Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2004 - 1 StR 304/04

published on 15/09/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2004 - 1 StR 304/04
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 304/04
vom
15. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2004 beschlossen
:
1. Der Angeklagten wird auf ihren Antrag gegen die Versäumung der
Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts
Würzburg vom 5. Februar 2004 zur Anbringung der im
Schriftsatz des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt W. vom 9. Juni
2004 enthaltenen Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt die Angeklagte.
2. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Würzburg vom 5. Februar 2004 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der
Senat:
Der Revisionsbegründungsschriftsatz des Pflichtverteidigers ist wegen
eines von der Angeklagten nicht zu vertretenden Ausfalls des Telefaxgeräts
der Geschäftsstelle des Landgerichts infolge eines vorher
empfangenen umfangreichen Schriftsatzes eines weiteren Verteidi-
gers nicht mehr vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen.
Dies begründet ausnahmsweise die Wiedereinsetzung gegen die
Versäumung der Frist zur Anbringung der in diesem Schriftsatz enthaltenen
Verfahrensrügen (§ 44 Satz 1, §§ 45, 46 Abs. 1, § 345
Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 11).
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 136 StPO ist unbegründet. Nach
pflichtgemäßer Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde muß erst
dann von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen
werden, wenn sich der Verdacht so verdichtet hat, daß die vernommene
Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht
kommt. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sind - gerade bei
Tötungsdelikten - erst dann überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts
nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen
wird (BGHSt 37, 48, 51 f.) und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte
umgangen werden (BGHR StPO § 136 Belehrung 6).
Gegen die bis dahin unbescholtene Angeklagte, eine zur Tatzeit
54 Jahre alte Fachlehrerin, drängte sich allein aus dem Umstand, daß
sie zum Zeitpunkt der Tötung ihrer Mutter im Haus sich aufhielt, solange
kein so starker Tatverdacht auf, als nicht ein Tatmotiv für die
Ermittlungsbeamten offen erkennbar wurde oder mögliche Fremdeinwirkungen
negativ abgeklärt waren. Insoweit lagen aber die Ergebnisse
der Überprüfung des erst gegen 16.00 Uhr bekannt gewordenen
Kellerzugangs zum Tatortanwesen erst nach 18.00 Uhr und somit etwa
zeitgleich mit dem Ende der Zeugenvernehmung der Angeklagten
vor. Auch aus dem Umstand, daß die Angeklagte am späten Vormittag
im Dienst-Pkw zur sachbearbeitenden Polizeidienststelle für die
Zeugenvernehmung mitfuhr, ergibt sich kein äußerer Befund dahingehend
, daß sie nunmehr als Beschuldigte galt (insoweit vom
hend, daß sie nunmehr als Beschuldigte galt (insoweit vom Sachverhalt
nicht vergleichbar BGHSt 38, 214, 228). Bestätigt wird dies durch
den Umstand, daß der ebenfalls mitfahrende Oberstaatsanwalt, der
die Ermittlungen leitete, der Angeklagten beim Aussteigen kondolierte
, was er nach eigenem Bekunden nicht getan hätte, hätte zum damaligen
Zeitpunkt gegen sie ein auch nur entfernter Tatverdacht bestanden.
Gegen eine solche Annahme sprechen schließlich auch die
Feststellungen des Tatrichters, wonach die Angeklagte bis gegen
18.15 Uhr im Besitz ihres Mobiltelefons belassen wurde und auf der
Dienststelle teilweise unbeaufsichtigt war, so daß sie frei telefonieren
konnte.
Wahl Boetticher Kolz
Hebenstreit Graf
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern
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published on 15/09/2004 00:00

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.