Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2018 - 1 StR 183/18

bei uns veröffentlicht am19.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 183/18
vom
19. September 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2018:190918B1STR183.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 19. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2017 im Ausspruch über die Einziehungsanordnung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten L. und die Revision des Angeklagten La. werden als unbegründet verworfen. 4. Der Angeklagte La. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, wovon drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Ferner hat es gegen ihn die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 415.285 Euro angeordnet. Den Angeklagten La. hat die Strafkammer wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und ebenfalls drei Monate der Freiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Die von den Angeklagten jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen bleiben zum Schuld- und Strafausspruch ohne Erfolg. Das Rechtsmittel des Angeklagten L. führt jedoch zur Aufhebung der gegen ihn angeordneten Einziehungsentscheidung.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen schlossen die Geschädigten mit der vom Angeklagten La. geführten M. GmbH im April 2011 jeweils einen Vertrag über ein partiarisches Darlehen in Höhe von 2,5 Millionen Euro bzw. 2 Millionen Euro. Die jeweilige Einlage sollte dazu dienen, einen Goldkontrakt zwischen der M. GmbH und der T. Ltd. zweckgebunden zu finanzieren. Die Geschädigten überwiesen die Anlagesummen absprachegemäß auf ein Treuhandkonto des als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten L. , der die Gelder an einen „Treuhänder“ der T. Ltd. weiterleitete. Das Landgericht vermochte nicht festzustellen, ob die T. Ltd. die eingenommenen Gelder in Goldgeschäfte anlegte oder nicht. Eine Rückzahlung der Anlagebeträge durch die T. Ltd. an die M. GmbH erfolgte jedenfalls nicht. Die M. GmbH erhielt jedoch Mitte Juni 2011 von der T. Ltd. 2011 eine Zahlung in Höhe von 830.570,93 Euro, die die Angeklagten entsprechend einer von vornherein getroffenen Absprache vorrangig vor einer an die Geschädigten zu zahlende Rendite in Höhe von 15 % des Anlage- betrages als ihren „Gewinn“ untereinander aufteilten. Der Angeklagte La. überwies daher vom Konto der M. GmbH dem Angeklagten L. 305.753,58 Euro und führte für die von diesem zu zahlende Kapitalertragsteuer in Höhe von 109.531,42 Euro an das Finanzamt ab.
3
Die Geschädigten führten gegen den Angeklagten L. jeweils Zivilprozesse, in denen sie ihn auf Rückzahlung der Anlagesummen in Anspruch nahmen. Im August 2016 einigten sie sich mit dem Angeklagten jeweils auf einen Vergleichsbetrag, den er anschließend zahlte.
4
2. Im Rahmen der Einziehungsanordnung führt das Landgericht aus, dass eine Einziehung hinsichtlich der von den Geschädigten an den Angeklagten L. gezahlten Anlagesummen nach § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen sei, weil der Angeklagte die vereinbarten Geldbeträge aus dem jeweiligen Vergleich an die Geschädigten geleistet habe. Deren Rückzahlungsansprüche seien daher erloschen. Die Mitte Juni 2011 von der T. Ltd. an die M. GmbH überwiesenen 830.570,93 Euro hätten nach denPlänen der Angeklagten und nach dem Inhalt der partiarischen Darlehensverträge den Geschädigten jedoch nicht zugestanden. Damit hätten die Geschädigten gar keinen Anspruch auf die Auszahlung dieser Summe beanspruchen können. Ein Verzicht der Geschädigten auf diesen Betrag sei daher in dem mit dem Angeklagten geschlossenen Vergleich rechtlich nicht möglich gewesen, so dass dessen Gewinnanteil in Höhe von 415.285 Euro nicht von diesem Vergleich umfasst sei. Dies habe zur Folge, dass nach § 73e Abs. 1 StGB keine Erlöschenswirkung eingetreten sei. Eine Einziehung dieses Betrages sei mithin nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB anzuordnen.
5
3. Die Einziehungsentscheidung der Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat vermag aufgrund der Urteilsfeststellungen nicht zu überprüfen, ob durch den zwischen dem Angeklagten L. und den Geschädigten geschlossenen Vergleich nicht auch nach § 73e Abs. 1 StGB eine Erlöschenswirkung hinsichtlich des von den Angeklag- ten untereinander aufgeteilten „Gewinns“ eingetreten ist.
6
a) Es ist schon nicht hinreichend festgestellt, ob es sich bei der Mitte Juni 2011 von der T. Ltd. an die M. GmbH überwiesenen 830.570,93 Euro tatsächlich um Nutzungen aus dem Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 2 StGB, nämlich des angelegten Betrages gehandelt hat oder nur um eine Scheinrendite, die aus dem Anlagebetrag selbst zurückgezahlt wurde. Die T. Ltd. war nach dem mit der M. GmbH abgeschlossenen Goldkontrakt verpflichtet, bereits Anfang Juni 2011 einen Renditebetrag in Höhe von 833.333 Euro auf den Anlagebetrag von 2,5 Millionen Euro zurückzuzahlen. Dass die T. Ltd. diesen Betrag tatsächlich als Gewinn erwirtschaftet hat, konnte das Landgericht aber nicht feststellen. Insbesondere die verspätete Zahlung eines etwas geringeren Betrages sowie weitere Umstände aus früheren Geschäften sprachen – auch aus Sicht der Angeklagten – dafür, dass die Einhaltung der Vertragspflichten durch die T. Ltd. in hohem Maße zweifelhaft erschienen. Sollte es sich bei den von der M. GmbH zurückerlangten 830.570,93 Euro jedoch um eine Scheinrendite aus dem Anlagebetrag selbst gehandelt haben, so würde der zwischen den Geschädigten und dem Angeklagten L. geschlossene Vergleich, bei dem sämtliche wechselseitigen Ansprüche als abgegolten und erledigt erklärt wurden (UA S. 63), inhaltlich auch den genannten Betrag als Teil der Anlagesumme umfassen , auch wenn die Angeklagten diesen als ihren „Gewinn ansahen“ (UA S. 26).
7
b) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht geprüft, ob der zwischen den Geschädigten und dem Angeklagten L. geschlossene Vergleich nicht deshalb zum Erlöschen weiterer Ansprüche der Geschädigten geführt hat (§ 73e Abs. 1 StGB), weil jener nach Grundsätzen des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) zur Herausgabe des aufgrund des Auftrags bzw. der Geschäftsbesorgung Erlangten (§ 667 BGB) verpflichtet gewesen sein könnte. Nach den Feststellungen waren die Anlagegelder dem Angeklagten zur weite- ren zweckgebundenen Verwendung auf ein Treuhandkonto überwiesen worden , so dass dieser grundsätzlich alles, was er aufgrund dieser treuhänderischen Geschäftsbesorgung erlangt, vorliegend aufgrund einer Vereinbarung der Angeklagten, die u.a. eine Ergebnisverteilung aus ihrer Geschäftsbeziehung vorsah (UA S. 6), an den Geschäftsherrn herauszugeben hat (vgl. Palandt/ Sprau, BGB, 77. Aufl., § 667 Rn. 3). Auf diesen Anspruch, der sich aus dem vom Landgericht inhaltlich nicht mitgeteilten Treuhandvertrag ergeben könnte, hätten die Geschädigten beim Vergleichsabschluss wirksam verzichten können.
8
4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 667 Herausgabepflicht


Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.

Strafgesetzbuch - StGB | § 73e Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes


(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.

Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.