Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2017 - 21 ZB 17.30482

bei uns veröffentlicht am11.07.2017
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au K 16.32956, 15.03.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Flüchtlingszuerkennung infolge unrichtiger Angaben über seine Staatsangehörigkeit.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2016 wurde dem Kläger unter der Annahme, er sei syrischer Staatsangehöriger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Aufgrund einer erkennungsdienstlichen Behandlung wurde festgestellt, dass der Kläger unter anderen Personalien als tunesischer Staatsangehöriger in den Niederlanden aufhältig war und von dort nach Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe im März 2015 nach Tunesien abgeschoben wurde. Am 30. März 2015 war für den Kläger von der tunesischen Botschaft ein Laissez-Passer ausgestellt worden. Im Schengener Informationssystem ist der Kläger aufgrund einer Verurteilung des Gerichts in Den Haag am 26.11.2009 wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren zur Einreiseverweigerung bis 25.11.2023 ausgeschrieben.

Nach dem Ergebnis einer im November 2016 durchgeführten physikalisch-technischen Untersuchung einer vom Kläger vorgelegten Kopie eines Melderegisterauszugs aus Syrien sei diese als Totalfälschung zu bewerten, insbesondere würden die vom syrischen Außenministerium eingebrachten Feuchtstempelabdrücke von vorliegendem Vergleichsmaterial abweichen. Mit Bescheid vom 29. November 2011 nahm das Bundesamt die Flüchtlingszuerkennung des Klägers zurück, da von dessen tunesischer Staatsangehörigkeit auszugehen sei. Dagegen erhob der Kläger am 20. Dezember 2016 Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. März 2017 legte der Kläger die bereits bei den Bundesamtsakten befindliche Kopie eines Melderegisterauszugs vor und gab an, dass das Originaldokument am 10. März 2017 in Damaskus losgeschickt worden sei. Der Klägerbevollmächtigte beantragte, „Beweis über die Tatsache zu erheben, dass der Kläger syrischer Staatsangehöriger ist, durch Abwarten der heute vorgelegten Urkunde im Original, das bis spätestens 15. April 2017 vorgelegt werden soll“. Das Verwaltungsgericht lehnte den Beweisantrag ab und wies die Klage mit Urteil vom 15. März 2016 ab. Dagegen wendet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

Ein Gehörsverstoß lässt sich nicht daraus herleiten, dass das Verwaltungsgericht dem in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrag des Klägers nicht nachgekommen ist. Die Ablehnung von Beweisanträgen stellt nur dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn sie im Prozessrecht (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO) keine Stütze findet (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.2011 – 1 B 21/10 u.a. – juris). Das lässt sich aufgrund des Zulassungsvorbringens nicht feststellen:

Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, dass er nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 AsylG gestellt worden sei und die Beweisaufnahme die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Das Originaldokument sei am 20. März 2017, also fünf Tage nach der Verhandlung, dem Gericht vorgelegt worden. Das Abwarten der Urkunde hätte das Verfahren nicht wesentlich verzögert. Die verspätete Vorlage sei wegen der Schwierigkeiten, in Syrien an Dokumente zu gelangen, auch zu entschuldigen. Durch die beantragte Beweisaufnahme wäre durch Vorlage einer echten Original-Urkunde aus Syrien bewiesen worden, dass der Kläger zumindest auch die syrische Staatsangehörigkeit habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung des Beweisantrags unabhängig von der Zurückweisung verspäteten Vorbringens (§ 74 Abs. 2 AsylG) zusätzlich darauf gestützt, dass das Vorbringen des Klägers in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist. Während der Kläger im Ausgangsverfahren angegeben habe, außer der syrischen keine weitere Staatsangehörigkeit zu besitzen und über keine Dokumente zu verfügen, die seine Herkunft aus Syrien belegten, habe er im Rahmen seiner Anhörung im Rücknahmeverfahren angegeben, einen syrischen und einen französischen Pass besessen zu haben. Ferner sei nicht erklärt, weshalb trotz syrischer Staatsangehörigkeit des Klägers die tunesische Botschaft ein Dokument für die Abschiebung ausgestellt haben soll. Damit sei nicht substantiiert dargetan, weshalb ein nunmehr erneut vorgelegter Zivilregisterauszug den Nachweis der syrischen Staatsangehörigkeit des Klägers führen könnte (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3 f.).

