Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Dez. 2017 - L 2 U 18/15

bei uns veröffentlicht am18.12.2017
vorgehend
Sozialgericht Landshut, S 15 U 61/14, 02.12.2014
nachgehend
Bundessozialgericht, B 2 U 55/18 B, 26.06.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 02.12.2014 wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Beschwerden der Klägerin als Berufskrankheit (BK) Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) oder „wie eine Berufskrankheit“(als sogenannte „Wie-BK“) nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzuerkennen. Die Klägerin führt ihre Beschwerden auf die Belastung durch Tonerstaub zurück.

Die BK Nr. 4301 umfasst durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Bei der Beklagten wurde erstmals am 17.10.2007 durch Dr. P. (HNO-Arzt) das Vorliegen der BK Nr. 4301 angezeigt. Der HNO-Arzt beschrieb folgende Beschwerden: Atemnot, deutlich behinderte Nasenatmung, Husten, starke Abgeschlagenheit, fehlende Belastbarkeit, wiederholte Entzündungen der oberen Atemwege einschließlich rezidivierender Sinusitiden, massive Kopfschmerzen und wiederholte Rhinorroe. Von externer Seite seien Asthma bronchiale und Rhinitis allergica sowie positive Reaktionen im Epikutantest gegenüber Nickel, Kolophonium, Zinn und Quecksilber sowie gegenüber Amalgam und mitgebrachtem Tonerstaub festgestellt worden. Die Beschwerden bestünden ganzjährig und seien insbesondere nach inhalativen Kontakten mit Tonerstaub im Rahmen der beruflichen Tätigkeit aufgetreten.

Der Präventionsdienst der Beklagten stellte in seinem Bericht vom 17.03.2008 fest, dass die Klägerin bis zu ihrer dauerhaften Erkrankung am 24.09.2007 in verschiedenen Büros gearbeitet habe, die jeweils mit Laserdruckern, Faxgeräten und Kopiergeräten ausgestattet gewesen seien. Ihre berufliche Tätigkeit habe im März 1998 begonnen. Die letzte Arbeitsstelle vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bei der Firma F. habe sie seit Dezember 2004 innegehabt. Sie habe sich dort bis zur Erkrankung im September 2007 über die gesamte Schicht in einem Büro aufgehalten, in welchem drei Laserdrucker und ein kombiniertes Fax-Kopiergerät betrieben worden seien. Bedingt durch die eingesetzten Toner komme es beim Drucken zur Freisetzung von Stäuben und flüchtigen organischen Verbindungen (TVOC). Genaue Angaben zur Höhe der Exposition seien nicht möglich.

Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S., Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern, teilte in ihrer Stellungnahme vom 24.07.2008 mit, dass es derzeit keine neuen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber gebe, dass eine bestimmte Personengruppe durch berufliche Einwirkung von Tonerstäuben in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an Atemwegserkrankungen oder anderen Gesundheitsstörungen erkranke. Unabhängig davon sei bekannt, dass es bei einem hyperreagiblen Bronchialsystem in Zusammenhang mit unspezifischen Reizen durchaus zu nachvollziehbaren Beschwerden kommen könne. Diese seien jedoch nicht im Rahmen einer BK zu berücksichtigen.

Im Übrigen sei festzustellen, dass eine freie Testung, wie sie hier mit Tonerstaub durchgeführt worden sei, nicht verwertbar sei und nicht als Befund herangezogen werden könne. Eine klare Aussage könne nur mit standardisierten Tests erfolgen.

Mit Bescheid vom 27.08.2008 entschied die Beklagte, dass die Beschwerden der Klägerin (Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerz, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Durchfall, Atemnot, Haarausfall, Halskratzen, Halsschmerzen und Fließschnupfen) keine Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII darstellten. Sie seien auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen (§ 9 Abs. 2 SGB VII).

In den Gründen des Bescheides hat die Beklagte ausgeführt, dass weder die BK Nr. 4301 noch eine BK nach einer anderen Nummer der Anlage 1 zur BKV vorliege.

Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Beklagte das Gutachten des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof. Dr. H., H-Stadt, vom 16.09.2009 ein, der das Vorliegen einer BK Nr. 4301 seit Dezember 2003 bejahte. Es bestehe bei der Klägerin eine behinderte Nasenatmung, Husten, starke Abgeschlagenheit, fehlende Belastbarkeit, wiederholte Entzündungen der oberen Atemwege einschließlich rezidivierender Sinusitiden, massive Kopfschmerzen, wiederholte Rhinorroe, Polynosis, Asthma bronchiale. Die Symptomatik werde nach inhalativem Kontakt mit Tonerstaub hervorgerufen. Labordiagnostisch sei eine deutlich erhöhte Entzündungsaktivität nachgewiesen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Tonerstaubbelastung und Entzündungsreaktion der Schleimhäute sei eindeutig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege bei 30 v.H.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 12.10.2009 den Sachverständigen Prof. Dr. H. auf das Ergebnis der gesundheitlichen Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung Nr. 14/2008 vom 31.03.2008 hin, wonach die Berufskrankheit nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen sei.

