Bundesfinanzhof Urteil, 17. Mai 2017 - VI R 34/15

ECLI:ECLI:DE:BFH:2017:U.170517.VIR34.15.0
bei uns veröffentlicht am17.05.2017

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2015  8 K 1792/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für künstliche Befruchtungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) leidet an einer sog. Subfertilität aufgrund einer Spermienanomalie. Im Streitjahr (2010) wurden bei der Ehefrau (E) des Klägers, mit der er damals noch nicht verheiratet war, im Wege der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mehrere Versuche unternommen, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Auf diese Weise wurden zunächst vier, dann sieben Eizellen befruchtet. Nach Durchführung der sog. Blastozystenkultur (extrakorporale Kultur während der ersten vier bis sechs Tage nach Vornahmen der ICSI) wurden E die jeweils verbliebenen zwei Embryonen eingesetzt. Die Behandlung fand in einer Klinik in X (Österreich) statt.

3

In seiner Einkommensteuererklärung für 2010 machte der Kläger für die Behandlung angefallene Kosten in Höhe von 17.261,62 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Bei den Aufwendungen handelte es sich um an die spätere Ehefrau des Klägers gerichtete Rechnungen der "IVF ... " sowie auf diese ausgestellte Apothekenrezepte.

4

Im Einkommensteuerbescheid für 2010 lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein.

5

Mit Schreiben vom 27. November 2012 teilte das FA dem Kläger mit, gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Mai 2007 III R 47/05 (BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871) könnten Kosten für eine In-vitro-Fertilisation außergewöhnliche Belastungen sein, wenn die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden seien. Es werde daher eine Bescheinigung der Klinik oder der Krankenkasse benötigt, dass die durchgeführten Maßnahmen mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen nach deutschem Recht übereinstimmten. Dies beziehe sich insbesondere auf das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG).

6

Daraufhin übersandte der Kläger dem FA eine Stellungnahme der Klinik. Darin war u.a. ausgeführt, es könne nicht bestätigt werden, dass der Wortlaut des deutschen ESchG im Sinne der "Dreier-Regel" eingehalten worden sei.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2013 wies das FA den Einspruch des Klägers zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

8

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Er beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 28. April 2015  8 K 1792/13 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 22. Juli 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2013 dahingehend zu ändern, dass die mit der reproduktionsmedizinischen Behandlung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen in Höhe von 17.261,63 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.

10

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

12

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

13

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596; vom 2. September 2010 VI R 11/09, BFHE 231, 69, BStBl II 2011, 119).

14

b) Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch erforderliche Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Deshalb werden regelmäßig auch Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl der körperliche Mangel durch die betreffende Maßnahme nicht behoben, sondern nur "umgangen" oder kompensiert wird (Senatsurteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414). Dementsprechend erkennt der BFH in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird (BFH-Urteile vom 28. Juli 2005 III R 30/03, BFHE 210, 355, BStBl II 2006, 495; in BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871; vom 21. Februar 2008 III R 30/07, BFH/NV 2008, 1309; Senatsurteil in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414).

15

c) Voraussetzung ist allerdings weiter, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i.S. des § 33 Abs. 1 EStG begründen. Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Verbote beachten. Aufwendungen für nach objektiv-rechtlichen Maßstäben verbotene Behandlungsmaßnahmen sind selbst dann nicht zwangsläufig, wenn sie nicht straf- oder bußgeldbewehrt sind (Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. November 2014 B 1 KR 19/13 R, BSGE 117, 212, Rz 11 zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung) oder wegen eines Strafausschließungsgrundes nicht geahndet werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2003  18 K 7931/00 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 1548; FG München, Beschluss vom 21. Februar 2000  16 V 5568/99, EFG 2000, 496). Als außergewöhnliche Belastungen sind daher Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu berücksichtigen, wenn die aufwandsbegründende Behandlung insbesondere nicht gegen das ESchG verstößt und --wie bereits unter b) ausgeführt--mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht.

16

2. Das FG hat seiner Entscheidung zwar diesen Rechtsmaßstab zugrunde gelegt. Es hat aber zu Unrecht angenommen, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG verbiete, mehr als drei Eizellen zu befruchten, ferner widerspreche die streitige ICSI den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Denn anhand der Feststellungen des FG lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die vorgenommenen Behandlungen insbesondere den Vorgaben des ESchG entsprechen.

17

a) Das FG hat allerdings zutreffend die erhebliche Einschränkung der Fertilität des Klägers als Krankheit und die ICSI grundsätzlich als die erforderliche medizinische Heilbehandlung beurteilt, um eine Schwangerschaft herbeizuführen (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. September 2005 IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122, Rz 13).

18

b) Entgegen der Auffassung des FG verbieten die Berufsordnungen der Ärzte jedoch bei einer ICSI nicht, mehr als drei Eizellen zu befruchten.

19

Die von den Landesärztekammern erlassenen Berufsordnungen legen fest, dass bei speziellen medizinischen Maßnahmen oder Verfahren, die ethische Probleme aufwerfen und zu denen die Ärztekammer Richtlinien zur Indikationsstellung und zur Ausführung als Bestandteil der Berufsordnung festgelegt hat, die Ärztinnen und Ärzte diese zu beachten haben. Dies gilt auch für die sog. Richtlinie zur assistierten Reproduktion. Die Landesärztekammern haben bis auf den Freistaat Bayern sowie die Länder Berlin und Brandenburg auf der Grundlage der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer --Novelle 2006-- (Muster-RL) --Deutsches Ärzteblatt 2006, 1392-- eigene Richtlinien zur assistierten Reproduktion erlassen. Zusätzlich enthält die Muster-RL einen Kommentar, der nicht verbindlich ist und den lediglich einige Landesärztekammern übernommen haben.

20

Nach 5.1 der in die Richtlinien der Landesärztekammern übernommenen Muster-RL ist Ziel der Sterilitätstherapie die Herbeiführung einer Einlingsschwangerschaft, da diese das geringste Risiko für Mutter und Kind darstellt. Daher sei es bei Patientinnen unter 38 Jahren zu empfehlen, im ersten oder zweiten ICSI-Versuch nur zwei Embryonen zu transferieren. Nach 3.1.2 der Muster-RL dürfen maximal drei Embryonen einzeitig auf die Mutter übertragen werden. Nach den Feststellungen des FG wurden der späteren Ehefrau des Klägers jeweils zwei Embryonen eingesetzt. Zwar ist in der Kommentierung zu 3.1.2 der Muster-RL u.a. ausgeführt, dass § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG es verbiete, mehr Eizellen zu befruchten, als einer Frau während eines Zyklus übertragen werden sollen, weshalb es nicht zulässig sei, mehr als drei Eizellen zu befruchten. Diese Ausführungen sind jedoch nicht verbindlich und in die Richtlinien der Landesärztekammern auch nicht übernommen worden. Mithin ist die Schlussfolgerung des FG, eine Befruchtung von mehr als drei Eizellen stehe nicht mit den Richtlinien der Berufsordnung für Ärzte im Einklang, nicht zutreffend.

