Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14

bei uns veröffentlicht am27.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 0 6 / 1 4
vom
27. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2014 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Dass das Landgericht im Fall II.B.4. der Urteilsgründe den Angeklagten lediglich wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB und nicht auch tateinheitlich wegen Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt hat, beschwert diesen ersichtlich nicht. Nach den getroffenen Feststellungen wäre eine solche Verurteilung in Frage gekommen. Das Geschehen wird so dargestellt, dass die Nebenklägerin sich angesichts der Erinnerung an die bei der Tat im Fall II.B.2. der Urteilsgründe erlittenen starken Schmerzen verkrampfte und ihren Körper versteifte. Deshalb – also offenbar wegen dieser körperlichen Abwehrreaktion – konnte der Angeklagte mit seinem Penis nur ein kleines Stück in die Scheide der Nebenklägerin eindringen (UA S. 12). Gewalt i.S.v. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt, wie das Landgericht an sich nicht verkannt hat, vor, wenn der Täter physische Kraft entfaltet, um den erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden, wobei das Opfer durch die Handlung des Täters körperlich wirkendem Zwang ausgesetzt sein muss (BGH, Beschlüsse vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09, NStZ-RR 2009, 202 f.; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 318/13, StraFo 2013, 479). Angesichts der sich verkrampfenden und den Körper versteifenden Nebenklägerin lagen diese Voraussetzungen nicht fern. Gleiches gilt für das Regelbeispiel aus § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist „Beischlaf“ das Eindrin- gen des männlichen Gliedes in die Scheide; dafür genügt der Kontakt des männlichen Gliedes mit dem Scheidenvorhof (BGH, Urteile vom 14. August 1990 – 1 StR 62/90, BGHSt 37, 153, 154; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 242/00, BGHSt 46, 176, 177), ein vollständiges Eindringen des Gliedes in die Scheide ist jedenfalls gerade keine Voraussetzung für die Vollendung des Beischlafs (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – 1 StR 270/00, NStZ 2001, 246).
Raum Graf Cirener Radtke Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2009 - 4 StR 88/09

bei uns veröffentlicht am 09.04.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 88/09 vom 9. April 2009 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: I. Auf die Revision des Angekl

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - 2 StR 318/13

bei uns veröffentlicht am 31.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 318/13 vom 31. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2013 gemäß §

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Okt. 2000 - 1 StR 270/00

bei uns veröffentlicht am 17.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 270/00 vom 17. Oktober 2000 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Oktober 2000, an der teilgen

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2000 - 2 StR 242/00

bei uns veröffentlicht am 25.10.2000

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ______________________ StGB § 176 a Abs. 1 Nr. 1 Der Senat hält auch nach der Neufassung der Sexualdelikte durch das 6. Strafrechtsreformgesetz an der Definition des Begriffs Beischlaf, so
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2014 - 1 StR 106/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2017 - 1 StR 598/16

bei uns veröffentlicht am 24.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 598/16 vom 24. Mai 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes ECLI:DE:BGH:2017:240517B1STR598.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesan

