Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. November 2013 3 K 1665/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2010) beantragten sie die Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von 916 € als außergewöhnliche Belastungen, die sich jedoch nach Abzug der zumutbaren Belastung von 1.013 € steuerlich nicht auswirkten.

3

Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr Einspruch ein. Sie begehrten die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 4.899,18 €, die im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung und einem weiteren Verfahren wegen Vergütung dieser Rechtsanwaltskosten entstanden seien. Das Amtsgericht habe dem Antrag des Klägers auf Erteilung des Erbscheins als Alleinerbe seiner Mutter entsprochen. Der Rechtsstreit sei notwendig gewesen, weil der Sohn des Klägers dem Kläger das Erbe habe streitig machen wollen.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 641 veröffentlichten Gründen insoweit statt, als es Prozesskosten in Höhe von 4.199 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannte. Im Übrigen wies es die Klage ab.

5

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

6

Es beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12. November 2013  3 K 1665/12 insoweit aufzuheben, als der Einkommensteuerbescheid für 2010 dahingehend geändert wurde, dass 4.199 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurden.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung FGO ). Das FG hat die geltend gemachten Zivilprozesskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

9

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs   BFH   vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

10

a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553), und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob einem Steuerpflichtigen Prozesskosten in der Parteistellung als Kläger oder als Beklagter entstehen (BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig angesehen, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726 und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr in dem üblichen Rahmen befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

11

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

12

c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

13

2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann er auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, so dass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

14

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

15

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn der Zivilprozess im Zusammenhang mit der Erbenstellung berührt keinen existenziell wichtigen Bereich und auch nicht den Kernbereich menschlichen Lebens i.S. der oben genannten Rechtsprechung zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses. Mit der Durchsetzung seiner Erbenstellung verfolgte der Kläger das Ziel, seine wirtschaftliche Situation zu verbessern. Das Ziel der Mehrung des Vermögens durch eine Erbschaft ist allerdings nicht mit einem existenziell wichtigen Bereich, etwa dem drohenden Verlust einer schon vorhandenen Existenzgrundlage und deren Bewahrung, Absicherung oder Zurückerlangung im Rahmen eines Zivilprozesses, gleichzustellen.

16

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


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Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 wird dahingehend geändert, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 4.199 € als außergewöhnliche Bela

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Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 wird dahingehend geändert, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 4.199 € als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG vor Abzug der zumutbaren Belastung berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger 12 v. H. und der Beklagte 88 v. H. zu tragen.

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin erzielte als kaufmännische Angestellte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Da sie sich in Altersteilzeit befand, wurde ihr ein steuerfreier Aufstockungsbetrag in Höhe von  € gezahlt, der dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Der Kläger bezog keine Einkünfte. In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 beantragten die Kläger die Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von 916,-€ als außergewöhnliche Belastungen, die sich jedoch nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung von 1.013 € steuerlich nicht auswirkten. Die Einkommensteuer wurde im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 mit   € festgesetzt.

3

Gegen diesen Bescheid wurde am 14.08.2011 Einspruch eingelegt. Das Einspruchsschreiben enthält als Absender den Namen des Klägers und ist im Singular formuliert ("lege ich hiermit Widerspruch ein"). Allerdings heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Durch Unterzeichnung dieses Schreibens stimmt meine Ehefrau dem Widerspruch und Antrag zu." Das Schreiben trägt sowohl die Unterschrift des Klägers als auch der Klägerin. Zur Einspruchsbegründung führte der Kläger aus, dass ihm im Streitjahr Rechtsanwaltskosten von insgesamt 4.899,18 € im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung und einem weiteren Verfahren wegen Vergütung dieser Rechtsanwaltskosten entstanden seien, deren Berücksichtigung er bei der Steuerfestsetzung beantrage. Diese Kosten setzen sich wie folgt zusammen:

4

Rechtsanwaltskosten Erbauseinandersetzung:

5

Vorschuss Rechtsanwalt L. gemäß Rechnung vom  .  .2009

700,00 €

Rechtsanwaltsgebühren RA L. (Vergleich vor dem LG K. am  .  .2010)

2.500,00 €

weitere Zahlungen an RA L. laut Forderungskonto RA L. (Stand   .  .2010)

113,50 €

Summe:

3.313,50 €

6

Rechtsanwaltskosten im Prozess wegen Rechtsanwaltsvergütung:

7

Vergütungsrechnung RA Dr. K. vom   .  .2010

1.585,68 €

8

Entsprechende Belege über die geltend gemachten Aufwendungen (Rechnungen, Forderungskonto RA L., Abschrift der Sitzungsniederschrift des Landgerichts K.) legten die Kläger vor (Bl.27-35 der Einkommensteuerakte).

9

Der Beklagte wies den Einspruch mit der an den Kläger gerichteten Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012, die allerdings die Eheleute als Einspruchsführer in den Gründen nennt, zurück. Zur Begründung führte er aus, nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH seien Prozesskosten in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar gewesen. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung sei nur ausnahmsweise in Betracht gekommen, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr gelaufen sei, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Im Streitfall sei angesichts der Erbschaft des Klägers weder ein existentieller Bereich noch ein Kernbereich menschlichen Lebens berührt gewesen. Die Rechtsstreite seien deshalb nicht von existentieller Bedeutung gewesen, so dass ein Abzug der Aufwendungen nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht komme. Auch das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Unausweichlich und damit zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG seien die Zivilprozesskosten nach diesem Urteil nur dann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten stünden der Finanzverwaltung indes keine Instrumente zur Verfügung, so dass die Frage nach der hinreichenden Erfolgsaussicht des Prozesses nicht positiv beantwortet werden könne. Soweit dem Finanzamt keine hinreichenden Anknüpfungspunkte bekannt seien, auf die es seine Rechtsmeinung stützen könne, könnten die Erfolgsaussichten nicht beurteilt werden ohne Gefahr zu laufen, zu einem willkürlichen Ergebnis zu gelangen. Damit sei aber die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr gewährleistet. Deshalb sei laut Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 20.12.2011 das BFH-Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Im Übrigen habe der Kläger auch keine Anhaltspunkte genannt, die auf die Motive der Verfahrensbeteiligten und die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits hätten schließen lassen.

