Bundesfinanzhof Beschluss, 12. Apr. 2012 - VIII B 91/11

bei uns veröffentlicht am12.04.2012

Gründe

1

Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.

2

1. Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht (sog. Klärungsbedürftigkeit) und die im angestrebten Revisionsverfahren gegen das angefochtene Urteil geklärt werden kann (sog. Klärungsfähigkeit; vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675, m.w.N.).

3

Die Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) werfen die Rechtsfrage auf, "ob die Änderung eines Steuerbescheides wegen eines bestimmten Sachverhalts nach § 174 Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) voraussetzt, dass ein vorausgegangenes Verfahren, in dem es letztlich zu einer Änderung eines Ausgangsbescheides zu Gunsten des Steuerpflichtigen aus dem bestimmten Sachverhalt kommt, auf einem Rechtsbehelf oder einem in sonstiger Weise verfahrensbegründenden Antrag begonnen wird, oder ob auch in einem durch die Finanzverwaltung selbst initiierten Verfahren, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, allein eine Einflussnahme des Steuerpflichtigen auf die Beurteilung einer Rechtsfrage seitens der Finanzverwaltung zu seinen Gunsten nach entsprechender Änderung des Ausgangsbescheides die nachfolgende Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zu seinen Lasten in einem anderen Bescheid aus dem bestimmten Sachverhalt eröffnet".

4

Diese Frage ist nicht klärungsfähig. Die implizierte tatbestandliche Prämisse, dass nämlich die zugunsten der Klägerinnen vorgenommene Änderung des Feststellungsbescheides für 2005 von der Finanzverwaltung initiiert gewesen wäre, trifft schon nicht zu. Nach den den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im angefochtenen Urteil beabsichtigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), als Ergebnis der Außenprüfung zunächst den Feststellungsbescheid für 2005 zu Lasten der Klägerinnen zu ändern. Bei dieser Ausgangslage hat die Klägerin zu 1. mit ihrem Schreiben vom 7. Januar 2009, mit dem sie ausdrücklich die Rückgängigmachung der für 2005 bereits vorgenommenen gewinnerhöhenden Auflösung "beantragte", die Initiative zu einer Änderung des Feststellungsbescheides zu ihren Gunsten   ergriffen, wie das FG zutreffend erkannt hat. Dabei ging das Schreiben über die Äußerung einer reinen Rechtsauffassung hinaus und enthielt der Sache nach i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO einen "sonst" --d.h. außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens-- gestellten und auf eine begünstigende Änderung gerichteten Antrag. Auf die Übernahme der dem Antrag zugrunde liegenden Rechtsauffassung in den Betriebsprüfungsbericht folgte die Bitte der Klägerinnen in einem weiteren Schreiben, die Änderung des Feststellungsbescheides 2005 dem Prüfungsbericht entsprechend vorzunehmen. Damit kann nicht davon die Rede sein, dass im Streitfall der Feststellungsänderungsbescheid für 2005 allein auf der Initiative des FA beruht hätte (vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637; vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751).

5

Angesichts des Gesetzeswortlauts ist auch nicht klärungsbedürftig, ob es sich bei dem Antrag i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO um eine "förmliche Verfahrenshandlung" handeln muss, wie die Klägerinnen meinen. Mit der Formulierung "sonst auf Antrag" sind eindeutig auch Anträge erfasst, die außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens (Einspruchs- oder Klageverfahren, vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, § 174 Rz 44) gestellt werden. Was die Klägerinnen unter einer "förmlichen Verfahrenshandlung" verstehen, die "entsprechend einem Rechtsbehelf ausgestaltet" ist (vgl. Beschwerdebegründung, S. 12), erschließt sich nicht aus ihrem Vortrag. Verfahrensbegründend wirkt der Antrag eines Steuerpflichtigen auf Änderung oder Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Steuerrechtsverhältnis (hier: Feststellungsbescheid für 2005) in der Weise, dass die Finanzbehörde darüber zu befinden hat, indem sie dem Antrag entspricht oder ihn ablehnt.

6

2. Aus den Gründen dieses Beschlusses zu 1. ist die Zulassung der Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO zur Fortbildung des Rechts erforderlich.

7

3. Kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 FGO folgt daraus, dass das FG im Schreiben der Klägerinnen vom 7. Januar 2009 einen Änderungsantrag und nicht nur die folgenlose Äußerung einer Rechtsauffassung erkannt hat. Mit Einwendungen gegen die Sachverhaltswürdigung des FG wird falsche materielle Rechtsanwendung geltend gemacht, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).

