Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 19 R 494/15

bei uns veröffentlicht am25.10.2017
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 6 R 144/15, 28.04.2015
nachgehend
Bundessozialgericht, B 13 R 375/17 B, 06.03.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung des 1963 geborenen und am 05.06.2014 verstorbenen M. P. hat.

Nach Angaben der 1972 geborenen Klägerin lebten der Versicherte und sie seit 1994 in einer gemeinsamen Wohnung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Beim Versicherten wurde im Januar 2011 ein Harnblasentumor diagnostiziert und zunächst erfolgreich behandelt. Nach einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Mai 2011 wurde der Versicherte wieder in das Arbeitsleben eingegliedert und nahm ab Mitte Oktober 2011 seine frühere berufliche Tätigkeit als Qualitätsprüfer wieder in Vollzeit auf. Ab dem Frühjahr 2012 traten Komplikationen in Form von Harnstoffstauungen auf, die weitere Behandlungen erforderlich machten. Dabei wurde in einem CT-Befund vom 08.03.2013 ein Tumorrezidiv festgestellt, das schon benachbarte Regionen ergriffen hatte. Zwei nachfolgende Chemotherapiezyklen wurden bereits als palliative Behandlung eingestuft. Nach einem operativen Eingriff erfolgte bis zum 10.07.2013 eine Anschlussheilbehandlung in der S-Klinik Bad B.. Im dortigen Entlassungsbericht vom 05.08.2013 wurde festgestellt, dass bei deutlich infauster Prognose mittel- bis langfristig Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr möglich seien. Die Beklagte bewilligte dem Versicherten daraufhin rückwirkend - beginnend ab dem 01.06.2013 - Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem am 18.01.2013 angenommenen Leistungsfall.

Wegen einer nicht passierbaren Duodenalstenose mit konsekutiver Magenentleerungsstörung bei Urothelkarzinom der Harnblase als Primärtumor und einem Rezidivtumor im Unter- und Mittelbauchbereich mit verbackenen Dünndarmschlingen erfolgte eine stationäre Behandlung vom 16.07.2013 bis zum 18.08.2013 im C.-Krankenhaus Bad M.. Auf eigenen Wunsch wurde der Versicherte am 18.08.2013 mit entsprechender parenteraler Ernährung in die häusliche Umgebung entlassen, wobei ein Termin zur stationären Wiederaufnahme für den 26.08.2013 vereinbart wurde.

Am 23.08.2013 schlossen der Versicherte und die Klägerin im Standesamt S-Stadt die Ehe.

Vom 26.08.2013 bis 03.09.2013 und vom 19.09.2013 bis 24.09.2013 erfolgten in stationärer Behandlung weitere Zyklen palliativer Chemotherapie. Stationäre Behandlungen erfolgten ferner vom 09.10.2013 bis 12.10.2013, vom 09.11.2013 bis 14.11.2013 und vom 08.05.2014 bis 19.05.2014.

Im September 2013 wurde beim Versicherten die Pflegestufe I festgestellt. Ein Antrag auf Höherstufung der Pflegestufe wurde nach Untersuchung des Versicherten durch den MDK am 28.05.2014 abgelehnt.

Am 05.06.2014 verstarb der Versicherte.

Nach unaufgeforderter Übersendung entsprechender Antragsformulare stellte die Klägerin bei der Beklagten am 30.06.2014 einen Antrag auf Hinterbliebenenrente, d.h. sog. kleine Witwenrente. Sie gab hierbei an, mit dem Versicherten am 23.08.2013 die Ehe eingegangen zu sein. Der Versicherte habe seit Juli 2013 im Rentenbezug wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestanden, wobei der Antrag auf diese Rente am 19.09.2013 gestellt worden sei. Nachdem die Ehe bis zum Versterben des Versicherten nicht mindestens ein Jahr gedauert hatte, wurden im Antrag zusätzliche Angaben gemacht: Verneint wurde dabei, dass der Versicherte plötzlich und unvermutet gestorben sei. Verneint wurde ebenfalls, dass die tödlichen Folgen der Krankheit bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien. Bejaht wurde dagegen, dass die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung und Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt sei und der Tod des Ehegatten bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers im Hinblick auf eine Arbeitszeitreduzierung wegen Pflege werde nachgereicht.

Am 01.07.2014 erstellte der Arbeitgeber der Klägerin, die Sparkasse D-Stadt eine Bestätigung, nach der die Klägerin seit 01.10.1993 Mitarbeiterin der Sparkasse sei und sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinde. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 23.03.2011 Sonderurlaub wegen Krankheit eines nahen Angehörigen beantragt und diesen erhalten. Dies betraf die Zeiträume vom 04.04.2011 bis 04.05.2011, vom 30.05.2011 bis 23.06.2011, vom 07.03.2013 bis 18.03.2013.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen - insbesondere vom C.-Krankenhaus Bad M. - bei. Nach deren Durchsicht kam Frau Dr. B. vom ärztlichen Dienst der Beklagten am 16.07.2014 zum Ergebnis, dass beim Versicherten ein ausgeprägtes Lokalrezidiv der Krebserkrankung im März 2013 und ein weiteres Rezidiv im August 2013 diagnostiziert gewesen sei; zum Zeitpunkt der Eheschließung am 23.08.2013 sei der Tod des Versicherten auf absehbare Zeit zu erwarten gewesen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.07.2014 den Antrag auf Hinterbliebenenrente ab, da die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und der Tod des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen sei. Es sei von einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auszugehen, da nach Prüfung der ärztlichen Unterlagen festgestellt worden sei, dass der Tod des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung am 23.08.2013 aufgrund der Folgen seiner Krebserkrankung auf absehbare Zeit zu erwarten gewesen sei.

Mit Schreiben vom 28.07.2014 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid am 01.08.2014 Widerspruch ein. Die Beklagte sei zu Unrecht vom Vorliegen einer Versorgungsehe ausgegangen. Beim Zeitpunkt der Eheschließung habe für beide, die Klägerin und den Versicherten, festgestanden, dass im Hinblick auf das Krankheitsbild mit einer allgemein günstigen Heilungsprognose zu rechnen sei.

Weiter wurde vorgetragen, dass der Versicherte ab September 2013 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, Pflegestufe I, bezogen habe. Mit Bescheid der Pflegekasse des Versicherten, der AOK Bayern, vom 02.06.2014 sei der Höherstufungsantrag des Versicherten vom 22.05.2014 nach Begutachtung durch den MDK am 28.05.2014 abgelehnt worden. Eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse sei nicht festzustellen gewesen. Daraus sei zu ersehen, dass auch der MDK nicht von einem in absehbarer Zeit zu erwartenden Tod des Versicherten ausgegangen sei.

Die Klägerin habe, um die Pflege des Versicherten zu sichern, ihre Arbeitszeit ab 01.09.2013 auf 80% und ab 01.01.2014 auf 60% reduziert und die ab 01.01.2007 ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsstellenleiterin mit Personalverantwortung aufgegeben.

Die Klägerin berief sich auch auf Atteste der behandelnden Ärzte: Am 12.10.2014 attestierte der damalige Hausarzt Dr. B., dass der Versicherte unerwartet an einer Komplikation bei bekanntem Blasentumor verstorben sei. Durch die modernen Therapieoptionen sei er eigentlich von einer Überlebenszeit von mindestens fünf Jahren ausgegangen. Am 19.10.2014 bescheinigte der Urologe Dr. L., dass zum Zeitpunkt der Heirat nicht unbedingt abzusehen gewesen sei, dass der Versicherte innerhalb eines Jahres an seiner Krebserkrankung versterben würde. Es sei nach der Literatur von einem mittleren Gesamtüberleben von 12 bis 14,3 Monaten bei der beim Kläger im August 2013 vorliegenden Erkrankung zu rechnen gewesen. Durch die anschließende Zweitlinien-Chemotherapie sei zusätzlich mit einer mittleren Gesamtüberlebenszeit von 6,9 Monaten zu rechnen gewesen, so dass bei Addition nach beiden Chemotherapien ein mittleres Gesamtüberleben von 19-28,5 Monaten zu erwarten gewesen sei. Dass nach der ambulanten Behandlung im C.-Krankenhaus Bad M. am 04.06.2014 schon am 05.06.2014 der plötzliche schicksalhafte Tod des Versicherten eingetreten sei, sei am Vortag für alle Beteiligten nicht absehbar gewesen, zumal eine Wiedervorstellung vorgesehen gewesen sei.

Auch der Gesichtspunkt, dass Klägerin und Versicherter nicht bereits zum früheren Zeitpunkt der Erstdiagnose im Februar 2011 sich zur Heirat entschlossen gehabt hätten, spreche gegen eine angenommene Versorgungsehe.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.2014 den Widerspruch zurück. Dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der baldige Tod des Versicherten nicht zu erwarten gewesen sei, habe die Klägerin nicht nachweisen können. Im Gegenteil, es habe zu diesem Zeitpunkt eindeutig eine palliative Situation mit infauster Prognose vorgelegen. Es sei aus ärztlicher Sicht davon auszugehen gewesen, dass bei Eheschließung realistischerweise von einem Ableben in einem relativ kurzen Zeitraum innerhalb eines Jahres zu rechnen gewesen sei. Der Bescheid sei daher zu Recht ergangen.

Am 27.01.2015 hat die Klägerin per Telefax Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die Klägerin hat ihre bisherige Argumentation wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass sie mit dem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nicht gerechnet habe, denn sonst hätte sie nicht eine vertragliche Änderung ihres Arbeitsverhältnisses erwirkt, sondern ihren Arbeitgeber um eine Freistellung bzw. kurzfristige Vertretung gebeten. Im Rehabilitationsentlassungsbericht sei auch von einer guten Erholung des Versicherten berichtet worden und es sei eine gewisse Stabilisierung des Gesundheitszustandes im positiven Sinne abzuleiten gewesen.

Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Oberarztes Dr. E. von der Klinik für Urologie im C.-Krankenhaus Bad M. vorgelegt: Danach habe zum Zeitpunkt der Eheschließung im August 2013 beim Versicherten eine fortgeschrittene Tumorerkrankung vorgelegen. Eine endgültige Heilung sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erwarten gewesen. Jedoch habe zu diesem Zeitpunkt auch nicht abgesehen werden können, dass der Versicherte innerhalb der nächsten zwölf Monate versterben würde.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28.04.2015 die Klage abgewiesen. Es ist zum Ergebnis gekommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente habe. Sie habe nicht das Vorliegen besonderer Umstände belegen können, wonach trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt gewesen sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der hinterbliebene Ehegatte könne sich bei der Prüfung der Voraussetzungen auf die Darlegung von äußeren Umständen beschränken, die seiner Ansicht nach auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen ließen. Es gebe keine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der zu berücksichtigenden Gründe. Eine wichtige Bedeutung komme stets dem Gesundheitsbzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Wenn der Tod des Versicherten, für den bis dahin kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt gewesen sei, unvermittelt oder plötzlich eingetreten sei, sei ein besonderer Umstand anzunehmen. Bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten sei der Ausnahmetatbestand dagegen in der Regel nicht erfüllt. Es komme jedoch auch hier eine Widerlegung der gesetzlichen Annahme in Betracht. Allein die medizinisch nachvollziehbar begründete Hoffnung auf einen möglichen mehrjährigen Krankheitsverlauf sei jedoch nicht ausreichend, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Wenn der konkrete Heiratswunsch erst nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefasst worden sei, spreche dies für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung. Die Klägerin habe diese Vermutung weder erschüttert noch entkräftet. Bereits vor der Eheschließung habe der stationäre Krankenhaustermin ab 26.08.2013 zur weiteren palliativen Chemotherapie festgestanden. Es sei insoweit unwesentlich, ob das Überleben des Versicherten über ein Jahr nach der Eheschließung wahrscheinlicher gewesen sei als ein Tod und ob die Eheleute von einer Ehe über ein Jahr ausgehen konnten. Bei abschließender Gesamtbewertung der Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen würden und die besonders gewichtig sein müssten, weil der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig lebensbedrohlich erkrankt gewesen sei, seien hier keine derartigen Gründe belegt. Ein besonderer Umstand liege auch nicht darin, dass die Klägerin und der Versicherte vor dem Tod des Versicherten schon seit vielen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hätten (Bayer. Landessozialgericht Urteil vom 08.08.2012 - L 13 R 555/10). Die Eheschließung sei auch keine konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit gefassten Entschlusses.

Mit Schreiben vom 29.06.2015 hat die Klägerin am 30.06.2015 über das Sozialgericht Würzburg Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Die Klägerin hat nunmehr vorgetragen, dass bereits zu zwei früheren Zeitpunkten Heiratsabsicht bestanden hätte. Die Pläne seien jedoch einmal im Jahr 2012 vom Tod der Mutter des Versicherten durchkreuzt worden. Ein zweites Mal im Jahr 2013 habe die Erkrankung des Versicherten an einer Nierenfistel die Hochzeitspläne zunichte gemacht. Als Zeuge für das bereits lange Bestehen der Hochzeitspläne könne der Erste Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt, Herr C., benannt werden. Zu verweisen sei auch auf das Vorliegen einer Pflegeehe und die Tatsache, dass die Klägerin über eigene höhere Einkünfte und ausreichende eigene Versorgungsansprüche verfüge.

In einem Erörterungstermin des Senats vom 31.08.2016 hat die Klägerin die bisherigen schriftlichen Ausführungen teilweise korrigiert: Das Sterbedatum ihrer Schwiegermutter sei der 02.05.2013 gewesen und die Eheschließung habe in S-Stadt und nicht in A-Stadt stattgefunden. Sie hat weiter geschildert, dem Versicherten sei es im Juni/ Juli 2013 besonders schlecht gegangen; nach der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme habe ein Nierenstau vorgelegen. Ferner habe sich ein Rezidiv des Tumors gezeigt. Der Versicherte sei sozusagen handlungsunfähig gewesen. Mit der Eheschließung sei auch bezweckt worden, die Handlungsfähigkeit gegenüber öffentlichen Stellen und behandelnden Ärzten zu erhalten bzw. wiederherzustellen, um volle Auskunfts- und Entscheidungsfähigkeit zu erreichen. Auch seien steuerliche Überlegungen berücksichtigt worden. Die Klägerin habe sich auch erhofft, eine bessere Akzeptanz seitens des Arbeitgebers zu erreichen, beispielsweise hinsichtlich der Reduzierung der Arbeitszeit unter Aufgabe ihrer Leitungsposition. Der Klägerin sei es auch darauf angekommen, dem Versicherten zu zeigen, dass sie stets für ihn da sei. Der Entschluss zur standesamtlichen Trauung sei Anfang bzw. Mitte August endgültig gefallen. Zu dem gewählten Hochzeitstermin sei der Zeuge C. aus A-Stadt verhindert gewesen. Aufgrund der gesundheitlich angespannten Situation des Verstorbenen seien nur die engsten Verwandten über die Eheschließung benachrichtigt gewesen und auch enge Freunde seien erst im Nachhinein informiert worden.

Im Erörterungstermin hat der Senat den als Zeugen benannten C. einvernommen. Aus der Zeugeneinvernahme ergibt sich, dass der Versicherte sich bei ihm im Mai oder Juli 2012 telefonisch wegen einer Trauung erkundigt gehabt habe. Über einen genauen Termin habe man nicht gesprochen. Am 50. Geburtstag des Versicherten im Februar 2013 sei noch einmal ein Gespräch des Zeugen mit dem Versicherten zum Thema Hochzeit zu Stande gekommen und es sei ein kurzfristiger Termin im Frühjahr 2013 ins Auge gefasst worden. Der Versicherte habe sich nach einem anstehenden Arzttermin noch einmal melden wollen, um Genaueres zu besprechen. Ein konkreter Termin sei nicht festgelegt worden. Eine nochmalige Meldung habe nicht stattgefunden. Konkret sei er erst hinsichtlich des Termins am 23.08.2013 gefragt worden, habe dafür aber urlaubsbedingt absagen müssen und auf Alternativen hingewiesen.

Der Senat hat ein Gutachten beim Uro-Onkologen Prof. Dr. E. eingeholt, der am 11.05.2016 nach Auswertung der Aktenlage und nochmaliger Überarbeitung folgende Ausführungen zu den Beweisfragen des Senats gemacht hat:

Die Beantwortung der Fragen zur Situation in einem bestimmten Krankheitsstadium werde vor dem Hintergrund der allgemeinen statistischen Daten gemacht. Eine Aussicht auf Heilung sei jedenfalls dann abzulehnen, wenn mehr als 90% nach Ablauf eines Zeitintervalls an der Grunderkrankung sterben würden. Bereits im Mai 2013 habe die Prognose für den Versicherten als ausgesprochen negativ bewertet werden müssen: Die allergrößte Mehrzahl der sich in dieser klinischen Situation befindenden Patienten werde trotz einer chemotherapeutischen Behandlung an der Grunderkrankung versterben, obwohl in sehr wenigen Einzelfällen auch überraschend gute Verläufe im Sinne einer anzunehmenden Heilung beobachtet werden könnten. Aus dem Aktenmaterial sei nicht ersichtlich, wie extensiv der Versicherte und die Klägerin über diese Situation informiert worden seien. Zum Zeitpunkt der Initiierung der chemotherapeutischen Behandlung im August 2013 habe beim Versicherten bereits ein eingeschränkter Allgemeinzustand vorgelegen, wobei eine nähere Einstufung aufgrund der fehlenden Anwendung eines Scoring-Systems nachträglich nicht möglich sei. Es habe aber Hinweise auf eine ausgesprochen schlecht zu bewertende klinische Prognose gegeben, wie etwa ein zusätzlich erniedrigter Hämoglobinwert. Vor diesem Hintergrund sei aus Sicht des Gutachters der ausgeprägte palliative Charakter der im August 2013 nochmals erfolgten Chemotherapie klar erkennbar gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe keine oder nahezu keine Aussicht auf Heilerfolg bestanden; vielmehr habe man davon ausgehen müssen, dass die Erkrankung einen voraussichtlich tödlichen Verlauf nehmen würde. Beim Versicherten hätten sich nach der Aktenlage keine Parameter identifizieren lassen, die einen günstigen und damit als nicht rein palliativ anzunehmenden klinischen Verlauf hätten erwarten lassen. Zum Zeitpunkt des stationären Aufenthaltes Ende August 2013 habe der Versicherte bei fortgesetzter parenteraler Ernährung an rezidivierendem Erbrechen gelitten und es habe bereits zu diesem Zeitpunkt eine mehr oder minder ausgeprägte Pflegebedürftigkeit bestanden, wobei eine weitere Intensivierung einer solchen vor dem Hintergrund des hochpalliativen Charakters der applizierten zytotoxischen Therapie habe erwartet werden können. Unter Berücksichtigung der verfügbaren Daten betrage das Langzeitüberleben für Patienten mit metastasiertem Urothel-Karzinom im Mittel etwa 14 Monate. Die Überlebensrate nach fünf Jahren für das Gesamtkollektiv bei einer entsprechenden chemotherapeutischen Behandlung sei mit weniger als 10% anzunehmen. In Bezug auf den gegenständlichen Fall sei eine schlechtere Prognose anzunehmen gewesen, da ein Lokalrezidiv nach radialer Zystektomie vorgelegen habe, eine komplette Resektion nicht mehr möglich gewesen sei und pulmonale Tumormanifestationen besser als viszerale auf die Chemotherapie ansprechen würden. Auch der damals reduzierte Allgemeinzustand des Versicherten sei zu beachten. Unter Berücksichtigung der Patientencharakteristika sei aus gutachterlicher Sicht von einer zwischen 6 Monaten und 20 Monaten angesiedelten Lebenserwartung auszugehen gewesen, wobei diese Angaben aber einer mehr oder minder spekulativen Einschätzung unterliegen würden. Es könne als gesichert angenommen werden, dass eine während dieses Zeitraumes rückläufige Pflegebedürftigkeit im Monat August 2013 nicht mehr habe erwartet werden können. Eine Antwort auf die Frage, ob sich zu Beginn des Monats August 2013 und in der Mitte des Monats eine unterschiedliche Prognose ergeben hätte, könne qualifiziert nicht gegeben werden.

Die Klägerseite hat ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Heirat im August 2013 niemand mit einem Ableben des Versicherten binnen Jahresfrist gerechnet habe. Selbst im Mai 2014 sei ein zeitnahes Ableben des Versicherten nicht ersichtlich gewesen.