21

c) Auch § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG steht der Befruchtung von mehr als drei Eizellen nicht entgegen. Die Vorschrift erlaubt dem Arzt vielmehr, so viele Eizellen zu befruchten, wie nach seiner Beurteilung unter Berücksichtigung des individuellen Prognoseprofils der Patientin und des Paares erforderlich sind, um einerseits entwicklungsfähige, für den Transfer vorgesehene Embryonen zu erhalten und andererseits höhergradige Mehrlingsschwangerschaften zu verhindern (sog. deutscher Mittelweg).

22

aa) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Während § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG die Entstehung von höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften unterbinden will (Günther in Günther/ Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl., § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rz 6), bezweckt § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG, das Entstehen überzähliger Embryonen sowie eine künstliche Befruchtung "auf Vorrat" zu verhindern (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BTDrucks 11/5460, S. 9; Günther in Günther/Taupitz/Kaiser, a.a.O., § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rz 1, 3; Frommel, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie --J.Reproduktionsmed.Endokrinol.-- 2007, 27, 28).

23

bb) Der Wortlaut der Vorschrift legt die Zahl der Eizellen, die höchstens befruchtet werden dürfen, nicht fest. Verboten ist vielmehr nur, mehr Eizellen zu befruchten, als "innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen". Da nicht Eizellen, sondern nur Embryonen übertragen werden, legt der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG die Auslegung nahe, dass diejenige Anzahl von Eizellen befruchtet werden darf, aus der sich voraussichtlich so viele Embryonen entwickeln werden, wie innerhalb eines Zyklus der Frau übertragen werden dürfen (Khosravi, Die Strafbarkeit nach dem Embryonenschutzgesetz und Stammzellengesetz, 2017, S. 52; Frommel/Thaler, Frauenarzt, 2015, S. 14 f.; Frommel, J.Reproduktionsmed.Endokrinol. 2007, S. 27 f.). Wäre eine starre Begrenzung auf die Zahl drei nicht nur hinsichtlich der Befruchtung von Eizellen beabsichtigt gewesen, so hätte dies der Gesetzgeber nicht nur in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, sondern auch in § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG aufnehmen können. Dies hat er nicht getan, obwohl die SPD-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren einen Änderungsantrag eingebracht hatte, nach dem es unter Strafe gestellt werden sollte, bei einer Frau mehr als drei befruchtungsfähige Eizellen zu gewinnen, zu befruchten und auf sie zu übertragen (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 11/8057, S. 14). Die Ablehnung dieses Vorschlags lässt den Schluss zu, dass die Zahl der Eizellen, die innerhalb eines Zyklus befruchtet werden dürfen, gerade nicht ziffernmäßig beschränkt werden sollte, sondern die Regelung nur verhindern soll, dass bewusst mehr entwicklungsfähige Embryonen erzeugt werden, als innerhalb eines Zyklus auf die Frau übertragen werden dürfen. Hierfür spricht überdies, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum ESchG der Auffassung war, dass nur 80 % der Befruchtungsversuche erfolgreich abgeschlossen werden könnten (BTDrucks 11/5460, S. 9). Er ging demnach selbst davon aus, dass es zur Gewinnung von drei transferfähigen Embryonen der Befruchtung von mehr als drei Eizellen bedurfte (Khosravi, a.a.O., S. 50 ff.; Frommel, J.Reproduktionsmed.Endokrinol. 2007, S. 27, 29).

24

cc) Der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschrift soll --wie ausgeführt-- dem Entstehen "überzähliger" Embryonen entgegenwirken, die nicht innerhalb eines Zyklus auf die Frau übertragen werden können, von der die befruchteten Eizellen stammen; ferner will die Vorschrift eine künstliche Befruchtung "auf Vorrat" verhindern. Die Festlegung auf eine jeweils gleiche Anzahl von Eizellen in § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG einerseits und Embryonen in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG andererseits wäre nur sinnvoll, wenn aus jeder Eizelle letztlich auch ein transferierbarer Embryo entstünde (so auch Staatsanwaltschaft München I, Verfügung vom 24. Juli 2014  124 Js 202366/13, Zeitschrift für Medizinstrafrecht --medstra-- 2015, 64). Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr reifen altersabhängig durchschnittlich nur 20 % bis 30 % der Eizellen im Vorkernstadium überhaupt zu Blastozysten heran und nur diese haben überhaupt ein realistisches Potenzial auf die Entstehung einer Schwangerschaft (Ziller, gynkongress 2016, 9). Legte man § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG dahin aus, dass nur jeweils drei Eizellen befruchtet werden dürften (so Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG Rz 8), wären die Erfolgschancen im Hinblick auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft derartig gering, dass eine erfolgsversprechende Behandlung nicht mehr gewährleistet wäre.

25

dd) Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG ("sollen") kommt es damit entscheidend darauf an, welchen Zweck der behandelnde Arzt mit der gewählten Vorgehensweise verfolgt (Günther in Günther/Taupitz/Kaiser, a.a.O., § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rz 20, 24). Beabsichtigt er das Entstehen von lediglich ein bis zwei entwicklungsfähigen Embryonen zum Zwecke der Übertragung, so widerspricht die Behandlung selbst dann nicht den Vorgaben des ESchG, wenn trotz sorgfältiger Prognose und individuell angepasster Vorgehensweise im Einzelfall unbeabsichtigt mehr entwicklungsfähige Embryonen entstehen sollten. Damit ist der sog. deutsche Mittelweg mit den Regelungen des ESchG vereinbar, wenn anhand der individuell maßgeblichen Parameter (z.B. Alter, Gewicht, Vorerkrankungen) aufgrund einer sorgfältigen und individuellen Prognose so viele Eizellen befruchtet werden, dass voraussichtlich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen entstehen, die dann übertragen werden sollen (gl. A. Staatsanwaltschaft München I, Verfügung vom 24. Juli 2014  124 Js 202366/13, medstra 2015, 64; Amtsgericht --AG-- Wolfratshausen, Urteil vom 30. April 2008  6 C 677/06; AG Kitzingen, Urteil vom 7. Oktober 2011  3 C 781/10; AG München, Urteil vom 27. April 2012  242 C 10202/11; Günther in Günther/Taupitz/Kaiser, a.a.O., § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rz 8, 23; Khosravi, a.a.O., S. 50 ff.; Frommel, J.Reproduktionsmed.Endokrinol. 2007, 27, 28, 30, 31, 32; Frommel/Thaler, Frauenarzt 2015, 14, 15; Ziller, gynkongress 2016, 9).