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 88/09
vom
9. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2009 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 11. November 2008 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte
a) im Fall II 1 des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
b) im Fall II 2 des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten und mit Körperverletzung und
c) im Fall II 3 des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten schuldig ist, 2. in den Aussprüchen über die in den Fällen II 1, 2 und 3 erkannten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, mit sexueller Nötigung, mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Körperverletzung (Fall II 1), wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Beischlaf zwischen Verwandten in vier Fällen (Fälle II 2-5), davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II 2), wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten (Fall II 6) und wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fall II 7) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
3
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge hat die Revision in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
4
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 11. März 2009 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, belegen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht, dass der Angeklagte in den Fällen II 1 und 3 seine Tochter mit Gewalt zur Duldung der sexuellen Handlung bzw. des Geschlechtsverkehrs genötigt hat.
5
Auch im Fall II 2 tragen die Feststellungen die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Vergewaltigung nicht. Eine Nötigung mit Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert regelmäßig, dass der Täter durch eigene Kraftentfaltung das Opfer einem körperlich wirksamen Zwang aussetzt, um damit geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden (vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 5-7 m.w.N.). Der Feststellung, dass der Angeklagte seiner Tochter die Bettdecke über den Kopf zog, bevor er mit ihr gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr ausübte, lässt sich nicht mit der zur Verurteilung wegen Vergewaltigung erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass die Geschädigte dies als körperlich wirksamen Zwang empfand und dass der Angeklagte eine solche Zwangswirkung erzielen wollte.
6
Da in einer erneuten Hauptverhandlung weitere Feststellungen, die die Verurteilung wegen sexueller Nötigung bzw. wegen Vergewaltigung in den Fällen II 1-3 tragen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat, auch um der Geschädigten aus Gründen des Opferschutzes eine erneute Vernehmung zu ersparen, die Schuldsprüche entsprechend ab.
7
2. Im Fall II 1 ist eine weitere Schuldspruchänderung deswegen erforderlich , weil die mitverurteilte Körperverletzung (Tatzeit: Frühjahr oder Sommer 2000) zum Zeitpunkt der ersten, zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Handlung, der Anordnung der ersten Beschuldigtenvernehmung am 6. März 2007, bereits verjährt war.
8
3. Wegen des Wegfalls der tateinheitlichen Verurteilungen wegen sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung können in den Fällen II 1-3 die erkannten Einzelstrafen nicht bestehen bleiben, denn in allen drei Fällen ist das Landgericht von den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB (Fall II 1) bzw. § 177 Abs. 2 StGB (Fälle II 2 und 3) ausgegangen, die diejenigen der jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikte übersteigen.
9
Die Aufhebung von drei der sieben erkannten Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der angesichts des Gesamtgeschehens moderaten Gesamtstrafe, da der Senat nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann, dass eine etwaige Reduzierung der drei Einzelstrafen Auswirkungen auf die Höhe der Gesamtstrafe haben könnte.
10
Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, bleiben zulässig.
Maatz Athing Solin-Stojanović
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 318/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. März 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit er im Fall 17 (Ziffer II.2.i) der Urteilsgründe verurteilt wurde, und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 17 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, soweit er verurteilt wurde, mit der Sachrüge. Das Rechts- mittel führt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Verurteilung im Fall 17 und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe; im Übrigen ist es unbegründet.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte am Abend des Tattags in das Kinderzimmer der Geschädigten. Er veranlasste sie, das Oberteil ihrer Bekleidung hochzuziehen, und entblößte seinen Unterleib. Dann fasst er der Geschädigten an die Brüste und begann sich selbst zu befriedigen. Er fragte die Geschädigte, ob sie sein Geschlechtsteil anfassen wolle, was diese ablehnte. Während die Geschädigte aus Ekel ihre Augen schloss, nahm er ihre Hand, führte diese an sein erigiertes Glied und "machte Onanierbewegungen". Als der Angeklagte seine Hand fortnahm, hörte die Geschädigte mit diesen Bewegungen auf. "Daraufhin ergriff der Angeklagte erneut ihre Hand und setzte die von ihm geführten Onanierbewegungen fort".
3
Das Landgericht hat dies rechtsfehlerhaft als sexuelle Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gemäß §§ 177 Abs. 1 Nr. 1, 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewertet. Für die Annahme einer sexuellen Nötigung "mit Gewalt" ist erforderlich, dass der Täter physische Kraft entfaltet, um den als ernst erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden; das Opfer muss durch die Handlung des Täters einem körperlich wirkenden Zwang ausgesetzt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09; NStZ-RR 2009, 202 f.). Die Feststellungen des Landgerichts ergeben jedoch nur, dass der Angeklagte die Hand der Geschädigten geführt hat. Nimmt das Opfer die unerwünschten sexuellen Handlungen hin, ohne Widerstand zu leisten, so liegt keine Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1997 – 1 StR 726/96, NStZ-RR 1997, 199).
4
Die Aufhebung des Urteils im Fall 17 zwingt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
StGB § 176 a Abs. 1 Nr. 1
Der Senat hält auch nach der Neufassung der Sexualdelikte durch das
6. Strafrechtsreformgesetz an der Definition des Begriffs Beischlaf, so wie sie in
ständiger Rechtsprechung seit BGHSt 16, 175 ff. erfolgt ist, fest. Danach ist mit dem
Eindringen des männlichen Gliedes in den Scheidenvorhof der Tatbestand des Beischlafs
erfüllt.
BGH, Urt. vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 242/00 - LG Bad Kreuznach