In einem Erörterungstermin vom 31.07.2017 hat der Senat den damaligen Vorgesetzten der Klägerin bei der Sparkasse, Herrn D., als Zeugen einvernommen. Dieser hat ausgesagt, es hätten damals intensive Gespräche mit der Klägerin stattgefunden, weil sie sich mit dem Gedanken getragen habe - und diesen später auch umgesetzt habe -, ihre Führungsaufgabe aufzugeben und die Arbeitszeit zu reduzieren, um den Versicherten zu pflegen. Es sei dabei gedanklich um lange Zeiträume - etwa mehrere Jahre - gegangen. In dem Gespräch sei damals auch die Frage diskutiert worden, wie denn damit umgegangen werden solle, wenn der Versicherte kurzfristiger versterben würde. Von Seiten der Sparkasse hätte es für solche Situation noch andere Möglichkeiten gegeben, den Mitarbeitern entgegenzukommen, etwa durch teilweise Freistellungen oder durch vorüber-gehende Teilzeitbeschäftigung. Als wesentlicher Grund sei von der Klägerin genannt worden, dass sie ihren Mann pflegen wolle, auch über Jahre hinweg. Die entsprechenden Gespräche hätten wohl im zweiten Quartal 2013 stattgefunden. In den schriftlichen Protokollen aus der damaligen Zeit seien nur einige Andeutungen enthalten; schriftliche Vermerke über die Gespräche existierten als solche nicht. Er könne nicht hundertprozentig sicher sagen ob die Gespräche vor oder nach der Eheschließung stattgefunden hätten. Die damals getroffene Regelung sei jedenfalls umgesetzt worden und habe auch heute noch Bestand.

Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, dass die Regelungen zur Beendigung ihrer Führungstätigkeit im Juli 2013 vorbereitet worden seien und spätestens ab der Unterzeichnung im September 2013 unumkehrbar gewesen seien. Seinerzeit sei vor allem auch die Begleitung zu Arztterminen im Vordergrund gestanden. Der Pflegeaufwand sei noch nicht so hoch gewesen. Der Stufenplan zur Reduzierung der Arbeitszeit und zur Aufgabe der Führungstätigkeit sei aus zwei weiteren Gründen so vorgesehen gewesen; zum einen habe ein geeigneter Nachfolger gefunden werden müssen, zum anderen sei ein sauberer Schnitt zum Ende des Kalenderjahres von der Klägerin für sinnvoll angesehen worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 hat die Klägerseite die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit gegenüber Behörden als weiteren Grund für die Eheschließung angeführt, woraufhin die Beklagte entgegnet hat, dass es dafür der Ehe nicht bedurft hätte, sondern Handlungsvollmachten hätten eingerichtet werden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 23.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 30.06.2014 Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 46 SGB VI, da der Anspruch wegen § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen ist.

§ 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass eine Witwe, die nicht wieder geheiratet hat, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf eine kleine Witwenrente hat, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die Klägerin ist die Witwe des am 05.06.2014 verstorbenen Versicherten M. P., der die allgemeine Wartezeit gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt hatte. Sie hat nach dessen Tod auch nicht wieder geheiratet. Damit besteht gemäß § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI grundsätzlich ein Anspruch auf eine kleine Witwenrente für längstens 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist, d.h. vom 01.07.2014 bis 30.06.2016.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Hinterbliebene allerdings keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Im Fall der Klägerin hat die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, da die Ehe am 23.08.2013 geschlossen wurde und der Versicherte am 05.06.2014 verstorben ist.

Damit gilt zunächst die gesetzlich festgelegte Annahme, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, dass also eine sogenannte Versorgungsehe vorgelegen hat. Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den - auf Grund Gesetzes angenommenen - Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R; BSG Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R, jew. nach juris).

Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (BSG Urteil vom 05.05.2009 a.a.O. m.w.N. - nach juris). Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt - hier also die Klägerin (A. in: Meyer-Ladewig/A./ Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 6).

Zu den zentralen äußeren Umständen zählt der Gesundheitszustand der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung. Der Ehemann der Klägerin litt zum Zeitpunkt der Eheschließung an einer Karzinomerkrankung, die nach sämtlichen hierin übereinstimmenden ärztlichen Unterlagen nicht mehr kurativ, sondern nur noch palliativ behandelt werden konnte und wurde. Die Erkrankungsprognose war bereits im Rehabilitationsentlassungsbericht für den Zeitpunkt der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme im Juli 2013 als infaust bezeichnet worden. Die Einschätzung, dass eine tödlich verlaufende Erkrankung beim Versicherten vorgelegen hatte, wird auch durch das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. bestätigt.

Auch wenn nach diesem Gutachten die ärztliche Dokumentation den genauen Umfang und Inhalt der ärztlichen Aufklärung nicht eindeutig habe erkennen lassen, ist der Senat der Überzeugung, dass die Eheleute wussten, dass die gesundheitliche Situation des Versicherten ernst war und anders als bei der Erstmanifestation eine Heilung nicht mehr möglich war. Dies ergibt sich zunächst schon aus den eigenen Angaben der Klägerin im Rentenantrag über das Vorliegen der lebensbedrohlichen Erkrankung. Dafür, dass die Eheleute die Tragweite der Situation erkannt hatten, spricht aber auch, dass sie von ihren ursprünglichen Vorstellungen über die fehlende Notwendigkeit einer Ehe und den in der Folgezeit nach der Ersterkrankung angedachten Gestaltungsplänen - etwa einer Trauung durch Herrn C., die ein terminliches Zuwarten gefordert hätte - abgewichen sind.

Dabei ist für die Beurteilung der gesundheitlichen Verhältnisse und der Kenntnis der Eheleute über den Schweregrad der Erkrankung zutreffend auf das Datum der Eheschließung bzw. das Datum der Anmeldung beim Standesamt abzustellen gewesen, wobei nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. zwischen diesen beiden kurz aufeinanderfolgenden Zeitpunkten kein wesentlicher Unterschied zu belegen war.

Der im Verlauf des Verfahrens getätigte Vortrag der Klägerin, dass der Entschluss zur Eheschließung bereits deutlich vor dem tatsächlichen Heiratstermin erfolgt gewesen sei und deshalb auf diesen früheren Zeitpunkt und nicht auf das Datum der Eheschließung für die Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Versicherten und der Kenntnis der späteren Eheleute vom Schweregrad der Erkrankung abzustellen sei, hat sich nicht bestätigen lassen. Die Einvernahme des Bürgermeisters der Gemeinde A-Stadt, Herrn C., hat ergeben, dass der Versicherte ihn zwar bereits zu verschiedenen Zeitpunkten vor dem Erkrankungsrezidiv auf eine mögliche Eheschließung und deren Umsetzung angesprochen hatte, dass dies jedoch jeweils noch unverbindlich und ohne detaillierte Festlegung erfolgt war. Auch die Tatsache, dass die Eheschließung durch einen anderen Standesbeamten, an einem anderen Ort und in anderer Form - nämlich ohne große Feier - erfolgte, als ursprünglich angedacht, spricht dafür, dass die Eheschließung nicht die Umsetzung eines bereits vorher nach außen hin verbindlich festgelegten Entschlusses zur Heirat gewesen ist.

Aus Sicht des Senats kommt dem Vorliegen einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung zentrale Bedeutung zu, nicht dagegen unmittelbar der ärztlichen Prognose über die verbleibende Restlebenszeit. Es kommt also nicht darauf an, ob die behandelnden Ärzte oder die Gutachter im vorliegenden Fall von einer Überlebensdauer des Versicherten von mehr oder weniger als einem Jahr ausgegangen sind. Auch bei einer Prognose einer Lebenserwartung von mehr als einem Jahr kann ohne weiteres eine Versorgungsehe vorgelegen haben. Die Prognose spielt allerdings insofern eine indirekte Rolle als bei der Beurteilung eine Verknüpfung zwischen dem Schweregrad der Erkrankung und dem notwendigen Gewicht der anderweitigen Beweggründe hergestellt wird. Die Rechtsprechung geht dabei von Folgendem aus: Im Rahmen der Gewichtung ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG Urteile vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010 a.a.O.).

Auch wenn die Klägerin vorträgt, dass die Eheleute von einer längeren Ehedauer ausgegangen sind und das Attest des Dr. B. eine erwartete Überlebensdauer des Versicherten von um die 5 Jahre behauptet, konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass objektiv eine Überlebensdauer von mehr als einem Jahr sicher zu erwarten gewesen war und nur durch eine nicht vorhersehbare neue Erkrankung oder einen völlig unerwarteten Krankheitsverlauf ein Versterben bereits innerhalb des ersten Jahres nach der Eheschließung eingetreten war. Zwar war im Rehabilitationsbericht die Verschlechterung mit Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit als mittel- bis langfristig eingeordnet worden, allerdings ohne dass eine genaue Zeitperspektive mit diesen Begriffen verbunden worden wäre. Das Gutachten des Prof. Dr. E. benennt jedoch verschiedene nachteilige Umstände, die dafür sprachen, dass die restliche Lebensdauer des Versicherten deutlich unterhalb der möglichen statistischen Werte zu erwarten war, auch wenn der genaue Todeszeitpunkt selbstverständlich nicht sicher prognostizierbar gewesen war. Im Ergebnis ist der Prognosekorridor von 6 bis 20 Monaten aber weder geeignet, für einen sehr kurzen Zeitraum von deutlich weniger als einem Jahr zu sprechen, noch auf eine mehrjährige Überlebensdauer hinzuweisen.

Der von der Klägerseite angeführten Tatsache, dass kurz vor dem Versterben des Versicherten von der behandelnden Klinik ein weiterer Krankenhaustermin anberaumt worden war, kommt aus Sicht des Senates keine besondere Bedeutung zu, da es gerichtsbekannt ist, dass selbst bei Patienten mit geringsten Überlebensprognosen rein vorsorglich solche Folgetermine in die Klinikplanung eingestellt werden, da es leichter ist, den nicht erforderlichen Termin neu zu vergeben als einen nicht reservierten notwendigen Termin ggf. dann doch noch zu benötigen.

Der Senat konnte sich unter Abwägung aller ärztlichen Ausführungen nicht davon überzeugen, dass die Eheleute mit Sicherheit davon ausgehen durften, dass der Versicherte trotz seiner Erkrankung länger als ein Jahr leben würde. Die lebensbedrohliche Erkrankung mit fraglicher Überlebensperspektive von einem Jahr war als bedeutsames Faktum zu berücksichtigen.

