vorgehend
Sozialgericht Regensburg, S 5 U 322/14, 22.07.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 22. Juli 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden nicht erstattet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist die Anerkennung von Unfallfolgen nach einem Unfallereignis vom 03.09.2000 sowie die Gewährung von Verletztenrente streitig.

Der 1980 geborene Kläger und Berufungsbeklagte war Eishockeyspieler beim Eishockeyverein F-Stadt e.V. Er wurde am 03.09.2000 im Eishockeystadion F-Stadt bei einem Eishockeyspiel in eine Schlägerei verwickelt und dabei mit Fäusten ins Gesicht geschlagen. Nach einem HNO-ärztlichen Bericht vom 05.10.2000 wurden eine Septumdeviation nach rechts, Schleimhauteinrisse im Bereich des vorderen Septumsdrittels und Blutung aus dem rechten Nasengang festgestellt. Ausdrücklich wurde im Befund aufgenommen: „keine Septumfraktur, kein Hämatom“. Im Bericht wurde ferner angegeben, dass die dislozierte Nasenbeinfraktur Unfallfolge sei. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass unabhängig vom Unfall eine Septumdeviation nach rechts bekannt sei. Mit der Endrechnung vom 07.02.2001 wurde u. a. eine direkte Laryngoskopie, eine Endoskopie (Nasen-/Rachenraum) und eine Binokular-Mikroskopie abgerechnet.

Mit Schreiben vom 30.05.2012 teilte die Bevollmächtigte des Klägers mit, dieser leide seit seinem Unfall vom 03.09.2000 an einer Atmungsbehinderung. Auf weitere Unfälle und Verletzungen des Klägers wurde verwiesen. Gleichzeitig wurde eine Rente auf unbestimmte Zeit, ggf. auch als Stützrententatbestand, beantragt.

Die Beklagte zog die Behandlungsunterlagen der HNO-Klinik im Klinikum F-Stadt sowie weitere Befundberichte bei. Dr. G., Facharzt für HNO-Heilkunde, teilte am 28.08.2012 mit, dass beim Kläger eine nasale Obstruktion bei Septumquerstand, äußere Schiefnase nach rechts, Septumleiste links bei Zustand nach mehreren Nasenbeinfrakturen vorläge und die Nasenatmung behindere.

Es wurde ferner ein HNOfachärztliches Gutachten durch Dr. S. eingeholt. In seinem Gutachten vom 31.12.2012 teilte er mit, der Kläger habe angegeben, dass er seit dem Unfall vom 03.09.2000 eine behinderte Nasenatmung, insbesondere in der rechten Nasenseite, habe. Die rechte Seite sei immer verstopft und er habe fast täglich Nasenbluten, obwohl sein Blutdruck normal sei. Er erwache häufig in der Nacht, da er keine Luft bekäme, ferner habe er im Winter häufig Nebenhöhlenentzündungen sowie Hals- und Rachenentzündungen, da er vermehrt über den Mund atme. Der Geruchs- und Geschmacksinn sei eingeschränkt. Zusammenfassend führte der Gutachter aus, es bestehe eine deutlich sichtbare Schiefnase nach rechts mit einer Verdickung des knöchernen Nasenrückens. Laut D-Arzt-Befund vom 05.10.2000 rühre die Septumdeviation nicht vom Nasentrauma her, sondern habe bereits vorher bestanden. Da damals kein axiales Computertomogramm der Nasennebenhöhlen bzw. der Nasenhaupthöhle (Septum) angefertigt wurde, könnte es sein, dass eine häufig begleitend aufgetretene Septumfraktur hier klinisch übersehen worden sei. Mit Wahrscheinlichkeit sei durch das Unfallereignis die knöcherne Schiefnase und möglicherweise auch eine Septumdeviation rechts verursacht worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Nasenbeinfraktur und die Behinderung der Nasenatmung rechts mit leichter Hyposomie werde nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit auf 20 v. H. geschätzt.

Der Beratungsarzt Dr. H. wies mit Schreiben vom 14.03.2013 darauf hin, dass die Einschätzung des Gutachters bezüglich der MdE zu überprüfen sei, sowie die Folgen aus den drei Unfällen voneinander getrennt werden müssten. Bis zur Begutachtung des Klägers am 31.12.2012 durch Dr. S. aus A-Stadt seien keinerlei Beschwerden von Seiten der Nase dokumentiert. Nachgewiesen sei eine Nasenbeinfraktur. Explizit sei zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bei der Erstuntersuchung die Septumdeviation als vorstehend festgestellt. Eine frische Septumverletzung sei nach dem Unfallereignis nicht diagnostiziert worden. Die rechtsseitige Nasenatmungsbehinderung bei vorbestehender Septumdeviation lasse sich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 03.09.2000 zurückführen. Es könne daher keine unfallbedingte MdE für die Nasenatmungsbehinderung angenommen werden. Für die kosmetisch wenig störende Entstellung im Gesichtsbereich werde eine MdE von 10 v. H. empfohlen. Eine kosmetische Entstellung sei jedoch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Die angegebene Geruchseinschränkung sei am ehesten durch die Septumdeviation auf der rechten Seite und damit durch die Einengung der rechten Nasenhaupthöhle erklärbar. Damit lasse sich eine unfallbedingte MdE nicht begründen.

Mit Bescheid vom 06.08.2013 wurde ein Anspruch auf Rente wegen des Versicherungsfalls vom 03.09.2000 abgelehnt. Als Folgen des Versicherungsfalles wurde eine folgenlos verheilte Fraktur des Nasenbeins anerkannt. Ausdrücklich nicht anerkannt wurden eine Nasenscheidewandverkrümmung (Septumdeviation) mit eingeschränkter Nasenatmung, chronisch geschwollene (hypoplastische) Nasenmuscheln, kleinknotige (follikuläre) Körnchenbildung (Granulationen) im Bereich der Rachenhinterwand, Minderung der Geruchswahrnehmung (Hyposmie) rechts. Nach Auffassung der Beklagten sei eine frische Septumdeviation nicht nachgewiesen.

Hiergegen erhob die Bevollmächtigte Widerspruch und beantragte insbesondere die Feststellung der Nasenscheidewandverkrümmung mit Beeinträchtigung der Nasenatmung, Hypoplasie der Nasenmuscheln und Minderung der Geruchswahrnehmung. Unter Berufung auf das Gutachten Dr. S. sei eine Septumdeviation mit nachfolgender Nasenatmungsbehinderung sowie eine hochgradige Nasenatmungsbehinderung überwiegend wahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 30.10.2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 01.12.2014 Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erheben lassen. Dabei hat sich die Bevollmächtigte insbesondere auf die Widerspruchsbegründung bezogen. Auch eine Schadensanlage bzw. ein Vorschaden schließe eine wesentliche Verursachung eines unfallbedingten Gesundheitsschadens nicht von vornherein aus. Denn nach dem Schutzzweck der Norm werde der einzelne Betroffene durch die Rechtsordnung in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Eintritt des schädigenden Ereignisses befunden habe. Maßgebend sei also, ob bei diesen Betroffenen angesichts einer individuellen gesundheitlichen Struktur im Schädigungszeitpunkt das Schädigungsereignis für die Entstehung des Schadens von wesentlicher ursächlicher Bedeutung gewesen sei, auch wenn dieses bei einem Gesunden nicht zu einem solchen Gesundheitsschaden geführt hätte. Viele Menschen hätten bereits von Natur aus ein verschobenes Septum, ohne jedoch unter Atemeinschränkungen zu leiden, weil die Deviation durch ein ausreichendes Gesamtvolumen des Naseninneren ausgeglichen werde. Erfolge dann eine Veränderung der äußeren Architektur der Nase, so komme es zu einer Einengung dieses Gesamtvolumens, was zu einer Nasenatmungsbehinderung führen könne.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. G. vom 20.01.2015, des Orthopäden Dr. H. vom 23.02.2015, der Universitätsklinik A-Stadt vom 16.02.2015 sowie einen Operationsbericht der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Klinikum I. vom 16.12.2011, beigezogen.

Das Gericht hat Dr. H., Facharzt für HNO-Heilkunde als Sachverständigen ernannt. Mit seinem Gutachten vom 22.05.2015 hat Dr. H. unter anderem die festgestellte Septumdeviation auf den Unfall vom 03.09.2000 zurückgeführt. Bezüglich der unterschiedlichen Bewertung zum Gutachter Dr. S. hat dieser ausgeführt, dass das Bild der Septumdeviation für eine traumatische Ursache spreche und ein anderes Trauma vor dem Unfall nicht bekannt sei. Damit sei auch die kompensatorische Nasenmuschelhyperplasie links als Unfallfolge zu bewerten.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. H. hat vorgetragen, dass eine Septumdeviation zwei mögliche Ursachen haben könne. Zum einen häufig Wachstumsstörungen und zum anderen Verletzungen. Auch bei traumatischen Ursachen seien häufig das Geburtstrauma und Traumen der Nase im Kindesalter zu berücksichtigen. Eine zeitliche Zuordnung des Septumbefundes explizit auf das Nasentrauma vom 03.09.2000 könne nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit abgegeben werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2016 hat das Sozialgericht Regensburg eine erhebliche Septumdeviation mit der Folge einer behinderten Nasenatmung, eine Nasenmuschelhyperplasie sowie eine Minderung der Geruchswahrnehmung als Folgen des Versicherungsfalles vom 03.09.2000 festgestellt. Bezüglich des Vorliegens der Septumdeviation als Vorschaden bzw. deren Verursachung sei die Beklagte beweispflichtig. Dabei hätten sowohl der Vorschaden als auch die Alternativursache im Vollbeweis von der Beklagten dargelegt zu werden. Dieser Beweis sei der Beklagten nicht gelungen. Die Septumdeviation sei dagegen im Vollbeweis nachgewiesen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, unstreitig sei, dass eine unfallbedingte verschobene Nasenbeinfraktur vorgelegen habe. Eine Septumverletzung sei z. B. nachgewiesen durch eine Septumfraktur oder ein Septumhämatom, die hier jedoch ausgeschlossen seien. Derartige Verletzungen führten regelmäßig zu umfassenden HNOärztlichen Behandlungen, die hier ebenfalls nicht stattgefunden hätten. Eine Septumverletzung sei damit als Primärschaden nicht voll bewiesen, weitere Kausalitätsüberlegungen bzw. Einschätzungen im Gutachten könnten damit unterbleiben. Das SG habe die BSG-Rechtsprechung bezüglich des Vollbeweises fehlerhaft angewandt. Es führe aus, dass aus dem fehlenden Nachweis alternativer Ursachen automatisch ein Zusammenhang zwischen Gesundheitserstschaden und den aktuellen gesundheitlichen Einschränkungen folge. Das BSG habe jedoch darauf hingewiesen, dass ein derartiger Zusammenhang positiv nachgewiesen sein müsse (Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R).