10

Die hiergegen erhobene Klage ging beim Finanzgericht am 29.05.2012 ein. Die Kläger tragen vor, sie hätten die Einspruchsentscheidung erst am 30.04.2012 erhalten. Ferner sind sie der Ansicht, dass das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) auf den Streitfall anzuwenden sei. Die Führung des Prozesses sei erforderlich gewesen, um die Existenzgrundlage nicht zu verlieren. Es dürfte wohl unstreitig sein, dass ein eventuelles Erbe die Existenzgrundlage sichere.

11

Mit Verfügung vom 25.09.2012 wies das Gericht die Kläger darauf hin, dass ein Abzug des Vorschusses an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ als außergewöhnliche Belastung im Streitjahr 2010 nicht in Betracht komme, weil die Rechtsanwaltsvergütungsrechnung, in der der gezahlte Vorschuss ausgewiesen sei, vom  .  .2009 datiere. Ferner wurde den Klägern mit Aufklärungsverfügungen vom 05.02.2013 und 14.03.2013 aufgegeben, die beiden Rechtsstreite näher zu erläutern, den Ausgang der gerichtlichen Erbauseinandersetzung darzulegen und durch geeignete Belege nachzuweisen sowie mitzuteilen, ob für die beiden Gerichtsverfahren Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung erlangt worden seien.

12

Die Kläger tragen hierzu vor, im Erbschaftsverfahren vor dem Amtsgericht L. sei dem Antrag des Klägers auf Erteilung des Erbscheins als Alleinerbe seiner Mutter entsprochen worden. Den entsprechenden Erbschein legten die Kläger vor (Bl.58 der Prozessakte). Das Erbschaftsverfahren sei notwendig gewesen, weil der Sohn des Klägers dem Kläger das Erbe habe streitig machen wollen. Er habe versucht, mit anwaltlicher Hilfe den Kläger als erbunwürdig hinzustellen. Der Kläger habe daher Rechtsanwalt L. mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt. Leider sei Rechtsanwalt L. jedoch mit dieser Sache überfordert gewesen, weshalb ihm der Kläger das Mandat entzogen habe und einen Fachanwalt für Erbrecht beauftragt habe. Die Rechnung von Rechtsanwalt L. habe er nicht akzeptieren können. Daher sei ein Verfahren wegen Rechtsanwaltsvergütung vor dem Landgericht K. notwendig gewesen. In der Hauptverhandlung sei dann in einem Vergleich die geforderte Vergütung reduziert worden. Da vor dem Landgericht Anwaltspflicht bestehe, sei für dieses Verfahren die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen. Beide Verfahren seien erfolgreich gewesen.

13

Die Ansicht, dass der gezahlte Kostenvorschuss an Rechtsanwalt L. nicht zu berücksichtigen sei, werde nicht geteilt. Wäre der Vorschuss nicht gezahlt worden, hätte der Anwalt den Kläger nicht vertreten. Maßgebend sei die Rechnung, in der der Vorschuss berücksichtigt worden sei. Für die Gerichtsverfahren habe kein Rechtsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung bestanden. Die Verfahren seien mit hohen Kosten verbunden gewesen. Wäre der Kläger nicht von einer Erfolgsaussicht ausgegangen, hätte er sicherlich nicht diese Rechtsstreite geführt.

14

Das vom beklagten Finanzamt angeführte anhängige Verfahren vor dem BFH – VI R 40/13 - (Vorinstanz Niedersächsisches FG, Az.: 3 K 333/12) sei hier nicht einschlägig. Die geltend gemachten Kosten seien allein von den Klägern zu tragen gewesen. Im Vergleich seien die Kosten gegeneinander aufgehoben worden. Im Erbschaftsverfahren habe der Kläger seine Kosten tragen müssen.

15

Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 4.899 € als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt werden.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, dass die streitgegenständlichen Prozesse aufgrund des Bestehens des staatlichen Gewaltmonopols, wegen existentieller Bedeutung oder wegen Berührung des Kernbereichs menschlichen Lebens geführt worden seien. Allein die Tatsache, dass der Kläger im Streitjahr keine Einkünfte erzielt habe, reiche zur Begründung einer existentiellen Bedeutung der Prozessführung nicht aus. Denn ein Steuerpflichtiger könne keine Existenzgrundlage verlieren, die ihm bisher gar nicht zuzurechnen gewesen sei; er könne eine Existenzgrundlage auch nicht darauf aufbauen, dass eine Erbschaft anstehe. Außerdem dürfte die Vermögens- und Einkunftssituation des Klägers keinen Einfluss auf den Ausgang des Prozesses in der Erbschaftssache gehabt haben. Ebenso wenig habe der Kläger begründet, warum der Prozess wegen der Höhe der Rechtsanwaltskosten zwangsläufig gewesen sei.

18

Das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) könne nach dem BMF-Schreiben vom 20.12.2011 (IV C 4 - S 2284/07/0031:002) über den entschiedenen Fall hinaus durch die Finanzverwaltung nicht angewendet werden.

19

Ferner weist der Beklagte auf das anhängige Verfahren vor dem BFH - VI R 40/13 - (Vorinstanz Niedersächsisches FG, Az.: 3 K 333/12) hin.

20

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 16 und 72 der Prozessakte).

Entscheidungsgründe

21

Die Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

22

Die Klage ist zulässig.

23

1.
Die Klage ist mit Eingang bei Gericht am 29.05.2012 rechtzeitig erhoben worden.

24

Gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ihre Einhaltung ist Sachentscheidungsvoraussetzung und vom Gericht von Amts wegen zu prüfen.

25

Im Streitfall begann die Klagefrist am 30.04.2012 und endete am 30.05.2012 (Fristberechnung nach § 54 Abs. 1, Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Zivilprozessordnung - ZPO - i.V.m. §§ 187 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der Fristbeginn wurde durch die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung am 30.04.2012 ausgelöst. Die Einspruchsentscheidung wurde zwar, wie dem Vermerk der Rechtsbehelfsstellensachbearbeiterin des Beklagten zu entnehmen ist (Bl.58 der Einkommensteuerakte), bereits am 20.04.2012 mit einfachem Brief abgesendet. Eine Postaufgabe am 20.04.2012 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) würde die sogenannte Bekanntgabevermutung auslösen, wonach ein Verwaltungsakt bei einer Übermittlung im Geltungsbereich dieses Gesetzes am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, im Streitfall am 23.04.2013, als bekannt gegeben gilt. Jedoch haben sich aus dem Vorbringen der Kläger sowohl für den Beklagten als auch für den Senat Zweifel an der Zugangsvermutung ergeben. Denn nach dem Vortrag der Kläger ist ihnen die Einspruchsentscheidung erst am 30.04.2012 zugegangen. Postlaufzeiten von etwa einer Woche sind nicht dermaßen ungewöhnlich, dass sie den Vortrag der Kläger erschüttern könnten.