Der Sachverständige Prof. Dr. H. bekräftigte seine Meinung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2010. Das Bundesinstitut für Risikobewertung habe in seiner ergänzenden Stellungnahme Nr. 17/2005 vom 02.03.2005 formuliert, aufgrund der vorliegenden Befunde zur gesundheitlichen Beeinträchtigung von Exponierten könne nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die Exposition gegenüber Emissionen an Büromaschinen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen könne.

Die Beklagte schloss sich dem Gutachten des Prof. Dr. H. nicht an und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2010 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Landshut Klage (Az. S 9 U 147/10).

Das SG ernannte Prof. Dr. V. M., ärztlicher Direktor des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum, F-Stadt, zum Sachverständigen, der in seinem Gutachten vom 28.11.2011 das Vorliegen einer Berufserkrankung verneinte.

Im Rahmen seiner Untersuchungen nahm der Sachverständige insbesondere drei Provokationstests gegenüber Laserdruckeremissionen und Tonerstaub in drei Varianten und Intensitäten vor. Bei jedem Provokationstest gab die Klägerin subjektive Beschwerden wie Brennen im Hals und der Nase und ein allgemeines Unwohlsein an. Die anschließende Untersuchung ergab jedoch jeweils eine Unauffälligkeit der Nase und keine Veränderung der statischen und dynamischen Lungenfunktionsparameter, insbesondere keinen Hinweis für eine Obstruktion.

Deshalb kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass die berufliche Tätigkeit der Klägerin zu einer nur subjektiven Überempfindlichkeit gegenüber Tonerstaub geführt habe. Ein organisches oder kausales Korrelat der von der Klägerin geäußerten Beschwerden gebe es jedoch nicht, so dass auch Ursachen außerhalb des Faches Umweltmedizin für die Befindensstörungen der Klägerin in Erwägung gezogen werden sollten.

Es handle sich bei der Erkrankung der Klägerin nicht um eine Berufskrankheit im Sinne der BKV, insbesondere auch nicht um eine solche nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV. Da obstruktive Veränderungen der Atemwege zu keinem Zeitpunkt während der Untersuchung ohne und mit Provokation nachweisbar waren, sei die Auslösung solcher Veränderungen durch Tonerstaub bei der Klägerin unwahrscheinlich. Die Provokation gegenüber Tonerstaub sei zudem mit Tonerstaub-Mengen erfolgt, die in der Regel ein Vielfaches der täglichen Exposition im Büro betragen hätten. Bei Vorliegen einer spezifischen Allergisierung gegenüber Tonerstaub hätte es zu einer deutlichen Reaktion kommen müssen, was jedoch nicht geschehen sei, auch zur Verwunderung der Klägerin. Die Zeitdauer der Exposition (1 Stunde 18 Minuten zwischen Lungenfunktion in Ruhe und Lungenfunktion nach Exposition Nr. 3) sei für eine zuverlässige Beurteilung ausreichend gewesen, da die für die Klägerin typischen Beschwerden in diesem Zeitraum aufgetreten seien. Die in der Anamnese und während und nach der Provokation geäußerten Symptome der Klägerin seien außerdem nicht typisch für eine Obstruktion der Atemwege. Die Vielzahl der angegebenen Symptome in verschiedenen Funktionssystemen (Kopfschmerz, Muskelschwäche, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Brennen der Nase, trockene Nase, Reizhusten, Kältegefühl, Durchfall) spreche vielmehr für eine unspezifische, vermutlich psychovegetative Genese der Beschwerden.

Zu den Einwänden der Klägerin gegen das Gutachten äußerte sich der Sachverständige Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.05.2012.

Das SG Landshut wies mit Urteil vom 01.08.2012 (Az. S 9 U 147/10) die Klage gegen den Bescheid vom 27.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 ab.

Die Klägerin legte gegen dieses Urteil, das ihr am 10.09.2012 zugestellt wurde, am 22.10.2012 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung ein. Gleichzeitig beantragte sie wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Im Erörterungstermin vom 08.05.2013 schlossen die Beteiligten beim LSG einen Vergleich (Az. L 3 U 429/12), in dem sich die Beklagte bereit erklärte, den Schriftsatz vom 22.10.2012 als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu werten und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen.

Mit Bescheid vom 26.06.2013 lehnte die Beklagte es ab, den Verwaltungsakt vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. In den Gründen führte die Beklagte aus, sie werte in Ausführung des beim LSG geschlossen Vergleiches vom 08.05.2013 den Schriftsatz vom 22.10.2012 als Antrag auf Rücknahme nach § 44 SGB X. Die Klägerin habe jedoch mit diesem Schreiben keine Tatsachen vorgetragen, die für die Entscheidung erheblich bzw. die bei der Erteilung des Verwaltungsaktes nicht schon berücksichtigt worden wären. Die Beklagte berufe sich auf die Bestandskraft des Bescheides vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010.

Dagegen legte die Klägerin am 05.07.2013 Widerspruch ein und berief sich in ihrer Widerspruchsbegründung vom 24.09.2013 auf das Gutachten des Prof. Dr. H. vom 19.10.2009 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 13.01.2010.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2014 als unbegründet zurück. In der Begründung führte sie aus, auch nach erneuter Überprüfung hätten sich keine neuen Tatsachen ergeben, die für die Unrichtigkeit des den bestandskräftigen Bescheiden zu Grunde liegenden Sachverhalts oder für die Rechtswidrigkeit dieser Bescheide sprächen.

Dagegen hat die Klägerin am 28.02.2014 beim SG Landshut Klage (Az. S 15 U 61/14) erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2014 hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom „26.01.2014“ (richtig: 30.01.2014) den Bescheid vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zurückzunehmen und eine Berufskrankheit nach der Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.

Das SG Landshut hat mit Urteil vom 02.12.2014 (Az. S 15 U 61/14) die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin keine neuen Tatsachen oder Beweismittel benannt habe und die Verwaltung aus diesem Grunde eine weitere Sachprüfung zu Recht abgelehnt habe.

Die Klägerin hat gegen das Urteil des SG Landshut vom 02.12.2014, das ihr am 15.12.2014 zugestellt worden ist, am 13.01.2015 beim LSG Berufung eingelegt.

Mit ihrer Berufung hat die Klägerin zunächst das Verständnis des SG hinsichtlich des § 44 SGB X gerügt. Das Gericht sei zu einer umfassenden Überprüfung der Bescheide verpflichtet, ohne auf die von der Klägerin benannten Tatsachen und Beweismittel beschränkt zu sein. Ein entsprechendes Verständnis sei auch dem Vergleichsvorschlag des LSG im Erörterungstermin am 08.05.2013 zu Grunde gelegen.

Weiter hat die Klägerin den Ausdruck einer E-Mail der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Informationszentrum Dortmund, gerichtet an den Vorsitzenden von Nano-Control, A. S., vom 26.05.2014 vorgelegt. Darin geht es um die Auslegung des Tatbestandes der BK Nr. 4301.

Darüber hinaus hat die Klägerin zwei Abstracts zu wissenschaftlichen Artikeln über die Auswirkungen künstlich emittierter Nanopartikel aus Druckern, publiziert bei Nano-Control, Harvard-Studien 11/2014, beigelegt. Darin wird auf die gesundheitliche Bedenklichkeit der von Druckern emittierten Nanopartikel hingewiesen.

Schließlich hat die Klägerin den Abschlussbericht zur Pilotstudie „Screening biologischer Effekte bei Exposition gegenüber Emissionen aus Laserdruckern - eine Probandenstudie“ vom 30.05.2015 vorgelegt, durchgeführt seitens des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum F-Stadt, Direktor: Prof. Dr. M., Studienleitung: Dr. G.. Dabei handelte es sich um eine Pilotstudie mit vier gesunden Probanden und vier Probanden mit „selbst berichteten Beschwerden“ nach LSD-E-Exposition. Die Ziele der Pilotstudie bestanden darin, eine Arbeitshypothese für eine groß angelegte Probanden-basierte Hauptstudie zum Nachweis einer Induktion biologischer Effekte nach Exposition gegenüber LSDE zu generieren.

Mit Schriftsatz vom 05.11.2015 hat die Klägerin ihren Anwälten aus dem Vorprozess und jetzigen Nebenintervenienten bzw. Beigeladenen zu 1 und 2 den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten. Hintergrund sei ein möglicher Schadensersatzprozess wegen der Versäumung der Berufungsfrist im Vorprozess für den Fall, dass im hiesigen Prozess eine sachliche Überprüfung aufgrund der Auslegung des § 44 SGB X scheitere. Das LSG hat mit Schreiben vom 24.11.2015 den Schriftsatz der Klägerin beiden Streitverkündeten zugestellt und sie aufgefordert mitzuteilen, ob sie der Streitverkünderin beiträten. Mit Schreiben vom 04.03.2016 haben beide Streitverkündete erklärt, dass sie dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beiträten.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14.12.2015 umfangreiche weitere Unterlagen über neuere Forschungsergebnisse und Publikationen zu den Auswirkungen von Tonerstaub-Belastungen vorgelegt. Auf die Anlagen zu dem Schriftsatz wird verwiesen. Mit Schriftsatz vom 29.03.2016 hat die Klägerin erneut eine Fülle von Unterlagen vorgelegt, auf die Anlagen des Schreibens wird verwiesen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2017 die Nebenintervenienten beigeladen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2017 zum Beweis der Tatsache, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Ziffer 4301 der Anlage I zur BKV bzw. eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII vorliegt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen sowie die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch Herrn Prof. Dr. H. (H-Straße, H-Stadt) beantragt. Sie hat hierzu auch auf die Anträge bezüglich des Sachverständigengutachtens und der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme durch Herrn Prof. Dr. H. sowie auf die Ausführungen im Rahmen des Berufungsschriftsatzes vom 21.04.2015 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 02.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 den bestandskräftigen Bescheid vom 27.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zurückzunehmen und bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage I zur BKV bzw. eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Soweit die Klägerin die Feststellung einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII beantragt, ist die Klage bereits unzulässig, weil die angefochtenen Verwaltungsakte insoweit dadurch bestandskräftig geworden sind, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung beim SG am 02.12.2014 die Feststellung einer Wie-BK nicht mehr beantragt hat.