26

d) Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- bisher nicht geprüft, ob die aufwandsbegründenden Behandlungen dem sog. deutschen Mittelweg entsprechen. Der Senat kann dies anhand der Feststellungen der Vorentscheidung nicht entscheiden. Hinsichtlich des ersten Behandlungsversuchs unter Verwendung von vier befruchteten Eizellen bestehen für den Senat nach vorstehenden Ausführungen grundsätzlich keine Zweifel. Ob dies auch für den zweiten Behandlungsversuch unter Verwendung von sieben Embryonen zutrifft, ist aufgrund einer individuellen Prognose zum Zeitpunkt der Befruchtung der Eizellen zu entscheiden. Insoweit wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens nachholen (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458; vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

27

e) Ergibt sich danach, dass die Behandlungen im Einklang mit dem ESchG stehen, steht einem Abzug als außergewöhnliche Belastungen nicht entgegen, dass die für die Behandlung gestellten Rechnungen an die spätere Ehefrau des Klägers gerichtet waren. Die Aufwendungen dienten dazu, eine Fertilitätsstörung des Klägers auszugleichen, und waren als insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden und die Krankheit zu lindern (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 164, 122). Die Behandlung ist insoweit ebenso wie eine heterologe Insemination (Senatsurteil in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414) als untrennbare Einheit zu sehen. Mithin sind auch die spätere Ehefrau betreffende Behandlungsmaßnahmen Aufwendungen zur Behandlung einer Krankheit des Klägers, die dieser als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen kann, soweit er sie --wie im Streitfall-- getragen hat.

28

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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Gesetz zum Schutz von Embryonen


Embryonenschutzgesetz - ESchG

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der

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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 28. Apr. 2015 - 8 K 1792/13

bei uns veröffentlicht am 28.04.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen.2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.3. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Streitig ist, ob der Kläger Aufwendungen in Höhe von 17.261.62 EUR, die ihm aufgrund von Maßnahmen zur künstlichen Befruc

