Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Okt. 2016 - L 7 R 718/14

bei uns veröffentlicht am20.10.2016
vorgehend
Sozialgericht München, S 56 R 1278/13, 25.06.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Tätigkeit der ehemaligen Berufungsklägerin zu 2) für die nunmehr alleinige Berufungsklägerin als Promoterin für Mobilfunkverträge.

Mit Bescheiden vom 31.01.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 31.05.2013 stellte die Beklagte gegenüber der Berufungsklägerin und der ehemaligen Berufungsklägerin zu 2) fest, dass die Tätigkeit der ehemaligen Berufungsklägerin zu 2) als Promoterin für Mobilfunkverträge in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt worden sei und deshalb Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Als Studentin sei die ehemalige Berufungsklägerin zu 2) nicht versicherungspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen.

Der Statusfeststellungsantrag für diese Tätigkeit sei zwar vor Aufnahme der Tätigkeit am 06.08.2012 gestellt worden. Ein späterer Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht ab Zugang des Bescheides sei jedoch nicht möglich, weil die Voraussetzungen des § 7 a Abs. 6 SGB IV insoweit nicht erfüllt seien. Eine hinreichende Altersvorsorge sei nicht nachgewiesen worden. Nachgewiesen sei eine Start/Ziel-Rentenpolice bei der A. Versicherung, die grundsätzlich als Alterssicherung anerkannt werden könne. Der nachgewiesene Monatsbeitrag von 34,23 Euro sei allerdings zu niedrig. Hinreichend sei nur eine Altersvorsorge in Höhe eines freiwilligen Mindestbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung von 78,40 Euro.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht München mit Urteil vom 25. Juni 2014 als unbegründet ab.

Die ehemalige Berufungsklägerin zu 2) habe im Wesentlichen die Tätigkeit einer Verkäuferin ausgeübt. Indem sie Kunden bei, vor oder in Mobilcom/Debitel-Shops über die angebotene Mobilcom/Debitel-Produkte beraten habe, habe sie letztlich wie eine Verkäuferin den Kauf dieser Produkte angebahnt. Verträge habe sie selbst nicht anschließen können. Diese schlossen die Kunden im Mobilcom/Debitel-Shop.

Für diese nur an den Tagen 03.09.2012, 04.09.2012, 10.09.2012 und 11.09.2012 ausgeübte Tätigkeit stellte die ehemalige Berufungsklägerin zu 2) der Berufungsklägerin mit Rechnung vom 16.09.2015 insgesamt 416,00 Euro brutto in Rechnung.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts München haben sowohl die erstinstanzliche Klägerin zu 1) (nunmehr alleinige Berufungsklägerin) als auch die erstinstanzliche Klägerin 2) (ursprünglich Berufungsklägerin zu 2) vor Rücknahme der Berufung) am 14.08.2014 Berufung eingelegt. Die Klägerin zu 2) und Berufungsklägerin zu 2) hat ihre Berufung mit Schreiben vom 23.07.2015 zurückgenommen.

Die nunmehr alleinige Klägerin und Berufungsklägerin sieht in der Tätigkeit der ehemaligen Berufungsklägerin eine selbstständige Tätigkeit als Promoterin.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.06.2014 sowie die Bescheide vom 31.01.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 31.05.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der ehemaligen Klägerin zu 2) und Berufungsklägerin zu 2) bei der Klägerin und Berufungsklägerin nicht sozialversicherungspflichtig in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe, dass die ehemalige Berufungsklägerin zu 2) bei der Klägerin und Berufungsklägerin abhängig beschäftigt gewesen sei.

Gründe

Die Berufung ist zulässig.

Die Zulässigkeit der Berufung scheitert nicht daran, dass der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht erreicht wird, obwohl lediglich Beiträge in Höhe von ca. 100,00 Euro in Frage stehen.

Grundsätzlich muss das Gericht zweiter Instanz den Wert des Beschwerdegegenstandes danach bestimmen, was letztlich in der zweiten Instanz zum Streit steht. Bei einem Feststellungsantrag gegen einen Verwaltungsakt muss das Gericht insoweit den Wert ermitteln, den der Kläger letztlich erstrebt (BSG, Beschluss 05.08.2015, B 4 AS 17/15 B Rdz. 6). Denn es genügt nach dem Gesetzeswortlaut, wenn ein Bescheid im Ergebnis darauf „gerichtet ist“, zu einer Geldleistung oder zu einem geldwerten Vorteil zu führen (BSG, Urteil vom 19.11.1996, 1 RK 18/95 Rdz. 19). Gemeint sind damit also nicht nur Bescheide, die eine Geldleistung bewilligen oder festsetzen, sondern auch Bescheide, die als Grundlage für die Entstehung eines Anspruchs dienen (BSG a. a. O.). Maßgebend ist nach der Absicht des Gesetzgebers die wirtschaftliche Bedeutung des Gerichtsverfahrens für den Antragsteller.