Zulässig ist die Klage dagegen, soweit die Klägerin unter Aufhebung des eine Überprüfung ablehnenden Bescheides vom 26.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 beantragt, den bestandskräftigen Bescheid vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und bei der Klägerin die Berufskrankheit Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Insoweit ist die Klage jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch, dass gemäß § 44 Abs. 1 SGB X der bestandskräftige Verwaltungsakt vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zurückgenommen wird. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht vor, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zu Grunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine vollständige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d.h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zu Grunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Eine unrichtige Rechtsanwendung im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB X ist hinsichtlich der eine Berufskrankheit ablehnenden Bescheide vom 27.08.2008 und vom 08.06.2010 weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt.

Hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB X bei Erlass des Verwaltungsaktes von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, ist die Behörde nach der Rechtsauffassung des Senats nur dann verpflichtet, in eine Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen zum Sachverhalt einzutreten, wenn der Antragsteller neue Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, die zum Zeitpunkt des Erlasses der bestandskräftigen Bescheide bzw. bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eines darüber geführten Rechtsstreits noch nicht vorlagen oder bekannt waren. Solche neuen Tatsachen oder Beweismittel können nur bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und nicht mehr im nachfolgenden Gerichtsverfahren vorgebracht werden. Es liegt in der Hand der Behörde, ob sie sich auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab beruft; nimmt sie eine erneute Prüfung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung vor, obwohl der Antragsteller keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht hat, ist sie daran gebunden, und der Antragsteller hat einen auch vor Gericht einklagbaren Anspruch auf vollumfängliche Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide auch in tatsächlicher Hinsicht. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des 15. Senats des BayLSG (BayLSG, Urteil vom 19.11.2014 - L 15 VS 4/13), der sich der erkennende 2. Senat anschließt.

Für die zweite Alternative kommt es also auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des 15. Senats des BayLSG, vgl. z.B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den das BayLSG beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des BayLSG mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B eine Abweichung des BayLSG von der Rechtsprechung des BSG verneint hat.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen zum Sachverhalt, die dem bestandskräftigen Bescheid vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zu Grunde lagen, insbesondere also auch nicht zu der Frage, ob die Klägerin unter einer obstruktiven Atemwegserkrankung einschließlich Rhinopathie leidet und ob diese Erkrankung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die beruflich bedingte Belastung durch Tonerstaub zurückzuführen ist. Denn die Klägerin hat bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens am 30.01.2014 keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, die für den zu beurteilenden Sachverhalt von Relevanz wären:

– In ihrer Berufungsschrift vom 22.10.2012, die nach dem gerichtlichen Vergleich vom 08.05.2013 als Antrag nach § 44 SGB X ausgelegt wurde, haben sich die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist beschränkt. Auch im weiteren Berufungsverfahren bis zum Erörterungstermin vom 08.05.2013 kam es zu keinem neuen klägerischen Vorbringen zur Sache selbst und insbesondere nicht zu den tatsächlichen Grundlagen der beantragten Feststellung einer Berufskrankheit. Ebenso wenig ergibt sich ein derartiges Vorbringen aus den Verwaltungsakten bis zum Erlass des Bescheides vom 26.06.2013.

– Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 26.06.2013 keine inhaltliche Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen, die den bestandskräftigen Bescheiden zu Grunde lagen, vorgenommen. Schon dem Thema nach wurde nur abgelehnt, den Verwaltungsakt vom 27.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. In den Gründen hat sich die Beklagte darauf beschränkt, darauf hinzuweisen, dass mit dem Schreiben vom 22.10.2012 keine Tatsachen vorgetragen worden seien, die für die Entscheidung erheblich bzw. die bei der Erteilung des Verwaltungsaktes noch nicht berücksichtigt worden seien. Die Beklagte berief sich auf die Bestandskraft der aufzuhebenden Bescheide. Aus diesen Formulierungen ergibt sich weder eine ausdrückliche noch eine konkludente erneute inhaltliche Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen, die den bestandskräftigen Bescheiden zu Grunde lagen.

– Soweit sich die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vom 24.09.2013 auf das Gutachten des Prof. Dr. H. vom 12.10.2009 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 13.01.2010 berief, hat sie ein Beweismittel geltend gemacht, das in Bezug auf die zu überprüfenden Bescheide nicht neu war. Denn das Gutachten des Prof. Dr. H. mit ergänzender Stellungnahme vom 13.01.2010 war von der Beklagten auf den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.08.2008 hin eingeholt worden und lag im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 bereits vor. Die Beklagte setzte sich in den Gründen des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 ausführlich mit diesem Gutachten auseinander und lehnte es unter Berufung auf die gewerbeärztliche Stellungnahme der Dr. S. vom 24.07.2008 ab.

– Auch im Widerspruchsbescheid vom 30.01.2014 hat keine inhaltliche Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen stattgefunden, die den bestandskräftigen Verwaltungsakten zu Grunde lagen.

– Die Pilotstudie von Prof. Dr. M. vom 30.05.2015 wurde erst im Gerichtsverfahren eingeführt. Ebenso wie die weiteren im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen sind sie im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X nicht zu berücksichtigen.

Der Vollständigkeit wegen bleibt abschließend ergänzend anzumerken, dass der Überprüfungsantrag auch dann keine Aussicht auf Erfolg hätte, wenn man in die inhaltliche Überprüfung der tatsächlichen Grundlagen einsteigen würde. Denn der Sachverständige Prof. Dr. M. hat im Fall der Klägerin durch drei durchgeführte Provokationstests nachgewiesen, dass es bei der Exposition der Klägerin mit Tonerstaub weder zu einer Obstruktion noch zu nachweisbaren Veränderungen im Bereich der Nase kommt, sondern vielmehr ausschließlich zu rein subjektiv empfundenen Beeinträchtigungen, die kein objektivierbares medizinisches Korrelat haben, sich also rein auf der psychovegetativen Ebene abspielen. Damit kommt die Anerkennung der BK Nr. 4301 ebenso wenig wie die Anerkennung einer Wie-BK in Betracht, und zwar völlig unabhängig davon, ob und inwieweit Forschungsergebnisse vorliegen, wonach Tonerstäube abstrakt gesehen in der Lage sind, obstruktive Atemwegserkrankungen, Rhinopathien oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen auszulösen. Denn auch wenn dies abstrakt gesehen möglich oder sogar wahrscheinlich sein sollte, ist durch das Gutachten des Prof. Dr. M. nachgewiesen, dass ein solcher ursächlicher Zusammenhang jedenfalls im konkreten Fall der Klägerin nicht vorliegt.

Im Übrigen ergeben sich auch aus dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Abschlussbericht des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene Prof. Dr. M. vom 30.05.2015 keine neuen für den Fall relevanten Anhaltspunkte. Es handelt sich um eine Pilotstudie, die an vier gesunden Probanden und an vier Probanden mit „selbst berichteten Beschwerden“ nach LSD-E-Exposition durchgeführt wurde. Die Pilotstudie dient der Generierung einer Arbeitshypothese für eine groß angelegte Probanden-basierte Hauptstudie zum Nachweis einer Induktion biologischer Effekte nach Exposition gegenüber LSD-E. Somit ergeben sich aus der Pilotstudie schon nach ihrer eigenen Zielsetzung noch keine neuen Erkenntnisse bezüglich einer neuen Berufskrankheit. Wie die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 04.08.2015 zu Recht dargelegt hat, zeigt die Pilotstudie lediglich Möglichkeiten von bestimmten Kausalzusammenhängen auf, sie nimmt jedoch nicht einmal selbst für sich in Anspruch, bestimmte Kausalzusammenhänge zu beweisen, und sei es auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit.

Den in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2017 gestellten Beweisanträgen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. einer ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. H., H-Stadt, war weder von Amts wegen nach § 106 SGG noch nach § 109 SGG nachzukommen. Das Ergebnis des Gutachtens wäre vorliegend von vornherein nicht berücksichtigungsfähig, weil es im Rahmen des Verfahrens nach § 44 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB X spätestens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bei der Beklagten hätte vorgelegt werden müssen. Soweit die Beklagte - wie hier - eine wiederholte Sachprüfung zu Recht abgelehnt und sich auf ihren bestandskräftigen Bescheid berufen hat, ist die dagegen gerichtete Anfechtungsklage unbegründet, ohne dass es einer gerichtlichen Beweisaufnahme zur Klärung des Sachverhalts bedarf. Mangels Beweiserheblichkeit besteht kein Anspruch auf ein Gutachten nach § 106 oder § 109 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Verpflichtung der Klägerin, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu erstatten, beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin durch die Streitverkündung die Beteiligung der Beigeladenen veranlasst hat und dass die Beigeladenen dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Beklagten beigetreten waren, so dass die Kostenregelung auch der Vorschrift des § 101 Zivilprozessordnung entspräche, sofern man die Regelungen über die Nebenintervention gemäß § 202 SGG für entsprechend anwendbar hielte. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen ist nicht gemäß § 193 Abs. 4 SGG ausgeschlossen, weil die Beigeladenen nicht zu den in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen gehören, da hierunter nur Kläger und Beklagte, nicht aber Beigeladene, fallen (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. A. 2017, § 193 Rdnr. 11 f.)

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Dez. 2017 - L 2 U 18/15 zitiert 19 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Zivilprozessordnung - ZPO | § 101 Kosten einer Nebenintervention


(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 184


(1) Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 genannten Personen gehören, haben für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen. Soweit

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Dez. 2017 - L 2 U 18/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. Nov. 2014 - L 15 VS 4/13

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 6. Februar 2013 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Referenzen

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 6. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger im Rahmen seiner Versorgung wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach § 80 Soldatenversorgungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ein höherer Berufsschadensausgleich im Sinn des § 30 Abs. 3 ff. BVG zu gewähren ist, als er in der Vergangenheit bestandskräftig festgestellt worden ist, wobei die angefochtene Entscheidung eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darstellt.

Der 1958 geborene Kläger erlitt als Soldat bei einem Manöverschießen am 07.02.1978 ein Knalltrauma. Anerkannt als Schädigungsfolgen sind eine mittelgradige Innenohr-schwerhörigkeit rechts mit Ohrgeräuschen und erheblichen psychoreaktiven Störungen sowie Schwindelerscheinungen. Unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit bezieht der Kläger seit Januar 1995 Versorgung nach einem Grad der Schädigung von 50.

