Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 22. Okt. 2014 - L 19 R 127/13

bei uns veröffentlicht am22.10.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.12.2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin von der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente nach dem Versicherten D. M., geboren 1941, verstorben 24.12.2011, verlangen kann.

Die Klägerin ist die Ehefrau des am 24.12.2011 verstorbenen Versicherten D. M. Am 29.12.2011 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente, wobei sie angab, am 20.09.2011 nach A-Stadt, dem Wohnsitz des verstorbenen Versicherten, zugezogen zu sein. Die Ehe sei am 20.09.2011 mit dem Versicherten geschlossen worden. Weiter gab sie an, vom 01.01.1984 bis 19.09.2011 eine ausländische Krankenversicherung in der tschechischen Republik gehabt zu haben und seit dem 20.09.2011 bis laufend bei der S. Betriebskrankenkasse in E. familienversichert zu sein. Zum Antrag gab die Klägerin weiter an, dass die Heirat mit dem Versicherten bereits im Jahr 2005 vorgesehen gewesen sei. Aufgrund Erkrankung sei sie dann erst im Jahr 2011 vollzogen worden. Sie habe ihren Mann im Jahr 2002 kennengelernt. Der Entschluss zu heiraten sei bereits im Jahr 2004 besprochen worden. Allerdings sei dann die Erkrankung ihres Mannes im Jahr 2005 dazwischen gekommen. Letztendlich hätte sie dann im Jahr 2011 geheiratet.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen des behandelnden Hausarztes Dr. D. bei, wonach der verstorbene Versicherte seit November 2006 wegen eines doppelten Karzinoms in Behandlung war. Seit September 2011 sei keine Behandlung mehr erfolgt. Beigezogen wurden des Weiteren Berichte der Uni-Klinik E. von Juni 2010 und Februar 2011. Im Januar 2011 ist danach ein erster Zyklus einer palliativ-systemischen Reindukationstherapie durchgeführt worden. Die Metastasen hätten sich trotzdem als fortschreitend gezeigt. Die Situation sei ausführlich mit dem Patienten besprochen worden, nachdem eine sinnvolle systemische Therapieoption nicht mehr bestanden habe. Auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten wurde Kontakt zum Universitätsklinikum G. in M. aufgenommen, wo eine Selektive interne Radiotherapie (SIRT) durchgeführt wurde. Trotz dieser durchgeführten Maßnahme zeigten sich die Metastasen fortschreitend (Bericht des Universitätsklinikums G. vom 07.07.2011), so dass der verstorbene Versicherte nur noch in die onkologische Betreuung entlassen wurde. Die Prüfärztin der Beklagten, Dr. P., kam am 28.02.2012 aufgrund dieser Unterlagen zu der Erkenntnis, dass bereits im Zeitpunkt der Eheschließung mit dem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen gewesen sei. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 05.03.2012 die Gewährung einer Witwenrente nach § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab. Die Ehe habe nicht mindestens 1 Jahr gedauert. Es handele sich um eine sog. Versorgungsehe.