Die Klägerbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht „voll durchdrungen“ habe. Es sei völlig unverständlich, weshalb die Beklagte eine Septumdeviation nicht im Vollbeweis zugestehe. Die Beklagte verwechsle das Tatbestandsmerkmal Gesundheitsschaden mit der haftungsbegründenden Kausalität. Dadurch werde bereits der falsche Beweisgrad durch die Beklagte herangezogen. Denn für den Nachweis des Zusammenhanges zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden genüge die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Dr. H. habe in seinem Gutachten vom 22.05.2015 eine traumatische Deviation nachgewiesen. Zum Vollbeweis einer vorbestehenden Septumdeviation komme man jedoch nicht. Beim Unfallereignis vom 03.09.2000 sei es nachweislich zu einer Nasenpyramidenfraktur mit Abweichung der knöchern-knorpeligen Nasenpyramide und dem daran anzusetzenden Septumanteil gekommen. Dies lasse sich der Röntgendokumentation des CTs vom 22.03.2007 entnehmen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass Nasenfrakturen mit einer sehr festen bindegewebigen Narbe ausheilten und sich ohne Kalkeinlagerung stabilisierten, so dass die Frakturlinien auch später noch radiologisch erkennbar blieben. Die Argumentation der Beklagten entbehre daher jedweder Grundlage. Eine vorbestehende Septumdeviation lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen. Die von Dr. P. im Rahmen der klinischen Untersuchung vom 03.09.2000 festgestellte Septumdeviation im Sinne eines Gesundheitsschadens sei vielmehr hinreichend wahrscheinlich auf das Ereignis vom 03.09.2000 zurückzuführen. Auf der ersten Stufe der haftungsbegründenden Kausalität müsse von einem medizinischen Sachverständigen der Zusammenhang der versicherten Einwirkung in Bezug auf den Gesundheitsschaden anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes dargestellt werden. Komme der Sachverständige danach zu dem Ergebnis, dass eine gefährdende Einwirkung - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - vorgelegen habe, sei weiter zu prüfen, ob konkurrierende Ursachen im Vollbeweis vorliegen. Würden keine konkurrierenden Ursachen im Vollbeweis festgestellt, sei die versicherte Ursache aufgrund der Geeignetheit regelmäßig die wesentliche Ursache. Seien gutachterlich hingegen konkurrierende Ursachen festgestellt worden, seien diese auf der zweiten Stufe in der rechtlichen Abwägung zu berücksichtigen. Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Sozialgericht Regensburg richtig einen Ursachenzusammenhang festgestellt. Die Faustschläge seien generell geeignet gewesen, eine Nasenpyramidenfraktur und eine Septumdeviation hervorzurufen. Die generelle Eignung der versicherten Wirkursache könne demnach als positiv mit dem Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Etwaige konkurrierende (Wirk-) Ursachen in Form eines Vorschadens oder einer wachstumsbedingten Formänderung des Septums, seien von der Beklagten nicht in dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen worden. Die hier einzig bewiesene Wirkursache sei das Unfallereignis vom 03.09.2000.

Der Senat hat daraufhin ein Gutachten durch Privatdozent Dr. med. E., Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in D-Stadt erstellen lassen. Zusammenfassend hat der Sachverständige zunächst ausgeführt, dass aufgrund einer ergänzenden radiologischen Stellungnahme (Dr. H., Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie) auf einem CT vom 22.03.2007 eindeutig eine Fraktur des Nasenseptums (ein Schreibfehler wurde mit Schreiben vom 29.09.2017 korrigiert) zu sehen sei. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei eine Septumfraktur mit Nasenatmungsbehinderung und Trockenheit im Bereich der Nase, auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die Geruchsstörung sei nicht auf den Unfall zurückzuführen. Vorschäden seien nicht nachgewiesen. Die MdE werde auf 10 v. H. eingestuft.

Mit Schreiben vom 01.09.2017 hat die Beklagte gerügt, dass die nachgewiesene Vorerkrankung nicht berücksichtigt worden sei. Es sei im Zeitpunkt der Erstuntersuchung bereits im Vollbeweis eine Septumdeviation nach rechts nachgewiesen. Eine substantielle Septumschädigung im Sinne eines Septumhämatoms oder einer Septumfraktur sei ausdrücklich ausgeschlossen worden, der Vollbeweis für eine traumatische frische Septumverletzung sei nicht erbracht. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 28.08.2017 hat Dr. H. sein Unverständnis dafür ausgedrückt, dass der Sachverständige Dr. E. die am Unfalltag erhobenen Befunde zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ignoriert und als falsch deklariert habe. So sei im Befundbericht vom Unfalltag explizit darauf hingewiesen worden, dass eine vorbestehende Septumdeviation nach rechts, also eine bekannte Septumdeviation nach rechts vorgelegen habe, ebenso sei explizit geäußert worden, dass es im Rahmen des Unfallereignisses vom 03.09.2000 nicht zu einer Septumfraktur gekommen sei. Der Kläger habe seit 2000 eine ganze Reihe von Schädeltraumen mit Verletzungen im Gesichtsschädel gehabt. Dabei seien zwar keinerlei Verletzungen der Nase beschrieben worden, jedoch seien auch Verletzungen der Nase nicht sicher auszuschließen, insbesondere bei Frakturen der medialen Kieferhöhlenwand. Der Sachverständige Dr. E. sähe sich nach einer Befundung 17 Jahre nach dem Unfallereignis sowie anhand von Röntgenaufnahmen, die Jahre nach dem Unfallereignis vom 03.09.2000 erstellt wurden, in der Lage, die Untersuchungsbefunde am Unfalltag zu negieren und sämtliche jetzt vorliegenden Befunde eindeutig auf das Unfallereignis festzumachen.

In einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen PD Dr. E. vom 29.09.2017 hat dieser ausgeführt, dass er statt dem Wort Nasenseptumfraktur versehentlich das Wort Nasenbeinfraktur verwendet habe. Ein Nasenbeinbruch sei unstreitig. Hieraus sei abzuleiten, dass eine Nasenseptumfraktur stattgefunden habe. Eine Nasenscheidewandfraktur im knöchernen Bereich sei dadurch charakterisiert, dass sich häufig ein Einriss im Bereich der Schleimhaut und in einer radiologischen Untersuchung eine Verschiebung der Fragmente finde. Dabei sei anzumerken, dass, wenn sich eine Fraktur ereigne, sich die Fragmente übereinander schieben könnten, so dass eine Veränderung auf der einen wie auf der anderen Seite der Scheidewand zu sehen sei. Im Krankenhaus F-Stadt sei dieses klassische Verletzungsmuster beschrieben worden, aber eine Röntgenaufnahme nicht durchgeführt. Diese wurde leider erst am 22.04.2007 erstellt. Im HNOärztlichen Bericht vom 05.10.2000 sei berichtet worden, dass bei der Erstuntersuchung eine bekannte, d. h. alte Septumdeviation nach rechts vorgelegen hätte. Dies sei eine Behauptung, die das aufstelle, gleichzeitig aber eine Verletzung des Septums beschreibe. Der Vollbeweis durch die Klinik F-Stadt sei nicht erbracht, da eine radiologische Untersuchung zu diesem Zeitpunkt unterlassen worden sei.

Zur weiteren Klärung hat der Senat nochmals einen Befundbericht der HNO-Klinik im angefordert. Der Befundbericht vom 14.11.2018 bestätigte im Wesentlichen den Bericht vom 05.10.2000.

Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 26.09.2018 hat der Senat die Probleme der Beweislast erörtert. Ferner hat der Senat mit Schreiben vom 05.10.2018 nochmals unter Darlegung der Grundsätze der Kausalität sowie der Beweisregeln und der gesetzlichen Unfallversicherung eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E. angefordert. Es wurde dabei auch auf die im Universitätsklinikum abgerechneten Untersuchungsmethoden verwiesen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2018 hat der Sachverständige nunmehr ausgeführt, im Vollbeweis sei gesichert, dass am 03.09.2000 durch die Einwirkung auf die Nase des Klägers eine Septumfraktur und Septumdeviation vorgelegen habe. Ferner sei im Vollbeweis nachgewiesen, dass bereits vor dem Unfall eine Septumdeviation nach rechts vorlag. Da aus Sicht des Sachverständigen der Vollbeweis nicht angetreten werden könne, dass die Septumfraktur durch das Unfallereignis am 03.09.2000 hervorgerufen worden sei, sei im Umkehrschluss dann anzunehmen, dass der Vollbeweis dafür vorliege, dass vor dem Unfall eine Septumdeviation vorgelegen habe. Am 03.09.2000 habe der Kläger eine Verletzung im Bereich der Nase erlitten. In einem CT der Nasennebenhöhlen vom 22.03.2007 habe sich eine eindeutige Septumfraktur gezeigt.

Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 30.01.2019 ausgeführt, dass die Ausführungen des Sachverständigen im Schreiben vom 18.10.2018 in Widerspruch zu dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung stehen würde.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

die Entscheidung des Sozialgerichts aufzuheben.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 22.07.2016 zum Az. S 5 U 322/14 zurückzuweisen.

Mit weiterem Schreiben vom 03.04.2019 hat die Beklagte vertreten, dass ein konkreter Primärschaden eines bestimmten Organs zeitnah zu dem Unfall als Tatsache voll bewiesen sein müsse. Dafür spreche auch die Bezeichnung als Erst- oder Primärschaden.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Der Senat hat die Verfahrensakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts Regensburg in den Verfahren S 5 U 322/14, S 5 U 243/13 und S 5 U 242/13 beigezogen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Nach Auffassung des Senats ist die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und der beim Kläger vorliegenden Septumdeviation nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.

1. a) Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 03.04.2019 bzw. 12.02.2019 hierzu ihr Einverständnis erklärten.

b) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung sind erfüllt, da insbesondere die Voraussetzungen der §§ 144 und 151 SGG beachtet wurden.

c) Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 (§ 95 SGG). Es ist über eine Beklagtenberufung zu entscheiden, welche sich gegen die Feststellung einer erheblichen Septumdeviation und damit verbunden einer behinderten Nasenatmung, einer Nasenmuschelhyperplasie sowie einer Minderung der Geruchswahrnehmung als weitere Folgen des Versicherungsfalls vom 03.09.2000 richtet.

2. Die Klage ist in der Gestalt der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft.

3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Recht hat die Beklagte als Folgen des Unfalls lediglich eine folgenlos verheilte Fraktur des Nasenbeines festgestellt. Die Nasenscheidewandverkrümmung (Septumdeviation) mit eingeschränkter Nasenatmung, chronisch geschwollene (hyperplastische) Nasenmuscheln, kleinknotige (follikuläre) Körnchenbildung (Granulationen) im Bereich der Rachenhinterwand und die Minderung der Geruchswahrnehmung (Hyposmie) rechts sind nicht Folgen des anerkannten Arbeitsunfalles.

Für einen Arbeitsunfall ist nach der Legaldefinition des §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (BSG vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R, Rz. 9, zitiert nach juris). Im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität ist dann weiter zu prüfen, inwieweit neben dem Gesundheitserstschaden noch weitere Unfallfolgen letztlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht wurden.

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zurzeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis, der Gesundheitserstschaden und die Unfallfolge mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne des Vollbeweises bewiesen sein (siehe unter a). Danach darf ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Betrachter keinen Zweifel mehr haben (BSG, 27.03.1958, 8 RV 387/55, Rn. 16, BSGE 7, 103). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität -siehe unter c und d) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreichend (BSG; 02.04.2009, B 2 U 30/07, UV-Recht aktuell 2009, 1055 ff; BSG; 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, SozR 4-5671, Anlage 1 Nr. 2103 Nr. 1). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSG, 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Es muss dabei mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (st. Rspr: z.B. BSG; 22.09.1977; 10 RV 15/77; BSG; 02.2.1978; 8 RU 66/77, BSGE 45, 285-290, SozR 2200 § 548 Nr. 38, Rn. 13). Liegt ein Vorschaden vor (siehe unter b), so ist zunächst dessen Bestehen mit Gewissheit festzustellen (z.B. BSG, 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R).

a) Nachdem die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt hat, geht es vorliegend insbesondere um die Frage, ob beim Kläger durch das Ereignis vom 03.09.2000 eine Septumdeviation (Nasenscheidewandverkrümmung) aufgetreten ist.

Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 22.05.2015 dazu aus, dass die Nasenscheidewand aus einer annähernd quadratischen Knorpelplatte im vorderen Anteil und im hinteren Anteil aus zwei Knochen, der Lamina perpendiculis im oberen Bereich und dem Pflugscharbein im unteren Teil besteht. Eine Nasenscheidewandverbiegung ist definiert als eine Abweichung knorpeliger und knöcherner Nasenscheidewandanteile aus der Median- oder Sagitalebene. Es gibt dafür zwei Ursachen; häufiger Wachstumsstörungen und seltener traumatische Verletzungen. Wachstumsbedingte Verbiegungen werden durch ungleiches Wachstum von Septum, zwischen Kiefer und Gaumen verursacht. Veränderungen am Septum werden nach ihrer Lage beschrieben und erlauben eine Zuordnung hinsichtlich einer wachstums- oder traumabedingten Deviation. Den wachstumsbedingten Veränderungen steht die traumatische Deviation gegenüber, die sich durch Knickbildung, knorpelige Schiefnase und mögliche Deformierung des Nasensteges auszeichnet, bei starker Befundausprägung kann ein Septumquerstand entstehen. Sowohl Dr. H. wie auch Dr. E. haben in ihren Gutachten den Befund einer auf ein Trauma zurückzuführende Septumdeviation festgestellt, welche nicht dem klinischen Bild einer rein wachstumsbedingten Störung entspricht. Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend der Vollbeweis einer Septumdeviation für den Senat erbracht, da durch die CT-Untersuchung des Klägers vom 22.03.2007 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Septumdeviation gesichert ist. Soweit die Beklagte versucht den Vollbeweis dadurch zu erschüttern, indem sie vorträgt, dass die Septumdeviation nicht unfallzeitpunktnah festgestellt worden sei, ist dies nicht mit den Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu vereinbaren. Die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Gesundheitserstschaden bzw. Folge eines Arbeitsunfalls setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem ersten Schritt voraus, dass die Gesundheitsstörung selbst im Beweismaßstab des Vollbeweises bewiesen ist. In einem zweiten Schritt ist die Gesundheitsstörung dann als Gesundheitserstschaden bzw. Unfallfolge im Rechtssinne des § 8 Abs. 1 SGB VII zu qualifizieren, wenn ein wesentlich ursächlicher Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis festgestellt werden kann. Hierfür genügt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Nach Auffassung des Senats ist der lange zeitliche Abstand zwischen dem Unfallereignis und der Feststellung der angeschuldigten Septumdeviation nicht eine Frage der im Vollbeweis zu sichernden Gesundheits(erst) störung, sondern der Zurechnung im Rahmen der Kausalität (unter b). Das von der beklagten Berufsgenossenschaft postulierte Erfordernis, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass der Gesundheits(erst) schaden bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall eingetreten ist, findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG eine Grundlage und würde in allen Fällen, in denen - wie häufig - der sichere Nachweis einer Gesundheitsstörung erst Wochen oder Monate nach dem Unfallereignis gelingt, die Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität im Sinne des Nachweises mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konterkarieren (so überzeugend BayLSG vom 22.11.2018 - L 2 U 18/16 -, Rn. 77, juris).

Vorliegend ergibt sich der Vollbeweis einer Septumdeviation für den Senat aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. E. und Dr. H., Fachärzte für HNO-Heilkunde, sowie der radiologischen Stellungnahme von Dr. H., Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie vom 22.05.2017. Danach ergibt sich aus der CTUntersuchung des Klägers vom 22.03.2007, dass das knöcherne Nasenseptum eine Deviation mit Stufenbildung und umschriebener hyperostotischer Sklerosierung im mittleren Drittel aufweist. Das Nasenseptum wirkt hier verkürzt im Sinne einer alten posttraumatischen Einstauchung, welche in Fehlstellung knöchern konsolidiert ist. Ein weiterer Nachweis posttraumatischer Residuen liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist damit die Gesundheitsstörung Septumdeviation im Vollbeweis gesichert. Ob diese Gesundheitsstörung im Sinne eines Gesundheitserstschadens oder einer weiteren Unfallfolge in einem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht ist, wie die Klägerbevollmächtigte zutreffend ausführt, eine Frage der Kausalität bzw. der Frage, ob sich das Unfallereignis vom 03.09.2000 als wesentliche Bedingung erweist.

b) Der Senat musste daher weiter im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität prüfen, ob die im Jahr 2007 im Vollbeweis nachgewiesene Septumdeviation mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis vom 03.09.2000 im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung zugerechnet werden kann. Bezüglich der Ursachenzusammenhänge folgt der Senat den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. z.B. BSG, 24.07.2012, B 2 U 9/11 R; BSG, 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Danach ist zunächst eine Kausalitätsprüfung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn durchzuführen (1. Stufe). Diese beruht auf der Äquivalenztheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non).

Nach der Rechtsprechung des BSG setzt die Zurechnung auf der 1. Stufe voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde (BSG vom 07.12.2015 - B 2 U 8/14/R - SGb 2016, 705, 706). Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der „conditio-Formel“ eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Wie die Sachverständigen Dr. H. und Dr. E. in ihren Gutachten ausführen, war das Unfallereignis vom 03.09.2000 mit der nachgewiesenen dislozierten Nasenbeinfraktur grundsätzlich geeignet, die nachgewiesene Septumdeviation zu verursachen. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nicht im Sinne der conditio sine qua non ausreichend. Danach muss das schädigende Ereignis nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele. Der Gutachter Dr. S. führt in seinem Gutachten vom 31.12.2012 dagegen wesentlich differenzierter aus, dass nur „möglicherweise“ auch die Septumdeviation rechts, darüber hinaus das sensible Defizit im Bereich der linken Schläfe und des Unterliedes, als Folge des Unfallereignisses zu sehen sind. Die bloße Möglichkeit erfüllt aber nicht die Voraussetzungen der Zurechnung im naturwissenschaftlichen Sinn.

Bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles kann sich der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass das Ereignis vom 03.09.2000 wesentliche Ursache der nachgewiesenen Septumdeviation war.

Dabei spricht für einen wesentlichen Zusammenhang, dass eine dislozierte Nasenbeinfraktur durch das Ereignis vom 03.09.2000 zweifelsfrei entstanden ist. So hat der Facharzt für HNO-Erkrankungen Dr. S. in seinem Gutachten für die Beklagte vom 31.12.2012, welches im Urkundsbeweis verwertet wird, auch ausgeführt, dass möglicherweise die Septumdeviation nach rechts sowie das sensible Defizit im Bereich der linken Schläfe und des Unterliedes hierdurch entstanden sein könnten. Der Sachverständige Dr. H. hat ebenfalls ausgeführt, dass das Unfallereignis geeignet war, die Veränderungen hervorzurufen.

Gegen eine Zurechnung spricht jedoch, dass der einzige zeitnah zum Unfallereignis behandelnde HNO-Arzt Dr. P. ausdrücklich keine Septumfraktur, sondern lediglich einen Schleimhauteinriss festgestellt hat. Im HNO-Arztbericht vom 05.10.2000 gibt Dr. P. an, dass eine Septumdeviation nach rechts bereits am 05.10.2000 bei der Untersuchung im Sinne eines Vorschadens bekannt war. So hat er in seinem sehr ausführlichen Bericht vom 05.10.2000 ausdrücklich aufgenommen, dass bezüglich der Mund- und Rachenorgane „keine Septumfraktur und kein Hämatom“ vorliegt. Unter der Ziffer 8b) führte er weiter aus, „bekannte Septumdeviation nach rechts“. Aus der Abrechnung von Professor Dr. B. vom 07.02.2001 ergibt sich, dass bei der Behandlung durch Dr. P. eine direkte Laryngoskopie, eine Nasen-/Rachenraum-Endoskopie und eine Binokularmikroskopie durchgeführt wurden. Diese Untersuchungen sind geeignet, auch wenn im Unfallzeitpunkt keine radiologische Untersuchung erfolgte bzw. nicht mehr nachvollziehbar ist, eine frische Septumdeviation nachzuvollziehen. Auch kann nicht unterstellt werden, dass die ausdrücklich und letztlich mehrfach von Dr. P. mit Befundbericht vom 05.10.2000 niedergelegte Aussage, dass keine Septumfraktur vorlag und eine Vorschädigung mit Septumdeviation nach rechts gegeben ist, ohne gesicherte Erkenntnisse abgegeben wurde. Hierfür sprechen die durch die Abrechnung vom 07.02.2001 belegten umfangreichen Untersuchungen. Im Übrigen ist der Befundbericht sehr ausführlich und differenziert eindeutig zwischen dislozierter Nasenbeinfraktur und nicht festgestellter Septumfraktur. Im weiteren Befundbericht der HNO-Klinik im Klinikum F-Stadt vom 14.11.2018 wurde nochmals bestätigt, dass kein Hinweis auf eine frische Septumfraktur bestand. Die letzte Behandlung erfolgte nach Reposition der Nasenbeinfraktur am 07.09.2000. Der Senat hat die Befundberichte vom 05.10.2000 und 14.11.2018 im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Es bestehen daher für den Senat keine Zweifel, dass eine Septumdeviation als Vorschaden vorlag.

Gegen einen Zusammenhang spricht weiter, wie der Beratungsarzt der Beklagten Dr. H., Facharzt für HNO-Heilkunde, in seiner Stellungnahme vom 28.08.2017 ausführt, dass die positiven Gutachten von Dr. E. und Dr. H. weit über zehn Jahre nach dem Unfallereignis erstellt wurden. Der erste radiologisch gesicherte Befund einer Septumdeviation liegt durch ein Nasennebenhöhlen-CT vom 22.03.2007 vor. Aufgrund dieses langen zeitlichen Abstandes zum Unfall 2000 lässt sich nur sehr eingeschränkt eine gesicherte Aussage zum Kausalzusammenhang abgeben. Eine zeitliche Zuordnung des Septumbefundes explizit auf das Nasentrauma vom 03.09.2000 ist nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit möglich. Der Kläger hatte seit 2000 weitere Schädeltraumen mit Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels. Insoweit kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen dieser Verletzungen über den nachgewiesenen Vorschaden hinaus eine weitere Septumdeviation aufgetreten ist. Dies gilt insbesondere bei Frakturen der medialen Kieferhöhlenwand. Ferner spricht gegen eine Zurechnung im Sinne der wesentlichen Bedingung, dass der Kläger als Leistungssportler nach dem angeschuldigten Ereignis 2000 bis zum Jahr 2016 professionell Eishockey spielen konnte. Im Zeitraum von September 2000 bis 31.12.2012 traten offensichtlich keine so schwerwiegenden Beeinträchtigungen oder Einschränkungen der Atmung beim Kläger auf, die ihn zu weiteren fachärztlichen Konsultationen oder Behandlungen bezüglich der vorliegenden Septumdeviation veranlassten. Dies ist umso verwunderlicher, als der Kläger im Zeitraum bis 2012 in der Regionalliga, der Landesliga, der Oberliga und der zweiten Bundesliga professionell als Leistungssportler spielte. Zutreffend weist Dr. H. auch darauf hin, dass traumatische Ereignisse, die häufig zu einer Septumdeviation führen, insbesondere das Geburtstrauma und auch Traumen im Kindesalter sind. Insoweit wäre auch erklärbar, weshalb sich der Kläger nicht mehr an ein traumatisches Ereignis vor dem Unfall 2000 erinnert. Es bestehen jedoch auch Zweifel, dass ein professioneller Eishockeyspieler, der jedenfalls seit 1992 bis zum Unfallereignis in verschiedenen höherwertigen Eishockeyligen spielt, kein anderes geeignetes Unfallereignis erlitten haben soll. So ergibt sich aus den beigezogenen Befundberichten der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Universitätsklinikum A-Stadt vom 16.02.2015, dass der Kläger 2003 ein Gesichtsschädeltrauma erlitten hat. 2005 erfolgte aufgrund eines Schlages ein Implantatverlust des Zahnersatzes. 2010 lag ein Zustand nach einem Trauma suborbital rechts und der Unterlippe vor, im Dezember 2011 kam es zu einer erneuten Jochbeinfraktur links. Auch aus diesen Unfällen besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Septumverletzung.

Bei Abwägung dieser für und gegen einen wesentlichen Zurechnungszusammenhang sprechenden Umstände geht der Senat davon aus, dass mehr gegen als für einen Zurechnungszusammenhang spricht. Daher war die Berufung erfolgreich. Wie bereits ausgeführt, ist eine bloße Möglichkeit nicht ausreichend.

Diese Feststellungen des Senats bezüglich des Vorschadens werden in den Gutachten der Sachverständigen Dr. H. sowie Dr. E. nicht zutreffend erkannt. Die in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2018 gemachten Ausführungen des Sachverständigen Dr. E., sind mit den Beweisregeln in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vereinbar. Insoweit konnte der Senat den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. und Dr. E. im Ergebnis nicht Folgen.