Der von der Klägerin als besonderer Umstand angeführte Grund der Übernahme der Pflege des Versicherten wird in der Kommentarliteratur - z.B. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand September 2015, § 46 SGB VI, Rn. 46c - angesprochen. Der Senat sieht Überlegungen zur Eingehung der Ehe im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Pflege regelmäßig dann als von vornherein nicht angebracht an, wenn die verbleibende Lebenserwartung gerade keine längere Pflegedauer erwarten lässt. Aus diesem Grund hat der Senat bei einer Prognose zum Eintritt des Todes in ganz wenigen Monaten die vorgetragene Motivation der Sicherstellung der Pflege nicht als bedeutsam angesehen (vgl. Urteil des Senats vom 19.11.2014 - L 19 R 1053/12 - Rn. 44, veröffentlicht in juris). Im Fall der Klägerin und ihres Ehemannes ist eine objektive Prognosedauer von 6 bis 20 Monaten, d.h. im Mittel von 13 Monaten, angegeben worden. Wenn man noch unterstellt, was die ärztlichen Bescheinigungen nahelegen, dass die Prognose noch etwas positiver vermittelt worden war, ist die Annahme einer längeren Dauer für die Pflege des Versicherten durch die Klägerin als durchaus nachvollziehbar anzusehen. Dass die Klägerin tatsächlich eine solche Erwartung hatte, zeigt sich auch in ihren Äußerungen gegenüber dem Zeugen D., ihrem Vorgesetzten, und in dem tatsächlichen Verhalten der Klägerin bei der Gestaltung der Arbeitssituation: Bei einer kurzfristigen Pflegedauer wären andere Angebote des Arbeitgebers möglich gewesen, die die mittel- bis langfristige berufliche Perspektive der Klägerin nicht verschlechtert hätten. Für den Senat ergibt sich, dass es nicht von vornherein unrealistisch war eine Pflegedauer von zumindest mehr als einem Jahr anzunehmen.

Gleichwohl kommt der Senat nicht zum Ergebnis, dass in diesem Zusammenhang ein bedeutsames, der gesetzlich vermuteten Versorgungsabsicht zumindest gleichwertiges Motiv vorgelegen hätte. Dies ergibt sich daraus, dass eine sogenannte Pflegeehe als Motiv die Erwartung eines Versicherten, der fremder Hilfe bedarf, verlangt, mit der Heirat seine Pflege sicherzustellen. Somit sind zunächst also nicht die Überlegungen der Klägerin bedeutsam, sondern die ihres pflegebedürftigen Partners. Dass dieser Äußerungen in dieser Richtung getätigt hätte, ist nicht vorgebracht und nicht belegt. Zudem hat die Klägerin auch schon vor der Eheschließung pflegeähnliche Unterstützung wie die Begleitung zu Arztbesuchen übernommen gehabt.

Soweit die Klägerin eine Notwendigkeit zur Eheschließung darin sieht, dass sie als Ehefrau leichter die Zustimmung ihres Arbeitgebers zur Arbeitsreduzierung für die Pflege des Versicherten hätte erlangen können, hat sich dieses Motiv nicht nachweisen lassen. Die Gespräche über die Arbeitszeitverkürzung hatten jedenfalls schon vor der Eheschließung und auch vor der Anmeldung beim Standesamt begonnen und die Regelung war bereits vorbereitet. Dass hierbei die Frage eine Rolle gespielt hätte, ob die Pflege den nicht ehelichen Lebenspartner oder den Ehegatten betreffen würde, ist nicht ersichtlich geworden. Zumindest die kurzfristigen Freistellungen waren auch für die Erkrankung des nicht ehelichen Lebenspartners gewährt worden.

Der Senat sieht darüber hinaus die in der Kommentarliteratur angedeutete weite Verwendung des Begriffs der Pflegeehe im Zusammenhang mit dem in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 03.09.1986 (Az. 9a RV 8/84 - nach juris) nicht gedeckt. Dort bestand zwar ein dauerhafter Pflegebedarf, aber es war keine lebensbedrohliche Erkrankung der Anlass des Pflegebedarfs gewesen, so dass der Eintritt des Todes innerhalb eines Jahres überraschend war und die Frage der Pflegeehe nur insofern zu diskutieren war, als seinerzeit im Instanzenzug das Eingehen einer Ehe ohne erkennbare persönliche (Liebes-) Beziehung als möglicher Ausschlussgrund für Hinterbliebenenversorgung angeführt worden war. Ohne dass es im vorliegenden Fall noch darauf ankommen würde, wäre zusätzlich zu bedenken, dass diese Entscheidung des BSG vor Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung und der dadurch ermöglichten Absicherung des Pflegebedarfs ergangen ist und deshalb heute - auch im Hinblick auf das gewandelte Frauenbild - so nicht mehr in vollem Umfang Fortbestand haben kann.

Der von der Klägerseite als weiteres Motiv für die Eheschließung genannte Umstand, dass dadurch die Handlungsfähigkeit der Klägerin gegenüber Behörden u.ä. hergestellt werden sollte, mag zwar nicht zu widerlegen sein. Ihm kommt angesichts der Tatsache, dass die Handlungsfähigkeit auch durch eine Vollmacht für den nichtehelichen Lebenspartner hergestellt hätte werden können, nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin eigene Versorgungsansprüche aus eigener Beschäftigung hat und möglicherweise im Zusammenhang mit der Änderung ihrer beruflichen Tätigkeit aus Anlass der Pflege ihres Ehegatten Einbußen erlitten hat, bei denen ein vollständiger Ausgleich durch eine mögliche Hinterbliebenenrente nicht offensichtlich ist - zumal auch noch über § 97 SGB VI eine Anrechnung eigenen Einkommens erfolgt -, führt nicht dazu, dass die gesetzlich vermutete Versorgungsabsicht widerlegt wäre. Wie bereits dargelegt, geht es vorrangig um die Ermittlung und Bewertung weiterer bedeutsamer Gründe für die Eheschließung. Außerdem ist beim Vergleich finanzieller Vor- und Nachteile auch das gesamte Wirkungsspektrum, etwa auch (erbschafts-) steuerrechtlicher Art, in den Blick zu nehmen.

Es ist auch bereits wiederholt entschieden worden (vgl. z.B. Bayer. Landessozialgericht Urteil vom 20.04.2011 - L 20 R 20/09 - Rn. 41, veröffentlicht in juris), dass das Vorliegen einer Liebesbeziehung allein nicht ausreicht, die Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe hinreichend zu erschüttern, wenn die vorliegende schwere und akut lebensbedrohliche Erkrankung den Nachweis besonderer Gründe erforderlich macht (a.a.O. Rn. 40).

In der Gesamtbetrachtung sah der Senat die dargelegten anderen Motive nicht als zumindest gleichwertig zur unterstellten Versorgungsabsicht an und zwar weder allein, noch in der Summe.

Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.04.2015 ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden und die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 19 R 494/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 19 R 494/15

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 19 R 494/15 zitiert 7 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 50 Wartezeiten


(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf 1. Regelaltersrente,2. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und3. Rente wegen Todes.Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 97 Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes


(1) Einkommen (§ 18a des Vierten Buches) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente, Witwerrente oder Erziehungsrente zusammentrifft, wird hierauf angerechnet. Dies gilt nicht bei Witwenrenten oder Witwerrenten, solange deren Rentenartfaktor mindest

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 19 R 494/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - L 19 R 494/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. Nov. 2014 - L 19 R 1053/12

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.2011 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 wird abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R

bei uns veröffentlicht am 06.05.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Ger

Referenzen

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Regelaltersrente,
2.
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und
3.
Rente wegen Todes.
Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch auf
1.
Regelaltersrente, wenn der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat,
2.
Hinterbliebenenrente, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat.

(2) Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.

(3) Die Erfüllung der Wartezeit von 25 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und
2.
Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.

(4) Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Altersrente für langjährig Versicherte und
2.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

(5) Die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.

2

Die 1950 geborene Klägerin lebte seit 1978 mit dem 1946 geborenen und am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie heirateten am 2.7.2004. Aus der ersten Ehe der Klägerin waren ein Sohn und eine Tochter hervorgegangen, aus der ersten Ehe des Versicherten eine Tochter. Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoeinkommen von ca 2.400 Euro aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin.

3

Im Oktober 2002 erkrankte der Versicherte an einem Blasenkarzinom, das operativ entfernt wurde. Im Februar 2004 wurde eine fortschreitende Metastasierung diagnostiziert. Die ab 1.6.2004 durchgeführte Chemotherapie diente lediglich palliativen Zwecken. Der Versicherte wurde in den Zeiträumen vom 24.5. bis 3.6.2004 und vom 8.6. bis 10.6.2004 stationär behandelt, danach aufgrund einer deutlichen Verschlechterung erneut vom 14.6. bis 10.7.2004, wobei die Chemotherapie abgebrochen und die Behandlung mit Morphin fortgesetzt wurde. Unter dieser Medikation war der Versicherte mit Hilfe eines Stützrollators zeitweise gehfähig. Die Eheschließung erfolgte am 2.7.2004 auf der Krankenstation. Zur Entlassung des Versicherten wurde eine sog Homecare-Betreuung eingerichtet. Am 27.7.2004 wurde der Versicherte notfallmäßig erneut stationär aufgenommen; er verstarb noch am selben Tag.

4

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente lehnte die Beklagte ab, da sie von einer sog Versorgungsehe gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausging(Bescheid vom 13.6.2005, Widerspruchsbescheid vom 28.10.2005).

5

Das SG Berlin hat - nach Vernehmung der Schwester, des Sohnes und der Tochter der Klägerin sowie nach deren persönlicher Anhörung - die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, der Klägerin ab 27.7.2004 Witwenrente aus der Versicherung des Verstorbenen zu gewähren. Dem Anspruch stehe der Ausschlussgrund gemäß § 46 Abs 2a SGB VI nicht entgegen.

6

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 31.1.2007 die Berufung der Beklagten nach persönlicher Anhörung der Klägerin zurückgewiesen unter Neufassung des Tenors, dass der Klägerin ab 27.7.2004 große Witwenrente zu gewähren sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a SGB VI sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt, weil zur Überzeugung des Senats trotz der sehr kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass die Versorgung der Klägerin der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei. Hierbei stütze sich der Senat auf die glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen, im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf die Aussagen ihrer vom SG als Zeugen vernommenen Kinder. Danach stehe fest, dass - neben Versorgungserwägungen - zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung gewesen sei, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem Zusammenleben durch den Akt der Eheschließung den - nach Wortwahl der Klägerin - "offiziellen Segen" zu geben und so eine Rechtsposition zu erlangen. Die Klägerin habe überzeugend ausgeführt, dass der Heiratswunsch schon viele Jahre vor der Krebserkrankung bestanden habe, jedoch aus finanziellen Gründen und familiären Erwägungen nicht eher realisiert habe werden können. Die mit dem Versicherten im Familienverbund lebenden Kinder der Klägerin, die ihn als "Vater" angesehen hätten, hätten die langjährige Heiratsabsicht ebenfalls bestätigt.