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Aufwendungen in Höhe von 17.261.62 EUR, die ihm aufgrund von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung seiner damals noch nicht mit ihm verheirateten Ehefrau entstanden sind, als außergewöhnliche Belastungen geltend machen kann. Die Behandlung wurde durch eine Klinik in X (Österreich) vorgenommen.
Der Kläger leidet unter einer sog. Subfertilität, die aus einer Spermienanomalie herrührt. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 (Bl. 1 ff Rechtsbehelfsakte) machte der Kläger außergewöhnliche Belastungen aufgrund von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung seiner jetzigen Ehefrau geltend. Wegen der Beträge im Einzelnen wird auf Bl. 4 der Einkommensteuerakte verwiesen. Diese resultieren vor allem aus an die spätere Ehefrau gerichteten Rechnungen der „IVF ...Prof.Y - X GmbH“ sowie aus auf sie ausgestellten Apothekenrezepten. In diesem Zusammenhang waren bei der im Jahr 1970 geborenen späteren Ehefrau des Klägers im Wege der sog. intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mehrere Versuche unternommen worden, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Laut Kulturprotokoll vom 18. Juni 2010 (Bl. 40 Klageakte) wurden auf diese Weise vier Eizellen befruchtet. Laut Kulturprotokoll vom 16. Oktober 2010 (Bl. 43 Klageakte) fand dieses Verfahren bei sieben Eizellen statt. Nach Durchführung der sog. Blastozystenkultur (extrakorporale Kultur während der ersten vier bis sechs Tage nach Vornahme der ICSI) wurden die jeweils verbliebenen zwei Embryonen der Ehefrau des Klägers eingesetzt.
Im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 22. Juli 2011 (Bl. 23 f Rechtsbehelfsakte) lehnte der Beklagte die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen ab. Dazu heißt es in den Erläuterungen zur Festsetzung:
Kosten Kinderwunsch: Die beantragten Aufwendungen wurden ohne nähere Prüfung nicht berücksichtigt, weil zunächst vorrangige Möglichkeiten auszuschöpfen sind (z.B. Krankenkasse, Steuererklärung der jetzigen Ehefrau).
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2011, eingegangen am 28. Juli 2011 beim Beklagten, Einspruch ein. Er verwies darauf, dass eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt worden sei, dass man dies aber erneut bei der Krankenkasse beantragen und die Entscheidung dem Beklagten zukommen lassen werde. Er erklärte weiterhin, dass die Behandlungskosten vollständig von ihm getragen worden seien, so dass sie in seiner Steuererklärung, nicht in der seiner Ehefrau, angegeben worden seien.
Mit Schreiben vom 27. November 2012 (Bl. 51 Rechtsbehelfsakte) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass gemäß Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Mai 2007 III R 47/05 Kosten für eine In-vitro-Fertilisation außergewöhnliche Belastungen sein könnten, wenn die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden seien. Zur weiteren Bearbeitung des Einspruchs werde daher eine Bescheinigung der „IVF ...Prof.Y - X GmbH“ (im Folgenden: IVF-Zentrum) oder der Krankenkasse benötigt, dass die durchgeführten Maßnahmen mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen nach deutschem Recht übereinstimmten. Dies beziehe sich insbesondere auf das deutsche Embryonenschutzgesetz.
Daraufhin übersandte der Kläger dem Beklagten eine Stellungnahme des o.g. Zentrums (Bl. 53 Rechtsbehelfsakte) vom 6. Dezember 2012 mit folgendem Inhalt:
„Ich kann Ihnen nicht bestätigen, dass wir den klassischen Wortlaut des Deutschen Embryonenschutzgesetzes im Sinne der „Dreier-Regel“ eingehalten haben. Sollte Ihr Finanzamt allerdings jemals eine Kostenübernahme bei einem Paar unter Anwendung des sogenannten „Bayerischen Weges“ bzw. „Deutschen Mittelwege“ gewährt haben, so wäre Ihr Finanzamt auch zur Beihilfe in Ihrem Fall in Anspruch zu nehmen.
(…)“
10 
In der Anlage legte der Kläger die o.g. Kulturprotokolle sowie weitere Unterlagen des IVF-Zentrums vor, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Er äußerte die Ansicht, dem o.g. Schreiben könne entnommen werden, dass das IVF-Zentrum nach dem sog. deutschen Mittelweg gehandelt habe, welcher mittlerweile in Deutschland gängige Praxis sei. Das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG) habe mit der Dreierregel zum Ziel, dass nicht mehr als drei entwicklungsfähige Embryonen entstünden. Der Gesetzestext schreibe aber nicht explizit vor, dass nur drei Eizellen befruchtet werden dürften. Der deutsche Mittelweg überlasse die Entscheidung dem behandelnden Arzt, wie viele Eizellen zur Entstehung von drei weiter entwicklungsfähigen Embryonen befruchtet werden. Im Streitfall seien vier Eizellen befruchtet worden, von denen sich lediglich drei befruchten ließen. Am Tag des Transfers (Tag 5) seien lediglich noch zwei entwicklungsfähige Embryonen übrig geblieben. Schon daran zeige sich, wie sinnvoll der deutsche Mittelweg sei. Bei wortwörtlicher Einhaltung der Dreierregel steige die Anzahl der Versuche und damit einhergehend die Anzahl der hormonellen Behandlungen an und somit die körperliche als auch die seelische Belastung der Frau.
11 
Mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2013 (Bl. 164 ff Rechtsbehelfsakte) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Dies begründete er damit, dass Aufwendungen für die künstliche Befruchtung nur dann steuerlich berücksichtigt werden könnten, wenn die Maßnahmen gemäß BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05 in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden seien. Laut Anhang Nr. 2 („Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion“) zur ärztlichen Berufsordnung (Baden-Württemberg) vom 19. September 2007 (Bl. 140 ff Rechtsbehelfsakte) handele es sich laut Nr. 3. „Allgemeine Voraussetzungen“ bei der durchgeführten assistierten Reproduktion um ein besonderes medizinisches Verfahren gemäß § 13 der Berufsordnung. Ärzte hätten bei der Anwendung dieses Verfahrens insbesondere das Embryonenschutzgesetz (ESchG) und die genannte Richtlinie zu beachten.
12 
