Bundesfinanzhof Beschluss, 12. Apr. 2012 - VIII B 91/11
Gericht
Gründe
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Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.
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1. Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht (sog. Klärungsbedürftigkeit) und die im angestrebten Revisionsverfahren gegen das angefochtene Urteil geklärt werden kann (sog. Klärungsfähigkeit; vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675, m.w.N.).
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Die Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) werfen die Rechtsfrage auf, "ob die Änderung eines Steuerbescheides wegen eines bestimmten Sachverhalts nach § 174 Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) voraussetzt, dass ein vorausgegangenes Verfahren, in dem es letztlich zu einer Änderung eines Ausgangsbescheides zu Gunsten des Steuerpflichtigen aus dem bestimmten Sachverhalt kommt, auf einem Rechtsbehelf oder einem in sonstiger Weise verfahrensbegründenden Antrag begonnen wird, oder ob auch in einem durch die Finanzverwaltung selbst initiierten Verfahren, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, allein eine Einflussnahme des Steuerpflichtigen auf die Beurteilung einer Rechtsfrage seitens der Finanzverwaltung zu seinen Gunsten nach entsprechender Änderung des Ausgangsbescheides die nachfolgende Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zu seinen Lasten in einem anderen Bescheid aus dem bestimmten Sachverhalt eröffnet".
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Diese Frage ist nicht klärungsfähig. Die implizierte tatbestandliche Prämisse, dass nämlich die zugunsten der Klägerinnen vorgenommene Änderung des Feststellungsbescheides für 2005 von der Finanzverwaltung initiiert gewesen wäre, trifft schon nicht zu. Nach den den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im angefochtenen Urteil beabsichtigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), als Ergebnis der Außenprüfung zunächst den Feststellungsbescheid für 2005 zu Lasten der Klägerinnen zu ändern. Bei dieser Ausgangslage hat die Klägerin zu 1. mit ihrem Schreiben vom 7. Januar 2009, mit dem sie ausdrücklich die Rückgängigmachung der für 2005 bereits vorgenommenen gewinnerhöhenden Auflösung "beantragte", die Initiative zu einer Änderung des Feststellungsbescheides zu ihren Gunsten ergriffen, wie das FG zutreffend erkannt hat. Dabei ging das Schreiben über die Äußerung einer reinen Rechtsauffassung hinaus und enthielt der Sache nach i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO einen "sonst" --d.h. außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens-- gestellten und auf eine begünstigende Änderung gerichteten Antrag. Auf die Übernahme der dem Antrag zugrunde liegenden Rechtsauffassung in den Betriebsprüfungsbericht folgte die Bitte der Klägerinnen in einem weiteren Schreiben, die Änderung des Feststellungsbescheides 2005 dem Prüfungsbericht entsprechend vorzunehmen. Damit kann nicht davon die Rede sein, dass im Streitfall der Feststellungsänderungsbescheid für 2005 allein auf der Initiative des FA beruht hätte (vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637; vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751).
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Angesichts des Gesetzeswortlauts ist auch nicht klärungsbedürftig, ob es sich bei dem Antrag i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO um eine "förmliche Verfahrenshandlung" handeln muss, wie die Klägerinnen meinen. Mit der Formulierung "sonst auf Antrag" sind eindeutig auch Anträge erfasst, die außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens (Einspruchs- oder Klageverfahren, vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, § 174 Rz 44) gestellt werden. Was die Klägerinnen unter einer "förmlichen Verfahrenshandlung" verstehen, die "entsprechend einem Rechtsbehelf ausgestaltet" ist (vgl. Beschwerdebegründung, S. 12), erschließt sich nicht aus ihrem Vortrag. Verfahrensbegründend wirkt der Antrag eines Steuerpflichtigen auf Änderung oder Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Steuerrechtsverhältnis (hier: Feststellungsbescheid für 2005) in der Weise, dass die Finanzbehörde darüber zu befinden hat, indem sie dem Antrag entspricht oder ihn ablehnt.
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2. Aus den Gründen dieses Beschlusses zu 1. ist die Zulassung der Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
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3. Kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 FGO folgt daraus, dass das FG im Schreiben der Klägerinnen vom 7. Januar 2009 einen Änderungsantrag und nicht nur die folgenlose Äußerung einer Rechtsauffassung erkannt hat. Mit Einwendungen gegen die Sachverhaltswürdigung des FG wird falsche materielle Rechtsanwendung geltend gemacht, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).
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4. Die von den Klägerinnen vorsorglich gerügte Abweichung des angefochtenen Urteils von dem BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 25/09 (BFHE 230, 203, BStBl II 2010, 953) ist schon deshalb nicht gegeben, weil der vermeintlichen Divergenzentscheidung ersichtlich kein gleicher oder vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2007 VIII B 79/07, BFH/NV 2008, 732).
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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.
(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.
(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.
(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.
(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.
(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.
(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.
(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.
(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.
(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.
(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.
(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.