Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2004 - 1 StR 124/04

bei uns veröffentlicht am14.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 124/04
vom
14. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. September 2004 beschlossen
:
Der Antrag des Verurteilten im Schriftsatz seines Bevollmächtigten
vom 6. September 2004, den Beschluß des Senats vom 3.
August 2004 aufzuheben und rechtliches Gehör zu gewähren,
wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Senat hat mit Beschluß vom 3. August 2004 die Revisi on des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2003 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Verurteilte meint, sein Anspruch auf rechtliches Gehör, die Rechtsweggarantie des Grundgesetzes, sein Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und andere Grundrechte seien verletzt. Darauf stützt er seine Gegenvorstellung und seinen Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs. Zur Begründung hebt er im wesentlichen darauf ab, daß der Senat auf den erst nach der Antragstellung durch den Generalbundesanwalt zur Revision des damaligen Angeklagten eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers, der weitere Ausführungen zur Sachrüge enthält, in seinem Revisionsverwerfungsbeschluß nicht im einzelnen eingegangen ist und seinen Beschluß nicht näher begründet hat.

II.

Für die Nachholung rechtlichen Gehörs ist hier kein Raum (Art. 103 Abs. 1 GG, § 33a StPO entsprechend). Der Senat hat das angefochtene Urteil des Landgerichts schon aufgrund der vom Verteidiger auch allgemein erhobenen Sachrüge einer umfassenden sachlich-rechtlichen Nachprüfung unterzogen. Diese hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist und nach Eingang der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vorgelegte Schriftsatz des Verteidigers vom 6. April 2004 hat dem Senat bei seiner Beratung und Entscheidung über die Revision des Verurteilten vorgelegen; der Senat hat ihn zur Kenntnis genommen und die dort enthaltenen Ausführungen erwogen, allerdings keinen Anlaß gesehen, in den Gründen des Verwerfungsbeschlusses darauf näher einzugehen. Nach allem ist die Behauptung des Verurteilten in seiner dem Senat vorgelegten Verfassungsbeschwerdeschrift , der Senat habe sich mit den Ausführungen seines Verteidigers im Schriftsatz vom 6. April 2004 "nicht befaßt", unzutreffend. Der Senat hat sich dazu lediglich im Revisionsverwerfungsbeschluß nicht näher geäußert. Das war nach dem Revisionsverfahrensrecht nicht geboten (vgl. zu alldem BGH, Beschl. vom 4. Juni 2002 - 3 StR 146/02; Beschl. vom 26. Mai 2004 - 1 StR 98/04). Der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör zwingt das Revisionsgericht nicht, auf jegliche Ausführungen zur Sachrüge ausdrücklich einzugehen. Das Verfahrensgrundrecht, das die Gewährung rechtlichen Gehörs garantiert , wird durch die jeweilige Verfahrensordnung, hier die Strafprozeßordnung , näher ausgestaltet. Das System des Revisionsverfahrens sieht vor, daß der Beschwerdeführer seine Revision innerhalb einer bestimmten Frist begrün-
det (Revisionsbegründungsfrist). Diese Gelegenheit hatte der Verurteilte hier. Danach nimmt die Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht dazu in ihrer Antragsschrift Stellung. Das ist geschehen. Dazu kann der beschwerdeführende Angeklagte seinerseits eine Gegenerklärung abgeben. Statt dieser hat der Verurteilte hier durch seinen Verteidiger weitere Ausführungen zur Sachrüge angebracht. Der Senat hat diese indessen als offensichtlich unbegründet erachtet (§ 349 Abs. 2 StPO). Unter diesen Umständen bedurfte es keiner weiteren Begründung im Verwerfungsbeschluß. Es stand dem Verurteilten im übrigen frei, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist seine sachlich-rechtlichen Ausführungen anzubringen. Dann hätte schon der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf eingehen können. Der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör ist sch ließlich nicht dadurch berührt, daß der Generalbundesanwalt sich zu dem genannten Schriftsatz nicht mehr ausdrücklich erklärt hat. Dieser Schriftsatz ist dem Generalbundesanwalt übersandt worden. Er hat - nach seiner eigenen Entschließung - dazu keine Erklärung mehr abgegeben. Insoweit kann das Recht des Verurteilten auf Gehör nicht betroffen sein. Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit Graf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Strafprozeßordnung - StPO | § 33a Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtgewährung rechtlichen Gehörs


Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. § 47 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUß
1 StR 98/04
vom
26. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßiger Geldfälschung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2004 beschlossen:
Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 33a StPO analog) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Baden-Baden verurteilte den - geständigen - Angeklagten nach eintägiger Hauptverhandlung am 5. November 2003 wegen bandenmäßiger Geldfälschung in fünf Fällen, wegen bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten in 15 Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Betrug und in zehn Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug, sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Die rechtzeitig gegen dieses Urteil vom Angeklagten eingelegte Revision begründete dessen Verteidiger am 15. Januar 2004 mit der allgemeinen Sachrüge. Der Generalbundesanwalt beantragte mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf die allgemein erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben habe. Dieser Antrag wurde dem Verteidiger am 27. Februar 2004 zugestellt. Mit Schriftsatz vom Tag der Zustellung machte der Verteidiger eingehende Ausführungen zur Sachrüge. Er beanstandete insbesondere die Verurteilung
des Angeklagten als Mitglied einer Bande im Sinne von § 146 Abs. 2 StGB und als Mittäter - anstatt nur als Gehilfe -. Der Schriftsatz ging dem Senat Anfang März 2004 auf drei verschiedenen Wegen zu, nämlich direkt, über das Landgericht Baden-Baden sowie über den Generalbundesanwalt. Letzterer äußerte sich nicht; er sah sich also hierdurch zu einer ergänzenden Stellungnahme oder gar zu einer Abänderung seines Verwerfungsantrags vom 25. Februar 2004 nicht veranlaßt. Der Senat hat die Sache unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verteidigung im Schriftsatz vom 27. Februar 2004 beraten und die Revision des Angeklagten mit Beschluß vom 16. März 2004 als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Mit Schriftsatz vom 22. April 2004 wird seitens der Verteidigung nunmehr beantragt, "Herrn Z. nachträglich gemäß § 33a StPO rechtliches Gehör zu gewähren, den Beschluß des Senats vom 16. März 2004 aufzuheben und gemäß dem Antrag des Angeklagten vom 15. Januar 2004 zu entscheiden sowie die Entscheidung zu begründen". Dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2004 sei eine inhaltliche Begründung nicht zu entnehmen. Gleichfalls sei nicht ersichtlich, daß der Bundesgerichtshof die weitere Begründung der allgemeinen Sachrüge mit Schriftsatz vom 27. Februar 2004 berücksichtigt hat. Beides sei nachzuholen.

II.

Ein Fall, in dem nachträglich rechtliches Gehör zu gewähren ist, liegt nicht vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung vom 16. März 2004 keine Tatsachen und Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Angeklagte nicht gehört
worden ist. Das gesamte Vorbringen der Verteidigung war Gegenstand der ohnehin gebotenen umfassenden sachlich-rechtlichen Prüfung. Der nachgereichte Schriftsatz gab im vorliegenden Fall keinen Anlaß zu einer weitergehenden Begründung des Verwerfungsbeschlusses, da weder Revisionsangriffe von Gewicht vorgebracht wurden noch triftige Gründe für ein Nachschieben ersichtlich sind (vgl. BGH NJW 2002, 3266). Die weiteren Anträge sind damit gegenstandslos. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.