Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2017 - 22 B 14.2304

bei uns veröffentlicht am08.02.2017
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 7 K 12.681, 10.10.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Gemäß Art. 19 Abs. 3 Buchst. b, erste Alternative des Vertrages über die Europäische Union und Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union darüber eingeholt,

  • 1.ob der in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl Nr. L 41 vom 14.2.2003, S. 26) verwendete Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ so zu verstehen ist, dass hierunter lediglich die innere und die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates fällt, die nur dann betroffen ist, wenn außer der Existenz dieses Staates das Funktionieren seiner wichtigen öffentlichen Dienste, das Überleben der Bevölkerung, seine auswärtigen Beziehungen oder militärischen Interessen sowie das friedliche Zusammenleben der Völker beeinträchtigt sind, oder ob dieses Tatbestandsmerkmal - ebenso wie der zum Beispiel in Art. 36 Satz 1, Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 und Art. 65 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verwendete Begriff der „öffentlichen Ordnung“ - Raum für die Berücksichtigung sonstiger tatsächlicher und hinreichend schwerer Gefährdungen von Grundinteressen der Gesellschaft lässt;

  • 2.ob - falls diese Frage im Sinn der zweitgenannten Alternative zu beantworten sein sollte - es sich innerhalb des Beurteilungsspielraums bewegt, der den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung dessen zusteht, was sie nach ihrer Rechtstradition als Grundinteressen ihrer jeweiligen Rechts- und Gesellschaftsordnung ansehen, wenn unter Berücksichtigung des auch die deutsche Rechtsordnung prägenden Grundsatzes von Treu und Glauben eine Behörde als nicht verpflichtet angesehen wird, bei ihr vorhandene Umweltinformationen herauszugeben, bei denen die konkrete Gefahr besteht, dass sie für rechtswidrige, teilweise auch strafbare Schädigungen der Rechtsgüter eines Unternehmens des Rechtsträgers dieser Behörde verwendet werden;

  • 3.ob es als mit Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG vereinbar angesehen wird, einem Verfahrensbeteiligten einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen nach dem einschlägigen Umweltinformationsgesetz zu versagen, sofern

– Mitglieder dieses Verfahrensbeteiligten in einer dem Verfahrensbeteiligten zurechenbaren Weise mehrere rechtswidrige Handlungen - auch solche strafbarer Art - gegen diejenige öffentliche Stelle vorgenommen haben, gegen die sich der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen richtet, wobei sich diese strafbaren bzw. sonst rechtswidrigen Handlungen auf den gleichen Lebenssachverhalt wie das verfahrensgegenständliche Begehren bezogen,

– aufgrund des Vorverhaltens des Anspruchstellers, seines Selbstverständnisses und seines Erklärungsverhaltens im Prozess konkret mit der erneuten Begehung von Straftaten oder anderen rechtswidrigen Handlungen gegen diese öffentliche Stelle zu rechnen ist,

– das Zusprechen des Auskunftsbegehrens die Begehung weiterer Straftaten und anderer rechtswidriger Handlungen gegen die grundsätzlich auskunftsverpflichtete öffentliche Stelle erleichtern würde, und

– kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass derartige rechtswidrige Handlungen nur so vereinzelt und punktuell vorgenommen werden, dass sie keinen nennenswerten Schaden anrichten und sie als lediglich symbolisch gewertet werden können.

4. ob es - falls keine negativen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG anzunehmen sein sollten (Fragen Nrn. 1, 2 und 3) - mit Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG in Einklang steht, wenn das Gericht eines Mitgliedstaates das einschlägige Umweltinformationsgesetz dahingehend auslegt, dass ein Antrag auf Zugänglichmachung von Umweltinformationen in Fällen wie dem vorliegenden (vgl. Voraussetzungen nach Nr. 3) mit der Begründung abgelehnt werden kann, dass dieser offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde.

Gründe

I.

Gegenstand und wesentlicher Verlauf des Rechtsstreits:

1. Die Beklagte wurde durch das Gesetz zur Errichtung des Unternehmens „Bayerische Staatsforsten“ (Staatsforstengesetz - StFoG) vom 9. Mai 2005 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl] S. 138) als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Auftrag gegründet, das Forstvermögen des Freistaates Bayern, insbesondere den Staatswald, zu bewirtschaften, nachdem die im Eigentum des Freistaates Bayern stehenden Wälder (der „Staatswald“) zuvor durch Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung betreut worden waren.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe von Informationen u. a. über alte Buchen- und sonstige Laubwaldbestände sowie über Douglasien- und Roteichenanpflanzungen in Bezug auf bestimmte Teile des Gebiets des Freistaats Bayern. Die Beklagte lehnt das Begehren im Wesentlichen ab.

Mitglieder des Klägers haben in der jüngeren Vergangenheit wiederholt rechtswidrige, teilweise auch strafbare Taten im Rahmen von „Kampagnen“ durchgeführt, welche sich gegen die Waldbewirtschaftung durch die Beklagte richteten. Aktivisten des Klägers haben am 10. April 2012 in einem Teil des Staatswaldes Douglasiensetzlinge (eigenem Bekunden zufolge 1.967 Stück) dem Erdreich entnommen und unter Verwendung dieser Pflanzen vor dem Dienstgebäude des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegen die Unterpflanzung alter Buchenwälder mit Douglasien protestiert.

Darüber hinaus kam es in den Jahren 2012 und 2013 zu folgenden weiteren auf den Staatswald bezogenen Handlungen von Aktivisten des Klägers:

– Mehrere von ihnen postierten sich - eigener Darstellung zufolge am 14. und am 18. Dezember 2012 - vor zur Fällung vorgesehenen Bäumen, um diese Arbeiten zu behindern (vgl. dazu die beiden Presseerklärungen des Klägers vom 14.12.2012 [„Greenpeace-Aktivisten schützen alte Bäume vor Motorsäge“] und vom 18.12.2012 [„Greenpeace-Aktivisten schützen Buchenwald erneut vor Einschlag“]).

– An mehreren hundert Bäumen wurden Markierungen, durch die diese Bäume als für den Einschlag bestimmt gekennzeichnet worden waren, aber auch mehrere hundert andere, nicht für eine Fällung vorgesehene Bäume mit grüner Farbe übersprüht, so dass die Forstarbeiter die einzuschlagenden Bäume nicht mehr zu identifizieren vermochten. In seinen Presseerklärungen vom 14. Dezember 2012 und vom 18. Dezember 2012 erwähnt der Kläger auch diese Vorkommnisse. Die neue Feststellung der zu fällenden Bäume und deren Markierung beanspruchten nach Darstellung der Beklagten zwei volle Arbeitstage.

– Am 12. März 2013 ketteten sich Aktivistinnen des Klägers an einen Bagger an, mit dem im Staatswald eingeschlagene Buchenstämme zum Zwecke des Abtransports auf einen Lastkraftwagen verladen wurden, so dass die Verladearbeiten für die Dauer von zwei bis zweieinhalb Stunden unterbrochen werden mussten. Wegen dieses Verhaltens wurde gegen eine der Täterinnen durch den in Ablichtung beigefügten Strafbefehl des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17. September 2013 eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 € festgesetzt. Dieser Strafbefehl wurde nach Rücknahme des seitens der Angeklagten hiergegen erhobenen Einspruchs rechtskräftig (vgl. das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 20.1.2014).

2. Die vom Kläger erhobene Klage, mit der er sein Begehren in etwas modifiziertem Umfang weiterverfolgte, wies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg durch Urteil vom 10. Oktober 2013 (Aktenzeichen RO 7 K 12.681) als unbegründet ab, da zur Überzeugung des Gerichts feststehe, dass die Beklagte nicht über die vom Kläger verlangten Informationen verfüge.