7

Der Umstand der seit 1978 gelebten langjährigen Liebesbeziehung stehe einem überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Die Liebesbeziehung sei ohnehin nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet gewesen, weil die Klägerin einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sei, mit der sie ohne Weiteres ihren eigenen Lebensunterhalt habe sichern können. Dies habe die Klägerin vor dem Senat eindrucksvoll dargelegt.

8

Ebenso wenig spreche der Krankheitsverlauf des Versicherten gegen diese Einschätzung. Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass sie trotz palliativer Behandlung des Versicherten nicht davon ausgegangen sei, dass "mein Mann so bald würde sterben müssen". Doch auch wenn die Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung gewusst haben sollte, dass der Tod des Versicherten in naher Zukunft bevorstehe, verbliebe es bei dem vorrangigen Motiv der Eheschließung, der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben. Daher habe für den Senat keine Veranlassung bestanden, den von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisanträgen zu folgen. Selbst wenn eine Nottrauung gemäß § 7 Personenstandsgesetz (PStG) vorgelegen hätte, änderte dies nichts an der zur Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.

9

Mit ihrer vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 46 Abs 2a SGB VI und von §§ 103, 128 SGG. Die Klägerin habe den Nachweis des Vorliegens "besonderer Umstände", die die Rechtsvermutung des § 46 Abs 2a SGB VI widerlegen könnten, nicht erbracht. Die Verrechtlichung einer Liebesbeziehung durch Eheschließung sei kein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund. Die zuvor seit 26 Jahren geführte eheähnliche Lebensgemeinschaft unterstreiche den Versorgungscharakter der Ehe. Im Fall der lebensbedrohlichen Erkrankung eines Partners sei die wirtschaftliche Absicherung des Überlebenden das maßgebliche Motiv für die Heirat. Konkrete Heiratspläne seien erst nach Bekanntwerden der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung gefasst und realisiert worden. Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überleben, könne kein besonderer Umstand im Sinne der Norm sein. Das LSG hätte sich zudem gedrängt fühlen müssen, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, den Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung bei der Nottrauung zu befragen, nachzukommen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 sowie des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das angefochtene Urteil beruht - wie die Beklagte zutreffend rügt - auf einer Verletzung der Pflicht des Berufungsgerichts zur Sachaufklärung (§ 103 SGG). Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente zu Recht abgelehnt hat.

14

1. Gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte sie auch das 45. Lebensjahr vollendet.

15

Nach § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (vom 21.3.2001, BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 2.7. bis 27.7.2004); damit ist der Tatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 1 SGB VI erfüllt. Ob jedoch "besondere Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI vorliegen, die den Eintritt der entsprechenden Rechtsfolge - Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente - hindern, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

16

2. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist der vom Berufungsgericht als maßgeblich zugrunde gelegte Beweggrund der Klägerin für die Eheschließung, nämlich der Wunsch, nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI zu begründen.

17

Der Senat hat im Urteil vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 mwN)zur Auslegung und Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI bereits entschieden, dass eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht möglich ist. Daran hält er in Kenntnis hiergegen vorgebrachter Bedenken (vgl Pötter, RVaktuell 2010, 15, 21) nach erneuter Prüfung fest. Wie in dem genannten Urteil näher dargelegt ist, sind nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (Senatsurteil aaO, RdNr 20). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (aaO RdNr 24). Diese Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung nach Maßgabe des § 46 Abs 2a SGB VI wird nicht dadurch entbehrlich, dass die damit verbundenen Anforderungen den Wunsch der Verwaltung nach "überprüfbaren … objektiven Kriterien"(vgl Pötter, aaO) nicht erfüllen können.

18

In diesem Zusammenhang kann es zwar nicht als Verletzung von Bundesrecht angesehen werden, wenn die Tatsacheninstanz annimmt, dass bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI nicht erfüllt sein wird. Gleichwohl darf dabei nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde. Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist (BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 27).

19

Der Frage, ob besondere Umstände iS des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) nachzugehen (aaO RdNr 29 mwN). Sie ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten (BSG vom 15.9.2009 - B 5 R 282/09 B - BeckRS 2009, 72520 RdNr 7). Somit obliegt es zuvörderst den Tatsacheninstanzen, sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (vgl auch BSG vom 27.8.2009 - B 13 R 101/08 R - Juris RdNr 14 f). Ein Rentenversicherungsträger, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seine Annahme, dass eine Versorgungsehe vorliege, verteidigen will, kann deshalb durch das Stellen von Beweisanträgen darauf hinwirken, dass alle Umstände - auch die für eine Versorgungsehe sprechenden Indizien - in die Beweiswürdigung des Gerichts einbezogen werden.

20

3. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen solchen Beweisantrag zur Entscheidung des Gerichts gestellt; sie hat verlangt, den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung zu vernehmen. Diesem Beweisantrag hätte das LSG nachkommen müssen; seine Ablehnung unter Berufung darauf, dass unabhängig von den konkreten Umständen der Trauung die volle Überzeugung des Senats zur Motivationslage für die Heirat bereits feststehe, verletzt Bundesrecht (§ 103 SGG).

21

Einer der Ausnahmefälle, der es erlaubt hätte, auf die Vernehmung des von der Beklagten mit der Bezeichnung "den zuständigen Standesbeamten" hinreichend konkret benannten Zeugen zu verzichten, ist nicht gegeben. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl Senatsurteil vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R - SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 S 72 f; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 B - Juris RdNr 10; BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11; s auch BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

22

Auf die von der Beklagten unter Beweis gestellten tatsächlichen Umstände der Eheschließung kommt es schon deshalb entscheidungserheblich an, weil das LSG alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine Versorgungsabsicht sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen hat. Zur Klärung dieser tatsächlichen Voraussetzungen war der benannte Zeuge auch ein geeignetes und erreichbares Beweismittel. Als Standesbeamter, der die Eheschließung auf der Station im Krankenhaus vollzogen hat, hätte er zu den näheren Umständen der Heirat, wie etwa ihm gegenüber geäußerte Eheschließungsmotive der Eheleute, Zeugnis geben können. Bislang sind im gerichtlichen Verfahren nur Personen vernommen worden, die (als Kinder und Schwester) der Sphäre der Klägerin zugehörig sind. Nicht zuletzt beruht die Beweiswürdigung des LSG im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin zu ihren eigenen Beweggründen. Die Zeugenaussage des Standesbeamten könnte aber nicht nur Anhaltspunkte zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin ergeben, sondern darüber hinaus weitere Erkenntnisse zu den inneren Motiven beider Eheleute für die Heirat erbringen. Solche Ermittlungen waren auch deshalb angezeigt, weil sich die Klägerin zum Beweis des Vorliegens der besonderen Umstände iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI gerade auf ihre innere Motivation für die Heirat berufen und hierzu vor dem SG und dem LSG bereitwillig Auskunft gegeben hat. Eine unzulässige Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung (vgl dazu Senatsurteil vom 5.5.2009 - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 22, 29 mwN) stand daher nicht zu befürchten.

23

Das LSG hätte sich somit - ausgehend von seiner materiellen Rechtsansicht - zur Zeugenvernehmung des Standesbeamten zu den näheren Umständen der Trauung gedrängt fühlen müssen. Wenn es anstelle dessen ausgeführt hat, dass selbst im Fall einer sog Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung (§ 7 PStG idF des bis zum 31.12.2008 gültigen Gesetzes vom 4.5.1998, BGBl I 833) "dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat" ändere, so handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Einer der besonders gelagerten Ausnahmefälle, für die diskutiert wird, ob ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung dann abgelehnt werden darf, wenn aufgrund der Fülle und Güte bereits erhobener Beweise die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung - ihr Erfolg unterstellt - nicht mehr erschüttert werden kann (vgl BVerwG vom 11.4.1991 - 3 C 73.89 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nr 229 S 55 f mwN; BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f mwN; s auch BSG vom 31.8.1987 - 4a BJ 117/87 - Juris RdNr 5 - zu den beim Zeugenbeweis im Vergleich zum Sachverständigenbeweis strengeren Anforderungen), liegt hier nicht vor. Insbesondere zeigt das Urteil des LSG plausible Gründe für das Bestehen einer für jedermann nachvollziehbaren, unerschütterlichen Überzeugung des Berufungsgerichts nicht auf. Eine solche Überzeugung ist auch kaum denkbar, solange ausschließlich Personen aus dem Umfeld der Klägerin gehört und darauf verzichtet wurde, auch andere in Frage kommende Auskunftspersonen (vgl zB SG Düsseldorf vom 14.12.2009 - S 52 (10) R 22/09 - Juris) zu den Beweggründen der Nottrauung im Krankenhaus zu befragen.

24

Auf diesem Verstoß gegen § 103 SGG beruht die Entscheidung des LSG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach den beantragten weiteren Ermittlungen zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis gekommen wäre.

25

Das LSG wird die unterlassene Beweisaufnahme zu den näheren Umständen der Trauung nachzuholen und auf dieser Grundlage eine neue Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen haben. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.2011 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 wird abgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, am ob der Kläger einen Anspruch auf eine Witwerrente aus der Versicherung der 1952 geborenen und 2010 verstorbenen Do. B. hat.

Der 1956 geborene Kläger stellte bei der Beklagten am 26.03.2010 einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Er gab hierbei an, mit der Versicherten 2009 die Ehe eingegangen zu sein. Die 2010 verstorbene Versicherte habe seit Januar 2007 im Rentenbezug wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestanden. Ihr sei zum Januar 2010 Pflegestufe I bewilligt worden.

