Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Apr. 2010 - 1 StR 153/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt:
- 2
- Der Angeklagte C. beschloss, seine Ehefrau als Strafe dafür zu töten, dass sie sich von ihm getrennt hatte und mit einem anderen Mann zusammenlebte. Mit einem Elektroschockgerät bzw. einem Pfefferspray wollte er sie wehrlos und bewegungsunfähig machen, um sie dann entweder mit einem Messer zu töten, oder zunächst mit Kabelbindern und Klebeband zu fixieren. Den Leichnam oder den bewegungsunfähigen Körper wollte er in einer Folie verpackt in den Rhein werfen. Falls er dies nicht „fertig brächte“, wollte er sie „an einen unbekannten Ort bringen und sie unter Ausnutzung ihrer Hilflosigkeit gefügig“ machen. Es gelang ihm, dass sich der frühere Mitangeklagte Ca. diesen Plan zu Eigen machte und beide verabredeten sich, die Tötung oder gewaltsame Entführung zu begehen. Die Ehefrau wurde von ihren Kindern vorgewarnt und alarmierte die Polizei. Als diese eintraf, befanden sich der Angeklagte und Ca. , (u.a.) mit Springmesser, Elektroschockgerät und Pfefferspray bewaffnet, unmittelbar vor der Tür des Hauses, in dem die Ehefrau wohnte.
- 3
- Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurden die Angeklagten wegen Verabredung eines Totschlags, „alternativ eines Menschenraubs“ zu Freiheitsstrafen verurteilt.
- 4
- Die Revision des Angeklagten führt zum Wegfall des Schuldspruchs auch wegen Verabredung zum Menschenraub (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im Übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 5
- Menschenraub (§ 234 StGB) setzt voraus, dass sich der Täter des Opfers bemächtigt, um es in hilfloser Lage auszusetzen, oder um es - hier offensichtlich nicht einschlägig - dem Dienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung im Ausland zuzuführen. Beim Aussetzen in hilfloser Lage muss es dem Täter darauf ankommen, das Opfer in eine Lage zu bringen, in der es, zur Selbsthilfe unfähig, auf fremde Hilfe angewiesen und konkret an Leib oder Leben gefährdet ist (BGH NStZ 2001, 247; Sonnen in NK-StGB 3. Aufl. § 234 Rdn. 24 jew. m.w.N.). Unbeschadet der Frage nach der hinsichtlich der Leib- oder Lebensgefahr erforderlichen Vorsatzform (vgl. BGH aaO), kann ein hierauf gerichteter Vorsatz der allein getroffenen Feststellung, die Ehefrau hätte nach der Verabredung unter Ausnutzung ihrer Hilflosigkeit an dem unbekannten Ort „gefügig“ gemacht werden sollen, nicht entnommen werden.
- 6
- Der danach gebotene Wegfall der Verurteilung wegen Verabredung auch zum Menschenraub gefährdet den Schuldspruch wegen Verabredung zum Totschlag nicht. Der Tatbestand des § 30 Abs. 2 StGB ist auch dann erfüllt, wenn die Teilnehmer an der Verabredung mehrere Begehungsmöglichkeiten ins Auge fassen und in ihren Willen aufnehmen, jedoch nur eine von ihnen ein Verbrechen ist (BGH NStZ 1998, 510; Schünemann in LK 12. Aufl. § 30 Rdn. 70 jew. m.w.N.).
- 7
- Soweit der Angeklagte wegen Verabredung zum Totschlag verurteilt ist, bleibt die Revision aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen, die auch durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden, erfolglos.
- 8
- Der Strafausspruch kann ebenfalls bestehen bleiben. Die Strafkammer ist ausdrücklich von dem gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs.1 StGB (zwischen zwei Jahren und elf Jahren und drei Monaten) ausgegangen. Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Strafkammer wegen der Annahme, der Angeklagte hätte für den Fall, dass der geplante Totschlag nicht gelingen sollte, einen Menschenraub geplant, eine höhere Strafe verhängt hätte. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
- 9
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
- 10
- Gemäß § 357 StPO war die Berichtigung des Schuldspruchs auch auf den früheren Mitangeklagten Ca. zu erstrecken. Auch bei ihm bleibt aus den dargelegten Gründen der Strafausspruch bestehen. Nack Wahl Elf Graf Jäger
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer sich einer anderen Person mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List bemächtigt, um sie in hilfloser Lage auszusetzen oder dem Dienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung im Ausland zuzuführen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.