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 242/00
vom
25. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
4. Oktober 2000 in der Sitzung am 25. Oktober 2000, an denen teilgenommen
haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 16. Februar 2000 wird verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen in der Revisionsinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 13 Fällen sowie wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Als Verfahrensverstoß macht er die Verletzung von § 265 StPO geltend. Im übrigen beanstandet er im Rahmen der Sachbeschwerde die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit, das Bejahen des Merkmals Beischlaf sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.

Zum Fall II.3. der Urteilsgründe stellt das Landgericht fest, der Angeklagte habe im Jahre 1996 mit der am 14. Januar 1990 geborenen R. den Geschlechtsverkehr vollzogen, indem er seinen Penis in den Scheidenvorhof des Mädchens einführte. Das Landgericht bewertet dieses Tatgeschehen als einen Fall des vollzogenen Beischlafs und somit als ein Regelbeispiel im Sinne von § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB a.F.. Ebenso sieht es in den Fällen II.20. und 21. den Verbrechenstatbestand des § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB n.F. als erfüllt an, weil der Angeklagte 1999 zweimal in den Scheidenvorhof der 10-jährigen L. eindrang. Diese Auslegung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal Beischlaf (BGHSt 16, 175 ff.; 37, 153, 154; BGH, Beschl. v. 21. August 1996 - 2 StR 285/96, bei Miebach NStZ 1997, 120). Den dagegen im Schrifttum erhobenen Einwänden (Lenckner in Schönke/Schröder 25. Aufl. [1997] § 173 Rdn. 3; Maurach /Schroeder/Maiwald Strafrecht BT 1, 8. Aufl. [1995] § 17 Rdn. 34; Tröndle /Fischer StGB 49. Aufl. [1999] § 176 a Rdn. 4; wohl auch Horn SK-StGB § 177 Rdn. 26) folgt der Senat nicht. Der Senat hält an der Definition des Begriffs Beischlaf auch nach der Neufassung der Sexualdelikte durch das 6. Strafrechtsreformgesetz fest. Mit dem Eindringen des Gliedes in den Scheidenvorhof ist der Tatbestand des Beischlafs erfüllt. Entsprechend hat auch der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes entschieden (Beschl. v. 18. August 2000 - 3 StR 146/00). Das ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Danach ist Beischlaf ein Fall des Eindringens in den Körper. In den Körper der Tatopfer ist der Angeklagte hier jeweils eingedrungen. Es kommt - auch mit Rücksicht auf die für das Tatopfer kaum zumutbaren Feststellungsschwierig-
keiten - nicht darauf an, in welchem Ausmaß dies geschehen ist. Hierfür spricht ferner die Entstehungsgeschichte des 6. Strafrechtsreformgesetzes. Die Auslegung , welche der Begriff des Beischlafs in der Rechtsprechung gefunden hatte, war dem Gesetzgeber bekannt. Aber obwohl er das Sexualstrafrecht tiefgreifend umgestaltet hat, sah er keinen Anlaß, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen.

III.