Die Berufung gegen einen Feststellungsantrag kann nur dann ohne Berücksichtigung der in § 144 SGG festgelegten wirtschaftlichen Bedeutung, also ohne Rücksicht auf die Beschwerdesumme von 750 Euro, als statthaft angesehen werden, wenn der Feststellung des Berechtigten eine eigenständige Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 19.11.1996, 1 RK 18/95 Rdz. 19). Dies hat das BSG für Statusfeststellungsanträge grundsätzlich bejaht (BSG, Beschluss vom 25.07.2002, B 10 RW 6/02 B) mit der Folge, dass grundsätzlich kein Bedarf für eine Prüfung der Beschwerdesumme nach § 144 besteht, sondern die Berufung bereits nach § 143 statthaft ist (vgl. BSG a. a. O.).

Auch wenn hier zweifelhaft ist, ob solche zusätzlichen Feststellungen in der Sache dadurch getroffen werden, dass eine Sozialversicherungspflicht der früheren Berufungsklägerin zu 2) in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für vier Tage im Monat für September 2012 festgestellt wurde - dies insbesondere, nachdem die frühere Berufungsklägerin zu 2) damals Studentin und damit nicht versicherungspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung war - zweifelhaft erscheint, ist die Berufung nach den vom BSG im genannten Beschluss vom 25.07.2002 aufgestellten Grundsätzen als zulässig zu behandeln.

Verfahrenshindernisse sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist ein Verfahrenshindernis nicht dadurch gegeben, dass die Berufungsklägerin zu 2) nicht nach Rücknahme ihrer Berufung als Beigeladene weiter am Verfahren beteiligt war. Schon aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ergibt sich, dass ein Verfahrensbeteiligter in einer Instanz nicht in unterschiedlichen - kostenrechtlich dann auch zwingend unterschiedlich zu behandelnden - Rollen auftreten kann.

Die zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, wobei die Anfechtungsklage die Feststellungsbescheide der Beklagten betreffen und die Feststellungsklage zusätzlich zur Feststellung der Nichtversicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zulässig ist (BayLSG, Urteil vom 16.07.2015, L 7 R 181/15 Rz. 32).

Die Berufung ist unbegründet.

In der Sache macht sich der Senat die Abwägung des Sozialgerichts, wie es dieses unter Heranziehung der von der Beklagten in den Bescheiden und Widerspruchsbescheiden festgestellten und gewichteten Indizien und der im sozialgerichtlichen Verfahren festgestellten und gewichteten Indizien getroffen hat, zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG unter Verweis auf die Gründe der Entscheidung des Sozialgerichts ab. Denn auch aus den Urteilen des BSG vom 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R und vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R ergibt sich keine Notwendigkeit, die festgestellten Indizien im Ergebnis anders zu bewerten. Insbesondere führt die Gestaltung der Verdienstmöglichkeiten mit einem Stundenlohn von 5 Euro und zusätzlichem Entgelt aufgrund eines Punktesystems nicht dazu, dass aufgrund besonderer unternehmerischer Erfolgschancen eine selbstständige Tätigkeit angenommen werden müsste. Zwar spricht es grundsätzlich für eine solche Tätigkeit, wenn ein Teil der Vergütung - wie hier - erfolgsabhängig ist. Jedoch kann auch bei abhängiger Beschäftigung die Vergütung vom Arbeitsergebnis abhängig gemacht werde, wie es z. B. bei Akkordarbeit der Fall ist. Hier ist ein Grundlohn wie bei einem abhängig Beschäftigten für den Einsatz der Arbeitskraft vereinbart, der in Kombination mit dem Punktesystem erst eine einigermaßen angemessene Vergütung für die Tätigkeit ergibt, ohne dass sich durch das Punktsystem eine herausragende Unternehmerchance ergäbe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Insoweit ist auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts, das diese auf § 197 a SGG gestützt hat, zu korrigieren und für beide Instanzen auf § 193 SGG abzustellen. Denn die erstinstanzliche Klägerin zu 2) war kostenprivilegiert und damit auch die Klägerin zu 1).

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren hat ebenfalls nach § 193 SGG zu erfolgen. § 197 a SGG ist wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht anwendbar, nachdem die erstinstanzliche Klägerin zu 2) auch zunächst im Berufungsverfahren als Berufungsklägerin zu 2) beteiligt und damit kostenprivilegiert war. Die Kostenprivilegierung der ehemaligen Berufungsklägerin zu 2) erstreckt sich damit für das gesamte Berufungsverfahren auch auf die nicht kostenprivilegierte erstinstanzliche Klägerin zu 1) und nunmehrige alleinige Berufungsklägerin (BSG, Beschluss vom 29.05.2006 B 2 U 391/05 B RZ 1711). Dass die ehemalige Berufungsklägerin zu 2) inzwischen ihre Berufung zurückgenommen hat, ist unbeachtlich; vielmehr kommt es nur darauf an, dass sie in der zweiten Instanz - wenn auch zeitweise - als Berufungsklägerin aufgetreten ist (vgl. BayLSG, Beschluss vom 02.03.2010, L 5 R 109/10 B Rz. 2).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Januar 2015 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren die Feststellung begehrt, dass es sich bei der von ihr verrichteten Tätigkeit als Näherin bei der Beklagten um ein Arbeitsverhältnis gehandelt und dieses über den 8.4.2008 bis zum 3.6.2008 fortgedauert habe, hilfsweise, dass die Maßnahme zwischen den Beteiligten durch die Beendigungserklärung der Beklagten nicht beendet worden sei, sondern bis zum 3.6.2008 fortgedauert habe.