Hiergegen legte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 14.03.2012 Widerspruch ein. Eine Reihe widriger Umstände habe eine frühere Hochzeit der Klägerin mit dem verstorbenen Versicherten verhindert. Zunächst habe die Klägerin noch bis zum Erreichen ihrer Regelaltersrente im Oktober 2008 weiterarbeiten müssen, um in den Genuss der tschechischen Rente zu kommen. Zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Versicherten hätte eine sehr enge Freundschaft bestanden, die auch in ihrer Familie mitgetragen worden sei. Man habe sich gegenseitig mehrmals im Jahr besucht. Ab dem Jahr 2005 sei geplant gewesen, zusammenzuziehen und zu heiraten. Zu diesem Zeitpunkt sei der verstorbene Versicherte noch nicht erkrankt gewesen bzw. habe keinerlei Erkenntnis über seine Erkrankung gehabt. Dies könne auch sein bester Freund, Herr J. W., bezeugen. Die für Ende 2008 geplante Übersiedlung zum Zweck der Eheschließung und Führung eines gemeinsamen Haushaltes habe verschoben werden müssen, nachdem die bereits über 80 Jahre alten Eltern der Klägerin beide schwer erkrankt gewesen seien, der Vater unter Darmkrebs im Endstadium gelitten habe und die Klägerin ihren Vater, teilweise auch ihre Mutter, habe pflegen müssen. Nachdem der Vater dann im Januar 2010 verstorben sei, habe sie sich verstärkt um ihre Mutter kümmern müssen, die dement gewesen sei. Die Betreuung der Mutter habe aber ihre Schwester M. N. erst ab September 2011 übernehmen können, damit die Klägerin zu ihrem Lebenspartner und Verlobten nach A-Stadt habe übersiedeln können. Man habe lange nicht nur die Übersiedlung nach Deutschland, sondern auch die Hochzeit vorbereitet und die erforderlichen Formulare zusammengetragen für die Erteilung des Ehefähigkeitszeugnisses. Die Klägerin habe entsprechende Unterlagen in ihrer Heimat besorgen und die erforderlichen amtlichen Übersetzungen mit Beglaubigung erstellen lassen müssen. Auch hierfür sei ein erheblicher Zeitaufwand erforderlich gewesen. Mit notariellem Testament vom 10.08.2011 sei die Klägerin als Alleinerbin vom verstorbenen Versicherten eingesetzt worden. Beigefügt waren zahlreiche Fotoaufnahmen der Klägerin zusammen mit dem verstorbenen Versicherten sowie mehrere Kopien über die Vorgänge beim Standesamt A-Stadt und des notariellen Testaments.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2012 als unbegründet zurück. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Gründe ergebe sich vielmehr, dass konkrete Pläne für eine Eheschließung erst im Jahr 2011 gefasst worden seien. Hier wäre beispielsweise die Anfrage an das Standesamt über die erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung zu benennen. Vor diesem Zeitpunkt hätten sich keine Hinweise für konkretere Pläne einer Eheschließung ergeben. Eine langfristige Verzögerung durch die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen für die Eheschließung liege nicht vor. Die Anfrage beim Standesamt sei Ende Juli 2011 beantwortet worden, im September 2011 sei bereits die Eheschließung erfolgt. Gegen frühere Ehepläne spreche weiterhin die Tatsache, dass die Klägerin bis Ende des Jahres 2008 nicht beabsichtigt habe, einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Versicherten zu begründen. Im Vordergrund habe für sie hier noch der Erwerb einer eigenen Altersversorgung in Tschechien gestanden. Ende 2008 bzw. Anfang 2009 sei die Erkrankung des verstorbenen Versicherten aber bereits bekannt gewesen.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 25.05.2012 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, im Wesentlichen unter Wiederholung des Vorbringens im Widerspruchsverfahren. Vorgelegt wurden des Weiteren eine eidesstattliche Versicherung des Herrn J. W. vom 01.06.2012, der ernsthafte Heiratsabsichten ab 2005 bestätigte, sowie Auszüge eines E-Mail-Verkehrs zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Versicherten.

Mit Schreiben vom 07.08.2012 schilderte die Klägerin selbst ihre Situation. Sie habe sich von ihrem damaligen Ehegatten getrennt, der keine Unterhaltsleistungen für ihre Kinder gezahlt habe. Er sei Bahnbediensteter gewesen mit einer entsprechenden Dienstwohnung, die sie hätte verlassen müssen. Als dies dann geklärt gewesen sei, habe sie selbst seit 2007 gesundheitliche Probleme gehabt. Gleichzeitig sei ihr ältester Sohn erkrankt (orthopädisches Rückenleiden) und habe seine Arbeit verloren. Er habe so in der ehemaligen Familienwohnung in Tschechien weiterleben können. Die Sorge für ihre Eltern habe sie auf ihre Schwester nicht früher übertragen können, weil sich ihre Eltern dagegen gestemmt und die Erwartungshaltung vertreten hätten, dass sie ja alleinstehend sei und erwachsene Kinder hätte, während ihre berufstätige Schwester noch hätte arbeiten müssen. Dass hier in Deutschland ein ebenfalls an Krebs leidender Mann gewesen sei, dem sie die Ehe versprochen gehabt hätte und mit dem sie gerne noch viele Reisen unternommen hätte, sei von ihren Eltern einfach ignoriert worden. Diesem psychologischen Druck habe sie sich leider nicht entziehen können. Nachdem ihr Vater verstorben gewesen sei und der Betreuungsaufwand für ihre zurückgebliebene Mutter so groß geworden sei, dass es auch ihre Kräfte überstiegen habe, habe ihre Schwester M. sich verstärkt um die Mutter gekümmert und sie schließlich zu sich nach Hause geholt, weil sie selbst auch noch berufstätig gewesen sei. Diese Situation sei für sie die Chance gewesen, ihre Verpflichtungen in Tschechien zu beenden und zu ihrem Mann nach A-Stadt zu ziehen und endlich ihr lange geplantes gemeinsames Leben zu beginnen. Es sei sehr verletzend und nur schwer zu ertragen, dass das Gericht hier eine Versorgungsehe vermute. Niemand hätte darüber ein Wort verloren, wenn sie nur ein halbes Jahr früher diesen letzten Schritt gegangen wäre oder wenn ihr Mann noch ein halbes Jahr länger dem Krebs getrotzt hätte. Sie fühle sich bestraft von dem Gericht für ihr soziales Verhalten gegenüber ihren eigenen Kindern und ihren alten, kranken und vermögenslosen Eltern, die sich keine externe Pflegekraft hätten leisten können. Ihrem Mann sei nicht bewusst gewesen wie es um ihn gestanden habe oder dass ihm nur noch wenige Monate gegeben seien, denn er habe so viele Pläne für sie gehabt um das, was er sich in seinem arbeitsreichen Leben aufgebaut gehabt hätte und was er gerne mit ihr zusammen noch erlebt hätte. So habe er sich noch 2011 einen neuen bestens ausgestatteten Mercedes bestellt, zu einer Zeit, als er sicherlich noch an seine Gesundung oder zumindest lange Hinauszögerung seiner Krankheit geglaubt habe. Der Tod am Weihnachtstag sei völlig überraschend und nicht vorhersehbar gewesen. Sie sei jetzt zwar durch die finanzielle Hinterlassenschaft ihres Mannes in der Lage, für eine gewisse Zeit zu überleben, werde aber mit ihrer eigenen geringen Rente aus Tschechien ohne die kalkulierte Witwenrente nicht in der Lage sein, seinen Wunsch zu erfüllen, das Haus als ihren neuen Lebensmittelpunkt zu erhalten. Mit Sicherheit würde sie aber damit nicht dem letzten Willen ihres Mannes nachkommen können, der hier in A-Stadt ohne jegliche Angehörige einsam begraben liege. Niemand würde sich um das Grab kümmern, wenn sie zurück nach Tschechien gehen müsste. Dies entspreche gerade nicht der Würdigung seines Lebenswerkes und seiner Lebensziele und vor allem nicht seinem innigsten Wunsch.

