Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - 1 StR 354/11

bei uns veröffentlicht am20.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 354/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011 beschlossen
:
1. Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zur Anbringung weiteren Revisionsvortrags wird
verworfen.
2. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss
vom 20. Oktober 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2010 ist der Verurteilte u.a. wegen Betruges, falscher Angaben (§ 82 GmbHG) und Bankrotts zu fünf Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Revision des Verurteilten war nur teilweise erfolgreich. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2011 hat der Senat das genannte Urteil hinsichtlich der Verurteilung wegen falscher Angaben sowie im Einzel- und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben. Im Übrigen hat er die Revision des Verurteilten gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen; den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen hat der Senat ebenfalls verworfen.
2
Hiergegen hat der Verurteilte - verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - eine Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO erhoben. Zur Wiedereinsetzung trägt er vor, er habe die Revision seinerzeit nicht ausreichend begründen können.
3
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung steht - soweit sich dieser darauf richtet, mit ergänzendem Revisionsvorbringen bezüglich des vom Senat bestätigten Schuldspruchs gehört zu werden - schon der insoweit rechtskräftige Verfahrensabschluss entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2011 - 1 StR 528/11; BGH, Beschluss vom 19. November 2008 - 1 StR 593/08 mwN).
4
2. Die Anhörungsrüge, die innerhalb der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO zu erheben gewesen wäre, ist jedenfalls unbegründet; es liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor. Der Senat hat bei seiner Revisionsentscheidung weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor nicht gehört worden ist. Auch wurde zu berücksichtigendes Vorbringen nicht übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt. Der Verurteilte wurde gehört, aber nicht erhört. Das vom Verurteilten in Ergänzung zu den Ausführungen seines Pflichtverteidigers zur Niederschrift des Urkundsbeamten ausgeführte Revisionsvorbringen lag - soweit es bis zum 20. Oktober 2011 eingegangen war - dem Senat bei seiner Entscheidung vor; den Verurteilten belastende sachrechtliche Rechtsfehler, die Anlass zu weitergehender Aufhebung und Zurückverweisung hätten geben müssen, waren daraus nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass der angegriffene Senatsbeschluss über die gegebene Begründung hinaus keine weiteren Ausführungen enthält, liegt in der Natur des Verfahrens nach § 349 Abs. 2 StPO. Art. 103 Abs. 1 GG zwingt die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07).
5
3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (BGH, Beschluss vom 8. März 2006 - 2 StR 387/91 und BGH, Beschluss vom 31. Juli 2006 - 1 StR 240/06). Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

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(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
als Gesellschafter oder als Geschäftsführer zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft über die Übernahme der Geschäftsanteile, die Leistung der Einlagen, die Verwendung eingezahlter Beträge, über Sondervorteile, Gründungsaufwand und Sacheinlagen,
2.
als Gesellschafter im Sachgründungsbericht,
3.
als Geschäftsführer zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Stammkapitals über die Zeichnung oder Einbringung des neuen Kapitals oder über Sacheinlagen,
4.
als Geschäftsführer in der in § 57i Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Erklärung oder
5.
als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Geschäftsleiter einer ausländischen juristischen Person in der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 oder § 39 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung oder als Liquidator in der nach § 67 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung
falsche Angaben macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Geschäftsführer zum Zweck der Herabsetzung des Stammkapitals über die Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger eine unwahre Versicherung abgibt oder
2.
als Geschäftsführer, Liquidator, Mitglied eines Aufsichtsrats oder ähnlichen Organs in einer öffentlichen Mitteilung die Vermögenslage der Gesellschaft unwahr darstellt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 1 oder Nr. 1a des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 528/11
vom
30. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2011 beschlossen
:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 22. November 2011
gegen den Senatsbeschluss vom 9. November 2011 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Nach Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO macht der Verteidiger vergeblich eine Gehörsverletzung geltend, weil er von einer Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts nur abgesehen habe, weil dort keine Frist hierfür gesetzt worden sei und auch der Senat hierzu keine Gelegenheit eingeräumt habe.
2
Nach Zugang des Antrags bestand gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO die (hier nicht genutzte) Gelegenheit zur Gegenerklärung binnen zwei Wochen. Ebenso wenig wie diese Frist verlängert werden kann (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 StR 8/07, wistra 2007, 231 mwN), muss der Generalbundesanwalt über sie belehren. Entsprechend hatte der Senat ohne weiteres nach Fristablauf zu entscheiden. Dies muss ein Verteidiger wissen (vgl. BGH aaO).
3
Eine, hier auch nicht beantragte, Wiedereinsetzung wegen dem Angeklagten nicht anzulastenden Verteidigerverschuldens käme (auch abgesehen von der nicht nachgeholten Stellungnahme) nach dem rechtskräftigen Verfah- rensabschluss nicht mehr in Betracht (BGH, Beschluss vom 19. November 2008 - 1 StR 593/08 mwN).
Wahl Hebenstreit Graf
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 593/08
vom
19. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2008 beschlossen
:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 13. November 2008 gegen
den Senatsbeschluss vom 7. November 2008 wird auf seine
Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat durch den beanstandeten Beschluss die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2
Die Revision hält rechtliches Gehör für verletzt. Die Revisionsbegründung vom 27. August 2008, ein weiterer Schriftsatz vom 26. September 2008 und die Erwiderung vom 4. November 2008 auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) - bei den Schriftsätzen vom 26. September 2008 und 4. November 2008 handelt es sich um Auszüge handschriftlicher Schreiben des Angeklagten an seine Verteidigerin, die diese dem Senat ohne weitere Ausführungen mit dem Bemerken vorlegte, sie übernehme für den Inhalt die Verantwortung - enthielten „erhebliche Rügen“. Daraus, so folgert sie, ohne dies freilich mit konkreten Erwägungen nachvollziehbar darzulegen, ergebe sich, dass der Senat das „tatsächliche Vorbringen offensichtlich überhaupt nicht“ zur Kenntnis genommen und erwogen habe.
3
Hinsichtlich der Revisionsbegründung und des Schriftsatzes vom 26. September 2008 ist dies falsch.
4
Die Gegenerklärung vom 4. November 2008 hat die Verteidigerin beim Landgericht eingereicht, obwohl § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO ausdrücklich bestimmt , dass eine etwaige Gegenerklärung „beim Revisionsgericht“ einzureichen ist. Dies führte dazu, dass sie dem Senat nicht vorlag, als er nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO über die Revision entschied. Die Gegenerklärung ging erst einen Tag vor Eingang der Anhörungsrüge beim Bundesgerichtshof ein.
5
Der Senat konnte bei seiner Entscheidung jedoch nur berücksichtigen, was ihm vorlag (vgl. BGH NStZ 1993, 552). Er hat nicht dadurch rechtliches Gehör verletzt, dass die Verteidigerin ihre Gegenerklärung nicht an die im Gesetz vorgeschriebene Stelle gerichtet hat (vgl. auch Kuckein in KK 6. Aufl. § 356a Rdn. 6).
6
Eine, hier auch nicht beantragte, Wiedereinsetzung unter dem Gesichtspunkt vom Angeklagten nicht zu vertretenden Verteidigerverschuldens käme nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nicht mehr in Betracht (BGH aaO; BGHR StPO § 33a Anhörung 1 m.w.N.).
7
Der Senat bemerkt jedoch, dass der Inhalt des Briefes des Angeklagten an seine Verteidigerin die Verwerfung der Revision als unbegründet auch dann nicht in Frage gestellt hätte, wenn die Gegenerklärung der Verteidigerin dem Senat rechtzeitig vorgelegen hätte. Selbst wenn also - was aus den dargelegten Gründen nicht der Fall ist - hinsichtlich der Gegenerklärung rechtliches Gehör verletzt wäre, wäre dies daher, anders als dies ein erfolgreicher Antrag gemäß § 356a StPO voraussetzt, nicht in entscheidungserheblicher Weise geschehen (vgl. Kuckein aaO Rdn. 5 m.w.N.).
8
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 465 StPO (vgl. Kuckein aaO Rdn. 14 m. w. N.). Nack Wahl Elf Graf Sander