2

Die Bewilligung einer Eingliederungsleistung in Gestalt einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 S 2 SGB II, die für die Zeit vom 8.4.2007 bis 3.6.2008 durchgeführt werden sollte, wurde mit Wirkung zum 10.4.2008 unter Hinweis auf eine längere Erkrankung der Klägerin aufgehoben. Nach Verweisung der von der Klägerin hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht an das SG Magdeburg hat dieses die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.3.2013). Der Vorsitzende des beim LSG Sachsen-Anhalt für die Berufung der Klägerin hiergegen zuständigen Senats hat sie durch Schreiben vom 30.12.2014 darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, der Rechtsstreit sei auf die Geltendmachung einer Mehraufwandsentschädigung für 41 Arbeitstage gerichtet. Der Beschwerdewert betrage daher 314,88 Euro und erreiche nicht den nach § 144 Abs 1 SGG für eine statthafte Berufung erforderlichen Wert von 750 Euro. In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Niederschrift erklärt, dass sie trotz dieses Hinweises an dem ursprünglichen Begehren festhalte. Das LSG hat die Berufung alsdann durch Beschluss vom 15.1.2015 wegen der fehlenden Statthaftigkeit als unzulässig verworfen.

3

Ihre Beschwerde hat die Klägerin mit dem verfahrensfehlerhaften Erlass eines Prozessurteils an Stelle eines Sachurteils durch das LSG begründet (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der Beschwerdewert übersteige den Betrag von 750 Euro. Die Klägerin habe mit ihren Haupt- und Hilfsanträgen die Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses begehrt. Das Begehren sei daher nicht auf eine bestimmte Leistungspflicht gerichtet, sondern die beantragte Feststellung solle lediglich Grundlage für eine spätere Zahlung sein. Es unterfalle daher nicht der Grenze des § 144 Abs 1 SGG. Unabhängig davon sei der Beschwerdewert jedoch ohnehin höher, da die Klägerin nicht nur die Mehraufwandsentschädigung ab Kündigung der Eingliederungsvereinbarung sondern auch für die Zeit der Erkrankung begehrt habe.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg (§ 160a Abs 5 SGG).

5

Wie die Klägerin formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und zutreffend gerügt hat, ist das Urteil des LSG verfahrensfehlerhaft zustande gekommen (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat ein Prozessurteil an Stelle eines Sachurteils erlassen, weil es den Beschwerdewert im Berufungsverfahren verkannt hat. Unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung der Rechtslage ist ausgehend von dem von der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren formulierten Begehren dieses in der Hauptsache auf die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses auch für die Zeit vom 8.4. bis 3.6.2008 gerichtet. Der sich daraus ergebende Beschwerdewert übersteigt die Grenze von 750 Euro des § 144 Abs 1 SGG.

6

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung weiter verfolgt wird (BSG vom 4.7.2011 - B 14 AS 30/11 B - juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 144 RdNr 14). Bei einem Feststellungsantrag muss das Gericht den Wert ermitteln (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, RdNr 15b; Littmann in Lüdtke, LPK-SGG, 4. Aufl, § 144 RdNr 10). Soweit es sich um eine der Leistungsklage gleichwertige Feststellungsklage handelt, bemisst sich der Streitwert nach dem Betrag, den der Kläger letztlich erstrebt (BSG vom 5.10.1999 - B 6 KA 24/98 R - juris RdNr 6).

7

Das LSG hat vorliegend angenommen, die Klägerin begehre mit ihrer Klage die Gewährung einer Mehraufwandsentschädigung für den Zeitraum vom 8.4. bis 3.6.2008. Dem hat sie jedoch ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung widersprochen, indem sie den Antrag auf Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten hat. Daher kann Ausgangspunkt der Wertbestimmung nur dieser Antrag sein, also der "Wert" des - nach Ansicht der Klägerin - bis zum 3.6.2008 fortbestehenden Arbeitsverhältnisses. Zu dessen Bestimmung genügt eine überschlägige Berechnung bzw Schätzung unter Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 144 RdNr 14; Littmann in Lüdtke, LPK-SGG, 4. Aufl, § 144 RdNr 10; Jungeblut in BeckOK, § 144 RdNr 22). Gemäß § 202 SGG, § 3 ZPO ist der Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen, das unter Zuhilfenahme aller Anhaltspunkte und Erkenntnisquellen auszuüben ist.

8

Der materielle Gegenwert des Klagebegehrens der Klägerin kann sich hier insoweit nur in dem Entgelt widerspiegeln, das aus der Behauptung resultiert, es habe sich um ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten gehandelt. Dann wäre jedoch Grundlage der Wertbemessung nicht die Mehraufwandsentschädigung, wie vom LSG angenommen, sondern das ihr zu zahlende Arbeitsentgelt. Dabei ist davon auszugehen, dass dieses die Grenze von 750 Euro für den streitigen Zeitraum übersteigt, denn es wäre insoweit auf das ortsübliche Entgelt abzustellen und dieses mit den 41 verbleibenden Arbeitstagen und den von der Klägerin angegebenen 37,4 Wochenarbeitsstunden zu multiplizieren. Zwar mangelt es insoweit an Tatsachenfeststellungen des LSG. Selbst bei Zugrundelegung eines extrem niedrigen Stundenlohns ergibt sich jedoch ein Wert, der den des § 144 SGG deutlich übersteigt.