Aus den bezüglich der verstorbenen Versicherten vorgelegten Unterlagen ergab sich Folgendes: Am 04.06.2009 wurde ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK N.- mit Untersuchung der Versicherten erstellt, wonach im Bereich der Grundpflege, Körperpflege, Ernährung und Mobilität lediglich ein zeitlicher Aufwand von 17 Minuten täglich anerkennungsfähig sei. Die BKK F. und R., Pflegekasse, lehnte daraufhin mit Bescheid vom 20.08.2009 die Vergabe einer Pflegestufe für die Versicherte ab. Im Widerspruchsverfahren gegen diesen Bescheid der Pflegekasse begründete die Versicherte ihren Widerspruch mit Schreiben vom 11.09.2009 damit, dass sich ihr Gesundheitszustand drastisch verschlechtert habe, so dass sie den ganzen Tag auf die Hilfe des Partners oder des Sohnes angewiesen sei. Durch extrem starke Kurzatmigkeit und Luftnot sowie starke Schmerzen sei sie nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Am 23.11.2009 wurde eine erneute Beurteilung für den MDK durch die Gutachterin M. H. vorgenommen, wobei nun rückwirkend ab September 2009 das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit angenommen und die Einstufung in Pflegestufe I empfohlen wurde. In diesem Gutachten wurde vom Vorliegen eines inoperablen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms mit Befall rechts hilär, Nebennierenmetastase links und seit 3 Jahren durchgeführten regelmäßigen Chemotherapien ausgegangen. Die Versicherte habe angegeben, dass sie einen weiteren Progress der Erkrankung befürchte, nachdem es ihr zwischenzeitlich wieder einigermaßen gut gegangen sei; Mitte 6/2009 seien Gehirnmetastasen erkannt worden, die mit fortschreitendem körperlichen Abbau und zunehmender Dyspnoe verbunden gewesen seien. In den letzten 4 Wochen habe die Versicherte ca. 15 kg abgenommen. Die Versicherte habe ein verringertes Durst- und Hungergefühl und es bestehe Inappetenz. Vom 03.12.2009 bis 12.12.2009 befand sich die Versicherte in stationärer Behandlung.

Mit Bescheid vom 14.07.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Witwerrente ab. Wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung versterbe, bestehe die gesetzliche Vermutung, dass das Ziel der Eheschließung die Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Aus dem vorliegenden Pflegegutachten des MDK N. vom 23.11.2009 ergebe sich, dass bereits im Januar 2006 ein inoperables Bronchialkarzinom mit Nebennierenmetastasen sowie im Juli 2009 Gehirnmetastasen festgestellt worden seien. Weiterhin sei anlässlich der Begutachtung durch den Pflegedienst ein Fortschreiten des körperlichen Abbaus dokumentiert worden. Die Versicherte sei bereits ca. 1 1/2 Monate nach der Heirat verstorben. Die Umstände würden dafür sprechen, dass das Ableben der Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei.

Hiergegen legte der Kläger am 18.08.2010 Widerspruch ein und machte geltend, dass die Eheschließung der Sicherung der häuslichen und körperlichen Pflege gedient habe und sich die Versicherte nach jeder Chemotherapie wieder ein wenig erholt habe, so dass der baldige Tod nach der Eheschließung nicht absehbar gewesen sei. Nachdem die Versicherte über die zuerst prognostizierte Lebenserwartungszeit bei einer derartigen Tumorerkrankung schon hinweg gelebt gehabt habe, habe sich der Gesundheitszustand der Versicherten immer wieder positiv dargestellt. Der Kläger habe bereits im September 1997 einen gemeinsamen Hausstand mit der Versicherten gegründet gehabt. Der Entschluss zur Hochzeit sei gefasst worden, als der Ablehnungsbescheid von der Pflegeversicherung gekommen sei. Der Kläger sei selbstständiger Transportunternehmer, habe aber mit dieser Tätigkeit aufgehört, um mehr Zeit mit seiner Frau verbringen zu können. Die Beklagte beschrieb die finanziellen Verhältnisse des Klägers und der verstorbenen Versicherten nach ihren Kenntnissen so, dass letztere eine Erwerbsminderungsrente von ca. 1.300 Euro brutto bezogen habe, während für den Kläger nach Auslaufen des Bezugs von Arbeitslosengeld I nur geringfügige Beschäftigungen dokumentiert seien.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 zurück. Im Zusammenhang mit den vom Kläger zu benennenden anderen Gründen sei beachtlich, dass er bereits langjährig mit der Versicherten zusammengelebt habe und die Krebserkrankung seit mehreren Jahren bekannt gewesen sei. Der Entschluss zur Eheschließung sei erst gefasst worden, als sich der Gesundheitszustand deutlich verschlechtert habe, also zu erwarten gewesen sei, dass der Tod der Versicherten in absehbarer Zeit eintreten würde.

Am 23.11.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und auf die bereits vorgebrachten Gründe verwiesen. Vorgelegt worden ist ergänzend ein vom Kläger und von der verstorbenen Versicherten unterschriebenes Pflegetagebuch für die Woche vom 12.10.2009 an (wobei der Dienstag offensichtlich falsch mit 13.09.2009 datiert worden ist). Es würden starke Schmerzen, Hautprobleme, Kreislaufprobleme und Behandlung durch Chemotherapie vorliegen. Hilfe sei u. a. erforderlich beim Hinbringen zum Wasserlassen und Stuhlgang sowie auch beim Aufstehen und An- und Auskleiden.

Das Sozialgericht hat weiter die Schwerbehindertenakte der Versicherten beigezogen und einen Befundbericht des seinerzeit behandelnden Arztes Dr. N. eingeholt. Prof. Dr. B. vom Universitätsklinikum B. hat auf seine Arztberichte verwiesen; enthalten darin ist u. a. ein ärztlicher Bericht über die stationäre Behandlung vom 03.12.2009 bis 09.12.2009. Als Diagnosen sind hier angegeben:

1. Nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom mit Erstdiagnose 1/2006.

2. Embolischer Verschluss der Arteria femoralis profunda und der Arteria poplitea rechts (5/2008).

3. Thrombose der Vena brachialis links (05/2008).

4. Diabetes mellitus Typ 2.

5. Fettleber.

6. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).

Aktuell würden Hämoptysen am ehesten im Rahmen eines Tumorwachstums, ein Verschluss des rechten Hauptbronchus durch Koagel und ein Verdacht auf Retentionspneumonie vorliegen. Bei der Verlaufskontrolle 6/2009 seien ein Tumorprogress von 25% und neu eine zerebrale Metastase sowie eine weitere Nebennierenmetastase rechts festgestellt worden. Die Metastasen seien im Juli 2009 bestrahlt worden. Im Oktober 2009 habe sich eine zunehmend schlechte Verträglichkeit der chemotherapeutischen Medikamente eingestellt. Die pulmonale Manifestation sei leicht größenregredient, die Nebennierenmetastase jedoch größenprogredient gewesen. Im Röntgen-Thorax habe sich ein neu aufgetretenes Infiltrat im rechten Mittellappen gezeigt, es sei eine partielle Rekanalisierung begonnen worden. In Rücksprache mit der Klägerin sei nach einem ausführlichen Gespräch über die aktuelle Situation eine Entlassung nach Hause erfolgt.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts wurde von der Stadt B-Stadt mitgeteilt, dass der Kläger und die Versicherte seit 20.07.2002 mit gemeinsamer Wohnung gemeldet gewesen seien. Das Aufgebot zur Eheschließung sei am 12.11.2009 beantragt worden.

Der Kläger hat angegeben, eine Verehelichung zu einem früheren Zeitpunkt sei nicht erfolgt, um den Kläger nicht in die Erbfolge nach dem Versterben seiner Frau einzubringen. Der Entschluss zur Verehelichung sei aber bereits auf einer Reise in die USA im März 2009 gefasst worden. Im Herbst 2009 habe seine Frau ihr Haus an den Sohn überschrieben und damit sei der Weg für die Eheschließung frei gewesen. Anlässlich des Todes der Versicherten seien 20.000 Euro aus deren Lebensversicherung, die 2005 zu seinen Gunsten abgeschlossen worden sei, an ihn geflossen. Ab Januar 2008 habe er durchgehend einen 400 Euro-Job getätigt; weiteres Einkommen habe er nicht gehabt. Er habe im Wesentlichen von der Rente wegen Erwerbsminderung der verstorbenen Versicherten in Höhe von ca. 1.300 Euro sowie deren Rente aus einer Lebensversicherung in Höhe von ca. 600 bis 700 Euro monatlich und aus der Abfindung aus dem Jahr 2005 in Höhe von 60.000 Euro gelebt.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten beim Internisten und Sozialmediziner Dr. G. eingeholt, das dieser am 30.07.2011 erstattet hat. Zur ursprünglichen Prognose sei festzustellen, dass bereits zu Anfang von einem Stadium IV ausgegangen worden sei und in einem derartigen Fall die Überlebensrate in 5 Jahren mit 2% angegeben werde. Es habe sich also um eine äußerst schlechte Prognose gehandelt. Tatsächlich habe sich der Verlauf unter den verschiedenen Behandlungsregimen jedoch günstiger entwickelt, als zunächst erwartet worden sei, so dass nach diesen zunächst positiven Verläufen bei den verschiedenen Therapien zumindest aus Laiensicht eine weitere Überlebenszeit hätte angenommen werden können. Dies habe sich auch noch im Oktober 2009 so dargestellt, wobei hier zwar eine mögliche weitere Progression der Tumorerkrankung angenommen worden sei, andererseits jedoch von einer Umstellung der palliativen Chemotherapie noch ein positiver Effekt erwartet worden sei. Eine vorübergehende Verschlechterung sei im Dezember 2009 eingetreten, wobei ein Bronchusverschluss aber wieder teilweise habe geöffnet werden können. Zu einer relevanten - auch für den medizinischen Laien erkennbaren - Verschlechterung sei es dann im Januar 2010 gekommen, weswegen eine stationäre Aufnahme am 23.01.2010 erfolgt sei. Für den onkologisch kundigen Mediziner habe bereits nach Diagnosestellung eine äußerst schlechte Prognose bestanden. Bis Januar 2010 habe sich nach außen ein relativ guter Allgemeinzustand gezeigt. Immerhin sei noch im November 2009 eine Therapieoption mit einer gewissen Erfolgsaussicht aufgezeigt und begonnen worden. Insbesondere bei Kenntnis des bisherigen Verlaufs sei zumindest bei Beantragung des Aufgebots zur Eheschließung noch nicht absehbar gewesen, dass das Ableben der Versicherten so rasch erfolgen würde. Es habe von einer Lebenserwartung von mindestens 6 Monaten ausgegangen werden können. Es habe sogar mehr dafür als dagegen gesprochen, dass auch zum Zeitpunkt der Eheschließung aufgrund der neu eingeleiteten Therapie noch eine Überlebenszeit von über 6 Monaten hätte erreicht werden können. Aus Sicht eines medizinischen Laien hätte die Prognose sogar noch etwas günstiger eingeschätzt werden können.