Die beim Kläger weiterbestehende Nasenatmungsbehinderung, wie auch die Trockenheit im Inneren der Nase sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. in der Stellungnahme vom 29.09.2017 Folge der stattgehabten Nasenseptumfraktur. Die vom Kläger vorgetragene Schilderung der Geruchsstörung lässt sich nach den oben dargestellten Ausführungen von Dr. E. ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

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(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

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bei uns veröffentlicht am 24.07.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger war an der Universität B. als Student eingeschrieben. Am 15.12.2008 fiel er auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs B., an dem die zur Universität führende Bahn abfährt, um. Er prallte mit dem Kopf auf den Boden und blieb liegen. Durch den Aufprall erlitt er ein Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Gehirn. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 29.4.2009) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Zwar habe eine innere Ursache für den Sturz nicht festgestellt werden können, dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass eine versicherte Tätigkeit oder andere betrieblich bedingte Umstände für das Unfallereignis ursächlich gewesen seien.

3

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Urteil vom 30.7.2012). Neben der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges zur Universität sei keine weitere Ursache feststellbar, sondern allenfalls denkbar, sodass mangels Konkurrenzursache keine Zweifel an der Unfallkausalität bestünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten. Der Unfall sei jedoch nicht "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers sei zwar objektiv, dh im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, nicht aber rechtlich wesentlich durch dessen zuvor verrichtete Tätigkeit (Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Universität) verursacht worden. Weshalb der Kläger umgefallen sei, sei nicht aufklärbar. Das BSG fordere im Kontext der Wegeunfallversicherung bei der Wesentlichkeitsprüfung, dass sich bei dem Geschehen eine dem Schutzzweck der Wegeversicherung entsprechende, spezifische Gefahr realisiere. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Wie und warum der Kläger umgefallen sei, sei nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht mehr feststellbar. Damit könne auch die Verwirklichung einer spezifischen Verkehrsgefahr nicht festgestellt werden. Allein im Umfallen und Aufschlagen auf dem Boden habe sich kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Die Unfallkausalität sei immer gegeben, wenn neben der versicherten Tätigkeit keine weiteren konkurrierenden Ursachen festgestellt werden könnten. Die Prüfung, ob die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich gewesen sei, habe nur zu erfolgen, wenn noch weitere Ursachen festgestellt würden. Dies folge aus dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei vielen Unfällen der genaue Hergang nicht geklärt werden könne. Das Vorliegen einer inneren Ursache oder anderer konkurrierender Ursachen habe das LSG gerade nicht festgestellt.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. Juli 2012 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnung der Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - SozR 4-2700 § 101 Nr 2 RdNr 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20).

10

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar erlitt der Kläger einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII(dazu unter 1.). Den Feststellungen des LSG ist jedoch bereits nicht zu entnehmen, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Kläger in dem Moment des Unfalls ausübte, sodass schon fraglich ist, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall als Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem Weg nach dem Ort seiner Studientätigkeit versichert war(dazu 2.). Dies kann aber letztlich offen bleiben, denn der Unfall stellt jedenfalls schon deshalb keinen Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII dar, weil das Unfallereignis dem allein hier als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen eines solchen Weges rechtlich nicht zugerechnet werden kann(dazu 3.).

11

1. Der Kläger erlitt am 15.12.2008 auf dem Bahnsteig eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Er schlug mit dem Kopf auf den Boden auf, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Bereich des Gehirns.

12

2. Offen bleiben kann, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall einer versicherten Verrichtung iS des § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII nachgegangen ist. Als eingeschriebener Student einer Universität war der Kläger am 15.12.2008 Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII(vgl zu diesem Begriff BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 24/11 R - SozR 4-2200 § 539 Nr 2 RdNr 13 ff) und damit während seiner Ausbildung an der Hochschule in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl zur versicherten Tätigkeit zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 13 ff und - B 2 U 10/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 32 RdNr 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, sowie - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 15 f; vgl auch BSG vom 26.9.1996 - 2 RU 12/96 - SozR 3-2200 § 539 Nr 36 und vom 4.7.1995 - 2 RU 45/94 - HVBG-INFO 1995, 2377 jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit stand er grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem mit dieser versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort dieser Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort seiner versicherten Tätigkeit, der Universität. Der Unfall ereignete sich auf dem Bahnsteig, von dem eine zur Universität führende Bahn abfuhr.

13

Dass der Versicherte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort seiner versicherten Tätigkeit und seiner Wohnung befindet, reicht jedoch für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Vielmehr muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Andernfalls wäre jede Handlung auf einem Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII vom Versicherungsschutz umfasst. Einen solchen "Wegebann" kennt die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nicht.

14

Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32), ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, die Handlungstendenz des Versicherten (zuletzt Urteile vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18). Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

15

Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger unmittelbar vor dem Sturz gestanden hat oder gegangen ist. Auch eine andere Verrichtung ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Aufenthalt des Klägers auf dem Bahnsteig an sich - allerdings als dann nicht mehr kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ausnahmsweise als die maßgebliche Verrichtung angesehen würde, bleibt dennoch die objektivierte Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses, zu dem Ort der Tätigkeit - hier der Universität - zu gelangen, mangels entsprechender Feststellungen durch das LSG offen. Daher kann schon nicht beurteilt werden, ob ein sachlicher Zusammenhang der zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübten Verrichtung mit dem grundsätzlich versicherten Zurücklegen des Weges bestand.

16

Ungeachtet dessen, ob sich die Verrichtung und Handlungstendenz überhaupt noch aufklären lassen, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, ob der soeben dargestellte sachliche Zusammenhang mit der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegeben war. Denn selbst wenn ein solcher sachlicher Zusammenhang angenommen würde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls jedenfalls daran, dass der Unfall nicht "infolge" des Zurücklegens dieses Weges eingetreten und ihm deshalb rechtlich nicht zuzurechnen ist.

17

3. Der Unfall ist nicht einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII zuzurechnen, weil sich nicht feststellen lässt, dass sich mit dem Aufprall auf dem Bahnsteig eine Gefahr verwirklicht hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt.

18

a) Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN).

19

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Wie bereits ausgeführt, ist die Verrichtung des Klägers vor dem Unfallereignis vom LSG nicht festgestellt worden, sodass die Annahme eines Ursachenzusammenhangs bereits an der ersten Stufe scheitert. Dies kann - wie bereits angedeutet - aber letztlich dahinstehen, weil sich jedenfalls bei dem Unfall des Klägers kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht hat.

20

Selbst wenn eine versicherte Tätigkeit als Wirkursache feststeht, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung - wie hier ggf das Stehen auf dem Bahnsteig - wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung - die hier gerade nicht festgestellt ist - auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 33 ff).

21

Ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, ist auch dann zu prüfen, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 42). Dem stehen die vom Kläger benannten Urteile des Senats vom 30.1.2007 (B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22) und vom 17.2.2009 (B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31) nicht entgegen. Nach den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die dort vom LSG festgestellten Verrichtungen unmittelbar vor dem Unfall der jeweiligen versicherten Tätigkeit zuzurechnen und die nichtversicherten Ursachen waren lediglich mögliche Wirkursachen. Entscheidend war aber auch dort, dass sich durch den Unfall jeweils eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der der jeweilige Versicherungstatbestand gerade schützen sollte, nämlich die Gefahr eines Sturzes während des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Laufens bzw eines Verkehrsunfalls während des dem Zurücklegen des Weges zuzurechnenden Steuerns eines Kraftfahrzeugs. Somit war dort die im vorliegenden Fall zu verneinende Frage, ob sich jeweils im Hinblick auf diese Verrichtung durch das Unfallereignis eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der die gesetzliche Unfallversicherung schützen soll, unproblematisch zu bejahen.

22

b) Das Umfallen und der Aufprall des Klägers auf den Bahnsteig war danach jedenfalls nicht rechtlich wesentlich durch eine zuvor versicherte Tätigkeit verursacht worden. Wie ausgeführt, ist den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger auf dem Bahnsteig befand. Das LSG konnte jedoch nicht feststellen, von welchen konkreten Umständen das Unfallereignis begleitet war. Insbesondere steht nicht fest und ist nach den insoweit unangegriffenen Beweiswürdigungen des LSG auch nicht mehr feststellbar, ob der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis sich bewegt hat, sodass er dabei möglicherweise stolperte oder ausrutschte, oder ob er aus dem Stand umfiel, ob er angerempelt wurde, gegen eine Vitrine stieß, ob die Bodenverhältnisse auf dem Bahnsteig den Sturz bewirkten oder ob ggf eine (innere) Erkrankung bestand. Mithin ist nicht feststellbar, welche Faktoren im Zeitpunkt des Sturzes und Aufpralls auf den Kläger eingewirkt haben. Damit kann auch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich durch das Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, vor dem gerade die Wegeunfallversicherung Schutz gewähren soll.

23

Die Wegeunfallversicherung schützt, wie der Senat zuletzt entschieden hat, vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 20 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45). Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein, was hier gerade nicht der Fall ist. Ihre Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

24

c) Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). In der Wegeunfallversicherung wie auch sonst bei anderen Versicherungstatbeständen der gesetzlichen Unfallversicherung besteht keine Vermutungsregel, dass bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch diese versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Sind - wie hier - die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Kläger eingewirkt haben, unbekannt, kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht wurde, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung beim Zurücklegen des Weges nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII Schutz gewähren soll.

25

Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen. Für die erforderlichen Feststellungen der Tatsachen können ua die Angaben des Versicherten, Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen sowie sonstige Umstände herangezogen werden. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben - soweit ersichtlich - alle denkbaren Beweismittel ausgeschöpft. Insofern werden auch von der Revision keine Rügen erhoben. Ist danach dennoch das zum Unfallereignis führende Geschehen und insbesondere - wie hier - die zum Unfallereignis führende Kausalkette nicht aufklärbar, geht dies zu Lasten des Versicherten (vgl hierzu BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 - HV-INFO 1990, 1181 mwN; vgl auch BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 - HV-INFO 1984, Nr 15, 40 bis 44). Wie bereits oben ausgeführt, kann ohne Feststellung der konkreten Kausalkette nicht aus der bloßen Tatsache des "auf dem Wege seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt. Ein solcher "Wegebann" entspricht nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der allgemeine Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dazu, dass die Nichterweislichkeit der Ursache bei ungeklärtem Unfallhergang jeweils zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht. Denn die Einstandspflicht und damit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch in der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Verrichtung erfüllte Versicherungstatbestand der Wegeunfallversicherung schützen soll. Ein solches spezifisches Wegerisiko als Unfallursache ist hier aber nicht feststellbar, was zu Lasten des Klägers geht.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 14.12.2015 und des Bescheides der Beklagten vom 10.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 19.01.2012 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. für den Zeitraum vom 20.03.2013 bis zum 31.10.2013 zu bezahlen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat der Klägerin vier Zehntel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung ihrer Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.01.2012 und hieraus die Gewährung einer Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mind. 20 v.H. nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Die 1998 geborene Klägerin besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 8. Klasse der staatlichen Realschule T.. Die 8. Klassen dieser Schule befanden sich im Zeitraum vom 15.01.2012 bis 20.01.2012 im Skilager in O./Österreich. Am Nachmittag des 19.01.2012 kam es zu einem Skiunfall: Die Klägerin fuhr gerade einen Hang hinunter, als eine Mitschülerin, die Zeugin V. W., ihr direkt entgegenkam. Es kam daher zu einem Zusammenstoß, und beide stürzten. Die Klägerin verdrehte sich dabei das linke Kniegelenk und verspürte dort ein „Knacksen“. Die Ski-Bindungen waren nicht aufgegangen (so die im Tatbestand des Gerichtsbescheides wiedergegebene Angabe der Klägerin im Erörterungstermin des Sozialgerichts Landshut vom 06.10.2015, bestätigt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht). Das Knie schmerzte etwas und war leicht geschwollen. Dennoch fuhr sie noch rund eine Stunde weiter, bis der Skitag zu Ende war. Am nächsten Tag wurde nicht mehr Ski gefahren, vielmehr fuhren die Klassen nach Hause. Nach Angaben der Mutter der Klägerin war das linke Knie, als die Klägerin nach Hause kam, geschwollen. Es war nicht gerötet, aber dicker als das rechte Knie. Die Mutter traf dann einen ihr bekannten Arzt an der Tankstelle. Dieser riet ihr, wegen der Kniebeschwerden ihrer Tochter Quarkwickel zu machen. Das anschließende Wochenende über wurden Quarkwickel gemacht. Das Knie wurde daraufhin erst einmal besser. Ein Arzt wurde auch in den Wochen danach nicht aufgesucht, vielmehr begann die Klägerin, auch zeitnah wieder am Schulsport teilzunehmen.