9

Ob man auch zu diesem Ergebnis gelangte, wenn die materiell-rechtlich grundlegenden Entscheidungen des BSG bedacht würden, dass die Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts gemäß § 16 Abs 3 S 2 Halbs 2 SGB II aF begründeten(vgl BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R - BSGE 108, 116 = SozR 4-4200 § 16 Nr 7 und - B 14 AS 101/10 R - SozR 4-4200 § 16 Nr 8; vom 13.11.2008 - B 14 AS 66/07 R - BSGE 102, 73 = SozR 4-4200 § 16 Nr 3 und BAG vom 26.9.2007 - 5 AZR 857/06 - NZA 2007, 1422 = AP Nr 3 zu § 16 SGB II; vgl auch BSG vom 27.8.2011 - B 4 AS 1/10 R - BSGE 109, 70 = SozR 4-4200 § 16 Nr 9, SozR 4-1300 § 31 Nr 7, RdNr 17)kann angesichts dessen, dass für die Statthaftigkeit der Berufung einzig auf das Berufungsbegehren abzustellen ist, dahinstehen. Insoweit käme allerdings, fehlte es bei der Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung - wie hier von der Klägerin vorgebracht - am Merkmal der "Zusätzlichkeit", ein Anspruch auf Wertersatz auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs durch den Träger der Grundsicherung wegen rechtsgrundlos erbrachter Arbeitsleistung in Betracht. Der Wertersatz ist arbeitstäglich danach zu bestimmen, was sonst hätte aufgewendet werden müssen, um die Arbeitsleistung zu erhalten, und welche Aufwendungen des Trägers dem gegenüberstanden (BSG, Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R - BSGE 108, 116 = SozR 4-4200 § 16 Nr 7).

10

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, steht es im Ermessen des erkennenden Senats, nach § 160a Abs 5 SGG zu verfahren. Im Rahmen dieser Ermessensausübung ist der Senat nicht daran gebunden, dass die Klägerin nur die Zulassung der Revision und nicht oder ggf hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz beantragt hat. Der Senat verweist den Rechtsstreit maßgeblich aus prozessökonomischen Gründen an das LSG zurück.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.Januar 2015 wird zurückgewiesen.

II.

Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu 1 (künftig Kläger) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2 (künftig Klägerin) in der Zeit von 26.11.2013 bis 12.04.2015 wegen abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sozialversicherungspflichtig war. Strittig ist insbesondere, ob der Kläger als GmbH-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung weisungsfrei war, weil er wegen beherrschender Fachkenntnisse und als Sohn des Mehrheitsbeteiligten der Klägerin faktisch weisungsfrei gearbeitet habe.

Der 1980 geborene Kläger hat nach Abschluss der Lehre zum Industrieelektroniker eine Ausbildung zum staatlich geprüften Informatik-Techniker absolviert. Von 2004 bis 2010 studierte er an der Fachhochschule mit Abschluss als Diplom-Informatiker. Ende 2005 gründete er die Einzelfirma E. Datentechnik.

Der Vater des Klägers, J. A., Maurermeister, war Alleingesellschafter der A. GmbH Vermögensverwaltung, gegründet 1988 für Bauvorhaben. Er war Inhaber aller Geschäftsanteile in Höhe von 50.000,- Deutsche Mark.

Mit notariellem Vertrag vom 26.11.2013 vereinbarten der Kläger und sein Vater, beide handelnd in eigenem Namen und für die Firma A. GmbH Vermögensverwaltung die Veräußerung eines Teilgeschäftsanteils von 10.000,- DM an den Kläger zum Preis von 5.112,91 Euro und die Bestellung des Klägers als neuer Geschäftsführer unter Ablösung der bisherigen Geschäftsführerin Frau B.

Vereinbart wurde, dass der Geschäftsführer stets einzelvertretungsberechtigt ist und ermächtigt ist, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten zu vertreten (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB). Ferner wurde vereinbart, dass das auf Euro umgestellte Stammkapital auf insgesamt 75.000,- Euro erhöht wird. Der Kläger erhielt einen Geschäftsanteil in Höhe von 15.000,- Euro (gleich 20%), der Vater des Klägers die restlichen 60.000,- Euro. Die neuen Geschäftsanteile sind ab Beginn des bei Handelsregistereintragung der Kapitalerhöhung laufenden Geschäftsjahres gewinnbezugsberechtigt.

Zugleich wurde die Satzung der Gesellschaft insgesamt neu gefasst:

In § 1 erhielt die Klägerin den neuen Namen A. Datentechnik GmbH. § 2 legte als Gegenstand des Unternehmens Telekommunikationsdienstleistungen (Internet), Dienstleistungen im IT- und Internetbereich sowie Handel mit IT- und TK-Produkten fest. In § 5 wurde geregelt, dass Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt sind, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist und dass ein Geschäftsführer nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Für die Gesellschafter besteht gemäß § 13 kein Wettbewerbsverbot im Verhältnis zur Gesellschaft. Eine Bestimmung über die Beschlussfassung enthält die Satzung nicht.