26

2.
Die Klage ist auch zulässig, soweit sie von der Klägerin erhoben wurde.

27

Gemäß § 44 Abs. 1 FGO ist eine Klage in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben.

28

Die Klägerin hat gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 12.07.2011 Einspruch eingelegt. Aus dem Einspruchsschreiben geht eindeutig hervor, dass der Einspruch auch für die Klägerin eingelegt werden sollte. Das Schreiben nennt im Briefkopf zwar nur den Kläger und ist in der "Ich-Form" abgefasst. Es ist jedoch sowohl vom Kläger als auch von der Klägerin unterzeichnet und enthält zudem den Hinweis, dass durch Unterzeichnung des Schreibens die Klägerin "dem Widerspruch und Antrag" zustimmt.

29

Die Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 ist auch gegenüber der Klägerin ergangen. Sie ist zwar nicht im Rubrum als Einspruchsführerin aufgeführt. Allerdings wurden in den Gründen der Einspruchsentscheidung die Eheleute als Einspruchsführer bezeichnet. Im Wege der Auslegung kann die Klägerin daher als weiterer Inhaltsadressat der Einspruchsentscheidung bestimmt werden.

II.

30

Die somit zulässige Klage ist überwiegend begründet.

31

Die vom Kläger getragenen Prozesskosten sind in Höhe von 4.199 € - nach Abzug der zumutbaren Belastung - im Streitjahr 2010 als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen (nachfolgend 1. und 3.). Da die Kläger jedoch im Streitjahr nur insoweit Aufwendungen für die Rechtsstreite als außergewöhnliche Belastung geltend machen können, als diese im Veranlagungszeitraum 2010 abgeflossen sind, kommt für den gezahlten Vorschuss an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht (nachfolgend 2.).

32

1.
Die Kläger können die streitigen Aufwendungen in Höhe der Belastung im Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen.

33

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird die Einkommensteuer nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag in bestimmtem Umfang ermäßigt. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

34

Kosten eines Zivilprozesses erwachsen den Parteien nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (im Folgenden: BFH) unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. BFH, Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015). Für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten ist nicht – wie nach der bisherigen Rechtsprechung – auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant". Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

35

Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nach der neuen Rechtsprechung des BFH nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider - auch des Kostenrisikos - eingegangen sein. Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Das Gericht hat die Gesamtumstände des Einzelfalls -ex ante- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das Finanzgericht im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen (BFH, Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 aaO).

36

b) Bei Anwendung dieser Rechtsprechung sind die geltend gemachten Prozesskosten des Klägers - in Höhe der Belastung im Streitjahr - als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.

37

In dem Verfahren wegen Erteilung eines Erbscheins hatte der Sohn des Klägers Einwendungen gegen die Erbenstellung des Klägers vor dem Nachlassgericht erhoben. Der Kläger hat obsiegt und das Nachlassgericht hat dem Kläger antragsgemäß den Erbschein erteilt. Vor diesem Hintergrund kann das Verfahren keineswegs vom Kläger als mutwillig oder leichtfertig verursacht angesehen werden.  Die Rechtsanwaltskosten, die dem Kläger für die Führung diese Erbscheinsverfahrens gegen die letztlich unberechtigten Einwendungen seines Sohns entstanden sind, waren für den Kläger damit zwangsläufig im Sinne der neuen BFH-Rechtsprechung.

38

Die Rechtsverteidigung des Klägers in dem Prozess wegen Rechtsanwaltsvergütung bot aus Sicht eines verständigen Dritten ebenfalls eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Dies wird dadurch bestätigt, dass bei einem Streitwert des Verfahrens von 6.298,93 € der Kläger sich in dem vor dem Landgericht geschlossenen Prozessvergleich lediglich zur Zahlung eines Betrages von 2.500,-€ an die dortigen Kläger - Sozietät von Rechtsanwalt L. - verpflichtet hat. Die Übernahme der Kosten im Vergleichswege steht auch der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht entgegen. Die näheren Umstände bei der Beendigung des Zivilprozesses und die dabei zu regelnde Verteilung der Prozesskosten auf die Streitparteien sind nach der neuen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, aaO) für die Frage der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht von Bedeutung. Vielmehr ist allein entscheidend, ob der Steuerpflichtige, der die Kosten letztlich getragen hat, das Prozesskostenrisiko aus der ex ante Sicht mutwillig oder leichtfertig eingegangen ist (vgl. auch FG München, Urteil vom 20.04.2012 8 K 2190/09, EFG 2013, 453). Dass der Kläger im Streitfall den Vergleich durch ein unter objektiven Gesichtspunkten nicht gerechtfertigtes Zugeständnis bei der Kostenverteilung erreicht hat, die Kostenaufhebung mithin nicht der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestehenden Sach- und Rechtslage entsprach und damit möglicherweise nicht unausweichlich war, wurde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2013 15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703).

39

Die Kosten für beide Rechtsstreite stellen für den Kläger schließlich auch eine wirtschaftliche Belastung dar, weil er nach seinen Angaben über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, die die Kosten übernimmt. Anzurechnende Erstattungen des Prozessgegners im Erbscheinsverfahren gab es nicht.

40

Der Berücksichtigung der Prozesskosten steht auch die Neuregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) nicht entgegen. Diese Neuregelung sieht zwar vor, dass Prozesskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, wenn es sich nicht um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach der einschlägigen Anwendungsvorschrift in § 52 Abs. 1 EStG gilt diese Änderung aber erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2013.

41

2.
Ein Abzug des gezahlten Vorschusses an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ als außergewöhnliche Belastung scheidet im Streitjahr 2010 aus.