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 240/06
vom
31. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2006 beschlossen:
Der Antrag des Verurteilten, das Verfahren wegen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör in die Lage vor Erlass der Senatsentscheidung vom 12. Juli 2006 zurückzuversetzen, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht München I hat gegen den Verurteilten wegen Mordes und zugleich wegen Raubes eine lebenslange Freiheitsstrafe festgesetzt und die besondere Schuldschwere festgestellt. Mit Beschluss vom 12. Juli 2006 hat der Senat die hiergegen eingelegte Revision des Verurteilten nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte mit einem am 25. Juli 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers eine Anhörungsrüge nach § 356a StPO gestellt. Er trägt vor, mit dem Beschluss des Senats vom 12. Juli 2006 sei sein rechtliches Gehör verletzt worden, weil die durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 10. Juli 2006 gemachten Ausführungen zu den nicht widerspruchsfreien Darlegungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 13. Juni 2006 vom Senat nicht berücksichtigt worden seien. Es sei davon auszugehen, dass der Schriftsatz vom 10. Juli 2006, der erst an diesem Tag um 18.48 Uhr beim Bundesgerichtshof eingegangen sei, an den zuständigen Senat erstim Laufe des Nachmittags des 11. Juli 2006 gelangt sei. Zwar sei in dem Beschluss des Senats vom 12. Juli 2006 vermerkt worden, "Der Schriftsatz der Verteidigung vom 10. Juli 2006 lag vor". Nicht erwähnt worden sei jedoch, dass der Schriftsatz auch Gegenstand einer Senatsberatung gewesen sei, zumal diese aufgrund der geschilderten zeitlichen Abläufe und aufgrund der "Usancen im Rahmen der üblichen Senatsberatungen nicht vor Erlass des Beschlusses stattgefunden haben kann". Somit bleibe festzuhalten, dass der Senat zum Nachteil des Angeklagten bei der Entscheidung das Vorbringen der Revision im Schriftsatz vom 10. Juli 2006 nicht berücksichtigt hat und somit das rechtliche Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wurde.
2
Die Rüge ist unbegründet. Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Verteidigung von der sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergebenden Verpflichtung des Gerichts aus, die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 <367 f.>; 58, 353 <356>; 69, 141 <143>; st. Rspr.). Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aber auch grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 54, 86 <91 f.>).
3
Das Vorbringen der Verteidigung zum Eingang des Schriftsatzes beim 1. Strafsenat - das Faxgerät befindet sich auf der Geschäftsstelle in unmittelbarer Nähe des Zimmers des Vorsitzenden und des Berichterstatters -, zu den "Usancen" der üblichen Senatsberatungen und zur Vorlage des Schriftsatzes zur Senatsberatung ist nicht nur spekulativ, sondern schlicht unzutreffend. Deshalb sind auch die in dem Vorbringen enthaltenen Unterstellungen zur Bedeutung des Vermerks in dem Verwerfungsbeschluss vom 12. Juli 2006, der nicht nur beim Bundesgerichtshof, sondern auch beim Bundesverfassungsgericht üblich ist (vgl. Beschl. der Dritten Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2006 - 2 BvR 1349/05 - Umdruck S. 9), abwegig.
4
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschl. vom 8. März 2006 - 2 StR 387/91; OLG Köln NStZ 2006, 181). Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf