Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 8 ZB 19.30971

bei uns veröffentlicht am27.03.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 2 K 17.33030, 30.01.2019

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg.

1. Die Berufung ist wegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) liegt vor. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel - einschließlich Presseberichte und Behördenauskünfte - gestützt werden darf, die von einem Verfahrensbeteiligten oder dem Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden und zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (vgl. BVerfG, B.v. 3.11.1959 - 1 BvR 13/59 - BVerfGE 10,177/182 = juris Rn. 14; B.v. 18.6.1985 - 2 BvR 414/84 - BVerfGE 70, 180, 189 = juris Rn. 27; Berlit in GK-AsylG, Stand März 2018, § 78 Rn. 322). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, dass offenkundige Tatsachen gemäß § 291 ZPO keines Beweises bedürfen. Die Frage, ob Beweis erhoben werden muss, ist von der Frage zu trennen, ob eine Tatsache verwertet werden darf bzw. ob und wie diese in den Prozess einzuführen ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.11.1959 - 1 BvR 13/59 - BVerfGE 10,177/183 = juris Rn. 15; Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 291 Rn. 4). Die Verpflichtung zur sach- und zweckgerichteten Gehörsgewährung kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, das Urteil beruhe auf einer wertenden Erkenntnis und auf einer Überzeugungsbildung, die keines Nachweises und keiner weiteren Darlegung bedürfe; denn nur bei Offenlegung der Erkenntnisquellen über die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände wird den Beteiligten eine effektive Prozessführung ermöglicht und die Gelegenheit eröffnet, durch Vortrag und Anträge auf die Zusammensetzung des Quellenmaterials Einfluss zu nehmen.

Hieraus folgt im gerichtlichen Asylverfahren grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Erkenntnismittel, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in einer Weise zu bezeichnen und in das Verfahren einzuführen, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, diese zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihnen zu äußern (vgl. VGH BW, B.v. 9.3.2017 - A 12 S 235/17 - juris Rn. 6; NdsOVG, B.v. 8.7.2014 - 13 LA 16/14 - InfAuslR 2014, 458 = juris Rn. 4). Lediglich auf offenkundige Tatsachen, die allen Beteiligten gegenwärtig sind und von denen sie wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sein können, darf die Entscheidung auch ohne ausdrücklichen Hinweis gestützt werden. Für eine ordnungsgemäße Einführung in das Verfahren reicht es dabei grundsätzlich aus, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der betreffenden Erkenntnismittel übersendet (vgl. VGH BW, B.v. 9.3.2017 - A 12 S 235/17 - juris Rn. 6; NdsOVG, B.v. 8.7.2014 - 13 LA 16/14 - InfAuslR 2014, 458).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier ein Gehörsverstoß gegeben. Ein Teil der vom Gericht entscheidungstragend verwendeten Erkenntnismittel sind nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt worden. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass unter Berücksichtigung der Ereignisse im Jahr 2018 in Äthiopien nicht davon auszugehen ist, dass eine Verfolgung von nicht herausgehoben politisch tätigen Personen beachtlich wahrscheinlich wäre (Urteilsabdruck S. 9). Bei der anschließenden Darstellung der diese Einschätzung des Gerichts stützenden Entwicklungen des Jahres 2018 werden vor allem Presseberichte der BBC, des Portals africanews und jeune afrique bzw. ein facebook-Account zitiert. Diese Pressemeldungen waren weder in der zusammen mit der Terminsladung übersandten Auskunftsliste Äthiopien (Stand: 22.10.2018) enthalten noch auf andere Weise zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Informationen allen Beteiligten gegenwärtig gewesen sind und dass sie sich der Entscheidungserheblichkeit bewusst waren. Die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur aktuellen politischen Lage in Äthiopien ergeben sich auch nicht aus anderen - vom Gericht in das Verfahren eingeführten - Erkenntnismitteln. Dies ist der Entscheidung selbst zu entnehmen, indem dort „zu den meisten der im Folgenden mit Primärquellen zitierten Entwicklungen“ auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien, BFA Österreich vom 8. Januar 2019 und auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Oktober 2018 verwiesen wird (vgl. Urteilsabdruck S. 9). Das Urteil beruht auch auf dem dargestellten Verstoß, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger ohne ihn im Einzelnen noch spezifiziert vorgetragen und gegebenenfalls weiteren Beweis angetreten hätte.