42

Der Zeitpunkt der Abziehbarkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen bestimmt sich nach dem Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (BFH, Urteile vom 30.07.1982 VI R 67/79, BStBl II 1982, 744; vom  30.06.1999 III R 8/95, BStBl II 1999, 766;  vom 12.05.2011 VI R 42/10 aaO). Danach gehören nicht zu den im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen eines Veranlagungszeitraumes Zahlungen, die der Steuerpflichtige nicht in dem betreffenden, sondern in einem früheren oder späteren Veranlagungszeitraum geleistet hat.

43

Gemessen hieran ist der geltend gemachte Vorschuss an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ nicht im Streitjahr 2010 einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Denn die in den Steuerakten befindliche Rechtsanwaltsvergütungsrechnung der Rechtsanwälte K., L. und Kollegen, in der der bereits gezahlte Vorschuss in Höhe von 700,-€ ausgewiesen ist, datiert vom .  .2009, woraus zu schließen ist, dass der Vorschuss jedenfalls nicht im Streitjahr 2010 gezahlt wurde.

44

3.
Die als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen mindern sich um die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG, die im Streitfall 5 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte in Höhe von   € laut Steuerbescheid, mithin 1.013,-€ beträgt.

45

Danach ergibt sich folgende Berechnung:

46

im Streitjahr gezahlte Prozesskosten:

4.199,00 €

erklärte Krankheitskosten:

916,00 €

Summe:

5.115,00 €

                 

abzüglich zumutbare Belastung:

1.013,00 €

                 

abziehbare außergewöhnliche Belastungen:

4.102,00 €

III.

47

Die Kosten sind nach § 136 Abs. 1 FGO verhältnismäßig zu teilen. Das Maß des Obsiegens/Unterliegens ergibt sich aus folgender Berechnung:

48

Die Kläger beantragen den Abzug von Prozesskosten in Höhe von insgesamt 4.899,-€ als außergewöhnliche Belastung. Unter Berücksichtigung der erklärten Krankheitskosten und nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung machen sie abziehbare außergewöhnliche Belastungen von 4.802,-€ geltend und begehren somit eine Minderung der Einkommensteuer um   €. Nach der Entscheidung des Senats ist nunmehr die Einkommensteuerfestsetzung für 2010 wie unter Ziffer 3 dargelegt zu ändern, was bezogen auf die Einkommensteuer zu einer geringeren Steuerlast von etwa   € führt. Deshalb werden die Kosten dem Beklagten zu 88 v. H. und den Klägern zu 12 v. H. auferlegt.

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

50

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts im Hinblick auf weitere bereits anhängige Revisionsverfahren zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.


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Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 wird dahingehend geändert, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 4.199 € als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG vor Abzug der zumutbaren Belastung berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger 12 v. H. und der Beklagte 88 v. H. zu tragen.

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin erzielte als kaufmännische Angestellte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Da sie sich in Altersteilzeit befand, wurde ihr ein steuerfreier Aufstockungsbetrag in Höhe von  € gezahlt, der dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Der Kläger bezog keine Einkünfte. In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 beantragten die Kläger die Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von 916,-€ als außergewöhnliche Belastungen, die sich jedoch nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung von 1.013 € steuerlich nicht auswirkten. Die Einkommensteuer wurde im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 mit   € festgesetzt.

3

Gegen diesen Bescheid wurde am 14.08.2011 Einspruch eingelegt. Das Einspruchsschreiben enthält als Absender den Namen des Klägers und ist im Singular formuliert ("lege ich hiermit Widerspruch ein"). Allerdings heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Durch Unterzeichnung dieses Schreibens stimmt meine Ehefrau dem Widerspruch und Antrag zu." Das Schreiben trägt sowohl die Unterschrift des Klägers als auch der Klägerin. Zur Einspruchsbegründung führte der Kläger aus, dass ihm im Streitjahr Rechtsanwaltskosten von insgesamt 4.899,18 € im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung und einem weiteren Verfahren wegen Vergütung dieser Rechtsanwaltskosten entstanden seien, deren Berücksichtigung er bei der Steuerfestsetzung beantrage. Diese Kosten setzen sich wie folgt zusammen:

4

Rechtsanwaltskosten Erbauseinandersetzung:

5

Vorschuss Rechtsanwalt L. gemäß Rechnung vom  .  .2009

700,00 €

Rechtsanwaltsgebühren RA L. (Vergleich vor dem LG K. am  .  .2010)

2.500,00 €

weitere Zahlungen an RA L. laut Forderungskonto RA L. (Stand   .  .2010)

113,50 €

Summe:

3.313,50 €

6

Rechtsanwaltskosten im Prozess wegen Rechtsanwaltsvergütung:

7

Vergütungsrechnung RA Dr. K. vom   .  .2010

1.585,68 €

8

Entsprechende Belege über die geltend gemachten Aufwendungen (Rechnungen, Forderungskonto RA L., Abschrift der Sitzungsniederschrift des Landgerichts K.) legten die Kläger vor (Bl.27-35 der Einkommensteuerakte).

9

Der Beklagte wies den Einspruch mit der an den Kläger gerichteten Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012, die allerdings die Eheleute als Einspruchsführer in den Gründen nennt, zurück. Zur Begründung führte er aus, nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH seien Prozesskosten in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar gewesen. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung sei nur ausnahmsweise in Betracht gekommen, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr gelaufen sei, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Im Streitfall sei angesichts der Erbschaft des Klägers weder ein existentieller Bereich noch ein Kernbereich menschlichen Lebens berührt gewesen. Die Rechtsstreite seien deshalb nicht von existentieller Bedeutung gewesen, so dass ein Abzug der Aufwendungen nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht komme. Auch das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Unausweichlich und damit zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG seien die Zivilprozesskosten nach diesem Urteil nur dann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten stünden der Finanzverwaltung indes keine Instrumente zur Verfügung, so dass die Frage nach der hinreichenden Erfolgsaussicht des Prozesses nicht positiv beantwortet werden könne. Soweit dem Finanzamt keine hinreichenden Anknüpfungspunkte bekannt seien, auf die es seine Rechtsmeinung stützen könne, könnten die Erfolgsaussichten nicht beurteilt werden ohne Gefahr zu laufen, zu einem willkürlichen Ergebnis zu gelangen. Damit sei aber die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr gewährleistet. Deshalb sei laut Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 20.12.2011 das BFH-Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Im Übrigen habe der Kläger auch keine Anhaltspunkte genannt, die auf die Motive der Verfahrensbeteiligten und die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits hätten schließen lassen.