Mit Bescheid vom 17.04.2000 bewilligte der Beklagte dem Kläger Berufsschadensausgleich ab dem 01.07.1997 unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 10 bis zur Vollendung des 40. Lebensjahrs und der Besoldungsgruppe A 11 bis zur Vollendung des 52. Lebensjahrs.

Der vom Kläger wegen der Höhe des Berufsschadensausgleichs erhobene Widerspruch führte dazu, dass dem Kläger mit Abhilfebescheid vom 19.09.2001 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 11 bereits ab dem 01.07.1997 gewährt wurde. Im Übrigen wurde sein Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2001 zurückgewiesen. Der Ansicht des Klägers, dass wegen seiner beruflichen Tätigkeit in der Privatwirtschaft (zuletzt bei der N. Computer AG), nach der er in den gehobenen Dienst der Deutschen Bundespost gewechselt war, als Vergleichseinkommen das eines leitenden Angestellten in der Privatwirtschaft zugrunde zu legen sei, schloss sich der Beklagte nicht an, ebenso nicht der Meinung des Klägers, dass er aufgrund der Privatisierung der Telekom und wegen des zwischenzeitlich höheren Stellenwerts eines Diplom-Nachrichtentechnikers heute wesentlich mehr verdienen würde. Dagegen erhob der Kläger Klage. Vor Gericht konnte er mit seinem Begehren auf Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleichs nicht durchdringen (Urteil des Sozialgerichts - SG - Landshut vom 20.06.2006, Az.: S 9 VS 17/01; Urteil des Bayer. Landessozialgerichts - LSG - vom 30.06.2010, Az.: L 15 VS 12/06), wobei sich die Gerichte umfassend mit dem beruflichen Werdegang des Klägers und dessen Argumentation beschäftigt hatten.

Mit Schreiben vom 16.08.2010, dem Beklagten zur Kenntnisnahme übermittelt, teilte der Kläger dem Bayer. LSG zum Urteil vom 30.06.2010 mit, dass er die dortige Entscheidung, bei der die Revision nicht zugelassen worden war, für falsch halte.

Mit Schreiben vom 17.11.2010 stellte der Kläger beim Beklagten einen Überprüfungsantrag und verwies auf sein Schreiben vom 16.08.2010 an das Bayer. LSG. Das Augenmerk des Bayer. LSG im Urteil vom 30.06.2010 habe fälschlicherweise bei der Einstufung seines Berufsschadens nach der A-Besoldungstabelle gelegen und nicht, wie er zum Ausdruck gebracht habe, bei der Einstufung als leitender Angestellter mit durchschnittlich 120 Mitarbeitern. Die Einstufung müsse entsprechend dem Vergleichseinkommen bzw. Durchschnittseinkommen der Berufs- und Wirtschaftsgruppe erfolgen, innerhalb derer er sich zu diesem Zeitpunkt befunden habe, respektive der Tätigkeit eines Diplomingenieurs der Elektro- und Nachrichtentechnik, einem der schwierigsten Studiengänge mit hohen Abbrecher- und Durchfallquoten, d. h. als leitender Angestellter. Sein (letzter) Arbeitgeber (Telekom) sei bereits privatisiert und die Entlohnungs- und Aufstiegsstrukturen gravierenden Änderungen unterzogen worden, was bedeute, dass höhere Verdienst- und Karrierechancen in seinem Unternehmensbereich bestanden hätten.

Mit am 24.05.2012 per Fax übermittelten Schreiben trug der Kläger weiter vor, dass sein beruflicher Werdegang als leitender Ingenieur in einem Unternehmen mit hohem Zukunftspotential und damit einhergehend mit hohen Chancen des beruflichen Aufstiegs geendet habe. Die aufsteigende Besoldung (nach den Besoldungsgruppen des Beamtenrechts) sei nach dieser Betrachtung nicht angemessen.

Mit Bescheid vom 04.09.2012 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag mit Hinweis auf die Bestandskraft der in den Bescheiden vom 17.04.2000 und 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 getroffenen Entscheidung ab. Die Gewährung eines höheren Berufsschadensausgleichs sei bereits in einem Klage- und Berufungsverfahren ausführlich geprüft und rechtskräftig abgelehnt worden. Neue Tatsachen, Erkenntnisse oder Beweismittel seien diesbezüglich nicht vorgetragen worden. Der Antrag sei daher ohne neue Sachprüfung abzulehnen.

Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger mit Schreiben vom 14.10.2012 damit, dass sein beruflicher Werdegang als leitender Ingenieur in einem Unternehmen mit hohem Zukunftspotential und damit hohen Chancen des beruflichen Aufstiegs geendet habe. Die aufsteigende Besoldung bzw. das Leistungsentgelt (nach der Besoldungsordnung) sei dieser Betrachtung nicht angemessen, auch vor dem Hintergrund, dass er ein anspruchsvolles Studium erfolgreich abgeschlossen habe. Dieser Ansatz sei vom Sozialgericht nicht berücksichtigt worden. Der Gesetzgeber habe innerhalb der vergangenen Jahre die Besoldungsstufen bis zum höheren Dienst durchgängig gestaltet. Ein durchgängiges Beförderungssystem halte nicht mehr an den vergangenen Strukturen fest, sondern ermögliche den Aufstieg bis A 16 in Anlehnung an die Einkommenstabellen für Angestellte mit Leitungsfunktion.