Am 11.02.2014 beantragte der 1980 geborene Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit für die Klägerin. Beginn der Tätigkeit sei der 26.11.2013 gewesen. Eine Treuhandvereinbarung zur Ausübung von Stimmrechten bestehe nicht. Der Kläger kann nach seinen Angaben mangels vertraglicher Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse weder herbeiführen noch verhindern. Darlehen oder Bürgschaften habe der Kläger nicht übernommen. Für die Führung des Unternehmens verfüge nur er über die erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Zuvor sei er seit 01.10.2005 bis aktuell Inhaber einer Einzelfirma der IT-Branche gewesen. Die regelmäßige Arbeitszeit betrage 40 Wochenstunden. Er unterliege bezüglich Zeit, Ort oder Art der Beschäftigung keinem Weisungsrecht und könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Die Gestaltung der Tätigkeit sei von den betrieblichen Erfordernissen abhängig. Er könne selbstständig Personal einstellen oder entlassen. Urlaub müsse er sich nicht genehmigen lassen. Eine Abberufung/Kündigung sei jederzeit möglich, die Kündigungsfrist betrage 6 Monate zum Quartalsende. Er erhalte eine gleichbleibende monatliche Vergütung von 4.350,- Euro. Bei Arbeitsunfähigkeit erfolge eine Fortzahlung der Vergütung für sechs Monate. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet und diese werde als Betriebsausgabe verbucht. Er sei mit Tantiemen am Gewinn beteiligt.

Vorgelegt wurde der Dienstvertrag vom 26.11.2013, abgeschlossen durch die Klägerin vertreten durch die Gesellschafterversammlung und den Kläger.

Nach § 1 (Aufgaben) besteht Alleinvertretung. Der Geschäftsführer hat die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Er ist von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreit. Nach § 2 (Umfang der Geschäftsführungsbefugnis) ist der Geschäftsführer für alle Handlungen des gewöhnlichen Betriebs zuständig. Für außergewöhnliche Geschäfte ist die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung notwendig, insbesondere für Einstellung/Entlassung leitender Angestellter, Erwerb/Veräußerung von Grundstücken, Investitionen die im Einzelfall den Betrag von 25.000,- Euro übersteigen, Gewährung von Sicherheiten von mehr als 25.000,- Euro, Aufnahme von Krediten von mehr als 25.000,- Euro außer laufenden Ratenkredite, etc.

Nach § 3 (Bezüge) erhält der Geschäftsführer Bezüge von monatlich 4350,- Euro und Tantieme in Höhe von 15% des tantiemepflichtigen Gewinnes. Nach § 4 erfolgt Gehaltsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall für sechs Monate. Der Jahresurlaub beträgt 25 Arbeitstage (§ 5). Ab Kalenderjahr 2016 wird eine betriebliche Altersversorgung zugesagt (§ 6). Nach § 8 hat der Geschäftsführer die Pflicht, seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Jedwede auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für zwei Jahre nach Beendigung des Vertrags besteht ein Wettbewerbsverbot. Nach § 9 tritt der Dienstvertrag am 26.11.2013 in Kraft. Es besteht eine Probezeit von einem Jahr mit Kündigungsfrist drei Monate, danach eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Quartals.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 14.02.2014 dazu angehört, dass die Beklagte beabsichtige, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu bejahen. Der Kläger wies darauf hin, dass die GmbH ursprünglich als Bauunternehmen gegründet worden sei. Mit Aufgabe der Bautätigkeit sei Geschäftsgegenstand die Vermögensverwaltung gewesen. Aufgrund seiner Ausbildung als Diplom-Informatiker (FH) verfüge er allein über die notwendigen Fachkenntnisse und Qualifikationen zur Geschäftsführung und treffe die entscheidenden strategischen Entscheidungen. Das wirtschaftliche Wohl und die Zukunft der GmbH sei ausschließlich von seiner Person abhängig.

Mit zwei gleich lautenden Bescheiden vom 14.05.2014 stellte der Beklagte jeweils gegenüber den Klägern fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Klägerin seit 26.11.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 26.11.2013. Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses würden überwiegen. Bei einem Anteil von 20% des Gesamtkapitals sei es dem Kläger nicht möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen. Er habe keine Vetorechte oder Sperrminoritäten und könne keine Entscheidungen verhindern. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger zu 1 kein Unternehmensrisiko. Die Tantieme sei nur Ausdruck eines leistungsorientierten Vergütungsbestandteils. Trotz weit gehender Gestaltungsfreiheit bezüglich Zeit, Ort und Ausübung der Tätigkeit bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie in die von der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebs eingegliedert sei. Besondere Branchenkenntnisse seien für Geschäftsführer durchaus üblich.

Für die beiden Kläger wurden rechtzeitig Widersprüche eingelegt. Der Kläger habe einen so großen tatsächlichen Einfluss auf die Willensbildung im Unternehmen, dass Weisungen faktisch ausgeschlossen seien. Dies gelte besonders für Familienunternehmen. Aufgrund familiärer Rücksichtnahme werde das Weisungsrecht nicht ausgeübt.

Die Widersprüche wurden mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 25.08.2014 zurückgewiesen. Maßgeblich für die Bestimmung der persönlichen Abhängigkeit sei die abstrakte Rechtsmacht, die allein durch fehlenden Gebrauch nicht verloren gehe. Der Kläger habe bei einem Anteil am Stammkapital von 20% keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Beschlüsse der GmbH würden mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten sei bei leitenden Angestellten, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Die Zahlung des monatlichen Festgehalts, die Fortzahlung des Gehalts im Krankheitsfall und ein bezahlter Erholungsurlaub seien gewichtige Indizien für eine abhängige Beschäftigung. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht zu erkennen. Die familienhafte Rücksichtname im Rahmen einer „Schönwetter-Selbstständigkeit“ sei nicht entscheidend (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R).

Der Kläger erhob am 17.09.2014 die Klage S 56 R 1776/14. Die Klägerin erhob am 19.09.2014 die Klage S 56 R 1799/14. Der Kläger arbeite weisungsfrei. Er allein habe Branchenkenntnis. Er habe das bereits vorhandene Einzelunternehmen E. Datentechnik in die GmbH eingebracht. Es sei geplant, dass der Kläger nach und nach die Anteile der Gesellschaft übernehme. Es habe lediglich steuerrechtliche Gründe, dass er nicht von Anfang an sämtliche Anteile übernommen habe. Die Mitarbeit in einer Familien-GmbH sei anders zu beurteilen (BSG, Urteil vom 08.12.1987, 7 RAr 25/86 und BSG, Urteil vom 11.02.1993, 7 RAr 48/92). Es sei zu prüfen, ob tatsächlich eine Weisungsbindung bestehe. Der Kläger sei „Kopf und Seele“ des Betriebs.

Der Kläger wurde zum Verfahren der Klägerin notwendig beigeladen und umgekehrt. Der Kläger teilte mit, dass seine Einzelfirma floriert habe. Die Klägerin habe keine Umsatzerlöse gehabt, nur sonstige Erträge von z. B. je 34.000,- Euro in 2011 und 2012 bzw. 17.000,- Euro in 2013. Er habe, entsprechend dem Namenswechsel, seine Einzelfirma in die GmbH eingebracht. Es sei nur darum gegangen, die 100.000,- Euro Verlustvortrag der Klägerin zu nutzen. Sein Vater habe eine Pensionszusage der Klägerin von monatlich 500,- Euro.

Die beiden Klagen wurden verbunden und mit Urteil vom 29.01.2015 abgewiesen.

Der tatsächlich eingeräumten Rechtsmacht komme die größere Bedeutung zu als den tatsächlichen Verhältnissen. Denn entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer Beschäftigung sei die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Diese mögen aufgrund geübter familiärer Rücksichtnahme solange nicht erteilt werden, wie das Einvernehmen der Beteiligten gewahrt bleibe. Im Falle eines Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die tatsächlich zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestehe. Eine solche „Schönwetter-Selbstständigkeit“ sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So habe das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liege, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein könne (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 32).

Im Sinne der Rechtssicherheit sei auf die rechtlichen Verhältnisse und die sich aus ihnen ergebende Rechtsmacht abzustellen. Es bestehe das Erfordernis, den sozialversicherungsrechtlichen Status von objektiv beurteilbaren Gegebenheiten und nicht von situationsgebundenen und ohne weiteres veränderbaren persönlichen Verhältnissen der in einem Unternehmen tätigen Personen und Entscheidungsträger abhängig zu machen. Eine selbstständige Tätigkeit komme deshalb nur dann in Betracht, wenn der Geschäftsführer entweder Mehrheitsgesellschafter ist oder über eine Sperrminorität verfügt. Auf andere Umstände wie z. B. eine überragende Marktkenntnis komme es nicht an. Dies würde der erstrebten Vorhersehbarkeit der Verhältnisse entgegenstehen. Auch die überragende Marktkenntnis verschaffe keine beherrschende Position. Denn es bestehe die Möglichkeit, im Fall eines persönlichen Zerwürfnisses die Marktkenntnis durch einen anderen Geschäftsführer oder Mitarbeiter in das Unternehmen einzubringen.

Der Kläger sei weder Mehrheitsgesellschafter noch verfüge er mit 20% der Stammeinlage über eine Sperrminorität. Beschlüsse der Gesellschafter würden nach der gesetzlichen Regelung des § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit gefasst werden.

Die von dem Kläger genannten steuerlichen Beweggründe für die konkrete Ausgestaltung der Beteiligungsverhältnisse führten zu keinem anderen Ergebnis. Die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit habe sich an § 7 SGB IV und dem Zweck der Norm, unselbstständigen Erwerbstätigen in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen zu orientieren. Es sei nicht Aufgabe dieser Abgrenzung, für das betroffene Unternehmen die optimale steuerliche Lösung sicherzustellen. Das Urteil wurde den Klägern am 02.03.2015 zugestellt.

Die Kläger haben beide am 05.03.2015 Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Einzelfirma des Klägers sei ein gesundes Unternehmen gewesen. Geschäftsräume, Know-how, Kunden, Mitarbeiter und die Ausstattung seien nicht verändert worden. Eigentlich sei die Klägerin in dem Einzelunternehmen aufgegangen. Der Kläger sei faktisch Alleininhaber der GmbH. Die Rechtsmacht sei lediglich ein formales Kriterium. Der Kläger habe wenn überhaupt nur wenig Urlaub genommen. Die Regelungen zum Festgehalt, bezahlten Urlaub und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall seien üblich und schon wegen dem Problem der verdeckten Gewinnausschüttung nötig.