10

Die hiergegen erhobene Klage ging beim Finanzgericht am 29.05.2012 ein. Die Kläger tragen vor, sie hätten die Einspruchsentscheidung erst am 30.04.2012 erhalten. Ferner sind sie der Ansicht, dass das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) auf den Streitfall anzuwenden sei. Die Führung des Prozesses sei erforderlich gewesen, um die Existenzgrundlage nicht zu verlieren. Es dürfte wohl unstreitig sein, dass ein eventuelles Erbe die Existenzgrundlage sichere.

11

Mit Verfügung vom 25.09.2012 wies das Gericht die Kläger darauf hin, dass ein Abzug des Vorschusses an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ als außergewöhnliche Belastung im Streitjahr 2010 nicht in Betracht komme, weil die Rechtsanwaltsvergütungsrechnung, in der der gezahlte Vorschuss ausgewiesen sei, vom  .  .2009 datiere. Ferner wurde den Klägern mit Aufklärungsverfügungen vom 05.02.2013 und 14.03.2013 aufgegeben, die beiden Rechtsstreite näher zu erläutern, den Ausgang der gerichtlichen Erbauseinandersetzung darzulegen und durch geeignete Belege nachzuweisen sowie mitzuteilen, ob für die beiden Gerichtsverfahren Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung erlangt worden seien.

12

Die Kläger tragen hierzu vor, im Erbschaftsverfahren vor dem Amtsgericht L. sei dem Antrag des Klägers auf Erteilung des Erbscheins als Alleinerbe seiner Mutter entsprochen worden. Den entsprechenden Erbschein legten die Kläger vor (Bl.58 der Prozessakte). Das Erbschaftsverfahren sei notwendig gewesen, weil der Sohn des Klägers dem Kläger das Erbe habe streitig machen wollen. Er habe versucht, mit anwaltlicher Hilfe den Kläger als erbunwürdig hinzustellen. Der Kläger habe daher Rechtsanwalt L. mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt. Leider sei Rechtsanwalt L. jedoch mit dieser Sache überfordert gewesen, weshalb ihm der Kläger das Mandat entzogen habe und einen Fachanwalt für Erbrecht beauftragt habe. Die Rechnung von Rechtsanwalt L. habe er nicht akzeptieren können. Daher sei ein Verfahren wegen Rechtsanwaltsvergütung vor dem Landgericht K. notwendig gewesen. In der Hauptverhandlung sei dann in einem Vergleich die geforderte Vergütung reduziert worden. Da vor dem Landgericht Anwaltspflicht bestehe, sei für dieses Verfahren die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen. Beide Verfahren seien erfolgreich gewesen.

13

Die Ansicht, dass der gezahlte Kostenvorschuss an Rechtsanwalt L. nicht zu berücksichtigen sei, werde nicht geteilt. Wäre der Vorschuss nicht gezahlt worden, hätte der Anwalt den Kläger nicht vertreten. Maßgebend sei die Rechnung, in der der Vorschuss berücksichtigt worden sei. Für die Gerichtsverfahren habe kein Rechtsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung bestanden. Die Verfahren seien mit hohen Kosten verbunden gewesen. Wäre der Kläger nicht von einer Erfolgsaussicht ausgegangen, hätte er sicherlich nicht diese Rechtsstreite geführt.

14

Das vom beklagten Finanzamt angeführte anhängige Verfahren vor dem BFH – VI R 40/13 - (Vorinstanz Niedersächsisches FG, Az.: 3 K 333/12) sei hier nicht einschlägig. Die geltend gemachten Kosten seien allein von den Klägern zu tragen gewesen. Im Vergleich seien die Kosten gegeneinander aufgehoben worden. Im Erbschaftsverfahren habe der Kläger seine Kosten tragen müssen.

15

Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 4.899 € als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt werden.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, dass die streitgegenständlichen Prozesse aufgrund des Bestehens des staatlichen Gewaltmonopols, wegen existentieller Bedeutung oder wegen Berührung des Kernbereichs menschlichen Lebens geführt worden seien. Allein die Tatsache, dass der Kläger im Streitjahr keine Einkünfte erzielt habe, reiche zur Begründung einer existentiellen Bedeutung der Prozessführung nicht aus. Denn ein Steuerpflichtiger könne keine Existenzgrundlage verlieren, die ihm bisher gar nicht zuzurechnen gewesen sei; er könne eine Existenzgrundlage auch nicht darauf aufbauen, dass eine Erbschaft anstehe. Außerdem dürfte die Vermögens- und Einkunftssituation des Klägers keinen Einfluss auf den Ausgang des Prozesses in der Erbschaftssache gehabt haben. Ebenso wenig habe der Kläger begründet, warum der Prozess wegen der Höhe der Rechtsanwaltskosten zwangsläufig gewesen sei.

18

Das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) könne nach dem BMF-Schreiben vom 20.12.2011 (IV C 4 - S 2284/07/0031:002) über den entschiedenen Fall hinaus durch die Finanzverwaltung nicht angewendet werden.

19

Ferner weist der Beklagte auf das anhängige Verfahren vor dem BFH - VI R 40/13 - (Vorinstanz Niedersächsisches FG, Az.: 3 K 333/12) hin.

20

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 16 und 72 der Prozessakte).

Entscheidungsgründe

21

Die Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

22

Die Klage ist zulässig.

23

1.
Die Klage ist mit Eingang bei Gericht am 29.05.2012 rechtzeitig erhoben worden.

24

Gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ihre Einhaltung ist Sachentscheidungsvoraussetzung und vom Gericht von Amts wegen zu prüfen.

25

Im Streitfall begann die Klagefrist am 30.04.2012 und endete am 30.05.2012 (Fristberechnung nach § 54 Abs. 1, Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Zivilprozessordnung - ZPO - i.V.m. §§ 187 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der Fristbeginn wurde durch die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung am 30.04.2012 ausgelöst. Die Einspruchsentscheidung wurde zwar, wie dem Vermerk der Rechtsbehelfsstellensachbearbeiterin des Beklagten zu entnehmen ist (Bl.58 der Einkommensteuerakte), bereits am 20.04.2012 mit einfachem Brief abgesendet. Eine Postaufgabe am 20.04.2012 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) würde die sogenannte Bekanntgabevermutung auslösen, wonach ein Verwaltungsakt bei einer Übermittlung im Geltungsbereich dieses Gesetzes am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, im Streitfall am 23.04.2013, als bekannt gegeben gilt. Jedoch haben sich aus dem Vorbringen der Kläger sowohl für den Beklagten als auch für den Senat Zweifel an der Zugangsvermutung ergeben. Denn nach dem Vortrag der Kläger ist ihnen die Einspruchsentscheidung erst am 30.04.2012 zugegangen. Postlaufzeiten von etwa einer Woche sind nicht dermaßen ungewöhnlich, dass sie den Vortrag der Kläger erschüttern könnten.