8

4. Die von den Klägerinnen vorsorglich gerügte Abweichung des angefochtenen Urteils von dem BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 25/09 (BFHE 230, 203, BStBl II 2010, 953) ist schon deshalb nicht gegeben, weil der vermeintlichen Divergenzentscheidung ersichtlich kein gleicher oder vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2007 VIII B 79/07, BFH/NV 2008, 732).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

Abgabenordnung - AO 1977 | § 174 Widerstreitende Steuerfestsetzungen


(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuhe

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Bundesfinanzhof Urteil, 11. Mai 2010 - IX R 25/09

bei uns veröffentlicht am 11.05.2010

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäf

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäftsführer bei der A-GmbH beschäftigt, an der er ursprünglich auch zur Hälfte beteiligt war. Das Anstellungsverhältnis wurde vorzeitig zum 31. Dezember 1999 beendet; zum Ausgleich verpflichtete sich die A-GmbH, dem Kläger eine Abfindung von 500.000 DM zu zahlen, fällig am 1. Januar 2000. Bereits im Jahr 1998 hatten der Kläger und sein Mitgesellschafter ihre restliche Beteiligung an der A-GmbH an die B-GmbH veräußert, an der der Kläger ebenfalls beteiligt war. Sein Kaufpreisanteil betrug 3.500.000 DM, wobei er sich zur Rückerstattung desjenigen Teils des Kaufpreises verpflichtet hatte, um den der von ihm erzielte Erlös einen späteren (anteiligen) Weiterveräußerungserlös der B-GmbH überstieg. Bei der Weiterveräußerung im Jahr 1999 erzielte die B-GmbH den von ihr gezahlten Kaufpreis nicht, weshalb ihr ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 500.000 DM gegen den Kläger zustand. Im Folgenden trat der Kläger seinen Abfindungsanspruch gegen die A-GmbH an die B-GmbH ab und zeigte die Abtretung mit Schreiben vom 11. November 1999 der A-GmbH an, die am 21. Dezember 1999 an die B-GmbH zahlte. Der Zufluss der 500.000 DM wurde bei der B-GmbH als Betriebseinnahme der Besteuerung unterworfen; eine Berücksichtigung der Zahlung bei dem Kläger erfolgte zunächst weder für den Veranlagungszeitraum 1998 noch für den Veranlagungszeitraum 1999.

2

Am 2. April 2004 erhielt das damals für den Kläger zuständige Finanzamt (FA HO) eine Kontrollmitteilung, dass der Kläger eine Abfindungszahlung in Höhe von 500.000 DM aufgrund der vorzeitigen Aufhebung des Geschäftsführervertrages erhalten habe. Die Zahlung an die B-GmbH sei am 21. Dezember 1999 erfolgt. Ohne diese Kontrollmitteilung auszuwerten, änderte das FA HO aus anderen Gründen mit Bescheid vom 16. März 2005 den Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1999.

3

Unter dem 16. Dezember 2005 änderte das FA HO diesen Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer für 1999 unter Berücksichtigung der Abfindung auf 271.811,97 € (531.618 DM) fest. Hiergegen legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass nach Berücksichtigung des Abfindungsbetrags bei der Einkommensteuer des Klägers konsequenterweise in Höhe dieses Betrages der Körperschaftsteuerbescheid der B-GmbH berichtigt werden müsse. Dies habe das für die B-GmbH zuständige Finanzamt jedoch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung abgelehnt. Es werde daher beantragt, das sie betreffende Verfahren im Hinblick auf das bereits anhängige Verfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid ruhen zu lassen.

4

Anlässlich des beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens der B-GmbH (3 K 78/06) betreffend die Körperschaftsteuer 1999 regte das FG an, bei dem Kläger für den Veranlagungszeitraum 1998 den ihm ursprünglich zugeflossenen Veräußerungserlös um 500.000 DM zu mindern, damit die Zahlung des Betrages nicht nur isoliert im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Veranlagungszeitraum 1999 berücksichtigt werde. Der zwischenzeitlich für die Einkommensteuer zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) schlug daraufhin am 11. Dezember 2006 schriftlich vor, den Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Beteiligung an der A-GmbH in 1998 aufgrund der 1999 erfolgten Kaufpreiserstattung um 500.000 DM zu reduzieren und die Einkommensteuer für 1998 entsprechend herabzusetzen. Im Gegenzug solle eine Rücknahme des Einspruchs für 1999 erfolgen. Laut Telefonvermerk des FA vom selben Tag erklärte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, nach Vorlage des entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheids 1998 die Klage betreffend die B-GmbH und nach Bestandskraft des Bescheids den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 zurücknehmen zu wollen. Die schriftliche Fixierung der Vereinbarung durch das FA vom 12. Dezember 2006 entsprach dem zuvor von ihm unterbreiteten Vorschlag; die Rücknahme der Klage der B-GmbH wird darin nicht erwähnt.

5

Das FA erließ wie angekündigt am 21. Dezember 2006 einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998, in dem der Erlös aus der Veräußerung der Geschäftsanteile um 500.000 DM herabgesetzt war. Der Kläger nahm in der Folge den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 nicht zurück, sondern beantragte über einen neuen Prozessbevollmächtigten die Fortsetzung des bis dahin ruhenden Einspruchsverfahrens. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 16. März 2005 sei nicht zulässig gewesen, weil es an einer Änderungsvorschrift fehle.