Nach § 1 Absatz 1 Nr. 5 ESchG werde mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer es unternehme, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollten. § 1 Absatz 1 Nr. 3 ESchG stelle denjenigen unter Strafe, der es unternehme, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen. Unter Gesamtwürdigung dieser beiden Tatbestände ergebe sich, dass laut ESchG maximal drei Eizellen einer Frau befruchtet werden dürften. Dies ergebe sich auch aus der o.g. Berufsordnung. Laut Anhang Nr. 2, „1.3.1. - IVF“ und „3.1.2. embryonenschutzrechtliche Voraussetzungen“ dürften für die Unfruchtbarkeitsbehandlung mit der o.g. Methode maximal drei Embryonen einzeitig auf die Mutter übertragen werden. Beim Einsatz dieser Methode dürften nur die Eizellen der Frau befruchtet werden, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden solle. Jede Art der Selektion sei verboten. Dementsprechend dürften sich nur maximal drei ausgewählte Vorkernstadien zu Embryonen entwickeln und müssten übertragen werden, egal wie gut oder schlecht diese Entwicklung gelaufen sei. Eine Kultur über länger als zwei Tage sei sinnlos, da eine Auswahl zu keinem Zeitpunkt stattfinden dürfe. Die IVF-Behandlungsmethode von Prof. Y in Österreich führe routinemäßig eine Embryonenselektion durch. Das bedeute, dass aus der Gesamtheit aller über drei bis sechs Tage kultivierten Embryonen die am weitesten entwickelten und morphologisch am unauffälligsten Aussehenden selektiert und transferiert würden, wobei das bevorzugte Stadium die nach einer Kulturdauer von fünf bis sechs Tagen entstandene expandierte Blastozyste sei. Diese Art der Selektion sei in Deutschland nach dem ESchG verboten.
13 
Verstießen die durchgeführten Maßnahmen gegen das ESchG, fehle es an der Zwangsläufigkeit.
14 
Im vorliegenden Fall seien laut Kulturprotokollen am 18. Juni 2010 vier Eizellen und am 16. Oktober 2010 sieben Eizellen befruchtet worden, was offensichtlich im Widerspruch zum ESchG stehe. Aus der vorgelegten Bescheinigung des behandelnden Arztes ergebe sich eindeutig, dass die durchgeführte Behandlung nicht im Einklang mit dem ESchG erfolgt sei. Da die in Österreich durchgeführte Behandlung in Deutschland nicht zulässig gewesen wäre, könne dies nicht steuerlich von der Allgemeinheit subventioniert werden.
15 
Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger mit am 21. Mai 2012 beim Finanzgericht eingegangenem Schriftsatz Klage. Er ist der Ansicht, ein Verstoß gegen das ESchG liege nicht vor. Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 ESchG sei es unzulässig, in einem Zyklus mehr als drei Embryonen zu übertragen. Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 5 ESchG sei es nicht zulässig, mehr Eizellen zu befruchten, als innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollten. Ein Transfer von mehr als drei Embryonen habe nicht stattgefunden. Diese beiden Vorgaben seien im Streitfall eingehalten. In diesem Zusammenhang sei u.a. zu berücksichtigen, dass, solle die Behandlung unter Anwendung möglichst weniger Behandlungszyklen zum Erfolg führen, die Zielsetzung bei der Zahl der Eizellen nicht zu gering, also die Behandlungsstrategie nicht zu „defensiv“ angesetzt werden sollte. Um am Ende zwei oder drei befruchtete Eizellen zu haben, sei daher die Behandlungsstrategie dahin auszurichten, dass auf die Punktion von mehr als zwei oder drei Eizellen abgestellt werde. Zwar könne danach theoretisch - im günstigsten Verlauf - die Situation entstehen, dass mehr als drei Embryonen zur Verfügung stünden. Wenn dieser - seltene - Verlauf eintrete, heiße dies aber gerade nicht, dass dies gezielt geplant worden sei.
16 
Diesen medizinischen Sachverhalt habe der deutsche Gesetzgeber außer Acht gelassen. Er gebe dem Mediziner diesbezüglich keine Antwort. Es entspreche - unter Beachtung der deutschen Rechtsvorgaben - absolut dem Behandlungsstandard, beim angestrebten Transfer von beispielsweise zwei Embryonen unter Beachtung der vielfachen Ausfallquoten auf den einzelnen Behandlungsstufen mehr als zwei Eizellen zu kultivieren. Dies sei abhängig vom Einzelfall. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine beigefügte E-Mail des Frauenarztes Prof. Dr. Z vom Kinderwunschzentrum A (Bl. 51 Klageakte), der für diese Vorgehensweise den Begriff des „deutschen Mittelweges“ verwandte. Sie sei mit dem ESchG vereinbar und unterscheide sich bei der IVF- bzw. ICSI-Behandlung heute in Deutschland nicht oder kaum von dem im Österreich üblichen Vorgehen.
17 
Der Kläger meint, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG sei lediglich die Zielsetzung verboten, überzählige Embryonen anzustreben. Eine „Überstimulation“ solle vermieden werden. Eine Zahlenangabe sei in § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG nicht enthalten, auch gebe es die Formulierung „sollen“. Dies alles berücksichtige die dem Verfahren anhaftende Prognosesituation und die Unwägbarkeit des Behandlungsverlaufs.
18 
Darüber hinaus unterliege die durch den Kläger vorgenommene Behandlung der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit. Aus europarechtlicher Sicht komme es daher nicht darauf an, ob oder inwieweit das deutsche ESchG eingehalten worden sei.
19 
Im Übrigen verlange der Bundesgerichtshof, was die Kostenübernahmepflicht der privaten Krankenversicherung angehe, das Erreichen einer Erfolgsprognose von 15% pro Behandlungszyklus. Die Erfolgsaussichten korrelierten jedoch u.a. mit der Zahl der transferierten Embryonen. Die Behandlung sei geprägt von hohen Ausfallquoten bei jedem der zahlreichen Behandlungsschritte. Deshalb sei es im Bereich der zivilrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung unstreitig, dass Behandlungskosten auch bei mehr als drei Eizellen erstattungspflichtig bzw. beihilfefähig seien. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG sei medizinisch unsinnig. Übertragen würden keine Eizellen, sondern Embryonen. Bei zutreffender Auslegung werde man hingegen berücksichtigen müssen, dass zwischen Punktion der Eizellen und Übertragung eines Embryos ein langer Behandlungsweg liege, der aus diversen einzelnen Behandlungsschritten bestehe. Jeder einzelne Behandlungsschritt sei mit einem hohen Ausfallrisiko behaftet.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 22. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2013 dahingehend abzuändern, dass ein Betrag in Höhe von 17.261,62 EUR als außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit der reproduktionsmedizinischen Behandlung der jetzigen Ehefrau des Klägers berücksichtigt wird,
22 
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Der Beklagte beruft sich auf seinen Vortrag im Rechtsbehelfsverfahren. Der Gesetzestext des ESchG sei eindeutig. Eine offene Auslegung des ESchG sei nicht Sinn und Zweck der Vorschrift. Dies gehe auch aus dem Kommentar zur (Muster-)Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion - Novelle 2006 - in Tz. 3.1.2 hervor. Die Finanzgerichte München (Az.: 16 V 5568/99) und Düsseldorf (Az.: 18 K 7931/00 E) hätten eine steuerliche Berücksichtigung ebenfalls abgelehnt.
26 
Am 29. Oktober 2014 hat die Berichterstatterin einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt, in dem die Beteiligten den Verzicht auf mündliche Verhandlung zu Protokoll gegeben haben (Bl. 99 ff Klageakte).