26

2.
Die Klage ist auch zulässig, soweit sie von der Klägerin erhoben wurde.

27

Gemäß § 44 Abs. 1 FGO ist eine Klage in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben.

28

Die Klägerin hat gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 12.07.2011 Einspruch eingelegt. Aus dem Einspruchsschreiben geht eindeutig hervor, dass der Einspruch auch für die Klägerin eingelegt werden sollte. Das Schreiben nennt im Briefkopf zwar nur den Kläger und ist in der "Ich-Form" abgefasst. Es ist jedoch sowohl vom Kläger als auch von der Klägerin unterzeichnet und enthält zudem den Hinweis, dass durch Unterzeichnung des Schreibens die Klägerin "dem Widerspruch und Antrag" zustimmt.

29

Die Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012 ist auch gegenüber der Klägerin ergangen. Sie ist zwar nicht im Rubrum als Einspruchsführerin aufgeführt. Allerdings wurden in den Gründen der Einspruchsentscheidung die Eheleute als Einspruchsführer bezeichnet. Im Wege der Auslegung kann die Klägerin daher als weiterer Inhaltsadressat der Einspruchsentscheidung bestimmt werden.

II.

30

Die somit zulässige Klage ist überwiegend begründet.

31

Die vom Kläger getragenen Prozesskosten sind in Höhe von 4.199 € - nach Abzug der zumutbaren Belastung - im Streitjahr 2010 als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen (nachfolgend 1. und 3.). Da die Kläger jedoch im Streitjahr nur insoweit Aufwendungen für die Rechtsstreite als außergewöhnliche Belastung geltend machen können, als diese im Veranlagungszeitraum 2010 abgeflossen sind, kommt für den gezahlten Vorschuss an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht (nachfolgend 2.).

32

1.
Die Kläger können die streitigen Aufwendungen in Höhe der Belastung im Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen.

33

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird die Einkommensteuer nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag in bestimmtem Umfang ermäßigt. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

34

Kosten eines Zivilprozesses erwachsen den Parteien nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (im Folgenden: BFH) unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. BFH, Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015). Für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten ist nicht – wie nach der bisherigen Rechtsprechung – auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant". Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

35

Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nach der neuen Rechtsprechung des BFH nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider - auch des Kostenrisikos - eingegangen sein. Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Das Gericht hat die Gesamtumstände des Einzelfalls -ex ante- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das Finanzgericht im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen (BFH, Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 aaO).

36

b) Bei Anwendung dieser Rechtsprechung sind die geltend gemachten Prozesskosten des Klägers - in Höhe der Belastung im Streitjahr - als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.

37

In dem Verfahren wegen Erteilung eines Erbscheins hatte der Sohn des Klägers Einwendungen gegen die Erbenstellung des Klägers vor dem Nachlassgericht erhoben. Der Kläger hat obsiegt und das Nachlassgericht hat dem Kläger antragsgemäß den Erbschein erteilt. Vor diesem Hintergrund kann das Verfahren keineswegs vom Kläger als mutwillig oder leichtfertig verursacht angesehen werden.  Die Rechtsanwaltskosten, die dem Kläger für die Führung diese Erbscheinsverfahrens gegen die letztlich unberechtigten Einwendungen seines Sohns entstanden sind, waren für den Kläger damit zwangsläufig im Sinne der neuen BFH-Rechtsprechung.

38

Die Rechtsverteidigung des Klägers in dem Prozess wegen Rechtsanwaltsvergütung bot aus Sicht eines verständigen Dritten ebenfalls eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Dies wird dadurch bestätigt, dass bei einem Streitwert des Verfahrens von 6.298,93 € der Kläger sich in dem vor dem Landgericht geschlossenen Prozessvergleich lediglich zur Zahlung eines Betrages von 2.500,-€ an die dortigen Kläger - Sozietät von Rechtsanwalt L. - verpflichtet hat. Die Übernahme der Kosten im Vergleichswege steht auch der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht entgegen. Die näheren Umstände bei der Beendigung des Zivilprozesses und die dabei zu regelnde Verteilung der Prozesskosten auf die Streitparteien sind nach der neuen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, aaO) für die Frage der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht von Bedeutung. Vielmehr ist allein entscheidend, ob der Steuerpflichtige, der die Kosten letztlich getragen hat, das Prozesskostenrisiko aus der ex ante Sicht mutwillig oder leichtfertig eingegangen ist (vgl. auch FG München, Urteil vom 20.04.2012 8 K 2190/09, EFG 2013, 453). Dass der Kläger im Streitfall den Vergleich durch ein unter objektiven Gesichtspunkten nicht gerechtfertigtes Zugeständnis bei der Kostenverteilung erreicht hat, die Kostenaufhebung mithin nicht der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestehenden Sach- und Rechtslage entsprach und damit möglicherweise nicht unausweichlich war, wurde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2013 15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703).

39

Die Kosten für beide Rechtsstreite stellen für den Kläger schließlich auch eine wirtschaftliche Belastung dar, weil er nach seinen Angaben über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, die die Kosten übernimmt. Anzurechnende Erstattungen des Prozessgegners im Erbscheinsverfahren gab es nicht.

40

Der Berücksichtigung der Prozesskosten steht auch die Neuregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) nicht entgegen. Diese Neuregelung sieht zwar vor, dass Prozesskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, wenn es sich nicht um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach der einschlägigen Anwendungsvorschrift in § 52 Abs. 1 EStG gilt diese Änderung aber erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2013.

41

2.
Ein Abzug des gezahlten Vorschusses an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ als außergewöhnliche Belastung scheidet im Streitjahr 2010 aus.

