Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. März 2015 - 5 S 15.497

published on 23/03/2015 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. März 2015 - 5 S 15.497
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Tenor

Der Antrag, Herrn J. L., von seinem Amt des ehrenamtlichen Richters am Bayerischen Verwaltungsgericht München zu entbinden, wird abgelehnt.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 zeigte der ehrenamtliche Richter am Verwaltungsgericht München an, dass er ein Arbeitsverhältnis am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik aufgenommen habe. Er sei daher von seinen Aufgaben als ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht zu entbinden, weil er „jetzt beim Bund angestellt“ sei und somit im öffentlichen Dienst arbeite. Dem Schreiben beigefügt war die Kopie eines Arbeitsvertrages für die Zeit ab 1. Februar 2015 mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., vertreten durch das Direktorium des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik. Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts München beantragte daraufhin die Entbindung des ehrenamtlichen Richters, wies jedoch auf die privatrechtliche Organisationsform der Max-Planck-Gesellschaft als eingetragener Verein hin.

Der ehrenamtliche Richter wurde zur beabsichtigten Ablehnung des Entbindungsantrages angehört, § 24 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

II.

Die Voraussetzungen für eine Entbindung vom Amt des ehrenamtlichen Richters liegen nicht vor. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3 VwGO ist ein ehrenamtlicher Richter von seinem Amt zu entbinden, wenn er Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst ist. Das ist bei dem ehrenamtlichen Richter, der bei einem Forschungsinstitut der Max-Planck-Gesellschaft angestellt ist, nicht der Fall.

Zwar ist der weder allgemeingültig existente (vgl. BVerfG v. 4.4.1978, BVerfGE 48, 64/83 f., m. w. N.), noch in der VwGO bestimmte Begriff des öffentlichen Dienstes im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes, Interessen- und Pflichtenkollisionen zu vermeiden, die richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten und auch nur den Anschein der Voreingenommenheit der Laienrichter auszuschließen (vgl. OVG NW, B. v. 19.2.2015 - 16 F 6/15 - juris Rn. 3), weit auszulegen (vgl. OVG NW, B. v. 17.8.1993 - 16 F 215/93 - NVwZ-RR 1994, 704 m. w. N.; ThürOVG v. 27.6.2007, - 2 SO 412/07 - juris, Rn. 5). Dementsprechend wird als öffentlicher Dienst im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO nicht nur der Bundes-, Landes- und Kommunaldienst, sondern auch der Dienst bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt angesehen (vgl. SächsOVG, B. v. 5.8.1997 - 3 S 440/97 - NVwZ-RR 1998, 324). Darüber hinaus üben beispielsweise auch die Angestellten eines Privatunternehmens, das hoheitliche Aufgaben erfüllt, einen Dienst aus, der materiell-rechtlich als öffentlicher Dienst im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO anzusehen ist, da das privatrechtlich organisierte Unternehmen damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 8.1.2009 - 4 E 19.08 - juris, Rn. 4).

Entgegen der Auffassung des ehrenamtlichen Richters ist er jedoch nicht „beim Bund angestellt“. Der Arbeitsvertrag ist mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. geschlossen. Diese ist eine unabhängige Forschungsorganisation in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins. Trotz ihrer weitgehend staatlich getragenen Finanzierung ist sie gerade keine staatliche Einrichtung, sondern ein eingetragener Verein (vgl. die Selbstdarstellung der Max-Planck-Gesellschaft unter www.mpg.de und der dort abrufbare Satzungstext). Gemäß § 1 der Satzung verfolgt der Verein den gemeinnützigen Zweck, die Wissenschaften zu fördern. Die Institute der Gesellschaft betreiben dabei die wissenschaftliche Forschung frei und unabhängig. Die Gesellschaft ist selbstlos tätig, sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Damit ist der ehrenamtliche Richter also weder im Bundes-oder Landesdienst beschäftigt, noch ist er Angestellter eines Privatunternehmens, das hoheitliche Aufgaben erfüllt. Die Max-Planck-Gesellschaft handelt als eingetragener Verein grundsätzlich nicht öffentlich-rechtlich. Sie ist nicht mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet und daher nicht befugt, Bescheide zu erlassen. Ihr Handeln unterliegt also nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.