Entscheidungsgründe

27 
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Eine Berücksichtigung der Aufwendungen im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung der Ehefrau des Klägers kommt nicht in Betracht.
28 
a) Die Einkommensteuer wird nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Durch § 33 EStG werden zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf berücksichtigt, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Als außergewöhnliche Belastung können mithin grundsätzlich nur solche Aufwendungen abgezogen werden, die einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist. Liegt die wesentliche Ursache der Aufwendungen in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Mai 2007 III R 47/05, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 218, 141, Bundessteuerblatt - BStBl II 1997, 805 m.w.Nachw.).
29 
Bei der Auslegung und Anwendung des § 33 EStG wurden danach Fallgruppen gebildet und entsprechend der Eigenart der einer solchen Fallgruppe zuzuordnenden Aufwendungen unterschiedliche Anforderungen an den Grund und den Umfang der Abziehbarkeit gestellt (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, a.a.O.).
30 
Eine Fallgruppe bilden die für die Behandlung einer Krankheit entstehenden Kosten. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde noch der Höhe nach geprüft. Durch diese typisierende Anerkennung als außergewöhnliche Belastung soll ein unzumutbares Eindringen in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen vermieden werden. Hinsichtlich der Begriffe "Krankheit" und "Heilbehandlungskosten" hat der BFH an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), des Bundesgerichthofs (BGH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angeknüpft, die über die Berücksichtigung von Heilbehandlungskosten im Rahmen der gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung bzw. des Beihilferechts zu entscheiden haben (BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805, m.w.N.). Nach insoweit übereinstimmender Auffassung setzt der Begriff der Krankheit einen anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand voraus, der den Betroffenen "in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen" derart beeinträchtigt, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf. Ob eine Anomalie als Krankheit anzusehen ist, kann von der persönlichen Lage des Betroffenen - z.B. seinem Alter oder seinem Beruf - abhängen oder von der - sich im Laufe der Zeit ggf. wandelnden - Auffassung der Gesellschaft und der jeweiligen Rechtskultur (BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, a.a.O.).
31 
b) Nach dem o.g. Krankheitsbegriff ist die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners - im Streitfall die beim Kläger diagnostizierte organisch bedingte erhebliche Einschränkung der Fertilität - als Krankheit, d.h. objektiv als anomaler regelwidriger Körperzustand, einzuordnen. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit ist für Ehepartner, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 m.w.Nachw.).
32 
Aber auch unabhängig von ihrem Familienstand stellt beispielsweise die Empfängnisunfähigkeit einer Frau eine Krankheit dar (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, a.a.O.). Aufwendungen für Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin können danach auch dann grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn die Partner nicht miteinander verheiratet sind. Da der Grund für die Nichterfüllung des gemeinsamen Kinderwunsches in der Spermienanomalie des Klägers liegt, bestand für ihn auch eine sittliche Verpflichtung, die von seiner Partnerin zu tragenden Behandlungskosten zu übernehmen.
33 
c) Voraussetzung hierfür ist jedoch weiterhin, dass die Maßnahmen mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte (BO) in Einklang stehen (BFH-Urteile vom 10. Mai 2007 III R 47/05, a.a.O. und vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, a.a.O. sowie Loschelder in Schmidt, EStG, § 33 Rz. 35 („künstliche Befruchtung“).
34 
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Im Kommentar zur Musterrichtlinie der Bundesärztekammer 2006, A 1392, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, heißt es unter 3.1.2. (Embryonenschutzrechtliche Voraussetzungen) u.a. wie folgt:
35 
Ein Ziel des Embryonenschutzgesetzes vom 13. Dezember 1990 ist es, höhergradige Mehrlinge zu vermeiden, indem nicht mehr als drei Embryonen auf eine Frau übertragen werden dürfen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG). Der reproduktionsmedizinische Fortschritt ermöglicht es inzwischen, Embryonen zu kultivieren, um aufgrund morphologischer Beobachtung weitgehend zwischen entwicklungsfähigen und nicht entwicklungsfähigen Embryonen zu unterscheiden.
36 
(…)
37 
Daraus entsteht die Frage, ob eine Auswahl von Embryonen nach morphologischen Kriterien mit dem Embryonenschutzgesetz von 13.12.1990 in Einklang zu bringen ist. In der medizinrechtlichen Debatte wird dieses Problem seit kurzem kontrovers diskutiert. Ausschlaggebend ist § 1 Abs.1 Nr. 5 ESchG, der es verbietet, mehr Eizellen zu befruchten, als einer Frau innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen, sowie § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, dem zufolge auf eine Frau innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Embryonen übertragen werden dürfen. Die Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen führt zu der Schlussfolgerung, dass es gegenwärtig nicht zulässig, ist, mehr als drei Eizellen zu befruchten und dann nur einen oder allenfalls zwei dieser Embryonen zu übertragen. Befruchtet man mehr Eizellen, um einen Embryo mit guten Entwicklungschancen zu wählen und nur ihn zu transferieren, ist dies mit dem Wortlaut der Norm, den historischen Vorstellungen des Gesetzgebers und dem systematischen Zusammenhang zwischen § 1 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 ESchG nicht vereinbar. § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG soll verhindern, dass überzählige Embryonen entstehen.
38 
Nach diesen - nach Auffassung des Senats - eindeutigen - Ausführungen ist eine Befruchtung von mehr als drei Eizellen - wie im Streitfall geschehen - nicht mit den im Streitjahr 2010 gültigen und auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geänderten Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte in Einklang zu bringen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Vorstand der Bundesärztekammer im Vorwort zur Musterrichtlinie den Gesetzgeber auffordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzungsmedizin so zu gestalten, dass in anderen Staaten zulässige und praktizierte Verfahren, die zu einer Verbesserung der Kinderwunschbehandlung geführt haben und hierzulande von einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden, auch in Deutschland in geeigneter Weise ermöglicht werden. Gleichzeitig weist der Vorstand der Bundesärztekammer jedoch darauf hin, dass solange dies nicht der Fall ist, die Richtlinie selbstverständlich von den gesetzlichen Vorgaben ausgehen muss.
39 
d) Die geltend gemachten Aufwendungen sind auch deswegen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, weil ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vorliegt. In einem solchen Fall fehlt es an der Zwangsläufigkeit der fraglichen Aufwendungen (vgl. dazu Urteile des Finanzgericht - FG - Düsseldorf vom 9. Mai 2003 18 K 7931/00 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 1548 und des FG München vom 21. Februar 2000 16 V 5568/99, EFG 2000, 496).
40 
Der Senat schließt sich - wie oben ausgeführt - derjenigen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nrn 3 und 5 ESchG an, wonach eine Zusammenschau der beiden Vorschriften dazu führt, dass sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG ergibt, dass nicht mehr als 3 Eizellen befruchtet werden dürfen. Einer andere Auslegung, wie von Klägerseite vorgetragen und teilweise in der Literatur vertreten (u.a. Frommel in „Schutzkonzepte für Embryonen in vivo und in vitro“, 2010, die der Ansicht ist, die erlaubte Zahl der Befruchtungen hänge vom ärztlichen Beurteilungsspielraum ab, überzählige Embryonen könnten zwar entstehen, dürften aber nicht geplant sein), steht nach Ansicht des Senats der Wortlaut der o.g. Vorschriften entgegen (so auch Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Beck-Online, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG Rz. 8). Dies würde auch der Intention des Gesetzgebers widersprechen, der die Produktion überzähliger Embryonen verhindern wollte (Erbs, a.a.O). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass einer der Gesetzesentwürfe zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik, welcher im Jahr 2011 zur Entscheidung stand (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs in Bundestags-Drucksache 17/5452) und eine ausdrückliche Änderung des § 1 Abs. 1 ESchG vorsah („abweichend von Abs. 1 Nr. 5 ESchG wird nicht bestraft, wer … mehr Eizellen einer Frau befruchtet, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen.“), im Bundestag keine Mehrheit gefunden hat.
41 
Ein diesem gesetzlichen Verbot entgegenlaufendes Verhalten („wer es unternimmt…“) wird gemäß § 1 Abs. 1 ESchG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Adressat der Strafdrohung ist dabei nicht die Frau, sondern derjenige, der die beschriebenen Handlungen vornimmt. Dennoch kann eine solche medizinische Behandlung, die in Deutschland den tätig werdenden Arzt und seine Mitarbeiter mit Strafe bedroht, mithin von der Rechtsordnung missbilligt wird, in Bezug auf die hieraus entstehenden finanziellen Aufwendungen nicht i.S. des § 33 EStG „zwangsläufig“ sein. Eine im Ausland entgegen geltenden deutschen Gesetzen durchgeführte Behandlung ist nicht unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung finanziell der Allgemeinheit aufzubürden.
42 
Dem steht auch nicht eine etwaige Kostenübernahme durch die Krankenversicherung oder die Beihilfe (vgl. die von Klägerseite zitierten Gerichtsentscheidungen) entgegen. Selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG führt dies nicht automatisch zu einer Nichtigkeit des Behandlungsvertrages (so ausdrücklich Urteil des Amtsgerichts München vom 27. April 2012 242 C 10202/11).
43 
Für die Beantwortung der streitgegenständlichen Frage, ob vorliegend eine Vereinbarkeit mit dem deutschen Embryonenschutzgesetz gegeben ist, war auch keine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Es gehört zu den originären Aufgaben des Gerichts, die Vereinbarkeit eines bestimmten Vorgangs mit den Gesetzen zu prüfen.
44 
e) Auch die Berufung des Klägers auf die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar normiert Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das Recht auf freie Dienstleistung. Dem unterfällt grundsätzlich auch der Kläger, der als Leistungsempfänger - bzw. seine Ehefrau - der sog. passiven Dienstleistungsfreiheit unterfällt (vgl. dazu Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rz. 53). Eine Beschränkung dieser Freiheit ist beispielsweise gegeben, wenn bei einer medizinischen Behandlung durch eine staatliche Regelung die Übernahme von Behandlungskosten in einem anderen Mitgliedstaat ohne vorherige Genehmigung ausgeschlossen wird. Im Streitfall ist jedoch die Ablehnung der Anerkennung als außergewöhnliche Belastung i.S. von § 33 des deutschen EStG dadurch gerechtfertigt, dass die fragliche Behandlung aus o.g. Gründen nicht mit den Berufs- bzw. Standesregeln, wie sie von der Bundesärztekammer in der Berufsordnung für Ärzte im Jahr 2006 normiert wurden, im Einklang steht (vgl. zur Einschränkung durch Berufs- und Standesregeln Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rz. 107 m.w.Nachw.).
45 
2. Der Senat hielt es für sach- und ermessensgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.
46 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
47 
4. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Gründe

