Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2016 - 1 StR 409/15

bei uns veröffentlicht am21.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 409/15
vom
21. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs des Mordes u.a.
hier: Anhörungsrüge
ECLI:DE:BGH:2016:210416B1STR409.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2016 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen das Urteil des Senats vom 18. Februar 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
1. Der Senat hat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin nach mündlicher Hauptverhandlung durch Urteil vom 18. Februar 2016 ein den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes und eines Diebstahls teilfreisprechendes Urteil des Landgerichts München I im Umfang des Freispruchs mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die schriftlichen Urteilsgründe sind den Verteidigern des Angeklagten am 11. April 2016 bekannt geworden.
2
Mit seiner am 18. April 2016 eingegangenen Anhörungsrüge beantragt der Angeklagte, das Urteil für gegenstandslos zu erklären und das Verfahren in den Stand nach Eingang der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft zurückzuversetzen. Der Angeklagte rügt insbesondere, der Senat habe sich in seinem Urteil nicht mit seinem Einwand beschäftigt, einzelne Beweisergebnisse, auf die sich auch das Landgericht gestützt habe, seien unverwertbar. Zudem vermisse der Senat die Auseinandersetzung mit dem gleichzeitig abgeurteilten Diebstahl einer Kamera im Rahmen des Freispruchs vom Vorwurf des Mordes und eines weiteren Diebstahls, obwohl sich solches vorliegend nicht aufgedrängt habe.
3
2. Der zulässige Antrag nach § 356a StPO ist unbegründet. Der Senat hat sämtlichen Vortrag der Verteidigung, der nicht nur schriftlich, sondern ausführlich auch mündlich in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 vorgebracht wurde, zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung bedacht. Dass er den Argumenten der Verteidigung nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörs- verstoß. Eine „Überraschungsentscheidung“ des Senats liegt schon deshalb fern, weil sämtliche Rechtsfragen für alle Beteiligten auf dem Tisch lagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
4
Der Anspruch auf rechtliches Gehör zwingt nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden. Unabhängig hiervon hat sich der Senat in seinem Urteil ausdrücklich zur Frage einer Verwertbarkeit verhalten (Urteil Rn. 22), wenn auch nicht im Sinne des Antragstellers. Ob eine Erörterungslücke vorliegt, weil ein bestimmter Umstand bei der Beweiswürdigung nicht behandelt wurde, obwohl sich dies aufdrängte, ist aus der Sicht des Senats , nicht aus der des Antragstellers zu entscheiden.
5
3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 465 Abs. 1 StPO (vgl. Senat, Beschluss vom 2. September 2015 – 1 StR 207/15).
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Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafprozeßordnung - StPO | § 356a Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung


Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Sept. 2015 - 1 StR 207/15

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Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 0 7 / 1 5
vom
2. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2015 beschlossen
:
Die Anhörungsrüge der Verurteilten gegen den Beschluss des
Senats vom 24. Juni 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
1. Der Senat hat die Revision der Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 11. Dezember 2014 durch Beschluss vom 24. Juni 2015 mit ergänzender Bemerkung als unbegründet verworfen. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 3. August 2015 hat die Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben.
2
Es kann dahinstehen, ob die Anhörungsrüge innerhalb der Wochenfrist erhoben und damit zulässig ist. Grundsätzlich ist der Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht nur vorzutragen, sondern glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Mai 2015 - 1 StR 121/15), wozu die ledigliche Wiedergabe der Erklärung der Verurteilten in der Regel nicht ausreicht. Bei einer Absendung am 22. Juli 2015 liegt auch nicht auf der Hand, dass der Beschluss die Verurteilte erst am 29. Juli 2015 erreicht hat.
3
2. Der Rechtsbehelf ist jedenfalls unbegründet; es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor. Der Senat hat weder zum Nachteil der Verurteilten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen diese nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen der Verurteilten übergangen oder in sonstiger Weise deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
4
Der Senat hat bei seiner Entscheidung das Revisionsvorbringen der Verurteilten in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber nicht für durchgreifend erachtet. Auf die mangelnde Erfolgsaussicht war die Verurteilte schon durch den Antrag des Generalbundesanwalts hingewiesen worden, der auch ausdrücklich die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils bekräftigt hat.
5
Die für die Zurückweisung des Rechtsmittels maßgeblichen Gründe ergeben sich mit ausreichender Klarheit auch aus dem Inhalt der Antragsschrift des Generalbundesanwalts (st. Rspr.; vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 1. September 2014 - 1 StR 279/14; vom 5. Mai 2014 - 1 StR 82/14; vom 25. Februar 2014 - 1 StR 657/13 und vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 521/13).
6
Auch durch dessen Ausführungen wird das rechtliche Gehör gewährt. Ein Anspruch darauf, dass der Senat seine beabsichtigte Entscheidung vorab dem Revisionsführer mitteilt, besteht nicht.
7
Der Vortrag der Verurteilten zur Begründung ihrer Anhörungsrüge erschöpft sich letztlich in einer Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Schriftsatz vom 12. Juni 2015, auf den der Senat in seinem Beschluss vom 24. Juni 2015 ausdrücklich eingegangen ist und insbesondere auch aufgezeigt hat, dass die Rechtsauffassung der Verurteilten hinsichtlich der Wirksamkeit der Zustellung des Urteils unzutreffend ist. Die Anhörungsrüge dient, wenn - wie hier - rechtliches Gehör gewährt worden ist, nicht dazu, das Revisionsgericht zu veranlassen, das Vorbringen der Antragstellerin nochmals zu überprüfen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 1 StR 114/14).
8
Im Kern enthalten die (neuerlichen) Ausführungen der Verurteilten den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vor- bringen kann sie aber im Rahmen des § 356a StPO nicht gehört werden (vgl. Senatsbeschluss aaO).
9
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 22. Mai 2015 - 1 StR 121/15).
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