Auch im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jähnke Otten Rothfuß Fischer Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 270/00
vom
17. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Oktober
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 14. Februar 2000
a) mit den Feststellungen in demjenigen unter Ziffer II.2.d der Urteilsgründe festgestellten Falle, in dem der Angeklagte der Geschädigten mit Vergewaltigung gedroht hat, sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision in einem der abgeurteilten Fälle auch eine Verurteilung wegen tateinheitlich begangener sexueller Nötigung. Hierauf ist ihr Rechtsmittel wirksam beschränkt. Zwar hat die Beschwerdeführerin einen unbeschränkten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag
gestellt. Dieser steht aber im Widerspruch dazu, daß sie ihre Revision lediglich mit Ausführungen zu dem im Tenor bezeichneten Fall begründet. Deshalb ist das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 5 m.w.N.), die hier einen entsprechenden Beschränkungswillen der Beschwerdeführerin ergibt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg. 1. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, daß die vom Landgericht gegebene Begründung, mit der es in einem der unter Ziffer II. 2.d der Urteilsgründe festgestellten Fälle die Annahme einer tateinheitlich begangenen sexuellen Nötigung abgelehnt hat, nicht tragfähig ist.
a) Nach den getroffenen Feststellungen legte sich der Angeklagte auf der Wohnzimmercouch in seiner Wohnung auf seine zur Tatzeit 15-jährige Tochter, die zu diesem Zeitpunkt mit ihm allein in der Wohnung lebte. Er drohte ihr, falls sie "es nicht mache", werde er sie vergewaltigen. Er versuchte, sein Glied in die Scheide des Mädchens einzuführen. Ein vollständiges Eindringen des Angeklagten konnte die Geschädigte dadurch verhindern, daß sie sich verkrampfte. Das Landgericht sieht hierin keine vollendete sexuelle Nötigung und keine Vergewaltigung im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB. Es ist der Ansicht, die Drohung des Angeklagten, er werde seine Tochter vergewaltigen, sei keine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dafür sei nicht jede drohende einfache Körperverletzung ausreichend, sondern nur "eine schwerere". Eine Vergewaltigung müsse aber nicht notwendig auch eine erhebliche Körperverletzung mit sich bringen.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert das Merkmal der Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben eine gewisse Schwere des in Aussicht gestellten Angriffs auf die körperliche Unversehrtheit. Deshalb ist nicht jede Drohung mit einer Handlung, die im Falle ihrer Verwirklichung Gewalt wäre, eine Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben (vgl. BGH StV 1994, 127 m.w.N.). Der Senat hat indes bereits früher hervorgehoben, daß die Androhung gegenüber einer 11-jährigen Tochter, mit ihr gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr auszuführen, mehr als nur die Androhung einer letztlich nicht sehr bedeutsamen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität ist; sie ist in ihrem Gewicht mit der Androhung etwa einer Ohrfeige nicht vergleichbar (so BGHR StGB § 178 Abs. 1 Drohung 1). So liegt es auch hier. Der Gebrauch des Begriffs der Vergewaltigung durch den Angeklagten im Geschehenszusammenhang schloß erkennbar die Anwendung von Gewalt, also den Einsatz wenigstens solcher Körperkraft ein, die erforderlich gewesen wäre, nachhaltigere Abwehrreaktionen des Opfers zu brechen und den Geschlechtsverkehr gegen dessen Willen zu vollziehen. Eine solche - hier konkret in Aussicht gestellte - Verletzung der körperlichen Integrität der 15-jährigen leiblichen Tochter durch den Vater ist unter den gegebenen Umständen ersichtlich von solcher Intensität und Erheblichkeit, daß sie die Voraussetzungen gegenwärtiger Leibesgefahr für das Opfer (im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB) erfüllt (vgl. auch zur Erschöpfung und Ermüdung eines zehnjährigen Opfers als Gewaltanwendung: BGH NStZ 1996, 276; zur Berücksichtigung der Situation des Opfers: BGH bei Miebach NStZ 1993, 225 Nr. 22). Das Landgericht hat mithin die Anforderungen an die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals überspannt.
