Bundesfinanzhof Beschluss, 04. Feb. 2014 - III B 87/13

bei uns veröffentlicht am04.02.2014

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog Kindergeld für ihren Sohn (S). Dieser war als Student an der Universität X eingeschrieben, war jedoch im Wintersemester 2010/2011 und im Sommersemester 2011 beurlaubt, weil er in dieser Zeit als Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) tätig war. Nachdem die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) von der Beurlaubung erfahren hatte, hob sie durch Bescheid vom 29. September 2011 die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum Oktober 2010 bis September 2011 auf und forderte einen Betrag von 2.208 € zurück. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, S habe sich während seiner Beurlaubung nicht in einer Berufsausbildung befunden. Die Tätigkeit als AStA-Vorsitzender sei keine Berufstätigkeit gewesen.

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Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Rechtsfrage, ob die hochschulrechtlich vorgegebene Mitwirkung eines beurlaubten Studierenden in einem Organ der Studierendenschaft eine Berufsausbildung sei, habe grundsätzliche Bedeutung. Namentlich stelle sich die Frage, ob eine Berufsausbildung anzunehmen sei, wenn ein Auszubildender einer mit dem Studium unmittelbar verknüpften Tätigkeit innerhalb der studentischen Selbstverwaltung nachgehe. Die Rechtsfrage sei nicht geklärt. Zwar habe das FG Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 20. November 2009  5 K 2456/08 (juris) entschieden, dass die Tätigkeit in einem Organ der verfassten Studentenschaft nicht zur Berufsausbildung rechne, eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu existiere jedoch nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar mehrfach entschieden, dass beurlaubte Studierende grundsätzlich nicht für einen Beruf ausgebildet würden, sofern sie während der Zeit der Beurlaubung keine Leistungsnachweise erbringen könnten. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HG NRW) die Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschule zu den Rechten und Pflichten der Studierenden gehöre. Die Übernahme einer Funktion in der Selbstverwaltung könne nur aus wichtigem Grund abgelehnt werden. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 HG NRW dürften Mitglieder der Hochschule wegen ihrer Tätigkeit in der Selbstverwaltung nicht benachteiligt werden. Dies gelte nach § 53 Abs. 5 Satz 2 HG NRW entsprechend für die Tätigkeit in Organen der Studierendenschaft. Daraus folge, dass der Begriff der Berufsausbildung an einer Hochschule nicht nur Tätigkeiten umfasse, mit denen Leistungsnachweise erworben werden könnten. Das HG NRW erlege den Studierenden die Pflicht zur Mitwirkung während der Ausbildung auf. Eine Tätigkeit in der studentischen Selbstverwaltung sei untrennbar mit dem Status als Studierender verbunden. Es könne nicht ohne Bedeutung sein, für welche Zwecke ein Studierender beurlaubt sei.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unzulässig und wird deshalb durch Beschluss verworfen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung wurde nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

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1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2010 II B 39/10, BFH/NV 2011, 206). Die Beschwerde muss sich insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen (z.B. Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46).

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2. Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Klägerin geht es letztlich um die Klärung der Frage, ob die Unterbrechung des Studiums unschädlich ist für die Annahme einer Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes, wenn sich ein an einer Universität eingeschriebener Student wegen einer Tätigkeit im AStA beurlauben lässt. Sie hat sich in der Beschwerdeschrift nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt, die sich mit der Frage befasst, in welchen Fällen die Beurlaubung vom Studium zu einer kindergeldrechtlich (un)schädlichen Unterbrechung der Berufsausbildung führt. Nach dem BFH-Urteil vom 13. Juli 2004 VIII R 23/02 (BFHE 207, 32, BStBl II 2004, 999) befindet sich ein Kind, das vom Studium beurlaubt ist, jedenfalls dann nicht in einer Berufsausbildung, wenn ihm während der Zeit der Beurlaubung nach hochschulrechtlichen Bestimmungen der Besuch von Lehrveranstaltungen und der Erwerb von Leistungsnachweisen untersagt ist. Trotz Beurlaubung kann eine Berufsausbildung anzunehmen sein, wenn das Kind ein Praktikum ableistet, als wissenschaftliche Hilfskraft arbeitet oder im Einklang mit dem Hochschulrecht an Prüfungen teilnimmt (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VIII R 77/02, BFH/NV 2005, 525). Auch bei einem Kind, das wegen Mutterschaft vom Studium beurlaubt ist, kann eine Fortsetzung der Berufsausbildung anzunehmen sein, wenn es sich auf Prüfungen vorbereitet und daran teilgenommen hat (BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 89/01, BFH/NV 2002, 1150). Aus den beiden letztgenannten Entscheidungen geht hervor, dass eine Beurlaubung dann unschädlich sein kann, wenn ein studierendes Kind tatsächlich und in zulässiger Weise seine universitäre Berufsausbildung weiter betreibt, was im Streitfall jedoch offensichtlich nicht zutraf.

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Der Hinweis der Klägerin darauf, dass die Studentenschaft der Universität X hochschulrechtlich verpflichtet ist, an den Organen der Selbstverwaltung mitzuwirken und dass wegen einer Mitwirkung keine Benachteiligungen entstehen dürften, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Vorschriften des HG NRW zwangen S nicht, sich wegen einer Mitarbeit im AStA beurlauben zu lassen und die Berufsausbildung zu unterbrechen.

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Bundesfinanzhof Beschluss, 04. Feb. 2014 - III B 87/13 zitiert 4 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Referenzen

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.