6

Mit Bescheid vom 12. November 2007 hob das FA den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. Dezember 2005 auf. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag erließ er gestützt auf § 174 Abs. 4 AO den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid und setzte die Einkommensteuer 1999 wiederum auf 271.811,97 € fest.

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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des FG waren die Voraussetzungen für den Erlass eines auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Änderungsbescheids gegeben. Durch die Abtretung seiner Forderung gegen die A-GmbH an die B-GmbH habe der Kläger seinen Abfindungsanspruch mit der gegen ihn gerichteten Rückzahlungsverpflichtung in einer Weise miteinander verbunden, dass sich das Geschehen als einheitliches Ganzes und damit als "bestimmter Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs. 4 darstelle. Diesen Sachverhalt habe das FA irrig beurteilt, weil es die steuerrechtlichen Folgerungen der Kaufpreisminderung für die Einkommensteuer 1998 zunächst nicht gezogen habe. Nachdem der Kläger wiederholt --wenn auch im Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuerbescheid der B-GmbH-- sein Anliegen zum Ausdruck gebracht habe, dass bei einer Besteuerung der Abfindungszahlung in 1999 auch der steuermindernde Umstand der Kaufpreisrückerstattung Berücksichtigung finden müsse, sei die zutreffende steuerliche Erfassung dieses Geschehens durch das FA im Veranlagungszeitraum 1998 auch auf seinen Antrag erfolgt.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf die Verletzung von § 174 Abs. 4 AO stützen.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 12. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. März 2005 habe nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert werden können.

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1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Durch § 174 AO soll die Finanzbehörde die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander im Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620). Die Vorschrift setzt hinsichtlich der verfahrensmäßigen Abfolge voraus, dass ein angefochtener Bescheid als irrig erkannt und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird. Dies löst sodann --"nachträglich"-- die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, nämlich dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid nunmehr eine "widerstreitende Steuerfestsetzung" enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83, unter C.II.1.).

13

Die durch § 174 Abs. 4 AO eingeräumte Möglichkeit, einen bestandskräftigen Steuerbescheid nachträglich zu ändern, findet ihre Rechtfertigung im fehlenden schutzwürdigen Vertrauen des Steuerpflichtigen; derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475, unter II.2.). Die Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlauben es, unter diesen Voraussetzungen einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben (BFH-Urteil in BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 174 Rz 4). Der Steuerpflichtige ist allerdings nur dann nicht schutzwürdig, wenn er die Aufhebung oder Änderung des vorangegangenen Steuerbescheides selbst herbeigeführt hat. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO lässt deshalb --anders als § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO-- die Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht genügen, sondern verlangt --unter Gleichsetzung von Antrag und Rechtsbehelf--, dass die Änderung gerade auf Grund einer vom Steuerpflichtigen ausgehenden Initiative erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751; vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124). Allerdings ist es nicht notwendig, dass dem Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen auch aus den von ihm geltend gemachten Gründen entsprochen wurde, solange die Änderung jedenfalls durch den Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen veranlasst worden ist (BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, unter I.2.; in BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562). Die auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Durchbrechung des Vertrauensschutzes ist aber dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen den letztlich geänderten Bescheid nicht zum Gegenstand hatte (vgl. v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 247; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 44). Der Steuerpflichtige muss vielmehr spezifisch die Änderung des vorausgegangenen Bescheides veranlasst haben. Die bloße Hinnahme einer allein von der Finanzverwaltung ausgehenden Änderung reicht vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts und der Systematik der Änderungsvorschriften der Abgabenordnung nicht aus.

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2. Nach diesen Grundsätzen konnte der Einkommensteuerbescheid vom 16. März 2005 nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden. Ausweislich der getroffenen und für das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen hat der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt, auch nicht konkludent, gegen die Festsetzung der Einkommensteuer für 1998 gewandt. Einspruch hat er lediglich gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16. Dezember 2005 eingelegt und diesen damit begründet, dass die steuerliche Erfassung der Abfindung bei seinen Einkünften dazu führen müsse, dass der Betrag nicht mehr bei der B-GmbH besteuert werden dürfe; einen Bezug zu der gegen ihn festgesetzten Einkommensteuer für 1998 hat er nicht hergestellt. Für einen Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 fehlt danach jeder Anhalt. Die Änderung dieses Bescheides erfolgte vielmehr auf ein --durch das FG im Verfahren gegen die B-GmbH veranlasstes-- Angebot des FA hin. Damit hat der Kläger gerade nicht selbst die Ursache für die Abänderung des auf einer irrigen Beurteilung beruhenden ersten Bescheids gesetzt, die die nachträgliche Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 1999 rechtfertigen würde.

15

3. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob die vor Fälligkeit erfolgte Abtretung des Abfindungsanspruchs zum Zwecke der Erfüllung der den Kläger treffenden Rückzahlungsverpflichtung überhaupt geeignet ist, die beiden Ereignisse zu einem bestimmten Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zu verbinden.

16

4. Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Mangels Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides für 1999 vom 16. März 2005 ist der Klage stattzugeben.