42

Der Zeitpunkt der Abziehbarkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen bestimmt sich nach dem Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (BFH, Urteile vom 30.07.1982 VI R 67/79, BStBl II 1982, 744; vom  30.06.1999 III R 8/95, BStBl II 1999, 766;  vom 12.05.2011 VI R 42/10 aaO). Danach gehören nicht zu den im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen eines Veranlagungszeitraumes Zahlungen, die der Steuerpflichtige nicht in dem betreffenden, sondern in einem früheren oder späteren Veranlagungszeitraum geleistet hat.

43

Gemessen hieran ist der geltend gemachte Vorschuss an Rechtsanwalt L. in Höhe von 700,-€ nicht im Streitjahr 2010 einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Denn die in den Steuerakten befindliche Rechtsanwaltsvergütungsrechnung der Rechtsanwälte K., L. und Kollegen, in der der bereits gezahlte Vorschuss in Höhe von 700,-€ ausgewiesen ist, datiert vom .  .2009, woraus zu schließen ist, dass der Vorschuss jedenfalls nicht im Streitjahr 2010 gezahlt wurde.

44

3.
Die als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen mindern sich um die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG, die im Streitfall 5 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte in Höhe von   € laut Steuerbescheid, mithin 1.013,-€ beträgt.

45

Danach ergibt sich folgende Berechnung:

46

im Streitjahr gezahlte Prozesskosten:

4.199,00 €

erklärte Krankheitskosten:

916,00 €

Summe:

5.115,00 €

                 

abzüglich zumutbare Belastung:

1.013,00 €

                 

abziehbare außergewöhnliche Belastungen:

4.102,00 €

III.

47

Die Kosten sind nach § 136 Abs. 1 FGO verhältnismäßig zu teilen. Das Maß des Obsiegens/Unterliegens ergibt sich aus folgender Berechnung:

48

Die Kläger beantragen den Abzug von Prozesskosten in Höhe von insgesamt 4.899,-€ als außergewöhnliche Belastung. Unter Berücksichtigung der erklärten Krankheitskosten und nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung machen sie abziehbare außergewöhnliche Belastungen von 4.802,-€ geltend und begehren somit eine Minderung der Einkommensteuer um   €. Nach der Entscheidung des Senats ist nunmehr die Einkommensteuerfestsetzung für 2010 wie unter Ziffer 3 dargelegt zu ändern, was bezogen auf die Einkommensteuer zu einer geringeren Steuerlast von etwa   € führt. Deshalb werden die Kosten dem Beklagten zu 88 v. H. und den Klägern zu 12 v. H. auferlegt.

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

50

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts im Hinblick auf weitere bereits anhängige Revisionsverfahren zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Behandlung eines Lipödems (Liposuktion) als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) absetzbar sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2007 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie Aufwendungen in Höhe von insgesamt 12.228 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Ein Betrag in Höhe von 11.520 € entfällt auf die im Streitjahr geleistete Vorauszahlung von Operationskosten und sonstigen Kosten an die Firma X GmbH im Therapiezentrum A sowie Arztrechnungen des dort tätigen Dr. Y für eine am 27. November 2007, am 15. Januar 2008 (Beine) und am 7. April 2008 (Arme) durchgeführte Liposuktion. Daneben waren in den als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen Beträge für Rezeptgebühren (2 x 30,34 € sowie 18,64 €), eine Kompressionsstrumpfhose (10 €), ein amtsärztliches Zeugnis (71,30 €), Fahrtkosten zum Therapiezentrum (337,20 €), einen "Schnuppertag medizinische Leistung" (99 €) enthalten.

3

Nach einem privatärztlichen Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. B, C und D vom 26. Juli 2007 sei im Sommer 2006 ein Lipödem diagnostiziert, zwischenzeitlich eine Gewichtsreduktion um 15 Kilo erreicht und die Patientin mit Kompressionsstrümpfen versorgt worden. Bei der klinischen Untersuchung finde sich das deutliche Lipödem nicht nur an den Beinen, sondern nun auch an den Oberarmen. Als Empfehlung wurde eine Fortführung der bisherigen entstauenden Maßnahmen vorgeschlagen, eventuell Liposuktion.

4

Die Krankenkasse der Klägerin lehnte die Kostenübernahme für eine Liposuktion durch Bescheid vom 8. November 2007 ab. Zur Begründung führte sie aus, laut Aussage des medizinischen Dienstes der Krankenkasse handele es sich bei der beantragten Liposuktion um eine unkonventionelle Behandlungsmethode. Diese sei so lange von der vertraglichen Kassenleistung ausgeschlossen, bis der gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe. Eine solche Empfehlung liege über diese Methode bisher nicht vor. Es stünden aus schulmedizinischer Sicht Behandlungsmöglichkeiten, nämlich die konservative Behandlung mittels komplexer physikalischer Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Krankengymnastik), zur Verfügung. Eine Kostenübernahme könne deshalb nicht erfolgen. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die darauf eingelegte Klage vor dem Sozialgericht blieb erfolglos.

5

Die Klägerin legte Atteste des behandelnden Arztes Dr. Y vor. Dieser vertrat im Attest vom 24. April 2008 sowie den übermittelten Untersuchungsberichten (Befundberichten) vom 26. Januar 2008 die Auffassung, dass die Operation aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sei, da sonst eine lebenslange manuelle Lymphdrainage und Kompression erforderlich gewesen wären. Ziel der Operation auf lange Sicht sei, dass die Patientin keine manuellen Lymphdrainagen und Kompression mehr benötige und schmerz- sowie beschwerdefrei sei.

6

Am 1. Februar 2008 stellte das Gesundheitsamt des Z-Kreises folgende Bescheinigung für die Klägerin aus, die diese dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) vorlegte:

"Die Liposuktion ist als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt und kann aus diesem Grund aus medizinischer Sicht nicht als notwendig angesehen werden. Die psychische Beeinträchtigung kann durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden."

7

In dem Einkommensteuerbescheid 2007 vom 10. Juni 2008 erkannte das FA die geltend gemachten Aufwendungen für die Liposuktion nicht als außergewöhnliche Belastung an. Zur Begründung führte es aus, dass eine medizinische Indikation nicht gegeben sei. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück, weil keine vorherige amtsärztliche Begutachtung erfolgt sei, aus der sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlungen zweifelsfrei ergeben.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, die Aufwendungen seien nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, weil kein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest vorgelegt worden sei, aus dem sich die Zwangsläufigkeit der durchgeführten Maßnahme ergibt.

