Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2010 - 1 StR 326/10

published on 04/11/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2010 - 1 StR 326/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 326/10
vom
4. November 2010
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. November 2010 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 12. März 2010 wird das Verfahren in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschuldigte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten. Sein Rechtsmittel hat lediglich den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Revision ist zulässig erhoben, insbesondere fristgerecht bei dem zuständigen Gericht (§ 341 Abs. 1 StPO) eingelegt worden, so dass es der vom Beschuldigten hilfsweise beantragten Wiedereinsetzung hinsichtlich der Einlegungsfrist nicht bedarf. Denn das Rechtsmittel ist am 19. März 2010 um 14.22 Uhr an einem Faxgerät des Landgerichts Karlsruhe eingegangen. Dem Generalbundesanwalt, der das Telefaxschreiben nicht als wirksame Revisionseinlegung ansieht, ist zwar zuzugeben, dass es an das Oberlandesgericht adressiert ist und ein dortiges Aktenzeichen angegeben wird. Der Beschuldigte hat das Schreiben aber mit dem - zudem unterstrichenen - Wort „Revision“ überschrieben und es an das Landgericht Karlsruhe gefaxt. Auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützten Rechtsweggarantie sieht es der Senat im konkreten Einzelfall als für die Einlegung der Revision hinreichend an.
3
2. Der Senat hat das Verfahren hinsichtlich der Fälle II. 3. und 4. der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts aus den von diesem in seiner Antragsschrift vom 15. September 2010 zutreffend dargelegten Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt (zur Anwendbarkeit der schuldunabhängigen Einstellungsmöglichkeit gemäß § 154 StPO vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2007 - 3 StR 31/07, StV 2007, 411; Löwe/Rosenberg/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 414 Rn. 26 mwN).
4
3. Die Verfahrenseinstellung lässt die angeordnete Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) unberührt. Denn dieser lagen insgesamt neun krankheitsbedingt, in einem Zeitraum von weniger als zwei Monaten begangene rechtswidrige Taten zugrunde. Dazu gehörten vor allem zwei Nötigungshandlungen, bei denen der Beschuldigte seinem Vater drohte, ihn mit einem - tatsächlich - geschwungenen Gipserbeil (Tat II. 1.) zu verletzen bzw. mit einem in einer Entfernung von lediglich 30 cm ge- haltenen Taschenmesser (Tat I. 2.) zuzustechen. Neben erheblichen Beleidigungen hat das Landgericht ferner eine versuchte Erpressung der Verkehrsbetriebe Karlsruhe festgestellt, die der Beschuldigte durch die Ankündigung zur Zahlung von 5.000 € bewegen wollte, er würde anderenfalls „alle Bahnen abfackeln , eine nach der anderen“. Angesichts dessen schließt der Senat es aus, dass das Landgericht ohne die zwei durch die Verfahrenseinstellung in Wegfall geratenen Sachbeschädigungen an zwei Autos von der Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten abgesehen hätte, zumal es im Rahmen seiner Gefährlichkeitsprognose vor allem auf die „Bedrohungen und Forderungen, die er mit Gewalt durchsetzen will“, abgestellt hat (UA S. 12).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.