27 
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Eine Berücksichtigung der Aufwendungen im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung der Ehefrau des Klägers kommt nicht in Betracht.
28 
a) Die Einkommensteuer wird nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Durch § 33 EStG werden zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf berücksichtigt, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Als außergewöhnliche Belastung können mithin grundsätzlich nur solche Aufwendungen abgezogen werden, die einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist. Liegt die wesentliche Ursache der Aufwendungen in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Mai 2007 III R 47/05, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 218, 141, Bundessteuerblatt - BStBl II 1997, 805 m.w.Nachw.).
29 
Bei der Auslegung und Anwendung des § 33 EStG wurden danach Fallgruppen gebildet und entsprechend der Eigenart der einer solchen Fallgruppe zuzuordnenden Aufwendungen unterschiedliche Anforderungen an den Grund und den Umfang der Abziehbarkeit gestellt (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, a.a.O.).
30 
Eine Fallgruppe bilden die für die Behandlung einer Krankheit entstehenden Kosten. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde noch der Höhe nach geprüft. Durch diese typisierende Anerkennung als außergewöhnliche Belastung soll ein unzumutbares Eindringen in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen vermieden werden. Hinsichtlich der Begriffe "Krankheit" und "Heilbehandlungskosten" hat der BFH an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), des Bundesgerichthofs (BGH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angeknüpft, die über die Berücksichtigung von Heilbehandlungskosten im Rahmen der gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung bzw. des Beihilferechts zu entscheiden haben (BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805, m.w.N.). Nach insoweit übereinstimmender Auffassung setzt der Begriff der Krankheit einen anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand voraus, der den Betroffenen "in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen" derart beeinträchtigt, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf. Ob eine Anomalie als Krankheit anzusehen ist, kann von der persönlichen Lage des Betroffenen - z.B. seinem Alter oder seinem Beruf - abhängen oder von der - sich im Laufe der Zeit ggf. wandelnden - Auffassung der Gesellschaft und der jeweiligen Rechtskultur (BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, a.a.O.).
31 
b) Nach dem o.g. Krankheitsbegriff ist die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners - im Streitfall die beim Kläger diagnostizierte organisch bedingte erhebliche Einschränkung der Fertilität - als Krankheit, d.h. objektiv als anomaler regelwidriger Körperzustand, einzuordnen. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit ist für Ehepartner, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 m.w.Nachw.).
32 
Aber auch unabhängig von ihrem Familienstand stellt beispielsweise die Empfängnisunfähigkeit einer Frau eine Krankheit dar (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, a.a.O.). Aufwendungen für Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin können danach auch dann grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn die Partner nicht miteinander verheiratet sind. Da der Grund für die Nichterfüllung des gemeinsamen Kinderwunsches in der Spermienanomalie des Klägers liegt, bestand für ihn auch eine sittliche Verpflichtung, die von seiner Partnerin zu tragenden Behandlungskosten zu übernehmen.
33 
c) Voraussetzung hierfür ist jedoch weiterhin, dass die Maßnahmen mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte (BO) in Einklang stehen (BFH-Urteile vom 10. Mai 2007 III R 47/05, a.a.O. und vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, a.a.O. sowie Loschelder in Schmidt, EStG, § 33 Rz. 35 („künstliche Befruchtung“).
34 
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Im Kommentar zur Musterrichtlinie der Bundesärztekammer 2006, A 1392, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, heißt es unter 3.1.2. (Embryonenschutzrechtliche Voraussetzungen) u.a. wie folgt:
35 
Ein Ziel des Embryonenschutzgesetzes vom 13. Dezember 1990 ist es, höhergradige Mehrlinge zu vermeiden, indem nicht mehr als drei Embryonen auf eine Frau übertragen werden dürfen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG). Der reproduktionsmedizinische Fortschritt ermöglicht es inzwischen, Embryonen zu kultivieren, um aufgrund morphologischer Beobachtung weitgehend zwischen entwicklungsfähigen und nicht entwicklungsfähigen Embryonen zu unterscheiden.
36 
(…)
37 
Daraus entsteht die Frage, ob eine Auswahl von Embryonen nach morphologischen Kriterien mit dem Embryonenschutzgesetz von 13.12.1990 in Einklang zu bringen ist. In der medizinrechtlichen Debatte wird dieses Problem seit kurzem kontrovers diskutiert. Ausschlaggebend ist § 1 Abs.1 Nr. 5 ESchG, der es verbietet, mehr Eizellen zu befruchten, als einer Frau innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen, sowie § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, dem zufolge auf eine Frau innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Embryonen übertragen werden dürfen. Die Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen führt zu der Schlussfolgerung, dass es gegenwärtig nicht zulässig, ist, mehr als drei Eizellen zu befruchten und dann nur einen oder allenfalls zwei dieser Embryonen zu übertragen. Befruchtet man mehr Eizellen, um einen Embryo mit guten Entwicklungschancen zu wählen und nur ihn zu transferieren, ist dies mit dem Wortlaut der Norm, den historischen Vorstellungen des Gesetzgebers und dem systematischen Zusammenhang zwischen § 1 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 ESchG nicht vereinbar. § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG soll verhindern, dass überzählige Embryonen entstehen.
38 