3. In der Berufungsinstanz begehrt der Kläger nunmehr die Verurteilung der Beklagten, ihm folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

1. alle Daten der Revierbuchblätter (und zwar Baumart, Alter, Brusthöhendurchmesser, Höhe, Mischungsanteil, Vorrat, Vorrat je Hektar, Zuwachs je Hektar, Nutzungssatz, Verjüngungsplanung, Bestandsbeschreibung, Maßnahmen, Fläche, gegebenenfalls Kategorisierung als Klasse-1- und Klasse-2-Wald) derjenigen Waldorte, in denen die Stichprobenpunkte liegen, in denen bei der jeweils letzten Inventur Laubbäume ermittelt wurden, die zum heutigen Zeitpunkt mindestens 140 Jahre alt sind, in maschinell auswertbarer, digitaler Form einschließlich Shapefiles über die Lage und Ausdehnung dieser Waldorte, sowie die Daten zu Baumart und Alter der in diesem Waldort gelegenen Stichprobenpunkte ebenfalls in maschinenlesbarer, digitaler Form, und zwar in den genannten Forstbetrieben;

2. digitale Shapefiles ab 2014 der mit Douglasien bepflanzten Buchen- und Eichenwaldbestände im Alter von mindestens 140 Jahren zum heutigen Zeitpunkt in den genannten Forstbetrieben;

3. hilfsweise Daten und Lage sowie Ausdehnung der Klasse-1- und Klasse-2-Laubwaldbestände in Form von Shapefiles in den genannten Forstbetrieben.

Bei den „genannten Forstbetrieben“ handelt es sich um 13 der 41 Organisationseinheiten des Beklagten, die dem Vorstand der Beklagten unmittelbar nachgeordnet sind. Soweit der Kläger Daten in Bezug auf „Klasse-1-Wälder“ bzw. „Klasse-2-Wälder“ begehrt, knüpft er an eine Einteilung an, die die Beklagte in dem von ihr entwickelten Naturschutzkonzept vorgenommen hat. Waldbestände der Klasse 1 sind danach solche, die aufgrund ihres hohen Alters oder wegen ihrer Besonderheit eine naturschutzfachliche Ausnahmestellung einnehmen; hierzu gehören z.B. über 180 Jahre alte Buchen- und mehr als 300 Jahre alte Eichenbestände. Waldbestände, die über ein hohes Alter verfügen und gleichzeitig eine naturnahe Baumartenzusammensetzung aufweisen (z.B. Buchen-, Eichen- oder Edellaubholzbestände mit einem Mindestalter von in der Regel mindestens 140 Jahren), ordnet die Beklagte der Klasse 2 zu.

II.

Rechtliche Ausgangslage und Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen:

Nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Überlassung der Umweltinformationen, die Gegenstand der aktuellen Klageanträge sind, grundsätzlich zu, so dass die Berufung Erfolg haben müsste. Anders verhielte es sich, falls das Klagebegehren deshalb abzulehnen wäre, weil die „öffentliche Sicherheit“ im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG einem Zugang des Klägers zu den streitgegenständlichen Umweltinformationen entgegensteht oder falls das diesbezügliche Begehren als offensichtlich rechtsmissbräuchlich im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG zu werten wäre.

1. Über die Klage ist anhand des der Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG dienenden Bayerischen Umweltinformationsgesetzes (BayUIG) vom 8. Dezember 2006 (GVBl S. 933), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015 (GVBl S. 458), zu befinden.

Es steht außer Streit, dass es sich bei den Daten, deren Überlassung mit der Klage gefordert wird, um „Umweltinformationen“ im Sinn von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie und der damit korrespondierenden Bestimmungen des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes handelt. Die Beklagte stellt offenbar auch nicht mehr in Abrede, dass die nunmehr streitgegenständlichen Informationen bei ihr grundsätzlich „vorhanden“ sind, wie dies das Bayerische Umweltinformationsgesetz in sachlicher Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2003/4/EG verlangt. An der Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Fragen ändert auch nichts, dass der Beklagte behauptet, ein Großteil der Informationen, deren Überlassung der Kläger mit dem Antrag 3 verlangt, sei ohnehin öffentlich zugänglich, da dieser Antrag nur hilfsweise gestellt wurde.

2. Die Ablehnungsgründe der negativen Auswirkungen einer Bekanntgabe der verfahrensgegenständlichen Informationen auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/4/EG; Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayUIG) bzw. auf „Rechte an geistigem Eigentum“ (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4/EG; Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayUIG) stehen dem Anspruch des Klägers nach dem derzeitigen Stand der Überzeugungsbildung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen. Sollten die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes, die der Umsetzung der vorgenannten Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG dienen, überhaupt erfüllt sein, so würde jedenfalls die gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayUIG erforderliche Abwägung zu dem Ergebnis führen, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der verfahrensgegenständlichen Informationen etwa entgegenstehende Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse der Beklagten oder Urheberrechte, die der Beklagten und dem Beigeladenen an den Dateien zustehen, deren Inhalte dem Kläger für den Fall seines Obsiegens überlassen werden müssten, überwiegt. Nach Überzeugung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass sich Mitglieder der Zivilgesellschaft authentisch (d.h. durch Zugang zu originären, im Bereich der Beklagten angefallenen Daten) darüber informieren können, ob und wie die Beklagte den gesetzlichen Auftrag zur (besonderen) Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange, namentlich zur Erhaltung oder Schaffung standortgemäßer und naturnaher Wälder, erfüllt, ob sie insbesondere dieser gesetzlichen Vorgabe auch dort noch in gebührender Weise Raum gibt, wo sie in Widerspruch zu ökonomischen Interessen steht. Der gesetzliche Auftrag ergibt sich u.a.

aus Art. 18 Abs. 1 Sätze 1 und 3 des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 2005 (GVBl S. 313), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286):

„1Der Staatswald dient dem allgemeinen Wohl in besonderem Maß und ist daher vorbildlich zu bewirtschaften. 2… 3Die mit der Bewirtschaftung und Verwaltung betrauten Stellen haben insbesondere standortgemäße, naturnahe, gesunde, leistungsfähige und stabile Wälder zu erhalten oder zu schaffen. …“.

Dem Kläger kann nicht abgesprochen werden, dass er (auch) diesem öffentlichen Interesse dienen möchte, also der Information der Mitglieder der Zivilgesellschaft, der fachlichen Bewertung der erhaltenen Informationen und der publizistischen Auseinandersetzung darüber.

3. Dessen ungeachtet kommt aus Sicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unter Berücksichtigung des auch die deutsche Rechtsordnung prägenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Betracht, dass die Klage deshalb abzuweisen ist, weil konkret Anlass zu der Besorgnis besteht, dass der Kläger die Informationen, deren Überlassung er im vorliegenden Rechtsstreit erstrebt, auch dazu nutzen könnte, um seinen Mitgliedern erneute Rechtsverletzungen zum Nachteil der Beklagten im Bereich der alten Buchen- und Laubwälder zu ermöglichen.

3.1 Diese Besorgnis folgt zunächst aus der Tatsache, dass Aktivisten des Klägers - wie in Abschnitt I.1 der Gründe dieses Beschlusses dargestellt - bereits in der Vergangenheit gegenüber der Beklagten eine Mehrzahl strafbarer oder sonst rechtswidriger Handlungen im Bereich der alten Buchen- und Laubwälder vorgenommen haben.

3.1.1 Das Ausreißen der Douglasien am 10. April 2012 erfüllte jedenfalls insofern, als diese Pflanzen später zugrunde gegangen sind, den Straftatbestand der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB). Diese Bestimmung lautet:

„Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

3.1.2 Ebenfalls den Straftatbestand der Sachbeschädigung erfüllte das Besprühen von Bäumen mit grüner Farbe. Denn § 303 Abs. 2 StGB bestimmt:

„Ebenso [d.h. wie nach § 303 Abs. 1 StGB] wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.“

3.1.3 Die Behinderung des Abtransports eingeschlagenen Holzes am 12. März 2013 stellte nach der Rechtsüberzeugung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine strafbare Nötigung (§ 240 StGB) dar. Diese Vorschrift lautet in ihren Absätzen 1 und 2:

„(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“

Wie aus dem rechtskräftig gewordenen Strafbefehl des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17. September 2013 ersichtlich, hat auch das Amtsgericht mit Blickrichtung auf die am 12. März 2013 durchgeführte Blockadeaktion sowohl das Tatbestandsmerkmal des Einsatzes von Gewalt durch die verurteilte Aktivistin des Klägers als auch die Verwerflichkeit ihrer Handlungsweise im Sinn von § 240 Abs. 2 StGB bejaht.

