Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 122/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen von ihm als Teilnehmer an einer Demonstration am 31. März 2012 begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Landfriedensbruch und versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen - zum Nachteil von zwei Polizeibeamten - schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf eine Beanstandung des Verfahrens und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
- 2
- Zu den erhobenen Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend:
- 3
- Soweit die Revision die sitzungspolizeilich angeordnete Entfernung sämtlicher Zuhörer mit Ausnahme der Pressevertreter als Ausschluss der Öf- fentlichkeit beanstandet, da insoweit auch „Nichtstörer“ von der Räumung be- troffen gewesen seien, stellt dies wegen der Berührung des Grundsatzes der Öffentlichkeit eine sachleitende Maßnahme im Sinne des § 238 Abs. 2 StPO dar (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - 4 StR 46/08, NStZ 2008, 582; Schneider in KK StPO, 6. Aufl., § 238 Rn. 14; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 238 Rn. 21). Die Verteidigung wäre daher gehalten gewesen, die Anordnungen des Vorsitzenden zu beanstanden und eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen. Indem sie dies auch in Bezug auf die Entfernung der Mutter des Angeklagten unterlassen hat, hat sie sich insoweit der Rügemöglichkeit begeben.
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- Soweit die Revision jedoch die behauptete faktische Versagung des Zu- gangs zum Sitzungssaal für potentielle „neue Zuhörer“ angreift, wird entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO schon nicht vorgetragen, dass diese von der Räumung zu differenzierende „Abriegelung“ vom Gericht oder vom Vorsitzenden zu vertreten oder ihnen überhaupt bekannt war (vgl. zur dahingehenden Vortragspflicht Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 113, 139 mwN). Allein der Vortrag, es habe „lautstarke gruppendynamische Prozesse“ gegeben, genügt hierfür nicht, da dies auch im Zusammenhang mit der Räumung gestanden haben kann. Soweit die Revision nunmehr vorträgt, das Gericht hätte das laute mechanische Schließgeräusch der Tür wahrnehmen müssen, erfolgte dieser Vortrag - ungeachtet seiner Erweisbarkeit - schon nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO, in der die den geltend gemachten Mangel begründenden Tatsachen angegeben werden müssen.
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- Der Strafausspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung jedoch nicht stand. Bei der Bemessung der verhängten Jugendstrafe hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass sein Bruder Polizeibeamter sei und „von daher hätte erwartet werden können, dass der Angeklagte für andere Polizeibeamte, die pflichtgemäß das tun, was ihnen befohlen wird, etwas Ver- ständnis aufbringt“. Diese Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass der Bruder des Angeklagten ebenso Polizeibeamter ist wie die vom Angeklagten angegriffenen Geschädigten, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben und sich dieser daher auf das Maß der der Tat innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 4 StR 371/10, NStZ-RR 2011,
5).
- 6
- Angesichts dessen kann der Senat letztlich nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne Berücksichtigung der zu beanstandenden Erwägung auf eine noch mildere Jugendstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Die von dem Wertungsfehler nicht betroffenen tatsächlichen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den Tatrichter sind möglich.
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- Der Senat weist darauf hin, dass Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln, auf die letztlich „vorsorglich … verzichtet“ wird, nicht veranlasst sind.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.
(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.