Angeklagten auf die Anwesenheit seines gewählten Verteidigers gesehen werden kann (BGHSt 36, 259, 261; BGH NStZ 2005, 114). Ein solcher Verzicht setzt die Kenntnis des Angeklagten voraus, dass sein Verteidiger nicht geladen wurde und dass er deshalb die Aussetzung beantragen kann (BGHSt aaO m.w.N.).
Indes unterscheidet sich der hier vorliegende Sachverhalt grundlegend von den in BGHSt 36, 259 und BGH NStZ 2005, 114 beurteilten Fallgestaltungen. Der in diesen Entscheidungen anerkannte Rechtssatz steht deshalb der Entscheidung im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Vorliegend handelt es sich nicht um ein schlichtes Übergehen eines Wahlverteidigers bei einer noch nicht festgelegten Verteidigungslinie, was in aller Regel die Verteidigungschancen des Angeklagten vermindern kann (vgl. BGH NStZ 2005, 114). Hier hat sich der Angeklagte schon vor Beginn der Hauptverhandlung unter Inanspruchnahme nur eines Verteidigers in seiner Verteidigungstaktik durch Ausarbeitung und Vorlage eines verfahrensverkürzenden Geständnisses so umfassend festgelegt, dass eine Mitwirkung des nicht geladenen, zudem als Verteidiger nicht aktiv gewordenen Rechtsanwalts den Verteidigungsinteressen des Angeklagten nicht mehr dienen und damit dessen Verteidigungschancen auch nicht mehr erhöhen konnte. Diese Interessenlage rechtfertigt es, jedenfalls in der Zusendung des nach Vorbesprechungen der Verfahrensbeteiligten gefertigten und von dem Angeklagten gezeichneten Geständnisentwurfs durch den „Wahlpflichtverteidiger“ noch vor Beginn der Hauptverhandlung die schlüssige Erklärung des Angeklagten zu sehen, er wolle in der Hauptverhandlung ausschließlich von diesem Rechtsanwalt verteidigt werden und verzichte auf die Anwesenheit des weiteren Wahlverteidigers.
4. Die Rüge der Verletzung des § 218 Satz 1 StPO wäre unter den obwaltenden besonderen Umständen auch verwirkt (vgl. BGH NStZ 2005, 646, 647). Legt ein Angeklagter – wie hier – ein mit seinem „Wahlpflichtverteidiger“ zuvor ausgearbeitetes Geständnis im Rahmen einer den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH Großer Senat NJW 2005, 1440, 1442 ff.) entsprechenden verfahrensverkürzenden Absprache im Beistand (nur) dieses Verteidigers ab, stellt solches im Blick auf die prozessentscheidende Bedeutung dieser Verteidigungshandlung auch eine Festlegung des Angeklagten für eine mit einem bestimmten Verteidiger zu verwirklichende Verteidigungstaktik dar. Mit einem Beharren auf einem weiteren, hier vom Vorsitzenden auf Grund nachvollziehbarer Würdigung der Verteidigungsverhältnisse nicht zur Hauptverhandlung geladenen, bislang inaktiv gebliebenen Wahlverteidiger setzte sich der Angeklagte zu seinem eigenen Prozessverhalten in einen so erheblichen Widerspruch, dass eine dahingehende Verfahrensrüge auszuschließen wäre (vgl. BGH aaO S. 1443).
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen entsprechend.

(2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Bei der großen Strafkammer und beim Schwurgericht entscheiden die richterlichen Mitglieder. Ist der Protokollführer einem Richter beigegeben, so entscheidet dieser über die Ablehnung oder Ausschließung.

(1) Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerläßlich hält. Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.

(3) Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Der Beschluß kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefaßt werden. Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung. Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.

(4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.