3.1.4 Die Behinderung von Baumfällarbeiten, zu denen es nach den Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl vom 17. September 2013 nicht nur am 14. und am 18. Dezember 2012, sondern an sieben weiteren Tagen zwischen dem 10. April 2012 und dem 4. März 2013 kam, erfüllt zwar - soweit erkennbar - keinen Straftatbestand, ist aber gleichwohl rechtswidrig, da die Aktivisten des Klägers insoweit zumindest verbotene Eigenmacht im Sinn von § 858 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Gestalt einer Besitzstörung begangen haben. Diese Vorschrift lautet:

„Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).“

3.2 Die konkrete Besorgnis, dass es erneut zu Straftaten oder anderen rechtswidrigen Handlungen in Bezug auf den Staatswald kommt, resultiert ferner aus dem Umstand, dass sich der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit mit großer Beharrlichkeit geweigert hat, eine Erklärung dahingehend abzugeben, er werde künftig von rechtswidrigen Handlungen im Bereich der alten Buchen- und Laubwälder gegenüber der Beklagten absehen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs hätte eine solche Erklärung die hier in Betracht kommenden Ablehnungsgründe gegenüber dem streitgegenständlichen Begehren hinreichend entkräften können. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies in der mündlichen Verhandlung gegenüber den Beteiligten deutlich gemacht. Umso mehr Gewicht hat die diesbezügliche Verweigerungshaltung des Klägers nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs.

Gemäß der Würdigung der Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat sich der Kläger ausdrücklich vorbehalten, dass durch seine Mitglieder auch künftig rechtswidrige und teilweise strafbare Schädigungen von Rechtsgütern der Beklagten durchgeführt werden, die dem Kläger als Veranlasser zurechenbar sind. Nach Einschätzung des Gerichts besteht zudem eine erhebliche konkrete Gefahr der künftigen Begehung solcher Straftaten unter Verwendung derjenigen Informationen, die Gegenstand des streitgegenständlichen Auskunftsverlangens sind. Der Kläger könnte zwar mit einem gewissen Recht geltend machen, die Informationen auch aus anderer Quelle erhalten zu haben. Das Gericht geht insofern aber davon aus, dass diese Informationen geeignet sind, eine solche Tatbegehung erheblich zu erleichtern und zu befördern.

3.3 Weiter gesteigert wird die Befürchtung, dass es auch künftig zu Straftaten und anderen rechtswidrigen Handlungen von Mitgliedern des Klägers gegen die Beklagte kommen könnte, durch den Umstand, dass der Kläger die Begehung von Straftaten und die Vornahme sonstiger Rechtsverletzungen, die der öffentlichkeitswirksamen Darstellung umweltbezogener Gegebenheiten dienen, sowohl generell als auch mit Bezug auf die Thematik der alten Laub- und Buchenwälder nicht als missbilligenswert, sondern als legitim, werthaltig und förderungswürdig einstuft.

Deutlich erkennbar wird diese Einstellung der Verantwortlichen des Klägers selbst - und nicht nur seiner Mitglieder - gegenüber der Rechtsordnung zum Beispiel in dem Teil seines Internetauftritts, in dem er den von ihm vorgehaltenen „Umwelt-Rechtshilfefonds“ vorstellt. Eingangs dieses Artikels wird geschildet, wie Aktivisten des Klägers am 22. Juni 2009 in das Gelände eines Kernkraftwerks eingedrungen sind und die Kuppel dieser Anlage bemalt haben. Obwohl ein derartiges Verhalten die Straftatbestände des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) sowie der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 2 StGB erfüllt und die Androhung von Kriminalstrafe das stärkste Mittel darstellt, das dem Gesetzgeber zur Verfügung steht, um ein Unwerturteil über ein Tun oder Unterlassen abzugeben, wird derartiges Verhalten in dem vorerwähnten Internetartikel als der - auch finanziellen - Unterstützung wert dargestellt; als die unrechtmäßig Handelnden werden die Amtsträger der Strafverfolgungsbehörden dargestellt, die sich die Ahndung der von den Aktivisten begangenen Delikte angelegen sein lassen, während diesen Straftätern die Rolle von Opfern zugewiesen wird, die davor geschützt werden müssten, für ihr Tun zur Verantwortung gezogen zu werden.

Eine gewisse Bagatellisierung von Verstößen gegen die gesetzlich vorgegebene Wertordnung stellt es auch dar, wenn die am 10. April 2012 an ca. 2.000 Douglasiensetzlingen begangene Sachbeschädigung in dem hierüber berichtenden Artikel aus dem Internetauftritt des Klägers als „Sicherstellung“ dieser Pflanzen deklariert wird. Wenn der Kläger die Inbesitznahme der von seinen Aktivisten ausgerissenen Pflanzen mit dem sprachlichen Etikett der „Sicherstellung“ versieht, so stellt sich dies erkennbar als Versuch dar, den Unrechtsgehalt solchen Tuns im Bewusstsein der Öffentlichkeit dadurch abzumildern, dass derartige Verhaltensweisen Handlungen gleichgestellt werden, die dazu dienen, künftige Rechtsverletzungen zu verhindern oder bereits vorgenommene Rechtsverletzungen zu ahnden. Die gezielt verharmlosende Bezeichnung der am 10. April 2012 begangenen Sachbeschädigungen in Abschnitt A.III.2 (Seite 14) des Schriftsatzes der Klagebevollmächtigten vom 16. Januar 2017 als „Auspflanzung“ von Douglasien fügt sich in das Bild, dem zufolge sich die für den Kläger handelnden Personen in bestimmten Bereichen nicht an die normativen Vorgaben der Rechtsordnung gebunden fühlen, sondern an deren Stelle ihre eigene, hierzu in Widerspruch stehende Wertung setzen.

3.4 Soweit die Klägerbevollmächtigte die unterbliebene Zusage künftigen rechtskonformen Verhaltens gegenüber der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem

Verwaltungsgerichtshof damit zu begründen versucht hat, der Kläger sei nicht in der Lage, eine etwaige dahingehende Verpflichtungserklärung gegenüber seinen Mitgliedern durchzusetzen, entspricht das nicht den rechtlichen Gegebenheiten. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr aufgrund der Satzung des Klägers davon aus, dass dieser durch Weisungen und Ausschlussverfahren bei gesetzeswidrigem Verhalten über effektive Instrumente verfügt, um zu verhindern, dass von Mitgliedern rechtswidrige Taten begangen werden, die ihm zugerechnet werden können. Gemäß § 5 Nr. 2 Satz 5 der Satzung sind die Greenpeace-Gruppen u. a. an die Beschlüsse und Weisungen des Vereins gebunden. § 6 Nr. 4 Satz 1 und 3 der Satzung ermächtigt die Geschäftsführung des Klägers (hierbei handelt es sich gemäß § 11 Nr. 2 Satz 2 der Satzung um den Vorstand im Sinn des deutschen Vereinsrechts), ein Mitglied u. a. dann aus dem Verein auszuschließen, „wenn es sich gesetzeswidrig … verhält“.

4. Zwar wären der Kläger und seine Mitglieder - wie die Vorkommnisse in der Vergangenheit zeigen - zu derartigen Rechtsbrüchen in gewissem Umfang auch unabhängig von den Informationen in der Lage, deren Überlassung mit der Klage erstrebt wird. Müssten sie dem Kläger zur Verfügung gestellt werden, so würde dies die Begehung strafbarer oder sonst rechtswidriger Taten zu Lasten der Beklagten jedoch signifikant erleichtern.

Dies gälte namentlich dann, wenn der Kläger auf diese Weise Kenntnis von dem den einzelnen Waldbestand betreffenden Nutzungssatz sowie von der diesen Bestand betreffenden Verjüngungsplanung sowie sonstigen diesbezüglichen Maßnahmen der Beklagten erlangen würde, wie er das mit dem nunmehrigen Klageantrag 1 u. a. erstrebt. Während sich nämlich gewisse Kenntnisse über die in einem Waldbestand vorhandenen Baumarten, ihr ungefähres Alter und ihre annähernde Höhe - insbesondere für forstwirtschaftlich vorgebildete Personen, über die der Kläger verfügt - grundsätzlich auch durch eine Inaugenscheinnahme des jeweiligen Waldes gewinnen lassen, handelt es sich beim Nutzungssatz, der Verjüngungsplanung und den sonstigen in Bezug auf den jeweiligen Bestand ins Auge gefassten Maßnahmen der Beklagten um ein Wissen, das dem Kläger erst dann verfügbar würde, wenn seiner Klage stattzugeben sein sollte.

5. Die Zuerkennung des klageweise geltend gemachten Anspruchs an den Kläger hätte dann zu unterbleiben, falls Ablehnungsgründe im Sinn von Art. 4 der Richtlinie 2003/4/EG eingreifen.

