Bundesfinanzhof Beschluss, 22. Jan. 2013 - VII S 35/12 (PKH)

22.01.2013

Tatbestand

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I. Nachdem im Mai 2006 das (inzwischen aufgehobene) Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden war, gab der Insolvenzverwalter sämtliche nach Insolvenzeröffnung erworbene und noch zu erwerbende Gegenstände und Forderungen aus der Insolvenzmasse frei.

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Die in der Folgezeit aus Umsatzsteuerfestsetzungen resultierenden Vergütungsansprüche des Antragstellers verrechnete der Beklagte (das Finanzamt --FA--) zum überwiegenden Teil mit offenen Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, zum Teil auch mit offenen Umsatzsteuerforderungen und Säumniszuschlägen aus der Zeit der vom Insolvenzverwalter freigegebenen Tätigkeit sowie mit Forderungen des Bundeslandes X. Auf hiergegen erhobene Einwendungen des Antragstellers erließ das FA entsprechende Abrechnungsbescheide.

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Die Einsprüche des Antragstellers sowie seine Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die Verrechnung der Vergütungsansprüche des Antragstellers mit offenen Steuerforderungen für zulässig. Regelungen des Pfändungsschutzes der Zivilprozessordnung (ZPO) stünden nicht entgegen.

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Für die Erhebung einer noch einzulegenden Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil beantragt der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 ZPO). Weder den Entscheidungsgründen des FG-Urteils noch dem Vorbringen des Antragstellers lassen sich Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, eine formgerecht von einer vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigten Person noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde könnte erfolgreich sein.

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Es bedarf keiner Entscheidung des BFH in einem Revisionsverfahren, sondern ergibt sich aus den anzuwendenden insolvenzrechtlichen Vorschriften, dass die vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegebenen Forderungen des Schuldners nicht dem Insolvenzbeschlag und somit auch keinen insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverboten unterliegen. Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung des BFH zu der Frage, ob einer vom FA erklärten Aufrechnung gegen umsatzsteuerliche Vergütungsforderungen die Pfändungsschutzvorschriften der ZPO entgegenstehen. Vielmehr ist es durch die (vom FG im Urteil zitierte) Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt, dass Erstattungsansprüche wegen überzahlter Einkommensteuer nicht Bestandteil des Arbeitseinkommens im Sinne der Pfändungsschutzbestimmungen des § 319 der Abgabenordnung i.V.m. §§ 850 ff. ZPO sind und somit für das FA weder ein Pfändungs- noch ein Aufrechnungsverbot besteht. Für Umsatzsteuervergütungsansprüche kann nichts anderes gelten. Es gibt weder abgaben- noch sozialrechtliche Vorschriften, welche die Aufrechnungsmöglichkeiten gegenüber Forderungen eines Gläubigers einschränken, der Sozialleistungen bezieht. Es trifft daher auch nicht zu, dass im Streitfall --wie der Antragsteller meint-- "das Handeln des Finanzamts (...) die Besserstellung eines Gläubigers" darstellt. Vielmehr hat das FA dieselben Aufrechnungsmöglichkeiten wie jeder andere Schuldner des Antragstellers, der seinerseits eine Forderung gegen diesen hat.

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Auf die fehlende Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen der verspäteten Vorlage des Formblatts zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse braucht daher nicht eingegangen zu werden.

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Referenzen - Gesetze

Bundesfinanzhof Beschluss, 22. Jan. 2013 - VII S 35/12 (PKH) zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 142


(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten sinngemäß. (2) Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter

Abgabenordnung - AO 1977 | § 319 Unpfändbarkeit von Forderungen


Beschränkungen und Verbote, die nach den §§ 850 bis 852 und 899 bis 907 der Zivilprozessordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, gelten sinngemäß.

Referenzen

(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten sinngemäß.

(2) Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(3) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(4) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(5) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 3 und 4 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(6) § 79a Absatz 4 gilt entsprechend.

(7) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 3 und 4 ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Erinnerung beträgt zwei Wochen. Über die Erinnerung entscheidet das Gericht durch Beschluss.

(8) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 3 bis 7 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Beschränkungen und Verbote, die nach den §§ 850 bis 852 und 899 bis 907 der Zivilprozessordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, gelten sinngemäß.