Nachdem der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 19.10.2012 nochmals darauf hingewiesen hatte, dass sein Vorbringen keine neuen Gesichtspunkte enthalte, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2012 zurück. Es wurde auf die Urteile des SG und des Bayer. LSG verwiesen, in denen ausführlich dargelegt worden sei, warum eine höhere Einstufung im Hätte-Beruf als die eines Beamten des gehobenen Dienstes nicht in Betracht komme. Der Kläger habe keine Argumente vorgebracht, die nicht bereits bekannt seien bzw. die zu einer anderen Entscheidung führen könnten.

Das an den Beklagten gerichtete Schreiben vom 08.11.2012 hat dieser an das Gericht als Klage weitergeleitet, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 15.11.2012 zu erkennen gegeben hatte, dass sein erstgenanntes Schreiben als Klage zu verstehen sei.

Die Frage des Berufsschadensausgleichs ist aus dem zunächst unter dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 15 VS 8/12 beim SG Landshut geführten Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 15 VS 1/13 weiter behandelt worden.

Im Erörterungstermin vom 28.01.2013 hat die zuständige Richterin des SG dem Kläger erläutert, dass sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine neuen Tatsachen im Vergleich zum Urteil des Bayer. LSG vom 30.06.2010 ergeben hätten. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen befänden sich bereits in den Akten.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2013, zugestellt am 14.02.2013, ist die Klage abgewiesen worden. In den Gründen hat das SG erläutert, dass sich der Beklagte mangels des Vortrags neuer Tatsachen oder Beweismittel auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Ausgangsbescheide stützen habe dürfen.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 12.03.2013, eingegangen am Folgetag, Berufung eingelegt. Er hat - wie bereits früher - über seinen beruflichen Werdegang und seine langjährig leitende Position berichtet. Seiner Ansicht nach sei damit ein durchgängiger beruflicher Aufstieg bis zur Besoldungsgruppe A 16 beim Verbleib im Berufsleben nachgewiesen. Er habe ein technisches Studium mit sehr hohem Anspruch erfolgreich abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 25.07.2014 hat der zuständige Berichterstatter des Senats dem Kläger detailliert die rechtlichen Vorgaben einer Überprüfungsentscheidung und den Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit dargelegt.

Dazu hat der Kläger mit Schreiben vom 13.08.2014 auf alte medizinische Stellungnahmen und darauf, dass er durch seine sparsame Vorgehensweise (Verzicht auf anwaltliche Vertretung) die Kosten niedrig gehalten habe, verwiesen.

Mit Beschluss vom 06.10.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2014 hat der Kläger vorgetragen, dass er ohne die Schädigungsfolgen statt dem Fachhochschulstudium auch das von ihm begonnene Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen hätte. Denn der Abbruch des Studiums sei, wie er durch ärztliche Berichte belegen könne, wegen der Schädigungsfolgen erfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 06.02.2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 04.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Abänderung der Bescheide vom 17.04.2000 und vom 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 höheren Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten, die Wehrdienstbeschädigungsakte und die Akten des SG Landshut, auch zum Aktenzeichen S 9 VS 17/01, beigezogen; vorgelegen hat auch die Akte des Senat zum Aktenzeichen L 15 VS 12/06. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Beklagte hat es zu Recht unter Hinweis auf die Bestandskraft abgelehnt, im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftigen Bescheide vom 17.04.2000 und 19.09.2001 aufzuheben und dem Kläger einen höheren Berufsschadensausgleich zu gewähren.

1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus. ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X einen höheren Berufsschadensausgleich zu gewähren.

2.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Den bestandskräftigen Bescheiden vom 17.04.2000 und 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Berücksichtigung des umfassend ermittelten und festgestellten Sachverhalts, wie er den Bescheiden vom 17.04.2000 und 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 und den diese Bescheide bestätigenden Urteilen des SG Landshut vom 20.06.2006, Az.: S 9 VS 17/01, und des Bayer. LSG vom 30.06.2010, Az.: L 15 VS 12/06, zugrunde gelegen hat, sind die bestandskräftig gewordenen Bescheide vom 17.04.2000 und 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 nicht zu beanstanden. Unter zutreffender Beweiswürdigung und richtiger Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Normen ist der Berufsschadensausgleich damals in zutreffender Höhe festgestellt worden; warum kein Berufsschadensausgleich nach einem höheren Vergleichseinkommen (leitender Angestellter in der Privatwirtschaft) gewährt werden konnte, wurde damals umfassend geprüft und überzeugend begründet abgelehnt.