Am Freitag, dem 27.07.2012 nahm die Klägerin an einem schulischen Fußballturnier teil. Während des Fußballspiels bekam sie plötzlich heftige Schmerzen am linken Knie und konnte nicht mehr weiterspielen. Es bestand auch eine Streckhemmung am linken Kniegelenk.

Am Montag, dem 30.07.2012, begab sie sich in Behandlung beim Orthopäden Dr. F. in H.. Dieser gab im Durchgangsarztbericht vom 30.07.2012 an, dass er bei der Klägerin im linken Kniegelenk einen Erguss tasten könne. Die Seitenbänder seien stabil, eine vordere Schublade sei nicht auszulösen. Die Extension/Flexion betrage 0-20-120 Grad. Es bestünden Schmerzen bei maximaler Streckung. Er habe den Verdacht auf eine eingeklemmte Meniskusstruktur am linken Kniegelenk. Im Rahmen des ersten Besuchs bei Dr. F. gab die Klägerin an, dass sie beim Skifahren mit einer anderen Skifahrerin zusammengestoßen und gestürzt sei und seither Schmerzen im linken Kniegelenk habe. Die Schmerzen durch den Sturz seien zwar nach einer Woche besser geworden, jedoch nie richtig abgeklungen.

Am 29.08.2012 machte die staatliche Realschule in T. bezüglich des Unfalles vom 19.01.2012 eine Unfallanzeige bei der Beklagten. Auch hierin wurde ausgeführt, dass die Klägerin während des Skilagers am 19.01.2012 mit einer Mitschülerin zusammengeprallt und dabei auf das linke Knie gestürzt sei. In ärztliche Behandlung habe sich die Klägerin im Anschluss an den Unfall nicht begeben. Ebenfalls am 29.08.2012 zeigte die staatliche Realschule T. den Vorgang vom 27.07.2012 als Unfall bei der Beklagten an.

Am 02.08.2012 wurde eine MRT des linken Kniegelenks durchgeführt (Befund vom 06.08.2012). Es ergab sich eine korbhenkelartige Verletzung des Innenmeniskus mit Dislokation des medialen Fragments und ein Verdacht auf eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes.

Am 03.08.2012 führte der Chirurg Dr. F. eine Arthroskopie am linken Kniegelenk durch (OP-Bericht vom 03.08.2012). Er stellte folgende Diagnosen (intraoperativ): „Innenmeniskuskorbhenkelriss Kniegelenk links, vordere Kreuzbandteilruptur, Außenmeniskuslappenriss, hypertrophe Plica centralis“. Bei der Operation wurde der Innenmeniskus durch Naht refixiert, ein partielle Resektion des gerissenen Abschnitts des vorderen Kreuzbandes vorgenommen, der Außenmeniskuslappen am Vorderhorn entfernt sowie eine Plica-Resektion durchgeführt.

Der histologische Befund vom 07.08.2012 ergab ein sichelförmiges Außenmeniskusteilexzisat ohne Nachweis einer vorbestehenden Texturstörung mit nicht mehr ganz frischer Läsion. Das morphologische Bild spreche für eine 10 bis 14 Tage zurückliegende traumatische Schädigung.

Wegen fortbestehender Schmerzen wurde am 05.11.2012 eine erneute MRT des linken Kniegelenks (Befund vom 06.11.2012) und am 09.11.2012 von Dr. F. eine weitere Arthroskopie durchgeführt. Es zeigte sich, dass der bei der Voroperation genähte Rest des Innenmeniskus an einer Stelle nicht verheilt war, der Faden war ausgerissen. Die andere Hälfte war im Bereich des Hinterhorns eingeheilt. Dr. F. nahm eine partielle Resektion des Innenmeniskus vor.

Das vordere Kreuzband zeigte sich deutlich ausgedünnt, in seiner Kontinuität jedoch intakt. Auf Zug mit dem Häkchen zeigte sich eine mäßige Instabilität.

In seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 25.12.2012 ist der Orthopäde Dr. S. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass er nicht davon ausgehe, dass der Vorgang vom 19.01.2012 eine wesentliche Teilursache für die Gesundheitsstörungen der Klägerin am linken Kniegelenk sei. Es existierten keine ärztlichen Befunde über die Primärverletzungen nach dem Unfall vom 19.01.2012. Nach den Angaben der Klägerin seien die unfallbedingten Beschwerden bereits zwei Tage nach dem Sturz weitgehend abgeklungen gewesen. Ein Arztbesuch habe letztlich bis August 2012 nicht stattgefunden. Unfallfolgen seien insgesamt nicht anzuerkennen.

Wegen fortbestehender Beschwerden aufgrund der Kreuzbandinsuffizienz wurde zunächst am 11.03.2013 ein weiteres MRT des linken Kniegelenks angefertigt und anschließend mit Operation vom 20.03.2013 von Dr. F. eine Kreuzbandersatzplastik durchgeführt. Bezüglich des medialen Kompartiments wurde der Rest des Innenmeniskus überprüft. Dieser war nach Naht eingeheilt. Es lag zwar noch ein Horizontalriss vor, der jedoch nicht zu Einklemmungen führte. Kleinere Einrisse wurden punktiert, und es erfolgte eine Begradigung. Auf eine größere Resektion wurde jedoch verzichtet.

Der beratende Arzt der Beklagten, Dr. W., führte in seiner Stellungnahme vom 04.02.2013 aus, dass er sich dem Gutachten von Dr. S. anschließe. Die Klägerin habe nach dem Sturz vom 19.01.2012 wieder einige Zeit Skifahren können. Dies sei mit einem frischen Kreuzband- oder Meniskusriss nicht vereinbar.

In einem für die private Unfallversicherung erstellten Gutachten vom 29.05.2013 vertrat Dr. X. die Meinung, dass die Kreuzbandteilruptur mit Sicherheit nicht auf eine degenerative Vorschädigung, sondern auf eine äußere Einwirkung zurückzuführen sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei die Kreuzbandteilruptur bei dem Unfall vom 19.01.2012 entstanden.

Mit dem ersten hier streitgegenständlichen Bescheid vom 10.06.2013 hat die Beklagte zwar den Unfall vom 19.01.2012 als Versicherungsfall anerkannt, einen Anspruch auf Verletztenrente jedoch verneint. Als Unfallfolge wurde bewertet: „Prellung des linken Kniegelenks“. Diese sei ausgeheilt, Unfallfolgen seien nicht verblieben. Nicht als Unfallfolgen würden anerkannt: „Korbhenkelriss des Innenmeniskus, Lappenriss des Außenmeniskus und Teilriss des Kreuzbandes am linken Kniegelenk“. Es bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit.

Mit weiterem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 10.06.2013 wurde die Anerkennung des Ereignisses vom 27.07.2012 als Versicherungsfall abgelehnt. Ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung habe nicht vorgelegen. Es habe bei diesem Ereignis keine Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk stattgefunden, welche geeignet gewesen wäre, eine Verletzung der Kreuzbänder oder der Menisken zu verursachen.

Gegen beide Bescheide vom 10.06.2013 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt.

Der behandelnde Arzt und Operateur der Klägerin, Chirurg und D-Arzt Dr. F., vertrat mit Attest vom 27.06.2013 folgende Auffassung hinsichtlich des Ursachenablaufs: Der Unfall vom 19.01.2012 habe zu einem Distorsionstrauma des linken Kniegelenks mit subtotaler vorderer Kreuzbandruptur und Längseinriss im Bereich des Innenmeniskus geführt. Zu einer Einklemmung sei es noch nicht gekommen.

Am 30.07.2012 habe die Klägerin beim Schulsport plötzlich eine Einklemmung erlitten, da der Längsriss des Innenmeniskus zugenommen habe und bei diesem Ereignis eingeklemmt sei. Primär sei versucht worden, den Innenmeniskus zu nähen, was jedoch nur partiell zur Ausheilung gekommen sei, sodass eine partielle Meniskektomie erforderlich geworden sei. Durch den partiellen Meniskusverlust sowie die Schwächung der Quadrizepsmuskulatur infolge der Nachbehandlung der Meniskusverletzung sei die vordere Kreuzbandinsuffizienz, die initial kompensiert gewesen sei, zur Dekompensation gelangt, da die subtotale Ruptur nicht zur Abheilung geführt habe. Aus diesem Grunde habe im März 2013 eine vordere Kreuzbandplastik erfolgen müssen.

Die Leichtathletik-Gemeinschaft P. teilte mit Schreiben vom 05.07.2013 mit, dass die Klägerin derzeit Mitglied im Sportverein D. E. sei. Die letzten Ergebnisse in der Leichtathletik seien von der Klägerin bei einer Sportveranstaltung im Jahre 2007 erzielt worden. Leider habe sie seit dem Jahr 2010 das Training nicht mehr wahrgenommen und demzufolge auch an keinen Leichtathletik-Wettkämpfen mehr teilgenommen.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin H. hat mit Attest vom 08.07.2013 bestätigt, dass nach vollständiger Durchsicht der Karteikarte der Klägerin in der Zeit vom 31.07.2000 bis Januar 2012 ein Eintrag das Kniegelenk betreffend nicht vorhanden sei.

Mit zwei getrennten Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2013 wies die Beklagte die gegen die Bescheide vom 10.06.2013 eingelegten Widersprüche jeweils als unbegründet zurück.

Gegen beide Bescheide vom 10.06.2013 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 hat die Klägerin am 20.01.2014, einem Montag, beim Sozialgericht (SG) Landshut Klage erhoben.

Der behandelnde Chirurg, Dr. F., hat im Befundbericht vom 06.10.2014 seine bereits mit Attest vom 27.06.2013 formulierte Auffassung zum Kausalverlauf bekräftigt.

Das SG hat den Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. zum Sachverständigen ernannt, der in seinem nach ambulanter Untersuchung erstellten Gutachten vom 09.12.2014 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die vordere Kreuzbandteilruptur auf den Sturz am 19.01.2012 zurückzuführen sei. Bei dem Sturz habe es sich um einen geeigneten Mechanismus für eine Kreuzbandteilruptur gehandelt. Das linke Kniegelenk sei auch im Anschluss an den Unfall angeschwollen. Selbst die Tatsache, dass die Klägerin im Anschluss daran noch einige Zeit Ski gefahren sei, spreche nicht gegen die Kausalität, da schließlich nur ein Teilabriss des vorderen Kreuzbandes vorgelegen habe und man mit einem partiellen Kreuzbandriss bei gutem Zustand der umgebenden Muskulatur durchaus noch Ski fahren könne. Von einem guten muskulären Zustand könne man bei der Klägerin ausgehen, da sie vor dem Unfall jahrelang aktiv Sport betrieben habe. Eine wesentliche Instabilität im linken Kniegelenk habe aus dieser Verletzung höchstwahrscheinlich nicht resultiert, da eine Verletzung der Seitenbänder ja niemals nachgewiesen worden und auch nicht wahrscheinlich sei. Zwar könne mangels unfallnaher ärztlicher Befunde nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass die Kreuzbandteilruptur bereits zeitnah zum Unfall vom 19.01.2012 vorgelegen habe. Auf der anderen Seite sei bei der jungen sportlichen Klägerin kaum eine andere Ursache denkbar als dieser Unfall beim Skifahren; jedenfalls sei eine degenerative Ursache aufgrund des jugendlichen Alters der Klägerin ausgeschlossen. Die Frage, ob es im rechtlichen Sinne zu einer Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin kommen könne, liege jedoch auf juristischem Fachgebiet und sei von Seiten des medizinischen Gutachters nicht zu entscheiden.

Bei dem Ereignis vom 27.07.2012 handle es sich dagegen nicht um einen Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein von außen einwirkendes Ereignis habe nicht vorgelegen: die Klägerin schildere normales, eventuell etwas beschleunigtes Laufen auf ebenem Untergrund, keine gegnerische Einwirkung, kein Hochspringen und Auftreffen mit Verdrehen des Unterschenkels gegen das Kniegelenk auf dem Untergrund und auch ohne sicher erinnerliches aktives Drehen des Oberkörpers gegen den fixierten Fuß.

Die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Unfall vom 19.01.2018 verursachte Kreuzbandteilruptur habe dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dem Korbhenkelriss des Innenmeniskus geführt, der im Rahmen der Arthroskopie vom 03.08.2012 diagnostiziert worden sei. Es entspreche der medizinischen Erfahrung, dass es häufig nach einem teilweisen oder kompletten Kreuzbandriss mit nachfolgender Bandinstabilität im weiteren Verlauf zu Korbhenkelrissen am Innenmeniskus komme. Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit gelte dies auch für den kleinen Lappenriss am Außenmeniskusvorderhorn, welcher am 03.08.2012 entfernt worden sei.

Es bestünden folgende Unfallfolgen:

1. endgradige Funktionseinschränkung am linken Kniegelenk Im linken Kniegelenk finde sich bei der klinischen Untersuchung eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit. Die Streckung sei um endgradig ca. 5° eingeschränkt, was für die Funktion des linken Kniegelenks keine nennenswerte Bedeutung habe. Die Beugung sei gegenüber der nicht betroffenen rechten Seite um ca. 15 bis 20° eingeschränkt. Nach der Neutral-Null-Methode ergebe sich eine Beweglichkeit der Kniegelenke in der Streckung und Beugung rechts von 5-0-130° und links von 0-5-115°.

2. muskulär kompensierte Restinstabilität am linken Kniegelenk nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes am 20.03.2013 Es finde sich eine geringfügige Restinstabilität des linken Kniegelenks bezüglich des vorderen Kreuzbandes. Das Lachman-Zeichen sei zweifach positiv mit hartem Anschlag. Es sei eine vordere Schublade bei gebeugtem Kniegelenk auszulösen, die jedoch bei maximaler Anspannung der Muskulatur des linken Oberschenkels nicht mehr provozierbar sei. Es handele sich damit um eine muskulär kompensierte Instabilität.

3. geringe Muskelminderung am linken Oberschenkel und Unterschenkel Es sei eine minimale Muskelminderung am körperfernen linken Oberschenkel und dem körpernahen linken Unterschenkel festzustellen, die jedoch von den Umfangsmaßen lediglich 1 cm betrage.

4. teilweiser Verlust des Innenmeniskus und partieller Verlust des Außenmeniskusvorderhorns nach arthroskopischen Operationen am 03.08.2012 und am 09.11.2012.

Im Anschluss an die Arthroskopie vom 03.08.2012 sei von einer Schulunfähigkeit von drei Wochen auszugehen. Die unfallbedingte MdE habe 10 v.H. betragen. Im Anschluss an die Arthroskopie vom 09.11.2012 sei wiederum von einer Schulunfähigkeit von ca. drei Wochen auszugehen. Nach der vorderen Kreuzbandersatzplastik vom 20.03.2013 sei von einer Schulunfähigkeit von sicherlich vier Wochen auszugehen. Im Anschluss an die Schulunfähigkeit habe sich die unfallbedingte MdE zunächst auf 20 v.H. für sechs Monate erhöht. Seitdem betrage die unfallbedingte MdE durchgehend 15 v.H. Die zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung festgestellte MdE von 15 v.H. hat der Sachverständige Dr. M. wie folgt begründet: für eine Funktionsminderung des linken Kniegelenks im Umfang 0-0-120° werde in der gutachterlichen Literatur eine unfallbedingte MdE von 10 v.H. vorgeschlagen. Bei der Klägerin betrage die Beugefähigkeit im linken Kniegelenk 115°, so dass für die Einschränkung der Beweglichkeit eine unfallbedingte MdE von maximal 10 v.H. anzusetzen sei, welche eher gegen unter 10 v.H. tendiere. Bezüglich der muskulär kompensierten Bandinstabilität am vorderen Kreuzband werde in der gutachterlichen Literatur eine unfallbedingte MdE von ebenfalls 10 v.H. vorgeschlagen. Die minimale Umfangsminderung (bzw. Muskelminderung) am körperfernen linken Oberschenkel und körpernahen linken Unterschenkel führe nicht zu einer weiteren Erhöhung der unfallbedingten MdE. Die beiden Teil-MdEs für die Einschränkung der Beweglichkeit und für die Bandinstabilität von jeweils 10 v.H. könnten nicht einfach addiert werden; in der Unfallbegutachtung sei es üblich, von der Summe zwei Drittel zu nehmen. Dadurch komme man auf eine unfallbedingte MdE von 13 v.H., die dann auf 15 v.H. aufzurunden sei.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG zusätzlich ein Gutachten vom Chirurgen Dr. X. zur Frage der Kausalität in der gesetzlichen Unfallversicherung eingeholt. Im Gutachten vom 16.04.2015 kommt Dr. X. zum selben Ergebnis wie Dr. M.. Durch die vollständig fehlende Erstdiagnostik nach dem Skiunfall vom 19.01.2012 könne in letzter Konsequenz, sprich im Vollbeweis, nicht behauptet werden, dass es dabei tatsächlich zur Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und anderen Läsionen (zum Beispiel am Meniskus) gekommen sei. Eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit hierfür sei jedoch gegeben.

Der durch die Sachbefunde gesicherte Schadensverlauf stelle sich nahezu lehrbuchmäßig dar. In der unfallchirurgischen Praxis fänden sich immer wieder vergleichbare Abläufe. Ein adäquates Trauma führe zu einer Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und dabei auch meistens zu ersten Einrissen an den Menisken, in der Regel sei auch ein Seitenband zumindest gezerrt, dies ergebe sich aus der Biomechanik. Teilrupturen der Kreuzbänder könnten durchaus ohne dramatische klinische Erstbefunde ablaufen, gar mancher Fußballer spiele damit nicht nur das laufende Spiel, oft noch eine ganze Saison oder länger weiter. Es resultierten leichtere, rezidivierende Beschwerden. Die Kniegelenke seien am Anfang etwas geschwollen, könnten durch Eigenbehandlung in einen akzeptierten Zustand gebracht werden. Dann komme es entweder zu einem Zweitereignis im Sinne eines neuerlichen Unfalles, oder, auch das sei nicht selten, zu sekundären Komplikationen, meist in der Form, dass durch die eingetretene Instabilität Menisken abrissen (ganz abrissen) und sich dann oft einklemmten. Dieses Geschehen wiederum sei dann so schmerzhaft, dass die Verletzung letztendlich doch diagnostiziert werde und sich, wie im aktuellen Fall der Klägerin, das ganze Ausmaß des Schadens darstelle. Jeder, der Kniegelenkschirurgie betreibe, könne über viele solche Verläufe berichten. Das beschriebene Zweitereignis habe in diesen Fällen einen meist untergeordneten, mehr oder minder oft nur auslösenden Charakter. Entschieden habe sich die Entwicklung bereits durch die beim Erstereignis entstandenen Primärverletzungen.

Nach den beiden Arthroskopien sei von einer Schulunfähigkeit von jeweils zwei Wochen auszugehen, nach der Kreuzbandersatzoperation von einer Schulunfähigkeit von 3 bis 4 Wochen. Die unfallbedingte MdE habe für sechs Monate ab der Kreuzband-OP 20 v.H. betragen und danach 10 v.H. bis zum 15.04.2015, ab dem 16.04.2015 (dem Tag der Untersuchung durch Dr. X.) unter 10 v.H.

Der vom SG befragte Physiotherapeut der Klägerin, J. H., hat mit Schreiben vom 21.05.2015 die Behandlungsdaten mitgeteilt. Diese lagen sämtlich im Zeitraum vom 13.08.2012 bis zum 03.07.2013.

Am 06.10.2015 hat das SG einen Erörterungstermin abgehalten und darin die Klägerin persönlich sowie ihre Mutter und mehrere Zeugen vernommen. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat im Erörterungstermin vom 06.10.2015 u. a. erklärt, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls im Januar 2012 schon seit längerem nicht mehr im Leichtathletikverein gewesen sei. Sie sei zu dieser Zeit nicht privat mit der Familie Ski gefahren. Nach dem Januar 2012 habe sie im Sportunterricht in der Schule des Öfteren Beschwerden gehabt. Sie könne sich erinnern, dass sie, als einmal Fußball gespielt worden sei, aufhören habe müssen, weil ihr das Knie so weh getan habe. Sie sei etwa bis zum Jahr 2010 im Leichtathletikverein in P. aktiv gewesen. Die Mutter der Klägerin hat erklärt, wenn sie vom Schulsport mit einem geschwollenen Knie nachhause gekommen sei, hätten sie wieder Quarkwickel gemacht.

Die Zeugin K. F., eine damalige Mitschülerin, hat angegeben, auch im Skilager dabei gewesen und in der Gruppe der Klägerin mitgefahren zu sein. Den Unfall habe sie direkt nicht gesehen, aber sie habe die Klägerin kurze Zeit nach ihrem Sturz auf der Piste getroffen. Die Klägerin habe sie gefragt, ob sie das gesehen habe, dass sie mit V. W. zusammengestoßen sei. Die Klägerin habe gemeint, ein bisschen Beschwerden habe sie schon noch. Wie lange sie an diesem Tag noch gefahren seien, wisse sie nicht mehr. Am nächsten Tag sei die Heimreise gewesen, es sei dann auch nicht mehr Ski gefahren worden.

Die Zeugin J. D. hat ausgesagt, dass sie die Gruppe der Klägerin betreut habe, als der Skiunfall passiert sei. Sie habe aber den Unfall selbst nicht gesehen. Sie könne sich auch nicht mehr erinnern, dass die Klägerin gesagt habe, aufgrund eines Sturzes nun Schmerzen am Kniegelenk zu haben. Das sei einfach zu lange her. Wenn die Klägerin den Wunsch gehabt hätte, zum Arzt zu gehen, dann hätte man sie zum Arzt gefahren. Ansonsten könne sie mitteilen, dass für das zweite Halbjahr 2012 für die Klägerin keine Sportbefreiung vorgelegen habe. Über die Fehlzeiten im Sportunterricht im Zeitraum von Februar 2012 bis Juli 2012 könne sie nichts sagen, weil diese Unterlagen zum Ende eines Schuljahrs vernichtet würden. Lediglich Auskünfte zu allgemeinen Krankheitstagen wären möglich.

Das Gericht hatte ursprünglich auch die Sportlehrerin der Klägerin im Schuljahr 2011/12, C., geladen, auf deren Mitteilung hin, dass sie zu dem besagten Skiunfall nichts sagen könne, da sie im Skilager nicht dabei gewesen sei, jedoch die Ladung aufgehoben.

Die Unfallgegnerin V. W. hat das Gericht schriftlich als Zeugin befragt. Diese hat mit Schreiben vom 03.11.2015 mitgeteilt, dass sie sich an den Sturz nur beschränkt erinnern könne. Sie sei mit der Klägerin auf der Skipiste zusammengestoßen. Die Geschwindigkeit sei ihr nicht mehr bekannt. Es seien beide gestürzt. An den Sturzvorgang könne sie sich nicht mehr erinnern. Ob die Klägerin gleich wieder habe aufstehen können, wisse sie nicht mehr. Sie seien aber gemeinsam zur Talstation gefahren. Ob die Klägerin über Schmerzen geklagt habe, wisse sie nicht mehr. Sie sei mit der Klägerin im Januar 2012 gut befreundet gewesen.

Der Schulleiter der staatlichen Realschule T., RSK O. M., hat auf Befragung durch die Beklagte mit Schreiben vom 29.10.2015 mitgeteilt, dass die Klägerin im Schuljahr 2011/12 in der achten Jahrgangsstufe im Fachsport von der Sportlehrerin C. unterrichtet worden sei. Laut Auskunft von Frau C. habe sie in den Zeiträumen September 2011 bis 14.01.2012 und vom 21.01.2012 bis zum 26.07.2012 die Beobachtung machen können, dass die Klägerin während des Sportunterrichts sehr häufig eine Kniebandage getragen habe. Sie habe sich aber trotzdem aktiv am regulären Sportunterricht beteiligt. Die Klägerin habe im Schuljahr an allen Sportdisziplinen wie folgt teilgenommen: Geräteturnen und Schwimmen von September 2011 bis Januar 2012; Leichtathletik, Schwimmen und Mannschaftssport von Februar bis Juni 2012. Erst im Schuljahr 2012/13 sei die Klägerin ganzjährig vom Sportunterricht befreit worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 20.01.2014 beantragt, unter Abänderung der Bescheide vom 10.06.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.12.2013 die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 27.07.2012 als Versicherungsfall anzuerkennen und der Klägerin Rentenleistungen aus dem Arbeitsunfall vom 19.01.2012 und dem Ereignis vom 27.07.2012 zu erbringen.

Nach der im Tatbestand des angefochtenen Gerichtsbescheides wiedergegebenen Interpretation durch das SG hat die Klägerin zusätzlich beantragt, die Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk als Folge des Schulunfalles vom 19.01.2012 anzuerkennen.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.12.2015 (Az. S 15 U 31/14) die Beklagte verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 10.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 bei der Klägerin als Folge des Schulunfalles vom 19.01.2012 eine muskulär kompensierte Restinstabilität am linken Kniegelenk nach unfallbedingter Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes, eine endgradige Funktionseinschränkung am linken Kniegelenk, eine geringe Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel, sowie einen teilweisen Verlust des Innenmeniskus links und einen partiellen Verlust des Außenmeniskusvorderhorns links anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach den Entscheidungsgründen bezog sich die Abweisung der Klage auf die beantragte Verurteilung zur Zahlung einer Verletztenrente sowie auf die beantragte Feststellung des Ereignisses vom 27.07.2012 als Arbeitsunfall.

In medizinischer Hinsicht ist das SG dem übereinstimmenden Ergebnis der Gutachten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. X. gefolgt. Für die Feststellung der Unfallfolgen müsse nicht im Vollbeweis nachgewiesen sein, dass die Kreuzbandteilruptur links als Primärschaden am 19.01.2012 eingetreten sei. Vielmehr reiche es aus, dass im Vollbeweis nachgewiesen sei, dass es durch den Sturz beim Skifahren überhaupt zu einem Gesundheitserstschaden am betreffenden Körperteil (hier linkes Knie) gekommen sei. Ob dann später diagnostizierte Strukturverletzungen (hier die Kreuzbandteilruptur) mit dem Gesundheitserstschaden (hier zu bezeichnen als Zerrung) im Zusammenhang stünden, betreffe den Kausalzusammenhang und sei mit dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Es sei in der Unfallversicherung keine Seltenheit, dass zunächst etwa nur eine Schulterzerrung nachgewiesen sei und sich dann erst Monate später im Rahmen einer Arthroskopie zeige, dass beispielsweise auch eine Reruptur oder Teilruptur der Supraspinatussehne eingetreten sei. Auch dann genüge es zur Anerkennung einer entsprechenden Unfallfolge, wenn bewiesen sei, dass die Ruptur der Supraspinatussehne mit Wahrscheinlichkeit mit der Zerrung in Zusammenhang stehe.

Die Beklagte hat gegen den Gerichtsbescheid des SG, der ihr am 16.12.2015 zugestellt worden ist, am 15.01.2016 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid, der ihr am 16.12.2015 zugestellt worden ist, am 18.01.2016, einem Montag, Berufung eingelegt.

Das LSG hat am 24.10.2017 einen Erörterungstermin abgehalten, in dem der Berichterstatter den Beteiligten einen Vergleich des Inhalts vorgeschlagen hat, dass die im Gerichtsbescheid genannten Unfallfolgen anerkannt werden sollten und zusätzlich die Beklagte der Klägerin wegen der Unfallfolgen Verletztenrente im Zeitraum vom 20.03.2013 bis einschließlich 20.09.2013 gewähren sollte. Mit diesem Vergleichsvorschlag hat sich die Klägerin, nicht jedoch die Beklagte einverstanden erklärt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.11.2017 die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. L. vom 31.12.2015 vorgelegt. Demnach sprechen im vorliegenden Fall alle entscheidungserheblichen Fakten und Indizien gegen die Verursachung eines Kniebinnenschadens durch den Unfall vom 19.01.2012. Ob es durch die versicherte Tätigkeit am 19.01.2012 zu einer direkten oder zu einer indirekten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk der Versicherten gekommen sei, sei offen und könne nicht mehr gesichert werden. Das Verhalten der Versicherten mit Fortführung des Skisports (Abfahrtski), die volle Belastung des linken Kniegelenks / linken Beines im weiteren Verlauf, die ununterbrochene Teilnahme am Schulunterricht und am Schulsport und der erstmalige Arztbesuch am 30.07.2012 seien völlig verletzungsatypisch und sprächen ganz entschieden gegen einen unfallbedingten relevanten Kniebinnenschaden in Form einer gedeckten Teilverletzung des vorderen Kreuzbandes links. Dass nach einer derartig gravierenden Verletzung noch weiter Abfahrtski gefahren werde, sei zwar möglich (möglich sei in der Medizin fast alles), aber nicht naheliegend. Ebenso wenig sei naheliegend, dass im weiteren Verlauf keine relevanten Beschwerden einträten, so dass das linke Kniegelenk weiterhin voll belastet und ununterbrochen am Schulsport teilgenommen werde. Eine Verletzung des Kreuzbandes, wie sie bei der Klägerin aufgetreten sei, wäre nur durch einen Drehsturz zu erklären, der jedoch gleichzeitig zu einer ausgedehnten Verletzung des Innenmeniskus geführt hätte, mit der eine weitere Belastung des Kniegelenks jedoch mehr oder weniger ausgeschlossen gewesen wäre. Der Operateur sei am 03.08.2012 jedoch von einer relativ frischen Schädigung des Innenmeniskus ausgegangen. Ansonsten hätte er keine Naht durchgeführt. Feingeweblich seien die Veränderungen im Bereich des Außenmeniskusvorderhorns ebenfalls relativ frisch gewesen, so dass ein Bezug zur versicherten Tätigkeit am 19.01.2012 nicht hergestellt werden könne.

Die Klägerin hat bestritten, im Zeitraum von September 2011 bis Juli 2012 „sehr häufig eine Kniebandage“ getragen zu haben, wie im Schreiben des Schulleiters vom 29.10.2015 nur als Aussage der Sportlehrerin C. wiedergegeben. Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht die Sportlehrerin C. hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2018 als Zeugin vernommen. Die Zeugin C. hat im Wesentlichen ausgesagt, sich weder an Einzelheiten bzgl. der Klägerin im Sportunterricht des Schuljahres 2011/12 noch an eine erfolgte Befragung im Zusammenhang mit dem Schreiben des Schulleiters vom 29.10.2015 erinnern zu können. Im Übrigen wird bezüglich ihrer Aussage auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 14.12.2015 und des Bescheides der Beklagten vom 10.06.2013, Az. 02/146917/ 12-9, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 19.01.2012 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit 20.03.2013 bis 31.10.2013 zu zahlen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

  • 1.unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 14.12.2015 die Klage in vollem Umfang abzuweisen und

  • 2.die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Gründe

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere wurden sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufungen bedürfen gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, soweit sie darauf gerichtet war, unter Abänderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.01.2012 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis zum 31.10.2012 zu bezahlen. Die Klage ist insoweit als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG statthaft und zulässig. Die Klage ist in diesem Umfang der zuletzt gestellten Klageanträge auch begründet.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 10.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 die Beklagte verurteilt, bei der Klägerin als Folge des Schulunfalles vom 19.01.2012 eine muskulär kompensierte Restinstabilität am linken Kniegelenk nach unfallbedingter Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes, eine endgradige Funktionseinschränkung am linken Kniegelenk, eine geringe Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel sowie einen teilweisen Verlust des Innenmeniskus links und einen partiellen Verlust des Außenmeniskusvorderhorns links anzuerkennen. Insoweit ist eine kombinierte Anfechtungs- und (auf einen feststellenden Verwaltungsakt gerichtete) Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft und zulässig. Zwar hat die Klägerin erstinstanzlich insoweit nicht ausdrücklich einen solchen Antrag gestellt, sondern er wurde vom SG in die Anträge der Klägerin hineininterpretiert. Spätestens mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten vom 22.02.2016 hat aber die Klägerin die Klage im Sinne der erstinstanzlichen Verurteilung erweitert. Diese Klageerweiterung ist gemäß § 99 SGG zulässig, weil sich die Beklagte darauf eingelassen hat, ohne der Klageerweiterung zu widersprechen; sie wäre im Übrigen auch sachdienlich, weil das SG insoweit ein Sachurteil erlassen hat und die Frage der Unfallfolgen durch die Gutachten entscheidungsreif geklärt ist. Die Klage ist im Rahmen der Verurteilung durch das SG auch begründet.

Welche Gesundheitsstörungen dem Unfallversicherungsträger als Unfallfolgen zuzurechnen sind, ist nach der Theorie von der wesentlichen Bedingung zweistufig zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vergleiche z. B. BSG, Urteil vom 24.07.2012 Az. B 2 U 9/11 R, Rdnrn. 31 ff.):

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung als Wirkursache objektiv (mit) verursacht wurde. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (Conditio-sine-qua-non). Nach der im Strafrecht maßgeblichen rechtlichen Zurechnungslehre der „Äquivalenztheorie“ gelten alle solchen notwendigen Bedingungen stets als gleichwertig (äquivalent) und deshalb schon rechtlich als Ursachen (BSG, Urteil vom 13.11.2012 Az. B 2 U 19/11 R = BSGE 112, 177, Rdnr. 34). Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall eine (von möglicherweise vielen) Bedingungen für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG vom 09.05.2006 Az. B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196, Rdnr. 15).

Erst wenn sowohl der Versicherungsfall als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich „wesentliche“ ist. Hierzu muss auf der zweiten Stufe die Wirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Hierbei ist zu prüfen, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 13.11.2012 Az. B 2 U 19/11 R = BSGE 112, 177, Rdnr. 37). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet (BSG, Urteil vom 09.05.2006 Az. B 2 U 1/05 R, Rdnr. 15): Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.; BSG, SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 1.7 S. 21 ff.). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG, SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f.; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSGE 94, 269 Rdnr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f.; BSGE 94, 269 Rdnr. 11).

Die als Unfallfolgen anzuerkennenden Gesundheitsschäden müssen nach allgemeinen Grundsätzen im Vollbeweis feststehen, d.h. es ist ein der Gewissheit nahe kommender Grad der Wahrscheinlichkeit bzw. ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erforderlich. Für den Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden genügt dagegen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit; diese liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (Keller, in: Hauck/ Noftz, SGB VII, Stand 06/18, zu § 8 SGB VII Rdnrn. 333 f. mit Nachweisen aus der Rspr.).

Die Unfallfolgen, zu deren Feststellung das SG die Beklagte verurteilt hat, ergeben sich aus den überzeugenden Gutachten der beiden gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. M. und Dr. X. und stehen auch im Einklang mit der von Dr. F. als Operateur und D-Arzt geäußerten Auffassung vom 27.06.2013.

Der Senat hält es demnach für deutlich überwiegend wahrscheinlich, dass die Anfang August 2012 diagnostizierte vordere Kreuzbandteilruptur sowie die Meniskusschäden durch den versicherten Skiunfall vom 19.01.2012 verursacht worden sind, wobei von folgendem Kausalverlauf auszugehen ist: Unmittelbar durch den Unfall vom 19.01.2012, der mit einer Distorsion des linken Knies verbunden war, kam es zu einer Teilruptur des vorderen Kreuzbandes. Bezüglich der Menisken des betroffenen Kniegelenks kam es entweder bereits unmittelbar im Zeitpunkt des Unfalles zu Einrissen, die sich eventuell im weiteren Verlauf verstärkten, oder die Risse sind erst in der Folgezeit entstanden, da die durch eine Kreuzbandteilruptur entstandene Instabilität typischerweise im weiteren Verlauf zu derartigen Meniskuseinrissen führt, wie insbesondere Dr. M. ausführlich und überzeugend dargelegt hat.

Die Tatsache, dass die Klägerin unmittelbar nach dem Unfall in der Lage war, sich noch eine Stunde auf der Piste aufzuhalten und insbesondere zur Talstation abzufahren und dass sie den Rest des Schuljahres am Sportunterricht teilgenommen hat, spricht nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. M. und Dr. X. sowie des Orthopäden Dr. F. nicht entscheidend gegen die Annahme, dass die Kreuzbandteilruptur bereits am 19.01.2012 eingetreten ist. Denn da das Kreuzband nicht vollständig, sondern nur teilweise gerissen war und insbesondere die Seitenbänder intakt geblieben waren, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Klägerin insbesondere aufgrund Ihres jugendlichen Alters und einer gut trainierten Muskulatur in der Lage war, die sich aus der Teilruptur ergebende Instabilität weitgehend zu kompensieren. Trotzdem hatte sie weiterhin durchgehend Beschwerden am linken Knie. Der Senat hält insoweit die Aussagen der Klägerin und ihrer Mutter für glaubhaft, dass sie nach dem Unfall nie völlig beschwerdefrei war, dass sie beim Schulsport gelegentlich pausieren musste und dass nach dem Schulsport gelegentlich Schwellungen auftraten, die erneut mit Quarkwickeln behandelt wurden. Wie insbesondere der Sachverständige Dr. X. eindrucksvoll dargelegt hat, laufen Fußballspieler mit ähnlichen Verletzungen nicht nur noch das ganze Spiel, sondern sogar oft noch eine ganze Saison oder länger weiter. Andere Ursachen sind für die Kreuzbandteilruptur nicht bekannt und nach Auffassung des Senats höchst unwahrscheinlich. Die Auskunft des Hausarztes Dr. H. vom 08.07.2013 hat keine früheren Beschwerden des Kniegelenks ergeben. Eine degenerative Ursache hat der Sachverständige Dr. M. ausgeschlossen. Der Senat hält auch die Einschätzung der Klägerin für glaubhaft, dass außer dem Unfall vom 19.01.2012 kein anderes Ereignis als Ursache der Kreuzbandteilruptur in Betracht komme. Entscheidend für die Glaubhaftigkeit der Einschätzung der Klägerin ist der Umstand, dass bereits in der ersten ärztlichen Behandlung nach dem Vorfall beim Fußballspiel am 27.07.2012 bei Dr. F. in dessen D-Arzt-Berichten vom 30.07.2012 vermerkt ist, dass die Klägerin angegeben habe, dass sie beim Skifahren mit einer anderen Skifahrerin zusammengestoßen und gestürzt sei und seither Schmerzen im linken Kniegelenk habe. Die Schmerzen durch den Sturz seien zwar nach einer Woche besser geworden, jedoch nie richtig abgeklungen. Es ist für den Senat hochgradig unwahrscheinlich, dass diese eindeutig dokumentierte Aussage der Klägerin am 30.07.2012 eine bewusst unwahre Aussage darstellte. Wenn es die Klägerin darauf abgesehen hätte, Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen, hätte sie sich schon allein aus diesem Grunde in der Zeit vom 19.01.2012 bis zum 27.07.2012 in ärztliche Behandlung begeben und alles getan, um die Verletzungsfolgen des Schulunfalles zu dokumentieren; im Übrigen wäre es für sie dann viel leichter gewesen, bei der Untersuchung durch Dr. F. am 30.07.2012 das ebenfalls versicherte Fußballspiel (mit Unebenheit, Vertreten usw.) als Ursache zu nennen. Dass sie nun beim ersten Arztbesuch, der durch das erstmals für die Klägerin dramatische Ereignis vom 27.07.2012 unabweisbar geworden war, sofort und spontan auf die seit der Knieverletzung vom Januar durchgehend bestehenden Beschwerden hingewiesen hat, spricht eindeutig für die Glaubhaftigkeit dieser Aussage und für das Vorhandensein durchgehender Beschwerden. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, zumal auch dem D-Arzt Dr. F. die Schilderung völlig glaubhaft erschien, weshalb er sich später für einen entsprechenden Kausalzusammenhang ausgesprochen hat.

Auch das Schreiben des Schulleiters der staatlichen Realschule T., M., vom 29.10.2015 an die Beklagte kann nicht als Argument gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin oder gegen den hier für überwiegend wahrscheinlich angenommenen Kausalverlauf herangezogen werden. Zwar hat darin der Schulleiter ausgeführt, laut Auskunft von C., der Sportlehrerin der Klägerin im Schuljahr 2011/12, die jedoch nicht mit ins Skilager gefahren war, habe man in den Zeiträumen von September 2011 bis 14.01.2012 und vom 21.01.2012 bis 26.07.2012 beobachten können, dass die Klägerin während des Sportunterrichts sehr häufig eine Kniebandage getragen und sich aber trotzdem aktiv am regulären Sportunterricht beteiligt habe. Durch persönliche Befragung der inzwischen im Ruhestand befindlichen früheren Sportlehrerin C. in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2018 konnte jedoch das Zu-Stande-Kommen dieser Angaben nicht geklärt werden. Die Zeugin konnte sich selbst nicht mehr daran erinnern, ob sie die Klägerin überhaupt mit einer Kniebandage gesehen habe, weil dies schon zu lange her gewesen sei. Sie hat auch angegeben, über derartige Umstände keine Vermerke angefertigt zu haben, es sei denn, dass jemand keine Sportnote bekommen habe. Dies wäre aber angesichts der zugleich von der Realschule bestätigten Teilnahme der Klägerin am Sportunterricht bis einschließlich Juni 2012 nicht nachvollziehbar. Frau C. hat weiter ausgesagt, sie könne sich auch nicht erinnern, ob die Klägerin vor oder nach dem Skilager über Schmerzen im Knie geklagt habe. Der Senat geht davon aus, dass die genaue Angabe der Zeiträume im Schreiben des Schulleiters M. nicht von der Zeugin C. selbst stammte, sondern lediglich aus der entsprechenden Fragestellung seitens der Beklagten in deren Schreiben vom 22.10.2015 übernommen worden war, das der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, wobei beim Inhalt der Antwort nicht zwischen den beiden Zeiträumen differenziert wurde. Zusammenfassend kann der Aussagewert des Schreibens des Schulleiters M., das fast vier Jahre nach dem Unfall entstanden war, nicht mehr geklärt werden und ist jedenfalls höchst zweifelhaft.

Dass die zunächst von der Klägerin relativ gut muskulär kompensierbare Instabilität sich ab dem Ereignis vom 27.07.2017 immer stärker funktionell auswirkte, hat bereits Dr. F. in seiner Stellungnahme nachvollziehbar damit erklärt, dass infolge der Meniskusteilresektion sowie der durch die Arthroskopien erforderlichen körperlichen Schonung und dem damit verbundenen Muskelabbau eine muskuläre Kompensation der Instabilität immer schwieriger wurde.

Das Gutachten des Dr. S. vom 25.12.2012, der einen Kausalzusammenhang zwischen dem Sturz vom 19.01.2012 und den späteren Beschwerden der Klägerin verneinte, konnte den Senat schon deshalb nicht überzeugen, weil Dr. S. in wesentlicher Hinsicht von falschen Tatsachen ausgegangen war. So hat Dr. S. angenommen, dass die unfallbedingten Beschwerden bereits zwei Tage nach dem Sturz weitgehend abgeklungen gewesen seien, dass die Klägerin noch eine Woche nach dem Unfall im Skilager gewesen sei und dass sie nach dem Unfall auch wieder Leichtathletik im Verein betrieben habe. Demgegenüber hat die Klägerin für das Gericht glaubhaft angegeben, nach dem Unfall nie mehr völlig beschwerdefrei gewesen zu sein. Das Skilager endete nachgewiesen am Tag nach dem Unfall, so dass die Klägerin nur noch eine Stunde nach dem Unfall weiterfahren musste und nicht eine ganze Woche. Außerdem ist durch die Auskunft der Leichtathletik-Gemeinschaft P. vom 05.07.2013 geklärt worden, dass die Klägerin bereits geraume Zeit vor dem Unfall dort nicht mehr weiter trainiert hatte.

Der abweichenden Auffassung des Beratungsarztes Dr. L. in dessen Stellungnahme vom 31.12.2015 ist der Senat aus folgenden Gründen nicht gefolgt: Erstens hat sich Dr. L. nicht ausreichend mit den Argumenten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. X. auseinandergesetzt. Zweitens hat Dr. L. die nach dem Skiunfall und der Abheilung der ersten Schwellung weiter bestehenden Beschwerden nicht ausreichend gewürdigt bzw. verharmlost. Drittens steht Dr. L. als Beratungsarzt auf der Seite der Beklagten, so dass im Zweifel seiner Aussage nicht das gleiche Gewicht zukommt wie derjenigen eines unabhängigen Gerichtssachverständigen. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass der Sachverständige Dr. X. zwar auf Antrag und Kosten der Klägerin bestellt worden war, jedoch bereits zuvor in einem für die private Unfallversicherung erstellten Gutachten vom 29.05.2013 die gleiche Auffassung vertreten hatte.

Da keine konkurrierenden unversicherten Ursachenbeiträge ersichtlich sind, ist die Kausalität des Unfalls für die Entwicklung der Kniegelenksschäden auch wesentlich.

Nicht erforderlich ist es, den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der über sechs Monate nach dem Unfall diagnostizierten Kreuzbandteilruptur im Vollbeweis festzustellen Auch wenn man die Kreuzbandteilruptur als Gesundheitserstschaden ansieht, ist ein solcher Beweis nicht zu fordern. Nur für die äußerlich feststellbaren Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung zur Zeit des (Unfall-)Ereignisses, Gesundheits(erst) schaden und Unfallfolge fordert das BSG als Beweismaß die annähernde Gewissheit nach § 286 ZPO, während für die Zurechnungs- bzw. Kausalitätsfeststellungen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit als ausreichend angesehen wird (vgl. hierzu in Abgrenzung zum Zivilrecht Becker, in: MedSach 2011, S. 32 ff., 34). Der herabgesetzte Beweismaßstab hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Feststellung der Ursachenzusammenhänge in der gesetzlichen Unfallversicherung wurde schon vom Reichsversicherungsamt entwickelt und geht als spezialgesetzliches Recht den allgemeinen Regeln zu den Beweismaßstäben vor (vgl. Becker, in MedSach 2011 S. 32 ff., 35). Das von der beklagten Berufsgenossenschaft postulierte Erfordernis, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass der Gesundheits(erst) schaden bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall eingetreten ist, findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG eine Grundlage und würde in allen Fällen, in denen - wie häufig - der sichere Nachweis einer Gesundheitsstörung erst Wochen oder Monate nach dem Unfallereignis gelingt, die Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität im Sinne des Nachweises mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konterkarieren. Es widerspricht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der Rechtsprechung des BSG, einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Feststellung einer Gesundheitsstörung nicht nur als wichtiges Indiz sondern als zwingendes Kriterium zu fordern.

Wie der Senat bereits mit Urteil vom 18.10.2017 (Az. L 2 U 451/15) entschieden hat, ist es nicht erforderlich, eine Unfallfolge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als „Erstschaden“ festzustellen. Es genügt, wenn eine erst Jahre später festgestellte Verletzung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen ist. Davon abgesehen, hat die Beklagte selbst eine Prellung als Erstschaden im angefochtenen Bescheid festgestellt.

Bezüglich der Höhe der MdE folgt das Gericht dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M.. Das SG, das sich auch auf Dr. M. berufen hat, hat übersehen, dass auf Seite 25 des Gutachtens des Sachverständigen Dr. M. im Anschluss an die Kreuzbandersatzplastik-OP vom 20.03.2013 eine vierwöchige Schulunfähigkeit und anschließend eine 6-monatige MdE von 20 v.H. befürwortet wurde. Daraus ergibt sich eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 20.03.2013 bis zum 31.10.2013, weil die Rente gemäß § 73 Abs. 2 SGB VII bis zum Ende des Monats geleistet wird, in dem die Voraussetzungen ihrer Gewährung weggefallen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.