Mit notarieller Urkunde vom 24.03.2015 ist eine Änderung der Satzung der Klägerin belegt worden. § 6 Abs. 3 lautet nunmehr: „Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden einstimmig gefasst.“ Diese Änderung ist am 13.04.2015 ins Handelsregister eingetragen worden. Die Beklagte hat ein Teilanerkenntnis abgegeben. Der Kläger sei seit 13.04.2015 nicht mehr im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Die Kläger haben dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Bundesagentur für Arbeit ist notwendig beigeladen worden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Januar 2015 sowie den Bescheid vom 14.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit von 26.11.2013 bis 12.04.2015 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Beklagten, insbesondere auf den dortigen Dienstvertrag vom 26.11.2013, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist richtig und überzeugend. Der Kläger war in der Zeit von 26.11.2013 bis 12.04.2015 als abhängig Beschäftigter der Klägerin versicherungspflichtig nach dem Recht der GRV und der Arbeitsförderung.

Streitgegenstand sind die Bescheide vom 14.05.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.08.2014, in denen die Beklagte die Tätigkeit des Klägers bei der Klägerin für die Zeit ab 26.11.2013 als abhängige Beschäftigung eingestuft hat und die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt hat. Der streitige Zeitraum endet infolge des angenommenen Teilanerkenntnisses gemäß § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Ablauf des 12.04.2015.

Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 56 SGG). Denn über die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinaus begehren die Kläger die Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht zur GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Es besteht Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III für gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen.

1. Prüfungsmaßstab hierfür ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung „die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 15).

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist.

Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 16).

Die allgemeinen Grundsätze zur Unterscheidung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH.

Grundsätzlich kann ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter damit an ihn gerichtete Einzelanweisungen im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann. Das Bundessozialgericht bejaht eine selbstständige Tätigkeit, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter entweder Mehrheitsgesellschafter ist oder über eine Sperrminorität dergestalt verfügt, dass er an ihn gerichtete Weisungen verhindern kann (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 25). Demgegenüber geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Fremdgeschäftsführer (Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile) in der Regel in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (siehe BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, Rn. 21).

2. Ausgehend von den tatsächlichen Umständen haben im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, höheres Gewicht als die Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen

Nach dem Vortrag der Kläger seien keine Weisungen erfolgt. Diese seien wegen des überlegenen Fachwissen des Klägers („Herz und Seele des Betriebs“) und der familiären Beziehung zum Inhaber der Mehrheitsbeteiligung der Klägerin auch ausgeschlossen. Selbst wenn es in der tatsächlichen Praxis nicht zu Weisungen gekommen ist, ist dies nicht entscheidend, weil die im Dienstvertrag getroffenen Vereinbarungen, die Regelungen der GmbH-Satzung und das GmbH-Gesetz (GmbHG) verbindliche Regelungen bewirken, wonach der Kläger in einem fremden Betrieb weisungsabhängig tätig war.

Der Kläger war abhängig Beschäftigter der Klägerin. Er hatte keinerlei Rechtsmacht. Er war dem Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters uneingeschränkt unterworfen. Er wurde behandelt wie ein Arbeitnehmer (festes Gehalt, Urlaub, Lohnfortzahlung) und er hatte kein Unternehmerrisiko.

Ausgangspunkt der Prüfung ist der Dienstvertrag. Der Kläger ist nach dem Dienstvertrag eindeutig ein abhängig Beschäftigter. Der Gesellschaftsvertrag bestätigt dies. Die Weisungsabhängigkeit des Klägers wurde nicht wirksam abbedungen.

Der Kläger hat als Geschäftsführer nach § 1 des Dienstvertrags die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu befolgen, soweit Vereinbarungen im Dienstvertrag nicht entgegenstehen. Der Dienstvertrag enthält keine Regelungen, die die Weisungsbindung beschränken. Dass er nach § 2 des Dienstvertrags für die Geschäfte des gewöhnlichen Betriebs zuständig ist, ist selbstverständlich und schränkt die Weisungsbefugnisse der Gesellschaft bzw. deren Gesellschafterversammlung - auch im Bereich der gewöhnlichen Geschäfte - nicht ein.

Nach der Satzung und dem GmbHG hat der Kläger dieser Weisungsbefugnis nichts entgegenzusetzen. Mit dem Geschäftsanteil von 20% am Stammkapital der Klägerin (vgl. § 5 GmbHG) kann der Kläger in der GmbH nichts durchsetzen oder verhindern. Er hat weder einen beherrschenden Einfluss noch eine Sperrminorität. Die Entscheidungen werden mangels einer anderweitigen Bestimmung in der Satzung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen, § 47 Abs. 1 GmbHG. Der Kläger hatte mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 15.000,- Euro von 75.000,- Euro nur einen Anteil von nur 20%. Sein Vater hatte einen Anteil von 80%. Der Vater des Klägers hätte dem Kläger jederzeit verbindliche Weisungen erteilen können. Bei einem Zerwürfnis hätte der Vater den Kläger auch entlassen können (wichtiger Grund nach § 5 Abs. 2 der Satzung) und den Kläger durch einen fachkompetenten anderen Geschäftsführer ersetzen können. Durch eine derartige Entwicklung ist auch das Argument des Klägers, er sei „Kopf und Seele des Betriebs“, entwertet. Er wäre dann ein „ersetzter Kopf und ersetzte Seele des Betriebs“ gewesen.