b) Die Strafkammer geht weiter zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dieser habe die Gegenwehr der Geschädigten nicht bemerkt und damit inso-
weit ohne Vorsatz (Nötigungsvorsatz) gehandelt. Dabei stützt es sich auf die Angaben der Geschädigten, die bekundet hatte, sie könne nicht sagen, ob der Angeklagte ihren Widerstand bemerkt habe. Sie habe ein Eindringen des Angeklagten dadurch vermeiden können, daß sie sich versteift oder einfach das Glied des Angeklagten mit der Hand weggedrückt habe. Diese Würdigung des Landgerichts ist in tatsächlicher Hinsicht lückenhaft. Die Strafkammer hätte sich zur Frage des Nötigungsvorsatzes des Angeklagten mit den gesamten festgestellten Tatumständen auseinandersetzen müssen, denen insoweit indizielle Bedeutung zukommen kann. Schon die Rahmenumstände des Tatgeschehens deuteten hier darauf hin, daß die gerade 15 Jahre alt gewordene leibliche Tochter des Angeklagten nicht freiwillig zur Duldung oder Vornahme sexueller Handlungen bereit war. In diesem Zusammenhang kann weiter von Bedeutung sein, daß die Geschädigte sich auch in den anderen Fällen des sexuellen Mißbrauchs zumeist verkrampfte oder einfach das Glied des Angeklagten mit ihrer Hand wegdrückte, um ein Eindringen in die Scheide zu verhindern. In weiteren Fällen des Oralverkehrs mußte sie würgen und sich einmal auch übergeben. Der Angeklagte erklärte darauf, sie solle das nicht vortäuschen. Das, aber auch der Umstand, daß der Angeklagte in der gegebenen Situation überhaupt die Drohung aussprach, er werde seine Tochter vergewaltigen, falls sie "es nicht mache", kann Schlüsse auf einen entsprechenden Nötigungsvorsatz des Angeklagten ermöglichen und bedurfte deshalb tatrichterlicher Würdigung. Das bloße Abstellen auf die Aussage der Geschädigten, die nicht zu sagen vermochte, ob der Angeklagte bemerkte, daß sie "sich sperrte", greift hier zu kurz. 2. Nach allem ist in dem bezeichneten Falle eine erneute tatrichterliche Würdigung geboten. Das bedingt auch den Wegfall der insoweit zugemesse-
nen Einzelstrafe sowie die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen, der Angeklagte also eine Lage des Opfers ausgenutzt hat, in der dieses seiner Einwirkung schutzlos ausgeliefert war. Das Revisionsvorbringen der Beschwerdeführerin gibt darüber hinaus Anlaß zu dem Hinweis, daß die bisherigen Feststellungen nicht sicher ergeben, ob der Angeklagte den Beischlaf mit seiner Tochter vollzogen hat. Ein vollständiges Eindringen des Gliedes in die Scheide ist dazu nicht erforderlich (vgl. BGHSt 16, 175; 37, 153, 154). Wäre es - unter den Voraussetzungen einer Nötigung - zur Vollendung des Beischlafes (i.S.v. BGHSt 16, 175) gekommen, könnte der Angeklagte das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt haben und der Vergewaltigung schuldig zu sprechen sein. Läge indessen nur eine "versuchte Vergewaltigung" bei vollendeter sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 1 StGB) vor, müßte die Tatvollendung (sexuelle Nötigung) im Schuldspruch zum Ausdruck kommen. Die Tat kann in einem solchen Falle nicht nur als Versuch bezeichnet werden (BGH NJW 1998, 2987, 2988). 3. Die auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hin gemäß § 301 StPO gebotene Nachprüfung des angefochtenen Urteils in dem hier allein in Rede stehenden Einzelfall auf etwaige den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler hat einen solchen nicht ergeben. Die unter Ziffer II. 2.d der Urteilsgründe festgestellte Tat, um die es hier geht,
ist noch hinreichend konkretisiert und auch gegen die weiteren Einzelfälle abgrenzbar. Sie zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß der Angeklagte der Geschädigten mit ihrer Vergewaltigung drohte. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal