Bundesfinanzhof Beschluss, 10. Aug. 2011 - X B 231/10

bei uns veröffentlicht am10.08.2011

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen jedenfalls nicht vor.

2

1. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

3

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Finanzgericht (FG) seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden. Aus diesem Grund muss es den Inhalt der Akten und das Vorbringen der Beteiligten vollständig und einwandfrei berücksichtigen. Wird hiergegen verstoßen, liegt darin ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Senatsbeschluss vom 22. März 2011 X B 7/11, BFH/NV 2011, 1005, m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist hingegen gegeben, wenn das FG bestimmte vom Kläger geltend gemachte Vorgänge zwar zur Kenntnis nimmt, diese aber abweichend würdigt (Senatsbeschluss vom 8. September 2010 X B 213/09, BFH/NV 2011, 268).

4

Der Kläger macht geltend, das FG habe in rechtlicher Hinsicht nicht gewürdigt, dass an der Gesellschaft G-Ltd. der Kläger und ein fremder Dritter X mit jeweils 50 % beteiligt gewesen seien. Bei dieser Sachlage hätte das FG darlegen müssen, weshalb es die vom Kläger auf Grund seiner Beteiligung getragenen Aufwendungen überhaupt nicht anerkenne, obwohl es ihm die Erträge dieser Gesellschaft vollständig zugerechnet habe.

5

Der Kläger berücksichtigt nicht, dass das FG nicht nur im Tatbestand ausgeführt hat, dass an der G-Ltd. neben dem Kläger auch X als Gesellschafter beteiligt war (S. 4 und 7 des angefochtenen Urteils). Vielmehr hat sich das FG auch in rechtlicher Hinsicht mit diesem Gesellschaftsverhältnis befasst. Es hat nämlich aus der Würdigung anderer Umstände den Schluss gezogen, tatsächlicher Grund für die zu beurteilenden Zahlungen des Klägers sei nicht dessen Handeln als Gesellschafter für die im Jahr 2002 gegründete G-Ltd. bzw. für die davor bereits bestehende Vorgesellschaft, sondern seine persönliche Beziehung zu seiner damaligen Lebensgefährtin, mit der er im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in einem Haushalt gelebt und zu dem auch ein gemeinsames Kind gehört habe.

6

Hierbei hat das FG u.a. gewürdigt, dass der Kläger in einem der in Frage stehenden Verträge, die (formal) zwischen der G-Ltd. und der Gesellschaft Z.S.L. abgeschlossen worden waren, an welcher seine Lebensgefährtin mit 97 % als Gesellschafterin beteiligt war, sich persönlich für die von der Z.S.L. bzw. die von seiner Lebensgefährtin zu tragenden Aufwendungen verbürgt hatte, obwohl nicht erkennbar sei, dass dies für ihn persönlich vorteilhaft sein könnte. Auch hat das FG gewürdigt, dass zwischen den beiden vorgenannten Gesellschaften ein Mietvertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem das geplante Projekt auch aus der Sicht des Klägers bereits gescheitert gewesen sei. Schließlich hat das FG im Rahmen seiner Würdigung auch berücksichtigt, dass sich nicht feststellen lasse, dass der Kläger vertraglich berechtigt gewesen sei, den Mitgesellschafter X zu verpflichten. Es sei nicht feststellbar, dass dieser tatsächlich Zahlungen geleistet habe oder überhaupt Kenntnis von den vom Kläger namens der G-Ltd. abgeschlossenen Verträgen gehabt habe.

7

Aus diesen Indizien hat das FG geschlossen, der wahre Grund für die vom Kläger geleisteten Zahlungen seien nicht seine Verpflichtungen als Gesellschafter der G-Ltd., sondern seine persönliche Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, die er vor einem wirtschaftlichen Schaden habe bewahren wollen. Das FG hat daher die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse im Rahmen der rechtlichen Würdigung nicht übersehen, sondern ihnen im Rahmen der Gesamtwürdigung der im Streitfall gegebenen tatsächlichen Verhältnisse nicht die Bedeutung beigemessen, die der Kläger in ihnen sieht. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist somit nicht gegeben.

8

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

9

Der Kläger wirft die Frage auf, ob die Grundsätze der unter nahen Angehörigen abgeschlossenen Verträge auch dann anwendbar seien, wenn Vertragspartner solcher Verträge nicht natürliche Personen, sondern Gesellschaften seien, insbesondere, ob dies auch gelte, wenn an einer der Gesellschaften ein fremder Dritter mit einem Anteil von 50 % beteiligt sei.

10

Diese Frage ist im Streitfall nicht klärbar. Das FG ist im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, der wahre Grund für die vom Kläger geleisteten Zahlungen seien nicht Verpflichtungen, die er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der G-Ltd. eingegangen sei, sondern seine persönlichen Beziehungen zu seiner Lebensgefährtin (siehe dazu oben unter 1.). Bei einer solchen Sachlage stellt sich nicht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Familienpersonengesellschaften bei zwischen Gesellschaften abgeschlossen Verträgen anwendbar sind (zu Familienpersonengesellschaften vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 30. Aufl. § 15 Rz 740 ff., und BFH-Urteil vom 19. Februar 2009 IV R 83/06, BFHE 224, 340, BStBl II 2009, 798). Die vom FG vorgenommene tatsächliche Würdigung ist im Streitfall angesichts der vom FG festgestellten Besonderheiten (siehe oben unter 1.) jedenfalls nicht unvertretbar. Das FG-Urteil leidet daher auch nicht an einem qualifizierten Rechtsanwendungsfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO.

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Bundesfinanzhof Beschluss, 10. Aug. 2011 - X B 231/10 zitiert 4 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

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Bundesfinanzhof Beschluss, 22. März 2011 - X B 7/11

bei uns veröffentlicht am 22.03.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Jahren 1997 bis 2000 u.a. Einkünfte aus einem Imbissbetrieb. Bei einer Außenprüfung für die Jahr

Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Sept. 2010 - X B 213/09

bei uns veröffentlicht am 08.09.2010

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht (FG) Hinzuschätzungen des Beklagten und Beschwerdegegner

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Jahren 1997 bis 2000 u.a. Einkünfte aus einem Imbissbetrieb. Bei einer Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 2000 konnte er keine ordnungsgemäße Buchführung vorlegen. Deshalb schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Da für die Streitjahre nur Eingangsrechnungen im Wert zwischen ca. 5.000 DM und 9.500 DM jährlich aufgefunden werden konnten, legte das FA seiner Schätzung der jährlichen Wareneinkäufe der Streitjahre die Daten des Jahres 1995 (50.000 DM) zugrunde und ermittelte mit Hilfe der amtlichen Richtsatzsammlung jährliche Umsätze in Höhe von 130.000 DM bzw. 135.000 DM. Den Gewinn schätzte es auf 40 % des Nettoumsatzes (52.000 DM bzw. 54.000 DM).

2

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage teilweise statt. Die für 1995 ermittelten Wareneinkäufe seien als Schätzungsmaßstab für die Streitjahre nicht geeignet, da sich die Art des Imbissbetriebs des Klägers geändert habe. Stattdessen seien einer zutreffenden Schätzung die Feststellungen der Außenprüfung zugrunde zu legen, wonach in den Jahren 1997 bis 1999 Einkäufe im Wert von monatlich 5.000 DM bis 9.500 DM durch Rechnungen belegt seien. Andere Anhaltspunkte für eine Schätzung seien nicht greifbar. Das Gericht mache von seiner eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch und gehe aufgrund der durch die Außenprüfung festgestellten Daten von monatlichen Einkäufen des Klägers in Höhe von 6.000 DM aus. Der vom FA verwendete Rohgewinnaufschlag sei angemessen und auch das Gericht schätze den Gewinn auf 40 % der Umsätze, also auf 74.880 DM. Für 1997 sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Imbissbetrieb erst im Mai eröffnet habe und deshalb unter Einbeziehung einer kurzen Anlaufphase davon auszugehen sei, dass in diesem Jahr nur die Hälfte der Umsätze und des Gewinns erzielt worden seien.

3

Die Revision ließ das FG nicht zu.

4

Mit der vorliegenden Beschwerde beantragt der Kläger die Zulassung der Revision. Das FG-Urteil beruhe auf einem Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und damit auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Völlig überraschend und im Widerspruch zu den Feststellungen der Außenprüfung unterstelle das FG in den Jahren 1997 bis 1999 einen monatlichen Wareneinkauf von 5.000 DM bis 9.500 DM. Wäre dem Kläger hierzu rechtliches Gehör gewährt worden, hätte dieser den Irrtum des FG unter Hinweis auf den Prüfungsbericht aufklären können. Das Urteil beruhe auch auf diesem Irrtum, denn das Gericht bezeichne selbst die aufgefundenen Wareneingangsrechnungen der Jahre 1997 bis 1999 als alleinig zutreffende Schätzungsgrundlage. Von der Außenprüfung sei unstreitig ein monatlicher Wareneinkauf in Höhe von 418,24 DM (1997; = 1/12 von 5.018,85 DM), 798,05 DM (1998; = 1/12 von 9.576,65 DM) und 627,59 DM (1999; = 1/12 von 7.531,07 DM) festgestellt worden. Wende man diese Feststellung als den nach Ansicht des FG allein in Betracht kommenden Schätzungsmaßstab an, würden sich bei dem vom Gericht verwendeten Rohgewinnaufschlagssatz von 160 % Bruttojahresumsätze in Höhe von 8.030,16 DM (1997), 15.322,64 DM (1998), 12.049,71 DM (1999) und 22.098,30 DM (2000) ergeben. Diese Werte lägen deutlich unter den durch das Gericht geschätzten Beträgen.

5

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Zutreffend trage der Kläger vor, dass die Außenprüfung von jährlichen Wareneinkäufen ausgegangen sei, die das FG als monatliche Einkäufe seiner Schätzung zugrunde gelegt habe.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO), weil es auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruht.

7

1. Im angefochtenen Urteil hat das FG bei seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt.

8

a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen. Insbesondere muss das FG den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Beteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei berücksichtigen (vgl. im Einzelnen Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Dezember 2006 VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741, unter II.1.a der Gründe). § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist allerdings nur verletzt, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 2006 II B 106/05, BFH/NV 2006, 975, m.w.N.; vom 7. April 2005 IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354).

9

b) Im Streitfall liegt ein derartiger Verfahrensverstoß vor, auf dem auch das angefochtene Urteil des FG beruht. Nach Auffassung des Gerichts konnten nur die von der Außenprüfung aufgefundenen Wareneingangsrechnungen der Jahre 1997 bis 1999 die alleinig zutreffende Schätzungsgrundlage für die Umsätze der Streitjahre sein. Entgegen dem eindeutigen Inhalt der Akten hat es jedoch in den Jahren 1997 bis 1999 einen monatlichen Wareneinkauf von 5.000 DM bis 9.500 DM unterstellt, obwohl sich diese Beträge --worauf der Kläger, aber auch das FA zutreffend hinweisen-- eindeutig auf die jährlichen Einkäufe des Klägers für seinen Imbissbetrieb beziehen.

10

2. Der Senat hält es für sachgerecht, die Vorentscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

11

3. Da das FG den Gewerbesteuermessbetrag 1997 auf Null DM reduziert hat, geht der beschließende Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass insoweit kein Rechtsmittel gegen das FG-Urteil eingelegt wurde.

12

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

13

5. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen, der auch für das Verfahren nach § 116 Abs. 6 FGO Anwendung findet (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Juni 2007 VIII B 154/06, BFH/NV 2007, 1910, m.w.N.).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht (FG) Hinzuschätzungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) zu seinen Einkünften als selbständiger EDV-Berater dem Grunde nach für rechtmäßig erachtet hat.

2

Das FA und das FG waren aufgrund verschiedener Indizien zu der Auffassung gekommen, dass der Kläger seine Honorare nicht vollständig erklärt habe. Die vereinbarten Honorare seien im Wege eines sogenannten Honorarsplittings zu einem --in der Steuererklärung nicht enthaltenen-- Teil über zwei zwischengeschaltete Firmen auf Schweizer Konten gezahlt worden, die dem Kläger zuzurechnen seien. Der Kläger stützt seine Beschwerde auf Abweichungen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensmängel.

Entscheidungsgründe

3

II. Ob der Kläger die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt hat, kann dahingestellt bleiben. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

4

1. Der Kläger meint, das FG sei von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur richterlichen Überzeugungsbildung abgewichen, womit er sinngemäß geltend macht, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere die Revisionszulassung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Es lägen Abweichungen von verschiedenen abstrakten Rechtssätzen des BFH vor.

5

a) So entspreche das FG-Urteil nicht dem in dem Urteil des BFH vom 21. Oktober 1988 III R 194/84 (BFHE 155, 232, BStBl II 1989, 216) aufgestellten Grundsatz, dass für die Urteilsfindung das Prinzip der richterlichen Überzeugung maßgebend sei.

6

Das FG hat weder ausdrücklich noch implizit einen abstrakten Rechtssatz gebildet, der von diesen Grundsätzen abwiche. Das FG hat auf der Grundlage verschiedener Beweismittel die Überzeugung gewonnen, dass sich das Honorarsplitting tatsächlich zugetragen habe. Das ergibt sich aus der Formulierung auf den Seiten 7/8 des angefochtenen Urteils:

7

"Der Senat ist davon überzeugt, dass auch dem Kläger diese Möglichkeit bekannt war und er das Honorarsplitting tatsächlich in Anspruch genommen hat. Das ergibt sich aus ..."

