Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2001 - 1 StR 210/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Der Angeklagte wurde am 6. Oktober 1999 wegen Betrugs zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärte er nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Rechtsmittelverzicht. Nunmehr legt er Revision ein. Er macht Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts geltend und beantragt, ihm gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist - vorsorglich auch gegen die Versäumung weiterer Fristen - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 1.) Die Revision ist schon deshalb unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen.Der Angeklagte trägt vor, dem Verteidiger sei bis zu dessen "Lektüre des Karlsruher Kommentars zur StPO, Auflage 1999" am 24. Februar 2001 "die sich abzeichnende neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur möglichen Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts bei Willensmängeln des Angeklagten , insbesondere bei einer vorherigen Absprache zur einvernehmlichen Verfahrensbeendigung, nicht bekannt" gewesen. Danach habe ihn der Verteidiger hiervon unverzüglich unterrichtet. Das Bekanntwerden neuerer gerichtlicher Entscheidungen kann jedoch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht begründen (vgl. Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 44 Rdn. 27, 54). 2.) Im übrigen könnte aber auch das weitere Vorbringen des Angeklagten die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht belegen. Die Niederschrift der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 1999 ergibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß auch ein Rechtsmittelverzicht Gegenstand der Erörterung mit der Strafkammer gewesen wäre (für diesen Fall vgl. BGHSt 45, 227, 230 f), oder daß sonst ein unzulässiger Druck auf den Angeklagten ausgeübt worden wäre. Zwar kann, unbeschadet der nur begrenzten Überprüfbarkeit der Niederschrift (§§ 273, 274 StPO; vgl. hierzu BGHSt aaO, 228) auch frei-beweislich ein rechtlich unzulässiges Geschehen festgestellt werden, gleichgültig, ob es sich in oder außerhalb der Hauptverhandlung ereignet hat (BGHSt aaO). Das entsprechende Vorbringen steht jedoch in Widerspruch zu der (vom Angeklagten auch selbst vorgetragenen) dienstlichen Ä ußerung des Vorsitzenden vom 20. April 2001. Danach war in den Erörterungen mit der Strafkammer von einem Rechtsmittelverzicht nicht die Rede. Verfahrensverstöße müssen jedoch erwiesen sein und können nicht lediglich nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" unterstellt werden (vgl. speziell für den
Ablauf von Gesprächen über eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung BGH NStZ 1997, 561, NStZ 1993, 196 m.w.Nachw.). Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Stellungnahme des Vorsitzenden vom 8. Dezember 1999 beruft, mit der dieser den Antrag des (bestellten) Verteidigers Rechtsanwalt B. auf Zuerkennung einer Pauschgebühr (§ 99 BRAGO) befürwortet, ergibt sich nichts anderes. Hier heißt es, daß der Angeklagte "eine typische Betrügerpersönlichkeit (sei), die zunächst sich nicht zu dem erhobenen Tatvorwurf bekannte, dann aber aufgrund des erdrückenden Ergebnisses der Beweisaufnahme schließlich die Tat doch einräumte", es sei "aber durchaus nachzuvollziehen, daß es Schwierigkeiten machte, beim Angeklagten als einzig sinnvolle Konsequenz das Ablegen eines Geständnisses durchzusehen". Ein unzulässiger Druck des Gerichts auf den Angeklagten ist daraus nicht erkennbar (vgl. auch BGH StV 1999, 407). Ohne daß es darauf ankäme, inwieweit Verhalten des Verteidigers überhaupt gerichtlicher Überprüfung unterliegt (vgl. hierzu BGH b. Holtz, MDR 1996, 120), kann der Senat dieser Erklärung des Vorsitzenden aber auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß der Verteidiger den Angeklagten nicht nur pflichtgemäß über das auf Grund der bisher durchgeführten Hauptverhandlung zu erwartende Ergebnis beraten habe, sondern ihm in unzulässiger Weise zum Ablegen eines Geständnisses (und der Abgabe eines Rechtsmittelverzichts ) gedrängt habe. Bestätigt wird dies im übrigen auch durch den weiteren Verfahrensgang. Wie sich aus einer vom Angeklagten vorgelegten Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. März 2001 und einem Schreiben von Rechtsanwalt B. an Rechtsanwalt T. v om 2. April 2001 ergibt, hat Rechtsanwalt B. im Auftrag des Angeklagten intensive Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft
über Fragen der Strafvollstreckung geführt und einen zeitweiligen Strafaufschub erwirkt. Es ist ausgeschlossen, daß der Angeklagte Rechtsanwalt B. derartige Aufträge erteilt hätte, wenn ihn Rechtsanwalt B. im Rahmen des Erkenntnisverfahrens unter Druck gesetzt und ihn so zu ihm nachteiligen Prozeßverhalten veranlaßt hätte. 3. Auch der Antrag gemäß § 47 Abs. 2 StPO ist damit gegenstandslos. Schäfer Nack Wahl Boetticher Schluckebier
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.
(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen.
(3) Durchbricht die Wiedereinsetzung die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, werden Haft- und Unterbringungsbefehle sowie sonstige Anordnungen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben, wieder wirksam. Bei einem Haft- oder Unterbringungsbefehl ordnet das die Wiedereinsetzung gewährende Gericht dessen Aufhebung an, wenn sich ohne weiteres ergibt, dass dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Anderenfalls hat das nach § 126 Abs. 2 zuständige Gericht unverzüglich eine Haftprüfung durchzuführen.