2. Der Senat erwägt, nach § 130 a VwGO die Berufung entsprechend seiner im beigefügten Urteil vom 13. Februar 2019 - 8 B 17.31645 - niedergelegten Rechtsprechung zurückzuweisen. Nach einhelliger Auffassung des Senats müssen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 Personen - wie der Kläger - wegen ihrer Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die - wie die TBOJ/UOSG - einer der in Äthiopien bis Sommer 2018 als Terrororganisation eingestuften Organisation nahesteht, oder wegen einer exilpolitischen Tätigkeit für eine solche Organisation bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien grundsätzlich nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen befürchten (vgl. Leitsatz und Rn. 43 des Urteilsabdrucks).

Die Beteiligten können sich dazu binnen vier Wochen ab Zugang der Berufungsbegründung äußern. Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2018 - 1 B 50.18 u.a. - juris Rn. 21 ff. wird hingewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 8 ZB 19.30971

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 8 ZB 19.30971

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 8 ZB 19.30971 zitiert 8 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

Zivilprozessordnung - ZPO | § 291 Offenkundige Tatsachen


Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 8 ZB 19.30971 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 8 ZB 19.30971 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. März 2017 - A 12 S 235/17

bei uns veröffentlicht am 09.03.2017

Tenor Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2016 - A 1 K 5331/16 - wird abgelehnt.Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens je zur Hälfte.

Referenzen

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2016 - A 1 K 5331/16 - wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens je zur Hälfte.