Nach diesen - nach Auffassung des Senats - eindeutigen - Ausführungen ist eine Befruchtung von mehr als drei Eizellen - wie im Streitfall geschehen - nicht mit den im Streitjahr 2010 gültigen und auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geänderten Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte in Einklang zu bringen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Vorstand der Bundesärztekammer im Vorwort zur Musterrichtlinie den Gesetzgeber auffordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzungsmedizin so zu gestalten, dass in anderen Staaten zulässige und praktizierte Verfahren, die zu einer Verbesserung der Kinderwunschbehandlung geführt haben und hierzulande von einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden, auch in Deutschland in geeigneter Weise ermöglicht werden. Gleichzeitig weist der Vorstand der Bundesärztekammer jedoch darauf hin, dass solange dies nicht der Fall ist, die Richtlinie selbstverständlich von den gesetzlichen Vorgaben ausgehen muss.
39 
d) Die geltend gemachten Aufwendungen sind auch deswegen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, weil ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vorliegt. In einem solchen Fall fehlt es an der Zwangsläufigkeit der fraglichen Aufwendungen (vgl. dazu Urteile des Finanzgericht - FG - Düsseldorf vom 9. Mai 2003 18 K 7931/00 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 1548 und des FG München vom 21. Februar 2000 16 V 5568/99, EFG 2000, 496).
40 
Der Senat schließt sich - wie oben ausgeführt - derjenigen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nrn 3 und 5 ESchG an, wonach eine Zusammenschau der beiden Vorschriften dazu führt, dass sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG ergibt, dass nicht mehr als 3 Eizellen befruchtet werden dürfen. Einer andere Auslegung, wie von Klägerseite vorgetragen und teilweise in der Literatur vertreten (u.a. Frommel in „Schutzkonzepte für Embryonen in vivo und in vitro“, 2010, die der Ansicht ist, die erlaubte Zahl der Befruchtungen hänge vom ärztlichen Beurteilungsspielraum ab, überzählige Embryonen könnten zwar entstehen, dürften aber nicht geplant sein), steht nach Ansicht des Senats der Wortlaut der o.g. Vorschriften entgegen (so auch Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Beck-Online, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG Rz. 8). Dies würde auch der Intention des Gesetzgebers widersprechen, der die Produktion überzähliger Embryonen verhindern wollte (Erbs, a.a.O). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass einer der Gesetzesentwürfe zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik, welcher im Jahr 2011 zur Entscheidung stand (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs in Bundestags-Drucksache 17/5452) und eine ausdrückliche Änderung des § 1 Abs. 1 ESchG vorsah („abweichend von Abs. 1 Nr. 5 ESchG wird nicht bestraft, wer … mehr Eizellen einer Frau befruchtet, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen.“), im Bundestag keine Mehrheit gefunden hat.
41 
Ein diesem gesetzlichen Verbot entgegenlaufendes Verhalten („wer es unternimmt…“) wird gemäß § 1 Abs. 1 ESchG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Adressat der Strafdrohung ist dabei nicht die Frau, sondern derjenige, der die beschriebenen Handlungen vornimmt. Dennoch kann eine solche medizinische Behandlung, die in Deutschland den tätig werdenden Arzt und seine Mitarbeiter mit Strafe bedroht, mithin von der Rechtsordnung missbilligt wird, in Bezug auf die hieraus entstehenden finanziellen Aufwendungen nicht i.S. des § 33 EStG „zwangsläufig“ sein. Eine im Ausland entgegen geltenden deutschen Gesetzen durchgeführte Behandlung ist nicht unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung finanziell der Allgemeinheit aufzubürden.
42 
Dem steht auch nicht eine etwaige Kostenübernahme durch die Krankenversicherung oder die Beihilfe (vgl. die von Klägerseite zitierten Gerichtsentscheidungen) entgegen. Selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG führt dies nicht automatisch zu einer Nichtigkeit des Behandlungsvertrages (so ausdrücklich Urteil des Amtsgerichts München vom 27. April 2012 242 C 10202/11).
43 
Für die Beantwortung der streitgegenständlichen Frage, ob vorliegend eine Vereinbarkeit mit dem deutschen Embryonenschutzgesetz gegeben ist, war auch keine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Es gehört zu den originären Aufgaben des Gerichts, die Vereinbarkeit eines bestimmten Vorgangs mit den Gesetzen zu prüfen.
44 
e) Auch die Berufung des Klägers auf die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar normiert Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das Recht auf freie Dienstleistung. Dem unterfällt grundsätzlich auch der Kläger, der als Leistungsempfänger - bzw. seine Ehefrau - der sog. passiven Dienstleistungsfreiheit unterfällt (vgl. dazu Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rz. 53). Eine Beschränkung dieser Freiheit ist beispielsweise gegeben, wenn bei einer medizinischen Behandlung durch eine staatliche Regelung die Übernahme von Behandlungskosten in einem anderen Mitgliedstaat ohne vorherige Genehmigung ausgeschlossen wird. Im Streitfall ist jedoch die Ablehnung der Anerkennung als außergewöhnliche Belastung i.S. von § 33 des deutschen EStG dadurch gerechtfertigt, dass die fragliche Behandlung aus o.g. Gründen nicht mit den Berufs- bzw. Standesregeln, wie sie von der Bundesärztekammer in der Berufsordnung für Ärzte im Jahr 2006 normiert wurden, im Einklang steht (vgl. zur Einschränkung durch Berufs- und Standesregeln Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rz. 107 m.w.Nachw.).
45 
2. Der Senat hielt es für sach- und ermessensgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.
46 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
47 
4. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,
2.
es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,
3.
es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen,
4.
es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei Eizellen zu befruchten,
5.
es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen,
6.
einer Frau einen Embryo vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden, oder
7.
es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
künstlich bewirkt, daß eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle eindringt, oder
2.
eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle künstlich verbringt,
ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt.

(3) Nicht bestraft werden

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 6 die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle übertragen wird oder der Embryo übertragen werden soll, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 2 ist der Versuch strafbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen werden.