5.1 In der Verpflichtung einer Behörde zur Herausgabe von Informationen könnte eine konkrete Gefahr negativer Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG gesehen werden, wenn wie hier die konkrete Gefahr besteht, dass diese Informationen nicht nur, aber auch für rechtswidrige, teilweise auch strafbare Schädigungen der Rechtsgüter eines Unternehmens des Rechtsträgers dieser Behörde verwendet werden.

Die mit Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG korrespondierende Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG lautet wie folgt:

„Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf

1. die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder die öffentliche Sicherheit,…

ist der Antrag abzulehnen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.“

Die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands würde zunächst voraussetzen, dass hierunter auch tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdungen von Grundinteressen der Gesellschaft fallen.“

Zum Bedeutungsgehalt des Begriffs der „öffentlichen Sicherheit“ speziell im Kontext der Richtlinie 2003/4/EG hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union - soweit ersichtlich - noch nicht geäußert; dies gilt auch für das Urteil vom 28. Juli 2011 in der Rechtssache C-71/10 (Sammlung 2011, I-7205).

In anderen Zusammenhängen hat der Gerichtshof der Europäischen Union allerdings ausgeführt, der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasse sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates; hierzu gehörten die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen eines Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung, die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker sowie eine Beeinträchtigung militärischer Interessen (vgl. vor allem EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Sammlung 2010, I-11979, Rn. 43 f.).

Sollte dieses „enge“ Verständnis des Begriffs der „öffentlichen Sicherheit“ auch im Rahmen der Richtlinie 2003/4/EG Geltung beanspruchen, könnte Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG dem Klagebegehren nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegengesetzt werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 23. November 2010 (C-145/09 - Sammlung 2010, I-11979, Rn. 45 f.) festgehalten hat, die Bekämpfung der mit bandenmäßigem Betäubungsmittelhandel verbundenen Kriminalität müsse angesichts der damit einhergehenden Bedrohung der Gesundheit, der Sicherheit und der Lebensqualität der Unionsbürger sowie der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten nicht zwingend aus dem so verstandenen Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ ausgenommen bleiben. Denn die zum Verhaltensrepertoire des Klägers und seiner Mitglieder zählenden Straftaten - hierzu gehören vor allem Nötigungen, Sachbeschädigungen und Hausfriedensbrüche - bewegen sich von ihrer Schwere her deutlich unter diesem Niveau.

Anders verhielte es sich, falls der in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG verwendete Begriff der öffentlichen Sicherheit einer Auslegung zugänglich sein sollte, die dem Bedeutungsgehalt der in zahlreichen Normen des primären und sekundären Unionsrechts verwendeten Rechtsfigur der „öffentlichen Ordnung“ nahekommt. Dieses Institut kann die Versagung eines rechtlichen Vorteils nach der Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union dann rechtfertigen, „wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ (vgl. jüngst z.B. EuGH, Urteil vom 2.6.2016 - C-438/14 - ECLI:ECLI:EU:C:2016:401 Rn. 67). Anerkannt ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ferner, dass die konkreten Umstände, die möglicherweise die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung rechtfertigen, von einem Mitgliedstaat zum anderen und im zeitlichen Wechsel verschieden sein können, und dass deswegen den zuständigen innerstaatlichen Behörden innerhalb der durch das Unionsrecht gezogenen Grenzen ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (EuGH, Urteil vom 2.6.2016 - C-438/15 - ECLI:ECLI:EU:C:2016:401 Rn. 68).

Weiter müsste es sich innerhalb des Beurteilungsspielraums des Gerichts eines Mitgliedstaates bei der Bestimmung eines Grundinteresses der jeweiligen Rechts- und Gesellschaftsordnung bewegen, wenn - unter Berücksichtigung des auch die deutsche Rechtsordnung prägenden Grundsatzes von Treu und Glauben und der durch die Rechtsordnung zu gewährende Rechtsgüterschutz - eine Behörde als nicht ver 56 pflichtet angesehen wird, bei ihr vorhandene Umweltinformationen herauszugeben, bei denen die konkrete Gefahr besteht, dass sie für rechtswidrige, teilweise auch strafbare Schädigungen der Rechtsgüter eines Unternehmens des Rechtsträgers dieser Behörde verwendet werden.

Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Verwaltungsrechts. Hierzu gehört auch die Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung, wonach die Ausübung eines Rechts unzulässig sein kann, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint (BVerwG, U.v. 20.3.2014 - 4 C 11/13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 29 und 31 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Informationsbegehren des Klägers eine unzulässige Rechtsausübung in diesem Sinne gesehen werden, weil die konkrete Gefahr besteht, dass er die gewünschten Informationen nicht nur, aber auch zur Begehung rechtswidriger und teilweise strafbarer Schädigungen der informationspflichtigen Stelle verwenden wird.

5.2 Das Auskunftsbegehren des Klägers könnte auch „offensichtlich missbräuchlich“ im Sinn von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG und der damit wortgleich übereinstimmenden Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG, sein. Die letztgenannte Vorschrift lautet wie folgt:

„Soweit ein Antrag

1. offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, ...

ist er abzulehnen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.“

Einerseits könnte von offensichtlichem „Missbrauch“ eines Rechts nur dann gesprochen werden, wenn dieses Recht ausschließlich oder jedenfalls überwiegend in Anspruch genommen wird, um auf diesem Weg Zwecke zu verfolgen, die von der Zielsetzung entweder des reklamierten subjektiven Rechts oder der Rechtsordnung insgesamt nicht umfasst werden oder hierzu sogar in Widerspruch stehen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 28.7.2016 - 7 C 7/14 - NVwZ 2016, 1814 Rn.“

18) hat jedenfalls eine Regelung im Umweltinformationsgesetzes eines Landes als mit Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG vereinbar angesehen, die nach der Begründung des Gesetzentwurfs die Annahme eines Missbrauch z.B. dann erlauben soll, wenn sich aus der Gesamtschau der Umstände des Falles ergibt, dass die Antragstellung überwiegend erfolgt, um die behördliche Arbeitskraft zu binden.

Ein zumindest überwiegender missbräuchlicher Zweck des Auskunftsbegehrens lässt sich im vorliegenden Fall nicht bejahen (vgl. oben 2. am Ende). Der missbräuchliche Zweck stellt vielmehr eine Art Nebenzweck des Zugangs zu den begehrten Umwelt-informationen dar.

Andererseits könnte ein „offensichtlich missbräuchliches“ Auskunftsbegehren auch bereits deshalb bejaht werden, weil die erstrebten Daten nach der Würdigung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch die Begehung erneuter Straftaten und die Vornahme sonstiger rechtswidriger Handlungen gegen die Beklagte erleichtern und mit erheblicher Wahrscheinlichkeit hierzu verwendet würden. Es handelt sich dabei zwar nicht um den Hauptzweck des Informationsverlangens, jedoch um einen für den Beklagten besonders belastenden Nebenzweck. Für diese Auslegung des Ausnahmetatbestands könnte sprechen, dass es für den Betroffenen, dessen Rechtsgüter durch die Begehung rechtswidriger und teilweise auch strafbarer Handlungen geschädigt werden, unerheblich ist, ob die Verwendung der begehrten Informationen zur Tatbegehung das Hauptziel des Auskunftsverlangens oder nur dessen Nebenzweck darstellt. Der Rechtsgüterschutz, dem der Ausnahmetatbestand insoweit dient, könnte es in beiden Fällen gleichermaßen erfordern, die Informationsherausgabe zu verweigern. Auch stellt die Ablehnung der Informationsherausgabe die einzig effektive Möglichkeit dar, eine künftige Tatbegehung deutlich zu erschweren. Ohne die begehrten Information ist der Kläger z.B. nicht gleichermaßen in der Lage, Aktionen zu planen, mit denen gezielt die Fällung von Buchen einer bestimmten Altersgruppe in rechtswidriger Weise verhindert wird. Für die Annahme einer „offensichtlichen“ Missbräuchlichkeit könnte zudem sprechen, dass sich die Verwendung der begehrten Informationen zur Begehung rechtswidriger und teilweise auch strafbarer Taten gegen die informationspflichtige Stelle selbst richten würde. Die Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung des Ablehnungsgrundes nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG könnte gerade dazu dienen, den Schutz vor der Begehung rechtswidriger und strafbarer Handlungen zu gewähr

leisten (vgl. zu einer Ablehnung zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens EuGH, B.v. 8.5.2014 - C-329/13 - ABl EU 2014, Nr. C 261, 6 Rn. 33). Letztlich würde die Annahme eines Ablehnungsgrundes in diesem Sinne dem Schutz der Rechte Dritter dienen. Es könnte auch im Hinblick auf Art. 54 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zulässig sein, eine Berufung auf einen Auskunftsanspruch als missbräuchlich anzusehen, wenn die Anspruchserfüllung zu einer Gefährdung solcher Rechte beitragen würde. Hinzu kommt, dass der Kläger - jedenfalls nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. oben 3.2) - ein zumutbarer Weg offen stünde, um den Ablehnungsgrund doch noch zu entkräften.