Dies steht mit dem Prozessrecht in Einklang. Tatsachengerichte müssen Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen nicht nachgehen, wenn der Tatsachenvortrag in wesentlichen Punkten unplausibel oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris). Auch ein Beweisantrag bzgl. einer Urkunde (§ 98 VwGO i.V.m. §§ 415 ff ZPO) kann vom Gericht abgelehnt werden, wenn der Vortrag des Klägers so unglaubhaft ist, dass sich eine Beweiserhebung erübrigt (Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 78 AsylVfG Rn. 87). Dies gilt für die hier maßgebliche ausländische öffentliche Urkunde, deren Beweiskraft sich nach § 98 VwGO i.V.m. § 438 Abs. 1 ZPO richtet. Die tatsächliche Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass hier ein völlig unsubstantiierter und widersprüchlicher Sachvortrag des Klägers im Hinblick auf seine Staatsangehörigkeit vorliegt, ist nicht zu beanstanden. Der tunesische Kläger, der zunächst in den Niederlanden nach verbüßter Strafhaft nach Tunesien abgeschoben wurde, gab bei seiner Asylantragstellung in Deutschland im Oktober 2015 ausschließlich eine syrischen Staatsangehörigkeit vor. Nachdem er aufgrund erkennungsdienstlicher Maßnahmen als Tunesier erkannt wurde und nach Rücknahme seiner Flüchtlingszuerkennung, hat sich der Vortrag des Klägers im Berufungszulassungsverfahren sogar noch dahingehend geändert, dass der Kläger neben der tunesischen Staatsangehörigkeit auch die syrische besitzen wolle. Der Vortrag des Klägers zu seiner angeblichen syrischen Staatsangehörigkeit ist vor diesem Hintergrund in hohem Maße unglaubhaft.

Selbst wenn man neben der festgestellten tunesischen Staatsangehörigkeit des Klägers von der vom Kläger zusätzlich behaupteten syrischen Staatsangehörigkeit ausginge, führte dies zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Aus dem Grundsatz der Subsidiarität des Asylrechts und des internationalen Schutzes folgt, dass bei Personen, die die Staatsangehörigkeit zweier Staaten besitzen, die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nur dann in Betracht kommt, wenn beide Staaten den Schutzsuchenden verfolgen. Verfolgt ihn indes nur einer dieser Staaten, muss sich der Schutzsuchende stets darauf verweisen lassen, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er auch besitzt und der ihn nicht verfolgt (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2007 – 10 C-13/07 – juris). Auf die durch Vorlage der Urkunde unter Beweis zu stellende Tatsache der syrischen Staatsangehörigkeit des Klägers kommt es daher zudem nicht entscheidungserheblich an.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. März 2017 rechtkräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2017 - 21 ZB 17.30482 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 98


Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen


(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 74 Klagefrist, Zurückweisung verspäteten Vorbringens, Verhandlung durch den abgelehnten Richter


(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden; ist der Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Woche zu stellen (§ 34a Absatz 2 Sa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 438 Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden


(1) Ob eine Urkunde, die als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet sich darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei, hat das Gericht nach den Umständen des Falles

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2019 - 10 ZB 18.32210

bei uns veröffentlicht am 16.01.2019

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der zulässige Antrag ist unbegründe

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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Ob eine Urkunde, die als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet sich darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei, hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen.

(2) Zum Beweis der Echtheit einer solchen Urkunde genügt die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Bundes.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.