Gründe

 
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2016 hat keinen Erfolg.
Der von den Klägern in Anspruch genommene Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt - ungeachtet der Frage seiner hinreichenden Darlegung - in der Sache nicht vor.
1. Die Kläger machen zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Feststellung
„Der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht.“
lediglich mit zwei Gerichtsentscheidungen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.02.2015 - 11 A 334/14.A - juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23.11.2015 - 17 L 3729/15.A - juris Rn. 24 ff.) begründet. Auf diese Erkenntnisquellen seien die Kläger weder in der mündlichen Verhandlung noch zuvor in der Terminsladung hingewiesen worden, so dass keine Möglichkeit bestanden habe, hierzu Stellung zu nehmen. Diese Rüge rechtfertigt die Zulassung der Berufung wegen eines Gehörsverstoßes nicht.
Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel (einschließlich Presseberichte und Behördenauskünfte) gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verpflichtung zur sach- und zweckgerichteten Gehörsgewährung kann insbesondere nicht mit der Erwägung bestritten werden, das Urteil beruhe auf einer wertenden Erkenntnis und auf einer Überzeugungsbildung, die keines Nachweises und keiner weiteren Darlegung bedürfe; denn nur bei Offenlegung der Erkenntnisquellen über die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände wird den Beteiligten eine effektive Prozessführung ermöglicht und die Gelegenheit eröffnet, durch Vortrag und Anträge auf die Zusammensetzung des Quellenmaterials Einfluss zu nehmen. Hieraus folgt im gerichtlichen Asylverfahren grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Erkenntnismittel, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in einer Weise zu bezeichnen und in das Verfahren einzuführen, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, diese zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihnen zu äußern (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.07.2014 - 13 LA 16/14 - InfAuslR 2014, 458). Lediglich auf offenkundige Tatsachen, die allen Beteiligten gegenwärtig sind und von denen sie wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sein können, darf die Entscheidung auch ohne ausdrücklichen Hinweis gestützt werden. Für eine Einführung in das Verfahren reicht es dabei grundsätzlich aus, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der betreffenden Erkenntnismittel übersendet. Darüber hinaus ist es zulässig, Erkenntnismittel in der Weise in das gerichtliche Verfahren einzuführen, dass die vom Gericht geführte Erkenntnismittelliste auf einer allgemein zugänglichen, den Beteiligten bekannten Internetseite veröffentlicht wird und denjenigen, die nicht über einen Internetzugang verfügen bzw. diesen nicht nutzen wollen, die Liste auf Anforderung gesondert zugeleitet und gleichzeitig angegeben wird, dass und wie die darin aufgeführten Erkenntnismittel beim Gericht eingesehen werden können (vgl. OVG Niedersachsen, Beschlüsse vom 08.07.2014, a.a.O., und vom 26.10.2004 - 8 LA 146/04 - NVwZ 2005, 605). Zu den ordnungsgemäß in das Verfahren einzuführenden Erkenntnismittel sind auch andere Gerichtsentscheidungen zu rechnen, sofern sie nicht allein wegen ihrer rechtlichen Schlussfolgerungen, sondern (auch) im Hinblick auf ihre tatsächlichen Feststellungen zur Begründung herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.02.1983 - 9 C 847.82 - juris Rn. 8; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.07.2014, a.a.O.).
Dies zugrunde legend weisen die Kläger allerdings im Ansatz zutreffend darauf hin, dass die beiden zum Beleg der Richtigkeit einer Tatsachenfeststellung genannten Gerichtsentscheidungen nicht in der als Anlage zum Protokoll genommenen Erkenntnismittelliste Albanien (Stand 4. November 2016) aufgeführt sind und dass auch die diesen Gerichtsentscheidungen zugrunde liegenden Erkenntnismittel fast ausnahmslos nicht in das Verfahren eingeführt worden waren. So gründet die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen maßgeblich auf Dokumente der Europäischen Kommission, die in die Erkenntnismittelliste des Verwaltungsgerichts Stuttgart keinen Eingang gefunden haben und auch nicht auf andere Weise zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden, namentlich weder im vorangegangenen Beschluss im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (A 1 K 5332/16) noch im Beschluss über die (Teil-) Ablehnung von Prozesskostenhilfe vom 26.10.2016 genannt waren. Ähnlich verhält es sich mit den vom Verwaltungsgericht Düsseldorf herangezogenen Erkenntnismitteln, namentlich einer Stellungnahme des Home Office.
Gleichwohl rechtfertigt das Vorbringen der Kläger die Zulassung der Berufung aus diesem Grund nicht. Zum einen ergibt sich die von OVG Nordrhein-Westfalen und Verwaltungsgericht Düsseldorf getroffene Feststellung der Sache nach aus anderen - vom Verwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten - Erkenntnismitteln (vgl. z.B. AA, Lagebericht vom 16.08.2016, S. 5, 8 und 10). Zum anderen hat das Verwaltungsgericht das angegriffene Urteil - selbstständig tragend („abgesehen davon“) - auch damit begründet, die Kläger müssten sich auf internen Schutz verweisen lassen (UA S. 6, 2. Absatz). Diese Rechtsauffassung ziehen die Kläger mit ihrem Zulassungsantrag weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht in Zweifel. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht deshalb im Rechtssinne nicht auf dem von den Klägern angenommenen Gehörsverstoß. Zum dritten verkennen die Kläger mit ihren Ausführungen zu der Frage, was sie vorgetragen hätten, wenn die genannten Entscheidungen vom Verwaltungsgericht ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden wären, den Entscheidungsmaßstab des Gerichts. Die Kläger machen geltend, wenn ihnen die Feststellungen des OVG Nordrhein-Westfalen und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vor der Entscheidung eröffnet worden wären, hätten sie die Einholung einer Auskunft des ehemaligen Präsidenten des Parlaments der Europäischen Union zum Beweis der Tatsache beantragen können, „dass die Erwartungen der EU bezüglich der betreffenden Reformen bei weitem nicht erfüllt wurden“. Es ist aber weder dargetan noch ersichtlich, weshalb der „ehemalige Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz“ die für die aufgeworfene Frage geeignete Auskunftsperson sein soll, noch warum die Erwartungen der Europäischen Union an den Reformprozess einen Einfluss auf die Frage haben können, ob im Falle der Klägerin Ziff. 1 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben sein könnte.