In der Rechtsprechung des EuGH ist soweit ersichtlich noch nicht geklärt, ob eine solche, relativ weite Auslegung des Ablehnungsgrundes eines offensichtlich missbräuchlich gestellten Antrags mit Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG vereinbar wäre.

5.3 Eine Abweisung der Klage kommt nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur in Betracht, falls dem Klagebegehren entgegengehalten werden könnte, die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Informationen hätte negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit oder wäre offensichtlich missbräuchlich im vorgenannten Sinn. Sollte einer dieser beiden Ablehnungsgründe vorliegen, würde der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch unter Berücksichtigung der gebotenen engen Auslegung der Ablehnungsgründe davon ausgehen, dass im vorliegenden Einzelfall das öffentliche Bekanntgabeinteresse nicht überwiegt (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2003/4/EG). Dafür spricht insbesondere, dass eine rechtsverbindliche Erklärung des Klägers mit dem Inhalt, dass er eine Verwendung der begehrten Informationen zur Begehung rechtswidriger Taten unter Ausschöpfung seiner Möglichkeiten unterbinden wird, nach vorläufiger Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den Ablehnungsgrund ausräumen würde. Es wäre z.B. rechtlich grundsätzlich zulässig und praxisüblich, eine solche Maßgabe betreffend die Verwendung der überlassenen Informationen in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der jeweiligen informationspflichtigen Stelle und dem Antragsteller zu regeln.

Dr. Schenk Demling Nebel

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(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.

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(3) Der Versuch ist strafbar.

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(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).

(2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.

2

Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.

3

Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.

4

Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.

5

Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).

6

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).

9

1. Die Revision ist zulässig.

10

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.

11

In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.

12

2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.

13

a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.

14

Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.

15

b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.

16

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.

17

Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.

18

c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.

19

Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.

20

d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.

21

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).

22

Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.

23

Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.

24

Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.

25

Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.

26

Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.

27

Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.

28

e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.

29

Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).

30

Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).

31

Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.

32

Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.

33

Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

34

Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.

35

3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

36

Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten Einsicht in sicherheitstechnische Unterlagen der Beigeladenen, eines Pharmaunternehmens. Er ist Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Hotel betreibt. Für dieses Grundstück setzt der Bebauungsplan wegen der immissionsschutzrechtlichen Stellung des nahegelegenen Betriebsgeländes der Beigeladenen Nutzungsbeschränkungen fest.

2

Im Januar 2011 beantragte der Kläger auf der Grundlage des Landesinformationsgesetzes Zugang zu im Einzelnen benannten Umweltinformationen über den Betrieb der Beigeladenen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 ab: Der Antrag sei offensichtlich missbräuchlich. Denn der Kläger habe nicht nur bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion des Beklagten, sondern auch bei anderen Behörden mehrere 100 die Beigeladene betreffende Anträge auf Informationszugang gestellt. Die hohe Anzahl der Anträge habe die Arbeitskraft der Mitarbeiter der Behörden in erheblichem Umfang gebunden.

3

Auf die nach erfolglosen Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und wies die Klage im Übrigen ab: Der Kläger habe grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung der Umweltinformationen. Der Antrag erweise sich nicht als offensichtlich missbräuchlich. Ob andere Versagungsgründe vorlägen, stehe derzeit allerdings nicht fest. Insbesondere habe der Beklagte die Beigeladene zur Frage von schutzwürdigen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nicht angehört. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Verpflichtungsbegehren sei demnach nicht spruchreif.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Beteiligten zurückgewiesen. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht eine offensichtlich missbräuchliche Antragstellung verneint. Nur wenn das Handeln des die Umweltinformation Begehrenden allein durch Motive geleitet sei, die nicht die Förderung des Umweltschutzes zum Inhalt hätten, könne ein offensichtlich missbräuchlicher Antrag bejaht werden. Ein solcher Sachverhalt liege nicht vor. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht die Spruchreife verneint.

5

Gegen dieses Urteil haben der Kläger, der Beklagte und die Beigeladene die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

6

Der Kläger macht zur Begründung geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe die Sache spruchreif machen müssen. Ein Entscheidungsspielraum der Behörde bestehe weder nach Unionsrecht noch nach nationalem Recht. Anderes folge weder daraus, dass möglicherweise Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen in Rede stünden, noch im Hinblick auf die Art der Informationserteilung. Ein Bescheidungsurteil in einem Verfahren dieser Art widerspreche der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG. Danach seien dem Antragsteller die Gründe für die Ablehnung des Zugangs zu Umweltinformationen binnen zwei Monaten mitzuteilen. Daraus folge die Pflicht des Gerichts, die Sache spruchreif zu machen. Im Übrigen verteidigt der Kläger das Berufungsurteil.

7

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2013 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2012 zu verpflichten,

a) die Sicherheitstechnische Prüfung des TÜV Pfalz nach § 29a BImSchG (Ordner 11 Nr. 30) aus dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag zu dem Pharmawirkstoffbetrieb der Beigeladenen,

b) das TÜV-Gutachten Nr. AT/97/AS 2403/02 mit allen Anhängen zu dem Pharmawirkstoffbetrieb der Beigeladenen sowie

c) den Abschlussbericht des TÜV Pfalz Nr. TPA/02/AS 2403/13 zu dem Pharmawirkstoffbetrieb der Beigeladenen in Kopie zur Verfügung zu stellen,

2. die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.

8

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24. April 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen,

2. die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Das Oberverwaltungsgericht habe das Landesrecht nicht gemäß der Umweltinformationsrichtlinie ausgelegt. Diese gebiete ein weiteres Verständnis des Versagungsgrundes der missbräuchlichen Antragstellung. Denn in der englischen Sprachfassung sei - wie auch in anderen Fassungen - nicht von einer "missbräuchlichen", sondern von einer "unzumutbaren" oder "unangemessenen" Antragstellung die Rede. Außerdem habe das Oberverwaltungsgericht den Begriff "offensichtlich missbräuchlich" nicht richtlinienkonform ausgelegt. Zu Unrecht habe es die Absicht gefordert, ausschließlich einen umweltrechtswidrigen Zweck zu verfolgen.

10

Die Beigeladene trägt insbesondere vor: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen einer missbräuchlichen Antragstellung widerspreche dem unionsrechtlichen Grundsatz, dass eine Vorschrift praktische Wirksamkeit entfalten solle. Das enge Verständnis des Oberverwaltungsgerichts führe zu einer grundsätzlichen Nichtanwendung des Ablehnungsgrundes.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht macht im Wesentlichen geltend: Die Vorinstanzen hätten das Merkmal des offensichtlichen Missbrauchs zutreffend im Sinne der Umweltinformationsrichtlinie ausgelegt. Dass dieser Ablehnungsgrund in der Vollzugspraxis möglicherweise leerlaufe, widerspreche der Umweltinformationsrichtlinie nicht. Denn die Schaffung und Ausgestaltung von Ablehnungsgründen seien in das Entschließungs- und Auswahlermessen des nationalen Gesetzgebers gestellt. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Prüfung sämtlicher in Betracht kommender Ablehnungsgründe veranlassen und den Beklagten und die Beigeladene zur Stellungnahme auffordern müssen. Im Anschluss daran müsse das Gericht das Vorliegen dieser Gründe selbst überprüfen. Gegebenenfalls sei ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchzuführen.

12

Während des Revisionsverfahrens ist das Landestransparenzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz (LTranspG RP) vom 27. November 2015 (GVBl. S. 383) in Kraft getreten, das neben den Bestimmungen des Landesinformationsfreiheitsgesetzes auch die des Landesumweltinformationsgesetzes ersetzt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben mit dem Ergebnis der (Teil-)Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Erfolg (2.). Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen (3.). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist die derzeit geltende Rechtslage zugrundezulegen (1.).