Diese grundsätzliche gesellschaftsrechtliche Bewertung wird durch die weiteren Regelungen des Dienstvertrags bestätigt.

Der Kläger wurde wie ein Arbeitnehmer mit einem festen monatlichen Gehalt entlohnt. Dieses wurde zur Lohnsteuer veranlagt, sprich nach § 36 Einkommensteuergesetz der Besteuerung für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unterworfen.

Die Tantieme ist kein Beleg für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers. Tantiemen sind als erfolgsabhängige Vergütung bei in höheren Diensten abhängig Beschäftigten durchaus verbreitet. So war es auch hier. Die Höhe der Tantieme von 15% des tantiemepflichtigen Gewinns entsprach nicht dem Geschäftsanteil von 20%. Die Gewinnbeteiligung als Anteilseigner bestand neben der Tantieme.

Auch die sonstigen Regelungen des Dienstvertrags entsprechen weitgehend einem Arbeitsvertrag eines Beschäftigten: Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 4), der Jahresurlaub von 25 Arbeitstagen (§ 5), die Pflicht, die ganze Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen und jedwede erwerbsbezogene Nebentätigkeit genehmigen zu lassen (§ 8 Abs. 1) sowie die Vereinbarung einer Altersversorgung (§ 6), einer Probezeit (§ 9) und eines Wettbewerbsverbotes (§ 13).

Ein erhebliches Unternehmensrisiko des Klägers ist nicht festzustellen. Maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Das Bestehen eines Unternehmerrisikos ist nicht schlechthin entscheidend, sondern nur im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, Rn. 23). Der Kläger hat 20% des Stammkapitals übernommen. Wenn die Klägerin in Vermögensverfall kommt, kann er dieses Kapital verlieren. Dieses Risiko trägt er aber als Anteilseigner, nicht als Geschäftsführer. Darlehen oder Bürgschaften hat der Kläger für die Klägerin nicht gegeben bzw. übernommen. Für seine Arbeitskraft erhält er ein festes Gehalt zuzüglich Tantiemen.

3. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er aufgrund familienbedingter Rücksichtnahme selbstständig tätig sei. Hier ist in der Rechtsprechung ein Wandel eingetreten.

In der Vergangenheit haben Senate des BSG - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungsrechts und der Unfallversicherung - trotz fehlender Sperrminorität des Geschäftsführers einer Gesellschaft eine selbstständige Tätigkeit für möglich erachtet, wenn die Tätigkeit in der Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme auf familiäre Bindungen geprägt war. Insoweit wird auf die Darstellung im Urteil des BSG vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, Rn. 27, verwiesen. In den früheren Entscheidungen ging es im Kern darum, Leistungsansprüche von Klägern zu prüfen, die diese aus einer angeblich abhängigen Beschäftigung mit zum Teil sehr hohen Vergütungen ableiteten.

Diese frühere Rechtsprechung orientiert sich nicht an den Abgrenzungskriterien, die das BSG für Statusfeststellungen entwickelt hat, insbesondere zum Verhältnis vertraglicher Abreden zu den tatsächlichen Verhältnissen.

Das BSG führt im Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, dort Rn. 28, dazu aus (ebenso BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, Rn. 32):

„Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung [Urteil vom 30.01.1990, 11 RAr 47/88] (ggf. modifiziert bzw. auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (...).

Eine solche „Schönwetter-Selbstständigkeit“ ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (...).“

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass im vorliegenden Fall die tatsächlichen objektiven Verhältnisse, das heißt die tatsächliche Rechtsmacht, sprich die Weisungsabhängigkeit des Klägers, den Ausschlag gibt. Es handelte sich lediglich um eine subjektive „Schönwetter-Selbstständigkeit“, auf die nicht abgestellt werden kann.

4. Der Beginn der Versicherungspflicht erfolgt mit Beschäftigungsbeginn. Er ist nicht gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV hinauszuschieben, weil der Antrag auf Statusfeststellung nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung (26.11.2013) gestellt wurde, sondern erst am 11.02.2014.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kläger sind unterlegen. Die Klägerin ist zwar keine kostenprivilegierte Beteiligte nach § 183 SGG und wäre daher der Kostenentscheidung nach § 197a SGG zuzuordnen. Es handelt sich bei einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV aber nicht um eine objektive Klagehäufung nach § 56 SGG, sondern um einen einheitlichen Streitgegenstand (zu dieser Unterscheidung siehe BSG, Beschluss 26.07.2006, B 3 KR 6/06 B). Deshalb erfolgte auch die notwendige Beiladung des anderen Beteiligten nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG. Aus diesem Grund erstreckt sich die Kostenprivilegierung nach § 193 SGG auch auf die Klägerin als GmbH (ebenso BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, Rn. 43, BayLSG, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 AS 4/15 B und Beschluss vom 02.03.2010, L 5 R 109/10 B, sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.2014, L 4 R 2204/13, Rn. 76; a.A. etwa LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.12.2013, L 6 R 152/12 B).

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

2

Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).

3

In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.

4

Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.

5

Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

10

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.

12

Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.

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1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

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2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.

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a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

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b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).

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aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.

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bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.

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(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.

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(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.

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(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.

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(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.

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(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).

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(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.

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cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).

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dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.

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Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.

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3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

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4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.