9

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

10

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4. Februar 2013  10 K 542/12 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Anerkennung von 12.000 € für die durchgeführte Liposuktion als Krankheitskosten festgesetzt wird.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Feststellungen der Vorinstanz tragen nicht dessen Folgerung, bei der Liposuktion handele es sich im Streitfall nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Behandlung des vorliegenden Krankheitsbildes. Das FG hat daher zu Unrecht entschieden, dass die streitigen Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, weil die Klägerin kein vor der Behandlung erstelltes amtsärztliches Attest vorgelegt hat, aus dem sich die Zwangsläufigkeit der durchgeführten Maßnahme ergibt.

13

1. Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

14

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

15

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

16

c) Die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV-- i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 --StVereinfG 2011--). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458, und vom 26. Februar 2014 VI R 27/13, BFHE 245, 18) ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011).

17

d) Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577)-- auch im Streitjahr bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.

18

aa) Vorliegend ist daher entscheidend, ob es sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Behandlung des bei der Klägerin diagnostizierten Lipödems handelt.

19

Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode dann, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn "die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (gleicher Auffassung Bundessozialgericht --BSG-- zu § 18 SGB V, Urteil vom 13. Dezember 2005 B 1 KR 21/04 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 SGB V; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 19. Februar 2002 B 1 KR 16/00 R, SozR 3-2500 § 92 Nr. 12 S. 71 f.; BSG zu § 18 SGB V, Urteil vom 14. Februar 2001 B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6 S. 23; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 21. März 2013 B 3 KR 2/12 R, SozR 4-2500 § 137c Nr. 6). Ob eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich anerkannt anzusehen ist, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

20

bb) Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, die von der Klägerin durchgeführte Liposuktion stelle keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode dar. Es stützt diese Würdigung wesentlich auf das vorgelegte --negative-- amtsärztliche Zeugnis. Insoweit fehlt es an einer nachvollziehbaren Ableitung der gezogenen Folgerungen aus einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

21

Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat. Die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnende Würdigung des FG ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (Senatsurteile vom 11. November 2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966; vom 30. Juni 2011 VI R 80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948; BFH-Urteile vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944; vom 6. Februar 1996 VII R 2/95, BFH/NV 1996, 722; vom 23. August 1994 VII R 93/93, BFH/NV 1995, 572; vom 15. Februar 1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18).

22

Die vorgelegte amtsärztliche Bescheinigung führt zu der nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 zu beurteilenden wissenschaftlichen Anerkennung lediglich aus, "die Liposuktion ist als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt". Dies könnte allenfalls das Ergebnis der durch das FG vorzunehmenden Würdigung des Tatbestandsmerkmals der wissenschaftlichen Anerkennung sein. Es fehlt hingegen an Ausführungen, die dieses Ergebnis im Einzelnen stützen. Auch aus der Aussage der gesetzlichen Krankenkasse und des medizinischen Dienstes, wonach es sich bei der Liposuktion um eine unkonventionelle Behandlungsmethode handele, ergibt sich nicht die fehlende wissenschaftliche Anerkennung, denn der Begriff "unkonventionell" sagt nichts über Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode und ihre Anerkennung in der Fachwelt aus. Da es auch im Übrigen an Feststellungen zu den unter II.1.d aa genannten Voraussetzungen für die wissenschaftliche Anerkennung fehlt, beruht die Vorentscheidung nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

23

2. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

24

Im zweiten Rechtsgang wird das FG, ausgehend von den unter II.1.d aa angeführten Merkmalen, Feststellungen dazu zu treffen haben, ob es sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Behandlung des Krankheitsbildes der Klägerin handelt.

25

Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Fehlt dem FG die erforderliche Sachkunde, um die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung zu beurteilen, so ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens angezeigt (vgl. Senatsurteile vom 29. März 2012 VI R 21/11, BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; in BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Ausweislich eines aufgefundenen Testaments hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testaments an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht X (AG) zu Gunsten der Klägerin entschied. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des AG auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das AG erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

3

Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 2011 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 850 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2.a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

13

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen.

14

3. Das Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 hat neben Zustimmung (z.B. FG Düsseldorf, Urteile vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; vom 19. Februar 2013  10 K 2392/12 E, EFG 2013, 933; vom 14. Januar 2013  11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 110; Rosenke, EFG 2013, 1668) vielfach auch Kritik erfahren (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 24. September 2012  1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 850; FG des Saarlandes, Urteil vom 10. Dezember 2014  1 K 1201/13, EFG 2015, 818; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286; G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 1867, 1871; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 47a ff.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Rz 5).

15

Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist. Er ist jedoch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.

16

a) Zwar kann sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess --unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745)-- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist daher die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).

17

b) Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749; in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197). Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

18

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

19

aa) Diese Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 33 EStG, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (u.a. BFH-Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil in BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

20

bb) Der Begrenzung der Abziehbarkeit von Prozesskosten auf einen eng umschriebenen Bereich steht weder das staatliche Gewaltmonopol, das den Einzelnen zwingt, zur Durchsetzung seiner Rechte Gerichte in Anspruch zu nehmen, noch das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH) entgegen.

21

(1) Zwar bringt die Tatsache, dass der Einzelne zur zwangsweisen Durchsetzung tatsächlich oder vermeintlich bestehender Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, notwendigerweise gegebenenfalls endgültig zu tragende Kosten mit sich.

22

Aus dem staatlichen Gewaltmonopol kann entgegen der in dem Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung aber nicht abgeleitet werden, dass Zivilprozesskosten i.S. von § 33 EStG zwangsläufig anfielen. Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Rz 5). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (dazu auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871). Maßgeblich ist aber die Zwangsläufigkeit des die Zahlungsobliegenheit auslösenden Ereignisses.

23

Geht es dabei um einen Bereich, der nicht das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Dies gilt nach den im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen entsprechend auch für diesen Bereich betreffende Prozesskosten (vgl. auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871).

24

(2) Die Bestimmungen über die PKH sollen den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990  2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt nicht darauf ab, die Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen. Dementsprechend führt das Institut der PKH nicht dazu, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abgezogen werden können.

25

4. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet gewesen wäre, hätte sie das Erbe nicht angetreten oder hätte sie es mit ihrem Bruder teilen müssen, noch ist dies sonst ersichtlich. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen daher zu Recht abgelehnt.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.