14

1. Rechtsänderungen, die nach Erlass des Berufungsurteils eintreten, sind im Revisionsverfahren beachtlich, wenn das Berufungsgericht, entschiede es nunmehr anstelle des Revisionsgerichts, sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. bereits BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 1954 - 5 C 97.54 - BVerwGE 1, 291 <298 ff.> und vom 1. Dezember 1972 - 4 C 6.71 - BVerwGE 41, 227 <230>; zuletzt Urteil vom 14. April 2016 - 7 C 12.14 - NVwZ 2016, 1183 Rn. 9). Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts sind die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klageantrags Geltung beimessen. Dies gilt auch für die Vorschriften des irrevisiblen Rechts. Demnach müsste das Oberverwaltungsgericht über das Verpflichtungsbegehren des Klägers nach dem am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Landestransparenzgesetz (LTranspG RP) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. November 2015 (GVBl. 2015, 383) (§ 30 Abs. 1 LTranspG RP) entscheiden. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Prüfung der Begründetheit einer Verpflichtungsklage nach Maßgabe des materiellen Rechts in der Regel der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 - BVerwGE 152, 319 Rn. 34 und Beschluss vom 30. Januar 2014 - 7 B 21.13 - juris Rn. 8; zur Prüfung von Versagungsgründen bei Informationszugangsanträgen siehe BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 33), legt § 26 Abs. 3 LTranspG RP ausdrücklich fest, dass auch über vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Anträge nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes zu entscheiden ist.

15

Der Berücksichtigung einer Änderung landesrechtlicher Bestimmungen schon auf der ersten Stufe der Prüfung der Begründetheit der Revision steht § 137 Abs. 1 VwGO nicht entgegen. Danach ist Voraussetzung für den Erfolg der Revision ein Verstoß gegen revisibles Recht, zu dem auch das Unionsrecht zählt. Daraus folgt aber nicht, dass eine Änderung des irrevisiblen Rechts im Rahmen dieser Prüfung nur dann von Bedeutung sein kann, wenn es mit dem als Maßstab heranzuziehenden revisiblen Recht im Sinne einer Vorfrage normativ verknüpft ist oder dieses zumindest berührt (siehe etwa BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1972 - 4 C 6.71 - BVerwGE 41, 227 <231>, vom 17. Dezember 1976 - 4 C 37.74 - Buchholz 445.4 § 20 WHG Nr. 1 S. 2 und vom 28. Oktober 1982 - 2 C 88.81 - NVwZ 1984, 107 <108>; vgl. auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 24; ablehnend Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 80). Auch wenn der bundes- bzw. unionsrechtliche Prüfmaßstab als solcher von der Rechtsänderung nicht tangiert wird, kann es nämlich - wie der vorliegende Fall zeigt - aufgrund der Änderung des Landesrechts an einem tauglichen Gegenstand für eine auf die derzeitige Rechtslage bezogene revisionsrechtliche Prüfung fehlen; denn das angefochtene Urteil beruht auf der Anwendung landesrechtlicher, am Maßstab des Unionsrechts zu beurteilender Vorschriften, die inzwischen aufgehoben worden sind und für den Klagantrag keine Geltung mehr beanspruchen. Der Prüfungsgegenstand wird folglich erst durch die Anwendung des geänderten irrevisiblen Rechts konkretisiert.

16

Dies zwingt das Revisionsgericht aber nicht dazu, das Landesrecht, das vom Berufungsgericht noch nicht mit Bindungswirkung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) ausgelegt worden ist, selbst anzuwenden, um auf dieser Grundlage abschließend über das Vorliegen eines Bundesrechtsverstoßes zu entscheiden (so Eichberger/Buchheister, in: Schoch, Schneider, Bier, VwGO, April 2013, § 137 Rn. 87). Vielmehr steht es auch in dieser Situation angesichts der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 563 Abs. 4 ZPO im Ermessen des Senats, selbst zu entscheiden oder die Sache zurückzuverweisen und dem Berufungsgericht die Auslegung des Landesrechts zu überlassen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3. November 1994 - 3 C 17.92 - BVerwGE 97, 79 <82 f.>). Ist Letzteres im Interesse des insoweit gegebenen grundsätzlichen Vorrangs der Landesgerichte angezeigt, erweist sich die Revision letztlich als in der Sache nicht entscheidungsreif: Der Revisionsführer kommt in den Genuss einer neuerlichen Prüfung durch das Berufungsgericht, ohne dass ein Bundesrechtsverstoß festgestellt ist (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 3.82 - juris Rn. 9 f.).

17

2. Nach diesen Grundsätzen ist auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen das angefochtene Urteil, soweit es diese beschwert, aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Landestransparenzgesetzes, das an die Stelle des Landesumweltinformationsgesetzes getreten ist, ist hier dem Oberverwaltungsgericht vorzubehalten. Dies gilt zum einen insbesondere deswegen, weil viel dafür spricht, dass die Auslegung Erwägungen des Gesetzgebers zu würdigen hat, die sich auf die bisherige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts beziehen. Zum anderen können je nach Auslegungsergebnis weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sein.

18

Den Informationszugangsantrag des Klägers hat der Beklagte unter Berufung auf den Versagungsgrund der offensichtlich missbräuchlichen Antragstellung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Landesumweltinformationsgesetz (LUIG RP) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2005 (GVBl. 2005, 484) abgelehnt. Das Landestransparenzgesetz enthält in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 eine entsprechende Bestimmung. Danach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden und die Veröffentlichung auf der Transparenz-Plattform unterbleiben, soweit und solange der Antrag offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde. Die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vorschriften sind mit Ausnahme der vom Landestransparenzgesetz gebrauchten Konjunktion "solange" im Wortlaut identisch. Die Gesetzesmaterialien zum Landestransparenzgesetz geben jedoch Anlass, ein Verständnis des Missbrauchstatbestandes in Erwägung zu ziehen, das weiter ist als das vom Oberverwaltungsgericht zum alten Recht zugrunde gelegte. Das Gericht hat den Ablehnungsgrund nur dann bejaht, wenn das Handeln des Antragstellers allein durch Motive geleitet ist, die nicht die Förderung des Umweltschutzes zum Inhalt haben. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs kann auf einen Missbrauch aber bereits geschlossen werden, wenn sich aus der Gesamtschau der Umstände des Falles ergibt, dass die Antragstellung überwiegend erfolgt, um die behördliche Arbeitskraft zu binden (LT-Drs. 16/5173 S. 45). Deshalb hat die nunmehr anwendbare Norm möglicherweise einen größeren Anwendungsbereich als die der angefallenen Entscheidung zugrunde gelegte Vorschrift. Außerdem soll der Zugangsantrag nach dem Landestransparenzgesetz bei Vorliegen der Versagungsvoraussetzungen abgelehnt werden, während er nach dem Landesinformationsgesetz abzulehnen war. Unter diesen Umständen erscheint es dem Senat sachgerecht, im Rahmen des ihm nach § 144 Abs. 3 VwGO eingeräumten Ermessens die Auslegung des neuen Missbrauchstatbestandes dem dafür in erster Linie zuständigen Berufungsgericht zu überlassen und diesem Gelegenheit zu geben, die dann gegebenenfalls erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

19

Vor dem Hintergrund des Vorbringens der Beteiligten ist zum Verständnis der für die Auslegung bedeutsamen unionsrechtlichen Vorgabe aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformationsrichtlinie - UIRL -, ABl. L 41 S. 26) auf Folgendes hinzuweisen:

20

Es spricht viel dafür, dass eine weite Auslegung des Missbrauchstatbestandes nicht im Widerspruch zur Richtlinie steht. Nach der deutschen Sprachfassung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn der Antrag offensichtlich missbräuchlich ist; der Begriff "missbräuchlich" ist u.a. durch ein subjektives, auf die Zielsetzung der Antragstellung abhebendes Element gekennzeichnet. Auch die französische Fassung enthält einen entsprechenden Tatbestand ("abusive"). In der englischen Sprachfassung ist demgegenüber nicht von einer missbräuchlichen, sondern von einer unzumutbaren oder unangemessenen Antragstellung die Rede ("unreasonable"); ein subjektives Element enthält dieses Merkmal nicht. Entsprechende Begriffe enthalten die italienische, spanische und niederländische Sprachfassung. Die Umweltinformationsrichtlinie geht auf das Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen , Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl. II S. 1251) zurück. Dort werden die unterschiedlichen Begriffe ebenfalls verwendet. Nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Aarhus-Konvention kann ein Informationsantrag u.a. dann abgelehnt werden, wenn der Antrag - nach den verbindlichen englischen und französischen Sprachfassungen (Art. 22) - "manifestly unreasonable" oder "manifestement abusive" ist.