Es handelt sich bei der Max-Planck-Gesellschaft auch nicht etwa um ein in der Form des Privatrechts organisiertes Unternehmen, dessen Einordnung unter den Begriff des „öffentlichen Dienstes“ im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO in Rechtsprechung und Literatur teilweise unterschiedlich beurteilt wird, wenn die öffentliche Hand am Unternehmen mehrheitlich beteiligt ist (vgl. hierzu BayVGH B. v. 31.3.2010 - 5 S 10.353 - juris für eine Angestellte bei einer Stadtwerke GmbH; B. v. 31.3.2010 - 5 S 10.330 - juris, jeweils m. w. N.). Es fehlt vorliegend schon an dem Umstand der (mehrheitlichen oder vollständigen) Kontrolle des eingetragenen Vereins durch eine Kommune, den Bund oder die Länder. Es mag zwar sein, dass die Max-Planck-Gesellschaft überwiegend aus Haushaltsmitteln des Bundes oder der Länder finanziert wird. Ausweislich der Satzung der Gesellschaft verfügen die Vertreter der Bundes- oder Landesinstitutionen in den entscheidenden Organen des eingetragenen Vereins jedoch nicht über eine beherrschende Stellung, wie etwa die Übersicht über die Zusammensetzung des Senats der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. vom 27. Februar 2015 (www.mpg.de) deutlich zeigt.

Zusammengefasst kann ein das Vertrauen des Bürgers in die Neutralität der Verwaltungsgerichtsbarkeit schmälernder Kontrollkonflikt im vorliegenden Fall durch die Berufung eines (noch dazu nicht leitenden, vgl. BayVGH vom 31.3.2010 - 5 S 10.330 - a. a. O. Rn. 8) Mitarbeiters privatrechtlich geführter Vereine zu ehrenamtlichen Richtern nicht auftreten. Falls im Einzelfall dennoch Interessenkollisionen bestehen oder zu besorgen sein könnten, etwa weil der Verein in einem Verwaltungsstreitverfahren als Prozesspartei auftritt, greifen die allgemeinen Regeln über den Ausschluss sowie die Ablehnung von Richtern ein.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Medizinproduktegesetz - MPG

(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn er 1. nach §§ 20 bis 22 nicht berufen werden konnte oder nicht mehr berufen werden kann oder2. seine Amtspflichten gröblich verletzt hat oder3. einen Ablehnungsgrund nach § 23 Abs.
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published on 19/02/2015 00:00

Tenor Herr Q.        T.       , Zum U.       I.    46,  W.       , wird von seinem Amt eines ehrenamtlichen Richters bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf mit sofortiger Wirkung entbunden. 1Gründe: 2I. 3Der Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseld
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Annotations

(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn er

1.
nach §§ 20 bis 22 nicht berufen werden konnte oder nicht mehr berufen werden kann oder
2.
seine Amtspflichten gröblich verletzt hat oder
3.
einen Ablehnungsgrund nach § 23 Abs. 1 geltend macht oder
4.
die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt oder
5.
seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk aufgibt.

(2) In besonderen Härtefällen kann außerdem auf Antrag von der weiteren Ausübung des Amtes entbunden werden.

(3) Die Entscheidung trifft ein Senat des Oberverwaltungsgerichts in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 4 auf Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 5 und des Absatzes 2 auf Antrag des ehrenamtlichen Richters. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß nach Anhörung des ehrenamtlichen Richters. Sie ist unanfechtbar.

(4) Absatz 3 gilt entsprechend in den Fällen des § 23 Abs. 2.

(5) Auf Antrag des ehrenamtlichen Richters ist die Entscheidung nach Absatz 3 von dem Senat des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, wenn Anklage nach § 21 Nr. 2 erhoben war und der Angeschuldigte rechtskräftig außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen worden ist.

Zu ehrenamtlichen Richtern können nicht berufen werden

1.
Mitglieder des Bundestages, des Europäischen Parlaments, der gesetzgebenden Körperschaften eines Landes, der Bundesregierung oder einer Landesregierung,
2.
Richter,
3.
Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind,
4.
Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit,
4a.
(weggefallen)
5.
Rechtsanwälte, Notare und Personen, die fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgen.

(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn er

1.
nach §§ 20 bis 22 nicht berufen werden konnte oder nicht mehr berufen werden kann oder
2.
seine Amtspflichten gröblich verletzt hat oder
3.
einen Ablehnungsgrund nach § 23 Abs. 1 geltend macht oder
4.
die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt oder
5.
seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk aufgibt.

(2) In besonderen Härtefällen kann außerdem auf Antrag von der weiteren Ausübung des Amtes entbunden werden.

(3) Die Entscheidung trifft ein Senat des Oberverwaltungsgerichts in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 4 auf Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 5 und des Absatzes 2 auf Antrag des ehrenamtlichen Richters. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß nach Anhörung des ehrenamtlichen Richters. Sie ist unanfechtbar.

(4) Absatz 3 gilt entsprechend in den Fällen des § 23 Abs. 2.

(5) Auf Antrag des ehrenamtlichen Richters ist die Entscheidung nach Absatz 3 von dem Senat des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, wenn Anklage nach § 21 Nr. 2 erhoben war und der Angeschuldigte rechtskräftig außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen worden ist.