2.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheide vom 17.04.2000 und 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im (vor dem aktuellen sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten) Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen. Er hat lediglich einen bereits früher bekannten Sachverhalt wiederholt und seine ebenfalls bereits früher zum Ausdruck gebrachte Meinung, es stehe ihm ein höherer Berufsschadensausgleich zu, weil als Vergleichseinkommen das eines leitenden Angestellten in der Privatwirtschaft zugrunde gelegt werden müsse, erneut geäußert. Dieser Vortrag unterscheidet sich nicht von dem, wie er im Rahmen der bestandskräftig gewordenen Bescheide und des sich anschließenden Gerichtsverfahrens erfolgt ist und der umfassend vom Beklagten und den Gerichten geprüft worden ist. Irgendwelche neuen Gesichtspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen. Letztlich stellt die Begründung des Überprüfungsantrags lediglich den Versuch dar, die bereits früher abgeschlossenen und auch bei Gericht überprüften Abwägungen zum Berufsschadensausgleich trotz der eingetretenen Bestandskraft nochmals auf gleicher Tatsachengrundlage durchführen zu lassen. Dies ist aber nicht Sinn und Zweck des § 44 SGB X, der nicht wiederholte inhaltliche Diskussionen bereits bestandskräftig abgeschlossener Verfahren auf dem gleichen Tatsachen- und Erkenntnisstand eröffnet, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen die Durchbrechung der Bestandskraft behördlicher Entscheidungen bei Bekanntwerden neuer entscheidungserheblicher Tatsachen ermöglicht. Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall offenkundig nicht gegeben.

2.3. Neuer Tatsachenvortrag im Rahmen des Berufungsverfahrens

Die vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2014 vor dem Bayer.LSG vorgetragene Begründung, dass er das Universitätsstudium wegen Schädigungsfolgen abbrechen habe müssen, eine Begründung, die er im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht vorgebracht hat, kann in diesem Verfahren keine Berücksichtigung finden.

Neue Tatsachen, die bei der gerichtlichen Prüfung einer Entscheidung gemäß

§ 44 SGB X relevant sein können, sind nur solche, die bereits im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vorgetragen oder bekannt geworden sind (vgl. Urteil des Senats vom 05.08.2014, Az.: L 15 VK 15/13). Ein nachträgliches Bekanntwerden, sei es infolge späterer Ermittlungen durch das Gericht, sei es infolge eines Nachschiebens durch den Beteiligten, ist unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2014, Az.: B 4 AS 22/13 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.11.2012, Az.: L 34 AS 116/12). Nicht ausreichend ist es daher, wenn erst in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren neue Tatsachen bekannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2014, Az.: B 4 AS 22/13 R; Urteile des Senats vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12, vom 27.03.2014, Az.: L 15 VK 17/13, und vom 05.08.2014, Az.: L 15 VK 15/13; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.11.2012, Az.: L 34 AS 116/12; Kunze, VSSR 3/2001, S. 151, 156). Denn in einem solchen Fall können die neuen Tatsachen nicht Gegenstand der vom Gericht auf Rechtmäßigkeit zu prüfenden Entscheidung der Behörde zu § 44 SGB X sein, eben weil sie der Behörde nicht bekannt waren. Würde man ein Nachreichen neuer Tatsachen im Gerichtsverfahren ausreichen lassen, würde dies dem Grundsatz des Vorrangs der Verwaltung widersprechen und der Behörde die Möglichkeit nehmen, selbst eine - dann gerichtlich überprüfbare - Entscheidung zu treffen. Denn bei einem Überprüfungsantrag gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X, also einem Antrag, der sich auf den Vortrag neuer Tatsachen stützt, besteht gerade keine umfassende Ermittlungspflicht der Behörde dahingehend, ob nicht - unabhängig vom Inhalt des gestellten Antrags - irgendwelche neuen Tatsachen vorliegen könnten, sondern nur eine Prüfpflicht, ob sich aus dem Vortrag des Antragstellers neue entscheidungsrelevante Tatsachen ergeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 SGB X erfüllt sind, die erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers bezüglich des geltend gemachten materiellen Anspruchs auslösen können, ist daher der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2014, Az.: B 4 AS 22/13 R).

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2014 überhaupt neue Tatsachen beinhaltet und ob diese Anlass dafür geben würden, die bestandskräftige Entscheidung nochmals inhaltlich zu überprüfen. Diese Fragen wären erst nach einem erneuten, beim Beklagten zu stellenden Überprüfungsantrag zu klären.

2.4. Ergebnis

Da der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt worden ist und der Kläger neue Tatsachen und Beweismittel im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht benannt hat, geschweige denn dass solche neuen Tatsachen und Beweismittel bewiesen wären, hat sich der Beklagte zu Recht auf die Bestandskraft der Bescheide vom 17.04.2000 und 19.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2001 berufen und eine inhaltliche Überprüfung der bestandskräftigen Entscheidung abgelehnt.

Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 genannten Personen gehören, haben für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen. Soweit wegen derselben Streitsache ein Mahnverfahren (§ 182a) vorausgegangen ist, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids nach dem Gerichtskostengesetz angerechnet.

(2) Die Höhe der Gebühr wird für das Verfahren

vor den Sozialgerichten auf150 Euro,
vor den Landessozialgerichten auf225 Euro,
vor dem Bundessozialgericht auf300 Euro

festgesetzt.

(3) § 2 des Gerichtskostengesetzes gilt entsprechend.