21

Auch wenn hiernach eine weitere Auslegung von der Umweltinformationsrichtlinie gedeckt sein sollte, als sie das Berufungsgericht für den Versagungsgrund alten Rechts zugrunde gelegt hat, wird ein solches Verständnis von der Richtlinie gleichwohl nicht gefordert. Denn dem nationalen Gesetzgeber ist ausweislich des Wortlauts der einleitenden Formulierung ("Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen in folgenden Fällen abgelehnt wird:" - Art. 4 Abs. 1 UIRL) eine bestimmte Regelung nicht abschließend vorgegeben; vielmehr wird ihm eine Gestaltungsoption eröffnet, von der er in unterschiedlicher Weise Gebrauch machen kann (vgl. etwa Große, ZUR 2006, 585 <586>; Wegener, ZUR 1993, 17). Der Entscheidungsspielraum ist bei den in Art. 4 Abs. 2 UIRL aufgeführten Versagungsgründen eingeschränkt, soweit es um den Schutz von Interessen geht, die wie insbesondere die Belange Dritter in Art. 4 Abs. 2 Buchst. c Alt. 2, Buchst. d, e und f UIRL von der Unionsrechtsordnung auch anderweitig geschützt sind (vgl. zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. c Alt. 2 UIRL im Lichte von Art. 47 Abs. 2 GRC EuGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 - C-329/13 [ECLI:EU:C:2014:815], Stefan - Rn. 34). Bei den Versagungsgründen nach Art. 4 Abs. 1 UIRL sind solche Schranken indes nicht zu beachten. Dem nationalen Gesetzgeber kommt daher eine Wahlfreiheit zu, ob er den gemäß Art. 3 Abs. 1 UIRL grundsätzlich zu gewährenden Zugangsanspruch nach Maßgabe der in Art. 4 Abs. 1 UIRL aufgeführten Gründe beschränkt. Er bewegt sich demnach auch dann innerhalb der vom Unionsrecht gesetzten Grenzen, wenn er einen Missbrauchstatbestand schafft, der in der Vollzugspraxis weitgehend leerläuft. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache "Flachglas Torgau" (Urteil vom 14. Februar 2012 - C-204/09 [ECLI:EU:C:2012:71]) nicht, dass auch fakultative Ausnahmevorschriften am Gebot der praktischen Wirksamkeit einer Regelung zu messen seien. Der Europäische Gerichtshof hatte in der genannten Entscheidung u.a. über die Auslegung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit einer einschränkenden Fassung des Begriffs der "Behörde" in Art. 2 Nr. 2 Satz 2 UIRL zu befinden. Ausweislich der Ausführungen in Rn. 38 des Urteils (im Anschluss hieran auch Urteil vom 18. Juli 2013 - C-515/11 [ECLI:EU:C:2013:523], Deutsche Umwelthilfe - Rn. 22) geht es indessen dort allein um die Bestimmung und die Festlegung der Reichweite und folglich der Grenzen der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme.

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Zudem geht die Wahlmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers nicht allein dahin, den Ablehnungsgrund in seiner Gesamtheit zu übernehmen oder darauf zu verzichten. Vielmehr kann er den Versagungsgrund, selbst wenn Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL gemäß der englischen Sprachfassung weit zu verstehen sein und generell unzumutbare Zugangsbegehren umfassen sollte, auch in einem engen Verständnis als Missbrauchstatbestand normieren und damit im Sinne einer Teilmenge des Merkmals "unangemessen oder unzumutbar" im Sinne von "unreasonable". Außerdem ist der Gesetzgeber frei, den Ausnahmetatbestand so auszugestalten, dass er nicht nur die ausschließliche, sondern - jedenfalls - auch die weit überwiegende Verfolgung sachfremder, also den Zielen der Umweltinformationsrichtlinie zuwiderlaufender Intentionen umfasst. Dass ausschließlich sachfremde Zwecke verfolgt werden, wird sich so gut wie nie belegen lassen. Es liegt deshalb auf der Hand, dass der Richtliniengeber die den Mitgliedstaaten eröffnete Gestaltungsmöglichkeit nicht derart einschränken wollte.

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3. Über die Revision des Klägers kann der Senat abschließend entscheiden. In dieser Hinsicht bedarf es nicht der Zurückverweisung zur Klärung der Auslegung der nunmehr einschlägigen Vorschriften des Landestransparenzgesetzes. Diese haben sich, jedenfalls soweit für die mit der Revision aufgeworfene Frage erheblich, im Vergleich zu den Bestimmungen des Landesumweltinformationsgesetzes der Sache nach nicht geändert. Bei ihrer Auslegung sind landesrechtliche Besonderheiten nicht ersichtlich, vielmehr hat sie sich an (bundes-)verfassungsrechtlichen Vorgaben auszurichten.

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Die Abweisung des Verpflichtungsbegehrens verstößt auch unter der geänderten Rechtslage nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Bei dem hier in Rede stehenden Versagungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 LTranspG RP) kommt im jetzigen Verfahrensstand im Einklang mit § 113 Abs. 5 VwGO lediglich ein Bescheidungsurteil in Betracht (a). Unionsrecht steht dem nicht entgegen (b).

25

a) aa) Die für den Erlass eines Verpflichtungsurteils erforderliche Spruchreife fehlt insbesondere dann und kann vom Gericht auch nicht hergestellt werden, wenn der Verwaltung bezüglich der begehrten Entscheidung ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1992 - 3 C 51.88 - BVerwGE 90, 18 <24>). Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist dieser Hauptanwendungsfall des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO hier indessen nicht einschlägig. Denn ein behördlicher Entscheidungsspielraum ist nicht gegeben.

26

(1) Das Oberverwaltungsgericht bejaht hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle mit der Erwägung, dass die Frage der Wettbewerbsrelevanz eine auf die Zukunft bezogene Beurteilung erfordere, die nur auf Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüft werden könne. Dieser Rechtsansicht ist nicht zu folgen. Ein behördliches Letztentscheidungsrecht, das wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG immer der Rechtfertigung bedarf (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 - Buchholz 406.25 § 6 BImSchG Nr. 6 Rn. 15), ist insoweit nicht anzuerkennen. Denn allein der Umstand, dass ein Tatbestandsmerkmal eine prognostische Bewertung voraussetzt, schränkt die gerichtliche Kontrolle nicht ein (siehe etwa zu polizeirechtlichen Gefahrenprognosen BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 33 m.w.N.). Der Hinweis auf eine Überprüfung anhand von Kategorien wie Plausibilität und Nachvollziehbarkeit bezeichnet zunächst nur allgemeine Grenzen menschlicher Erkenntnismöglichkeiten bei zukunftsgerichteten Entscheidungen.

27

Aus der Rechtsprechung des Senats zu den Versagungsgründen des Informationsfreiheitsgesetzes ergibt sich nichts anderes. Die eingeschränkte Überprüfung des Versagungsgrundes nach § 3 Nr. 1 Buchst. a Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) (nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen) folgt aus der Eigenart des Schutzguts und dem hierauf bezogenen Beurteilungsspielraum bzw. der Einschätzungsprärogative der Regierung (siehe BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff.). Demgegenüber ist der Senat nicht davon ausgegangen, dass die Gerichte bei der Prüfung der Versagungsgründe nach § 3 Nr. 6 oder § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG an ihre Funktionsgrenzen stoßen mit der Folge, dass Entscheidungsspielräume der Verwaltung zu respektieren wären (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 32 ff. und - 7 C 18.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 13 Rn. 20). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 6 Satz 2 IFG (Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen) hat er ohne weitere Ausführungen festgestellt, dass der Regelfall einer vollen gerichtlichen Überprüfung vorliegt (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 35). Wenn der Senat jeweils auf eine nachvollziehende Kontrolle abgestellt hat, erklärt sich das durch das Erfordernis der besonderen Darlegungsanforderungen an das Vorliegen eines Versagungsgrundes.

28

(2) Entgegen den auf § 5 Abs. 3 LUIG RP bezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts begründet die an dessen Stelle getretene Bestimmung des § 12 Abs. 2 LTranspG RP über den Umfang des Informationszugangs bei einem Teilanspruch keinen Entscheidungsspielraum der Behörde. Sowohl die Entscheidung über die Trennbarkeit von geschützten und nicht geschützten Informationen im Sinne der Möglichkeit einer faktischen Aussonderung als auch die Frage eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 23 f.).