Zu dem Gutachten hat Dr. W. - Internist, Palliativmediziner und Sozialmediziner - vom ärztlichen Dienst der Beklagten Stellung genommen: Die Ausführungen des Gutachters seien medizinisch nicht überzeugend. Die Einschätzung einer Lebenserwartung über 12 Monate ab Aufgebot bzw. Eheschließung sei zu spekulativ und allenfalls einem Wunschdenken bzw. einer Hoffnung zuzuordnen gewesen. Bereits zum Ausbruch der Tumordiagnose sei das ausgeprägte Stadium dieser Erkrankung festgestellt worden. Es habe von Anfang an eine sehr schlechte Prognose bestanden. Trotz des überraschend langen Verlaufs sei zum Zeitpunkt der Eheschließung im Dezember 2009 nicht von einem Überleben von mehr als 6 Monaten auszugehen gewesen. Dafür spreche auch nicht das Pflegegutachten, da dieses vorwiegend zur Fähigkeit in Bezug auf die gesetzlich definierten, täglich notwendigen grundpflegerischen Verrichtungen Aussagen getroffen habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.11.2011 hat der Kläger angegeben, dass seine Frau Anfang Herbst 2008 das Thema Heirat ins Gespräch gebracht habe. Sie hätten dann ca. ein halbes Jahr lang darüber nicht mehr gesprochen; bei einer USA-Reise im März 2009 hätten sie eine Hochzeit gesehen und hier sei dann die Heiratsabsicht ernst genommen und Näheres geklärt worden. Es sei vereinbart worden, dass zunächst die Sache mit dem Haus der verstorbenen Versicherten geregelt werden solle. Nach Regelung der Hausübertragung solle die Hochzeit erfolgen. Gleich nach der Rückkehr aus dem Urlaub in den USA sei die Hausübergabe besprochen worden. Der Notartermin habe der Erinnerung nach im August stattgefunden. Die Eintragung im Grundbuch habe bis Oktober/November 2009 gedauert. Mit der Heirat sei bis zur Eintragung des Sohnes als Eigentümer im Grundbuch gewartet worden, damit im Fall eines plötzlichen Versterbens der Kläger nicht als Erbe dazwischentreten würde. Seine Frau, deren Sohn und der Kläger hätten keinesfalls eine Heirat vor der Grundbucheintragung gewollt. Da in der Vergangenheit jede Krebstherapie positiv verlaufen sei und sie beide auf den Erfolg der Forschung in der Krebstherapie vertraut hätten, seien sie davon ausgegangen, dass seine Frau noch 10 Jahre und länger leben könne. Er selbst habe lange nicht heiraten wollen, weil er bereits einmal verheiratet gewesen sei und eine Tochter habe. Er habe nicht wieder in die Pflicht genommen werden wollen. Der Heiratswunsch sei vornehmlich von seiner Frau gekommen. Als diese im Januar im Krankenhaus gewesen sei, habe er sich gedacht, falls sie nunmehr ein Pflegefall werde, werde er wieder arbeiten gehen müssen, um für die Heimkosten aufkommen zu können. Nun sei er seit Juli 2011 wieder voll erwerbstätig mit einem Brutto-Einkommen in Höhe von 2.100 Euro.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 11.11.2011 die Beklagte zur Gewährung einer Witwerrente aus der Versicherung der verstorbenen Versicherten verurteilt. Als besondere Umstände, die gegen das Vorliegen einer vom Gesetz bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr vorgesehenen Versorgungsehe sprechen würden, seien hier die vorliegenden Verhältnisse anzusehen. In der Zusammenschau zwischen inneren und äußeren Umständen sei das Vorliegen einer Versorgungsehe nicht zu bejahen. Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten sei der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet überwiegend oder zumindest gleichwertig aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet worden sei. Allerdings müssten dann diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprächen, umso gewichtiger sein. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich erst im Januar 2010 wesentlich verschlechtert. Es sei aufgrund der Gesamtumstände nachgewiesen, dass zumindest die Versicherte mit der Eheschließung den Zweck verfolgt habe, ihre Betreuung und Pflege durch den Kläger dauerhaft sicherzustellen. Die Versicherte habe ihre Absicht heiraten zu wollen, zu Zeitpunkten geäußert, als sich ihre Gesundheit stabilisiert gehabt habe. Die notarielle Beurkundung der Schenkung des Hauses sei im August 2009 erfolgt und die Eintragung des Sohnes der Versicherten im Grundbuch im Oktober bzw. November 2009. So sei es nachvollziehbar, dass die bereits im März 2009 von beiden beabsichtigte Eheschließung tatsächlich erst am 12.11.2009 beantragt und am 14.12.2009 durchgeführt worden sei.

Mit Telefax-Schreiben vom 19.12.2011 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg eingelegt. Sie hat ausgeführt, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung der Versicherten vorgelegen habe, wobei die Ehe nach einer weiteren Verschlechterung der gesundheitlichen Situation eingegangen worden sei. Bereits im November 2009 sei erneut eine palliative Chemotherapie eingeleitet worden, die nicht mehr gegen die Ursachen der Krankheit selbst wirken sollte, sondern nur die Folgen lindern. Die von der Klägerseite angegebenen vorübergehenden Therapieerfolge seien als Hoffnungszeichen auf ein längeres Überleben gut verständlich, fänden aber in den objektiven medizinischen Umständen keinerlei Bestätigungen. Zudem sei von der Klägerseite praktisch eingeräumt worden, dass mit einem zeitnahen Ableben gerechnet worden sei, da angegeben worden sei, dass mit der Heirat bis zur Eintragung des Sohnes als Eigentümer des Hauses im Grundbuch gewartet worden sei, damit im Falle eines plötzlichen Versterbens der Versicherten der Kläger nicht als Erbe dazwischentrete. Es sei auch nicht glaubhaft, dass die finanziellen Verhältnisse keine Rolle gespielt hätten. Schließlich hätten sich die Eheleute über die rechtlichen Auswirkungen der Eheschließung intensiv Gedanken gemacht. Auch die Tatsache, dass eine Lebensversicherung zugunsten des Klägers abgeschlossen gewesen sei, lasse nur den Schluss zu, dass die verstorbene Versicherte den Kläger für den Fall ihres Todes finanziell habe versorgt wissen wollen. Die Aussage hinsichtlich der Sicherstellung der Pflege überzeuge nicht; diese sei aufgrund des tatsächlichen Zusammenlebens bereits erfolgt und damit gewährleistet gewesen. Das Motiv Gewährleistung der Pflege sei im vorliegenden Fall wenig überzeugend.

In einem Erörterungstermin vom 08.05.2012 haben die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens L 19 R 1127/11 im Hinblick auf ein beim Bundessozialgericht anhängiges Verfahren - B 13 R 111/11 R - beantragt. Das Ruhen ist mit Beschluss vom 10.05.2012 angeordnet worden. Nachdem das Verfahren beim BSG durch Anerkenntnis der Beklagten erledigt worden war, haben die Beteiligten übereinstimmend beantragt, das Verfahren fortzusetzen. Dem ist entsprochen worden und das Verfahren ist unter dem Az: L 19 R 1053/12 fortgesetzt worden.

In einem neuen Erörterungstermin am 01.04.2014 hat der Kläger ausgeführt, dass am Anfang der Erkrankung der Versicherten die Prognose einer Überlebensdauer von einem halben bis dreiviertel Jahr gestellt worden sei. Später seien keine Prognosen mehr erstellt worden, weil die Verlaufsform dies nicht erlaubt habe. Auch bei der stationären Behandlung Ende Januar/Anfang Februar 2010 sei eine Chance nicht ausgeschlossen worden, das Krankheitsgeschehen wieder in den Griff zu bekommen. Der Termin im Standesamt in B-Stadt sei etwa 4 bis 6 Wochen vorher beantragt worden. Bei der Terminsfestlegung seien auch die Hochzeitsgäste eingeladen worden. Der Krankenhausaufenthalt bis zum 12.12.2009 sei turnusgemäß gewesen und habe deshalb dem geplanten Hochzeitstermin nicht im Wege gestanden. Auf Vorhalt der Ausführungen im Schreiben vom 13.09.2010 hat der Kläger angegeben, dass die Pflege nach dem Urlaub beantragt worden sei und seine verstorbene Ehefrau ausgeführt habe, wenn sie von dort für gesund angesehen werde, dann stünde einer Heirat ja nichts im Wege.

In einem weiteren Erörterungstermin vom 08.08.2014 hat der Senat den Sohn der verstorbenen Versicherten, Herrn B., als Zeugen einvernommen. Dieser hat bestätigt, dass seine Mutter das Gespräch wegen der Hausübertragung mit ihm gesucht habe; das Haus sollte in einem Erbfall an ihn und nicht an den Kläger fallen. Der Notar sei telefonisch kontaktiert worden und habe ein Schreiben aufgesetzt. Er sei zu dem Gespräch ins Haus gekommen, weil es seiner Mutter damals nicht besonders gut gegangen sei. Vorgelegt hat der Zeuge eine Urkunde des Notars W. L. vom 17.12.2009, ausgefertigt im Januar 2010. Der Zeuge bestätigt, dass das Gespräch mit dem Notar dann wohl an diesem Datum gelaufen sei. Er räumt ein, dass es möglich sei, dass dieses Gespräch erst ein paar Tage nach der Eheschließung stattgefunden habe. Weiter räumt er ein, dass es möglich sei, dass eine Vorbesprechung der Hausübertragung nicht nur kurz, sondern bereits mehrere Monate zuvor erstmalig angesprochen worden sei. In der damaligen Situation sei die finanzielle Seite der Lebensversicherung zwar wohl auch kurz angesprochen worden. Es sei ihm aber seinerzeit nicht um die finanziellen Gegebenheiten gegangen, nachdem seine Mutter sterbenskrank gewesen sei. Eine Hoffnung auf Heilung sei von den Ärzten ausgeschlossen gewesen. Anfänglich habe man sich ja noch Hoffnungen gemacht, im letzten Jahr insbesondere im letzten halben Jahr vor dem Versterben sei es seiner Mutter dann aber schlechter gegangen. Erste Gespräche über eine mögliche Eheschließung hätten bestimmt schon ein Jahr vor ihrem Versterben stattgefunden. Und er habe seiner Mutter damals geraten, den Kläger doch zu heiraten. Sie habe sich damals aber wohl noch nicht endgültig dazu entschließen können. Der Kläger habe sich auch um seine Mutter und deren Pflege sehr gekümmert. Seiner Mutter sei es darum gegangen, den Kläger nach ihrem Tod versorgt zu wissen; dies habe sie auch so geäußert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.2011 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente gemäß § 46 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI); der Anspruch ist vielmehr gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Das Sozialgericht Würzburg hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer derartigen Rente verurteilt und dieses Urteil ist aufzuheben.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R m. w. N. - nach juris).