2. Die Kläger machen weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe sich mit dem Inhalt des von ihnen vorgelegten ärztlichen Attests vom 17.11.2016 nicht auseinandergesetzt. In dem genannten Attest ist ausgeführt:
10 
"In Albanien erwartet Frau C-/ sowohl durch ihren Ehemann als auch durch dessen Gläubiger zur Prostitution gezwungen zu werden, während ihr Sohn verkauft werden solle, um die Schulden des Mannes zu begleichen. Bereits diese Erwartungsangst würde vor und während der Abschiebung, aber alsbald auch im Heimatland zu einer erheblichen Verschlimmerung der Erkrankung führen. Es käme zu vermehrten Ängsten, Gefühlen der Hilflosigkeit und Verzweiflung, Anspannung, vegetativer Übererregung, möglicherweise auch Panikzuständen mit unberechenbaren Handlungen. Im Sinne einer Retraumatisierung käme es darüber hinaus zu einer Aktivierung der früheren Gewalterfahrungen, d.h. zu verstärkten Intrusionen."
11 
Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Der grundrechtlich verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG i. V. m. § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt von den Gerichten, das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2003 - 2 BvR 624/01 - NVwZ-RR 2004, 3; BVerwG, Beschluss vom 05.06.2009 - 5 B 80.08 - juris). Das Gericht ist aber nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Dies ist dann gegeben, wenn es etwa das Vorbringen eines Beteiligten zu einem zentralen Gesichtspunkt entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, sofern das Vorbringen nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293; BVerwG, Beschluss vom 29.01.2010 - 5 B 21.09 u.a. - juris). Dementsprechend erfordert eine entsprechende Rüge die substantiierte Angabe, welches tatsächliche Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht in Erwägung gezogen worden ist. Das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte indessen nicht, dem zur Kenntnis genommenen tatsächlichen Vorbringen oder der Rechtsansicht eines Beteiligten auch in der Sache zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 894/94 - NJW 1995, 2839). Ebenso wenig gewährleistet das Grundrecht auf rechtliches Gehör, dass die angegriffene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern ergeht. Es stellt vielmehr grundsätzlich nur sicher, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.01.2006 - 7 B 103.05 - ZOV 2006, 40). Die prozessrechtliche Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 25.03.1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183).
12 
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt der behauptete Verfahrensfehler in der Sache nicht vor. Denn das Verwaltungsgericht legt die in dem genannten Attest diagnostizierte Posttraumatische Belastungsstörung seiner Entscheidung zugrunde, stellt mithin den Inhalt des medizinisch als gegeben Erkannten nicht in Frage. Das Verwaltungsgericht zieht hieraus lediglich andere Schlüsse als sie die Kläger gezogen haben wünschen. Das Verwaltungsgericht kommt, was im Einzelnen begründet wird (UA S. 7 und 8), zu dem Ergebnis, dass die Posttraumatische Belastungsstörung in Albanien behandelbar und der Klägerin Ziff. 1 eine solche Behandlung auch zugänglich sei. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt bedurfte es eines vertieften Eingehens auf den Inhalt des ärztlichen Attests nicht. Eine Gehörsverletzung durch Übergehen wesentlichen Vortrags ist folglich nicht gegeben.
13 
3. Schließlich rügen die Kläger eine Überraschungsentscheidung des Verwaltungsgerichts, denn dieses habe die Feststellung getroffen, „die Klägerin sei als Arbeitslose in Albanien in der staatlichen Krankenversicherung vollständig versichert“. Die Klägerin Ziff. 1 sei nicht einmal nach deutschem Recht - zitiert wird insoweit § 118 SGB III - eine „Arbeitslose“. Ohne vorherige Anhörung hätte das Gericht die Klägerin Ziff. 1 nicht mit der Feststellung überraschen dürfen, sie sei als keine Beschäftigung anstrebende, alleinerziehende, kranke Mutter selbstverständlich nach albanischem Krankenversicherungsrecht eine „Arbeitslose“. Auf dieser überraschenden Feststellung beruhe das Urteil, denn ohne den gerügten Fehler hätte das Gericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Klägerin in Albanien keinen Krankenversicherungsschutz genießt.
14 
Der Gehörsverstoß liegt nicht vor. Das Urteil beruht auf der Feststellung, die Klägerin Ziff. 1 gehöre als Arbeitslose zu den in Albanien vollständig versicherten Personen. Die Feststellung beruht auf der insoweit zitierten Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 13.02.2013 (dort S. 5). Erkennbar liegt dieser Auskunft einer in der Schweiz ansässigen Stelle nicht das dem deutschen Sozialversicherungsrecht zugrunde liegende Begriffsverständnis eines Arbeitslosen zugrunde, zumal sich die von den Klägern zitierte Vorschrift des § 118 SGB III dazu nicht verhält (vgl. aber § 16 Abs. 1 SGB III). Die Rüge der Kläger geht deshalb bereits in ihrem Ansatz fehl. Die Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, wonach es sich bei „Pensionierten, Arbeitslosen, Studierenden, Kindern und Jugendlichen bis achtzehn Jahren“ um vollständig versicherte Personengruppen handelt, weist als Quelle (Fn. 26) eine „E-Mail-Auskunft eines Experten des albanischen Gesundheitssystems vom 14. Januar 2013“ nach. Dass in diesem Kontext auf das deutsche Begriffsverständnis abgestellt worden sein könnte, ist ebenso fernliegend, wie es naheliegend erscheint, dass der Begriff des „Arbeitslosen“ sich in der genannten Stellungnahme mit demjenigen des - auch die Klägerin Ziff. 1 umfassenden - Erwerbslosen deckt. Hiervon geht auch die eigens in das Verfahren eingeführte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016 aus (AA an VG Köln vom 14.10.2016 S. 4), die den Klägern bekannt sein konnte und die den Personenkreis der obligatorisch Krankenversicherten ausführlich referiert. Dass Erwerbsunfähige und Erwerbsunwillige keinen Zugang zum staatlichen Gesundheitswesen haben bzw. deren Erkrankungen nicht behandelt würden, behaupten auch die Kläger nicht. Hierfür ist auch aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln nichts ersichtlich. Nicht zuletzt mit Blick auf den angefochtenen Bescheid, der ebenfalls von einem Zugang von Sozialhilfebeziehern zur staatlichen Krankenversicherung ausgeht (ebenda S. 10), kann von einer Überraschungsentscheidung des Verwaltungsgerichts nicht die Rede sein.
15 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
16 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
17 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).