29

(3) Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum ist der Behörde schließlich auch durch § 16 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 17 LTranspG RP nicht eingeräumt. Danach ist bei Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eine Abwägungsentscheidung zu treffen, ob die geschützte Information gleichwohl herausgegeben werden soll. Bei der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 5 Abs. 1 IFG geht der Senat von einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Abwägungsentscheidung aus (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 25).

30

bb) Der grundsätzlichen Verpflichtung zur Herstellung der Spruchreife kann das Gericht aber auch im Hinblick auf die Besonderheiten der Sachverhaltsermittlung enthoben sein. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass "steckengebliebene Verwaltungsverfahren" gerade bei Komplexität der noch zu klärenden - insbesondere technisch-naturwissenschaftlichen - Fragen nicht durch das Gericht zu einem Abschluss gebracht werden sollen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 52.87 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 36). Schließlich können auch Fallgestaltungen, in denen gebotene besondere Verwaltungsverfahren noch nicht durchgeführt worden sind, den Erlass eines Bescheidungsurteils rechtfertigen (siehe Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 197 f.; so auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 430 und Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 101).

31

Zu solchen besonderen Verfahren zählt nach der Rechtsprechung des Senats auch das dem Schutz geheimhaltungsbedürftiger Informationen dienende Drittbeteiligungsverfahren, das hier in § 16 Abs. 2 LTranspG RP geregelt ist (zum IFG BVerwG, vgl. Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 - NVwZ 2015, 823 Rn. 13 und vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - NVwZ 2016, 1014 Rn. 39; zum UIG Urteil vom 18. Oktober 2005 - 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1 Rn. 28 zu personenbezogenen Daten des Beigeladenen).

32

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Gericht sich der Unterstützung der mitwirkungspflichtigen Behörde bedienen darf, um die Sache spruchreif zu machen (BVerwG, Urteil vom 2. Mai 1984 - 8 C 94.82 - BVerwGE 69, 198 <201>). Dies liefe hier darauf hinaus, die Sachaufklärung wegen der Irreversibilität einer Offenlegung von Informationen zur Wahrung des Geheimnisschutzes zunächst auf die Behörde zu delegieren. Es leuchtet nicht ein, dass eine solche Verfahrensweise gerade ihren Ort im Rahmen eines Gerichtsverfahrens haben sollte, das im Hinblick darauf jedenfalls faktisch ausgesetzt würde.

33

b) Dieses Verständnis der nationalen Rechtslage ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben über die Verfahrensgestaltung vereinbar.

34

Die Umweltinformationsrichtlinie enthält in Art. 6 Abs. 2 und 3 nur allgemeine Vorschriften über das gerichtliche Überprüfungsverfahren. Die Anforderungen in Absatz 3 bestimmen die Verbindlichkeit von Gerichtsentscheidungen sowie Entscheidungen einer vergleichbaren unabhängigen und unparteiischen Stelle für die Behörde, die über die Information verfügt, und stehen hier nicht in Rede. Nach Absatz 2 unterliegt die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens, auch soweit es um den Schutz der dem Rechtsuchenden aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte geht, grundsätzlich der eigenständigen Entscheidung der Mitgliedstaaten. Diese Verfahrensautonomie ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Die gerichtlichen Verfahren dürfen nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz; vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2013 - C-416/10 [ECLI:EU:C:2013:8], Križan - Rn. 85 ff. und vom 18. Februar 2016 - C-49/14 [ECLI:EU:C:2015:746], Finanmadrid - Rn. 41).

35

Der Grundsatz der Äquivalenz ist nicht verletzt, weil sich die Überlegungen zur Spruchreife an den zum Informationsfreiheitsgesetz entwickelten Vorgaben ausrichten und die unionsrechtlich geregelten Informationszugangsansprüche deshalb nicht schlechter behandelt werden.

36

Das Effektivitätsgebot steht dem Erlass eines Bescheidungsurteils ebenso wenig entgegen. Der Zugang zu Umweltinformationen hat, soll er die ihm zugedachte Funktion wirksam erfüllen, zeitnah zu erfolgen. Dem dienen die in Art. 3 Abs. 2 UIRL für das behördliche Verfahren normierten Entscheidungsfristen. Danach sind Umweltinformationen dem Antragsteller spätestens innerhalb eines Monats und bei besonders umfangreichen und komplexen Informationen innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags zugänglich zu machen (so auch Art. 4 Abs. 2 der Aarhus-Konvention); diese Fristen sind zwingend und haben nicht lediglich Hinweischarakter (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-186/04 [ECLI:EU:C:2005:248], Housieaux - Rn. 29 zu Art. 3 Abs. 4 der Vorgängerrichtlinie 90/313/EWG). Für das verwaltungsinterne Überprüfungsverfahren schreibt Art. 6 Abs. 1 Satz 2 UIRL vor, dass es zügig abgewickelt werden muss. Für das gerichtliche Verfahren, für das eine entsprechende Normierung fehlt, ist diesem Anliegen durch den allgemeinen aus Art. 19 Abs. 4 GG fließenden Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit hinreichend Genüge getan (zur Berücksichtigungsfähigkeit solcher dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegenden Grundsätze vgl. EuGH, Urteil vom 18. Februar 2016 - C-49/14, Finanmadrid - Rn. 44 sowie Schlussanträge vom 19. April 2012 der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-416/10 [ECLI:EU:C:2012:218], Križan - Rn. 155). Denn dieser hindert nicht, den Erfordernissen einer funktionsadäquaten Aufgabenverteilung zwischen Gericht und Behörde Rechnung zu tragen. Dass das nach Erlass des Bescheidungsurteils anstehende Verfahren von der Behörde dann vordringlich zu behandeln ist, versteht sich von selbst.

37

Ob eine abweichende Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Effektivitätsgrundsatz dann in Betracht kommt und jegliche Verzögerungen durch den Verzicht auf eine abschließende gerichtliche Entscheidung sich verbieten, wenn bereits das behördliche Verfahren fehlerhaft abgelaufen und damit die wesentliche und fortdauernde Ursache für eine weiter wachsende Verfahrensdauer gelegt worden ist, kann dahinstehen. Denn solche Verfahrensverstöße sind auch bei Würdigung der Vorschriften der Umweltinformationsrichtlinie nicht festzustellen.

38

Eine Pflicht der Behörde, bei der Prüfung eines Informationszugangsantrags alle (ernsthaft) in Betracht kommenden Versagungsgründe gleichsam vorsorglich zu prüfen und somit in der vorliegenden Fallkonstellation auch das Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen. Der vom Kläger angeführte Art. 3 Abs. 4 UIRL, der allein die Form des Informationszugangs betrifft, ist schon nicht einschlägig. Art. 4 Abs. 5 Satz 2 UIRL gibt hierfür ebenfalls nichts her. Er normiert lediglich eine verfahrensrechtliche Begründungspflicht; die tragenden Gründe für die Verweigerung der Information sind anzugeben. Zu einer vermeintlichen Pflicht, eine "überschießende" materiell-rechtliche Prüfung vorzunehmen, verhält sich die Vorschrift nicht. Ein solches Gebot folgt auch nicht aus Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL, wonach - selbst beim Versagungsgrund des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL - das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abzuwägen ist. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Aus seinem Urteil vom 28. Juli 2011 (- C-71/10 [ECLI:EU:C:2011:525], Office of Communications - Rn. 28) folgt nur, dass in die Abwägung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL auch mehrere Versagungsgründe kumuliert eingestellt werden können. Daraus ergibt sich aber nicht, dass im Interesse einer etwa geforderten umfassenden Aufbereitung des Abwägungsmaterials alle in Betracht zu ziehenden Versagungsgründe zwingend geprüft werden müssten. Denn damit würde die spezifische Zweckrichtung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b UIRL verkannt. Dieser Versagungsgrund soll gerade die Arbeitsfähigkeit der Behörde, das effektive behördliche Handeln sichern (für das UIG BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 34 f.; vgl. Klein, Umweltinformation im Völker- und Europarecht, 2013, S. 373). Dieses Anliegen ginge ins Leere, wenn die Behörde gleichwohl vorsorglich weitere und gegebenenfalls aufwendige materiell-rechtliche Prüfungen vornehmen müsste.