Die Annahme eines anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R; BSG vom 05.05.2009 a. a. O. - nach juris).

Die Umstände sind nachzuweisen; die Beweislast trägt, wer die Hinterbliebenenrente beantragt - hier also der Kläger. Im Rahmen der Gewichtung ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a HalbsSGB VIB VI nicht erfüllt. Doch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen - inneren und äußeren - Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010 a. a. O.).

Das Sozialgericht Würzburg hat diese Maßstäbe zwar seiner Entscheidung weitgehend zugrunde legen wollen; es ist jedoch von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich im Berufungsverfahren als unzutreffend herausgestellt hat. Zudem hat es zur Überzeugung des Senats das eingeholte medizinische Gutachten überinterpretiert.

Der Vortrag des Klägers, wonach bereits im März 2009 der Entschluss zur alsbaldigen Verehelichung gefasst worden wäre und nur die Regelung zum Hausübergabevertrag an den Sohn der Versicherten den Hochzeitstermin hinausgeschoben habe, hat sich nicht bestätigt. Vielmehr ist der notarielle Vertrag erst nach der Eheschließung beurkundet worden und die Zuleitung der Urkunde ist erst im Januar 2010 erfolgt. Dass der vom Senat gehörte Zeuge nicht ausschließen konnte, dass erste Erkundigungen über eine mögliche Hausübergaberegelung schon einige Monate vor der Hochzeit erfolgt sein könnten, ändert daran nichts. Es erhöht höchstens die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Dagegen hat sich die Erinnerung des Klägers als verzerrt gegenüber den objektiven Umständen erwiesen und kann auch nicht zur Abstützung des jetzt modifizierten Vortrags dienen. Zentral ist dabei, dass die vorherige Regelung der Hausübergabe tatsächlich gar nicht als Hindernis für die Eheschließung angesehen worden ist, wie sich aus den objektiven Daten ersehen lässt.

Umgekehrt entfällt damit zwar auch die zusätzliche Argumentation der Beklagten, dass die Versicherte und der Kläger wegen der Befürchtung des unmittelbar bevorstehenden Todes unbedingt erst die Regelung über die Hausübergabe abgewickelt gehabt haben wollten; es verbleibt aber dabei, dass sehr bewusst Vorsorge für die Zeit nach einem Versterben der Versicherten getroffen worden ist.

Ausgehend von den gesundheitlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Eheschließung ergibt sich für den Senat, dass eine deutliche Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Versicherten gegenüber dem Frühjahr 2009 vorgelegen hatte und neuerliche Reisepläne nicht real zu begründen waren. Die alltäglichen Lebensverhältnisse hatten sich verschlechtert; eine pflegerische Unterstützung war bei vielen Verrichtungen zur Hygiene und Körperpflege erforderlich. Die Versicherte konnte noch nicht einmal den Notartermin im Ort wahrnehmen, sondern der Notar musste wegen der schlechten gesundheitlichen Situation in das Haus der Versicherten kommen. Vor dem Hintergrund der schon seit mehreren Jahren bestehenden äußerst ungünstigen Prognose musste mit dem Eintritt von gravierenden Einschränkungen in den Lebensverhältnissen auch für den Laien ersichtlich sein, dass der Krankheitsfortschritt der lebensbedrohlichen Erkrankung nicht mehr aufzuhalten war. Der Senat teilt insofern nicht die Einschätzung des Gutachters Dr. G., wonach zwar für den medizinisch Gebildeten die äußerst schlechte Prognose zur weiteren Lebenserwartung der Versicherten erkennbar gewesen sei, ein medizinischer Laie aber noch immer begründet Hoffnung auf eine länger dauernde Ehe hätte haben können.

Daran ändert sich nichts Wesentliches, wenn man anstatt auf den Zeitpunkt der Eheschließung auf den vom Standesamt mitgeteilten Zeitpunkt der Anmeldung im November 2009 abstellt. Auch zu diesem Zeitpunkt war das Vorliegen und die - abgesehen von palliativen Linderungsmaßnahmen - bestehende Unbehandelbarkeit von Hirnmetastasen bekannt. Deren Auftreten im Juni 2009 stellte eine objektive Progredienz der Erkrankung dar, die dann zu den bereits angeführten Einschränkungen im Alltagsleben der Versicherten führte. Im September 2009 sind diese Einschränkungen gegenüber Juni 2009 deutlich fortgeschritten, wie sich aus den Schreiben der Versicherten aus dieser Zeit und dem Pflegetagebuch ersehen lässt. Auch der MDK, der die Versicherte knapp 2 Wochen nach der Anmeldung beim Standesamt gesehen hat, ist vom Vorliegen des verschlechterten Zustandes seit September 2009 überzeugt.

Die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung und die begrenzte Lebenserwartung der Versicherten waren den Beteiligten auch klar gewesen. Dafür sprechen die schriftlichen Ausführungen der Versicherten, ihre Äußerungen und Handlungen zur Versorgung des Klägers nach ihrem Ableben und die Schilderung des als Zeugen gehörten Sohnes der Versicherten zu seiner eigenen Befindlichkeit in diesem Zeitraum.

Der Hinweis auf die Dauer des vorherigen eheähnlichen Zusammenlebens überzeugt nicht, weil er ja im Gegenteil erkennen lässt, dass eine langjährige erfüllte Beziehung auch ohne Eheschließung möglich gewesen war. Frühere Überlegungen, die Ehe einzugehen, die auch vom Sohn der Versicherten unterstützt worden waren, haben nach den Ermittlungen des Senats die Versicherte und der Kläger zunächst nicht hinreichend konkretisiert und im Vagen gelassen. Erst nach der Verschlechterung der gesundheitlichen Situation ist die Ehe konkret vorbereitet worden.

Auch der Hinweis, dass die schwere Krankheit schon länger bestanden hätte und deshalb bei Vorliegen einer Versorgungsabsicht eine frühere Ehe angezeigt gewesen wäre, überzeugt nicht. Denn in einer früheren Phase der Erkrankung war die vom Kläger vorgetragene Hoffnung in den medizinischen Fortschritt noch eher vertretbar gewesen. Außerdem kommt es gar nicht darauf an, bei den Beteiligten eine tatsächliche Versorgungsabsicht zu belegen - was aber zumindest für die Versicherte nach dem heutigen Erkenntnisstand zu bejahen wäre -, sondern es sind von der Versorgungsabsicht unterschiedene, zumindest gleichwertige andere Gründe für die Eheschließung nachzuweisen. Insofern kommt dem Hinweis der Beklagten auf die unterschiedlichen finanziellen Ressourcen der Versicherten und des Klägers auch keine besondere Bedeutung zu.

Der Senat hat bereits wiederholt entschieden (vgl. z. B. Urt. v. 20.04.2011, Az. L 20 R 20/09, Rn. 41 - veröffentlicht in juris), dass das Vorliegen einer Liebesbeziehung allein nicht ausreiche, die Vermutung über das Vorliegen einer Versorgungsehe zu erschüttern, wenn die vorliegende schwere und akut lebensbedrohliche Erkrankung den Nachweis besonderer Gründe erforderlich mache. Auch komme es nicht darauf an, dass die Beteiligten eine Versorgungsabsicht nach außen oder untereinander geäußert hätten (a. a. O. Rn. 40).

Auch in dem vom Kläger ergänzend geltend gemachten und von der Rechtsprechung im Einzelfall anerkannten Grund der Absicherung der künftigen Pflege lässt sich im Fall des Klägers kein dem Versorgungsgedanken zumindest gleichwertiger Grund ersehen. Zum einen ist die Pflege der Versicherten durch den Kläger auch ohne Eheschließung und auch ohne Eheversprechen auf der Basis der langjährigen Beziehung tatsächlich geleistet worden, zum anderen war bei der ungünstigen Prognose zur Lebenserwartung auch nicht eine Sicherstellung der Pflege für einen langen, mehrere Jahre umfassenden Zeitraum erforderlich und der Absicherung der zukünftigen Pflege auch für möglicherweise zukünftig geänderte Rahmenbedingungen kam somit keine überragende Bedeutung zu.

Andere Gründe, die der Kläger anführen könnte, sind nicht ersichtlich.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.2011 ist somit begründet; dieses ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Einkommen (§ 18a des Vierten Buches) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente, Witwerrente oder Erziehungsrente zusammentrifft, wird hierauf angerechnet. Dies gilt nicht bei Witwenrenten oder Witwerrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt.

(2) Anrechenbar ist das Einkommen, das monatlich das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt. Das nicht anrechenbare Einkommen erhöht sich um das 5,6fache des aktuellen Rentenwerts für jedes Kind des Berechtigten, das Anspruch auf Waisenrente hat oder nur deshalb nicht hat, weil es nicht ein Kind des Verstorbenen ist. Von dem danach verbleibenden anrechenbaren Einkommen werden 40 vom Hundert angerechnet. Führt das Einkommen auch zur Kürzung oder zum Wegfall einer vergleichbaren Rente in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, ist der anrechenbare Betrag mit dem Teil zu berücksichtigen, der dem Verhältnis entspricht, in dem die Entgeltpunkte für Zeiten im Inland zu den Entgeltpunkten für alle in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz zurückgelegten Zeiten stehen.

(3) Für die Einkommensanrechnung ist bei Anspruch auf mehrere Renten folgende Rangfolge maßgebend:

1.
(weggefallen)
2.
Witwenrente oder Witwerrente,
3.
Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten.
Die Einkommensanrechnung auf eine Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung hat Vorrang vor der Einkommensanrechnung auf eine entsprechende Rente wegen Todes. Das auf eine Hinterbliebenenrente anzurechnende Einkommen mindert sich um den Betrag, der bereits zu einer Einkommensanrechnung auf eine vorrangige Hinterbliebenenrente geführt hat.

(4) Trifft eine Erziehungsrente mit einer Hinterbliebenenrente zusammen, ist der Einkommensanrechnung auf die Hinterbliebenenrente das Einkommen zugrunde zu legen, das sich nach Durchführung der Einkommensanrechnung auf die Erziehungsrente ergibt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.