8

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das FG tatsächlich nicht von diesem Ergebnis überzeugt war, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

9

Soweit der Kläger der Auffassung ist, das FG habe aufgrund der vorliegenden Beweismittel zu dieser Überzeugung nicht kommen dürfen, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung im Einzelfall, die als Frage des materiellen Rechts eine Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigt.

10

b) Aus demselben Grunde liegt auch keine Divergenz zu dem BFH-Urteil vom 24. März 1987 VII R 155/85 (BFH/NV 1987, 560) vor.

11

Der BFH hat darin ausgeführt, dass zur Überzeugungsbildung Gewissheit oder an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich sei. Der Tatrichter müsse ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in einem Maße erlangen, dass er an sich mögliche Zweifel überwinde und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen könne, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben dürfe, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen müsse.

12

Diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG bei seiner Überzeugungsbildung gefolgt.

13

Im Übrigen stellt diese Entscheidung klar, dass für die Überzeugungsbildung keine absolute Gewissheit erforderlich ist und der Tatrichter auch in Zweifelsfällen zu einer bestimmten Überzeugung kommen darf, ohne an bestimmte Beweisregeln gebunden zu sein.

14

c) Eine Abweichung zu dem BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 225/82 (BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944) liegt ebenfalls nicht vor.

15

Der BFH hat darin ausgeführt, dass die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Geschehensablaufs bzw. Sachverhalts nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend ist, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen sind.

16

Es ist nicht erkennbar, dass das FG seiner Entscheidungsfindung abweichende Kriterien zu Grunde gelegt hätte. Selbst wenn die Beweiswürdigung und die Folgerungen des FG tatsächlich diesen Kriterien nicht genügten --was nicht der Fall ist--, wäre dies eine materiell-rechtliche Frage, die die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigt.

17

d) Soweit der Kläger Abweichungen von dem BFH-Urteil vom 19. (nicht 9.) September 1990 X R 79/88 (BFHE 162, 199, BStBl II 1991, 100) im Hinblick darauf rügt, dass der die Überzeugungsbildung leitende Maßstab eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit sein müsse, die weder auf Hypothesen noch auf Unterstellungen beruhen dürfe, kann diese Rüge bereits aus den unter a) bis c) genannten Gründen keinen Erfolg haben. Sie geht aber auch insofern fehl, als sich dieses Urteil mit der Verletzung rechtlichen Gehörs und mit der --auf Unterstellungen beruhenden-- fehlenden Sachaufklärung, aber nicht mit der richterlichen Überzeugungsbildung befasst. Im Übrigen sind die Angaben des Klägers, die Ermittlungen der Steuerfahndung … und verschiedene Dokumente, namentlich die Identität von Vertragsfassungen mit verschiedenen Unternehmen, auf die das FG sich gestützt hat, keine Unterstellungen.

18

e) Von dem in dem BFH-Beschluss vom 11. Juli 2007 IV B 121/06 (BFH/NV 2007, 2241) aufgestellten Grundsatz "in dubio pro reo" ist das FG nach alledem ebenfalls nicht abgewichen, da es keine Zweifel hatte (vgl. unter a). Es kann daher dahingestellt bleiben, inwieweit der Grundsatz im konkreten Fall überhaupt einschlägig gewesen wäre.

19

2. Soweit der Kläger einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen die Verpflichtung aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, sieht, liegt dieser ebenfalls nicht vor.

20

Das von dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftstück eines Vertreters eines der zwischengeschalteten Unternehmen hat das FG, der Behauptung des Klägers entgegen, gewürdigt. Es hat --zutreffend-- ausgeführt, die Erklärung gebe nichts dazu her, warum der Kläger freiwillig auf erhebliche Teile seines Honorars verzichten solle (S. 9 des Urteils). Eine weitere Auseinandersetzung mit der hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes unergiebigen Erklärung war nicht erforderlich.

21

Die Behauptung, das FG habe verfahrensfehlerhaft sämtliche gegen das Honorarsplitting sprechenden Aspekte unberücksichtigt gelassen, trifft nicht zu. Das FG hat die ergebnislose Durchsuchung sowie die Details der Zeugenaussage X, auch soweit sie den Kläger nicht belastete, ausdrücklich berücksichtigt. Dass es diesen Aspekten im Ergebnis nicht gefolgt ist, ist keine Frage des Verfahrens, sondern der Beweiswürdigung.

22

Weitere Umstände, die das FG nicht gewürdigt habe, hat der Kläger nicht dargetan.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.