Das SG hat sodann mit Urteil vom 20.12.2012 die Klage gegen den Bescheid vom 05.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2012 als unbegründet abgewiesen. Da die Ehe der Klägerin mit dem verstorbenen Versicherten weniger als 1Jahr gedauert habe bestehe die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe, die jedoch widerlegt werden könne, wenn Umstände dargelegt würden, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen ließen. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hätten sich nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben eindeutig erst im Sommer 2011 dazu entschlossen, am 20.09.2011 die Ehe einzugehen. Dies ergebe sich aufgrund der geschilderten Angaben der Klägerin und der vorliegenden medizinischen Unterlagen. Dies hätten offensichtlich auch die Beteiligten so eingeordnet, nachdem der verstorbene Ehemann im September 2011 auch jegliche medizinische Behandlungen eingestellt habe. Zudem habe der verstorbene Ehemann offensichtlich mit der Testamentseinsetzung seiner zukünftigen Ehefrau und der Heirat sein Leben abschließend regeln wollen. Eine frühere ernsthafte und belegbare Eheschließungsabsicht habe nicht überzeugend dargelegt werden können. Ein beachtlicher Gesichtspunkt sei, dass der verstorbene Ehemann zusammen mit der Vorbereitung der Eheschließung im Sommer 2011 auch die Testamentseinsetzung der Klägerin im August 2011 betrieben habe. Damit zeige sich deutlich, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin die Zeit nach seinem Tod geregelt wissen wollte und der Versorgungsgedanke ihm sicherlich nicht fremd gewesen sei. Für das Vorliegen einer Versorgungsehe sei es nicht erforderlich, dass die Eheleute diesen Gedanken nach außen getragen hätten, noch nicht einmal, dass sie ihn untereinander geäußert hätten. Er könne auch nur immanent vorhanden gewesen sein (unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 20.04.2011 -

L 20 R 20/09).

Zur Begründung der hiergegen am 04.02.2013 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.03.2013 vorgetragen, dass zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann eine langjährige Beziehung bestanden habe und auch bereits lange Heiratsabsichten gehegt worden seien. Das SG habe die persönliche Situation der Klägerin unzureichend berücksichtigt. Das Abstellen auf die Jahresfrist verletze insbesondere bei älteren Ehegatten Art 6 Grundgesetz (GG). Die Eheschließung sei mindestens seit 2008 ernsthaft geplant gewesen, dies könne der Zeuge J. W. bestätigen. Im Zeitpunkt der Eheschließung sei der Zeitpunkt des Todes für die Eheleute nicht absehbar gewesen. Der verstorbene Versicherte habe auch selbst nicht mit dem Ableben gerechnet, sonst hätte er den Mercedes im Januar 2011 nicht mehr gekauft. Er habe zwar im September 2011 die Behandlung eingestellt, habe aber alternative Behandlungsmethoden ausprobiert, die ihm deutlich besser getan hätten. So habe er vom 08.10. bis 18.11.2011 eine sog. „Breuss-Kur“ durchgeführt. Die Klägerin habe sich niemals um die finanzielle Seite gekümmert, sondern habe nur zu ihrem Ehemann gewollt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.12.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 29.12.2011 hin Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten D. M. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.12.2012 zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die von der Klägerin geltend gemachten Umstände gerade für das Vorliegen einer Versorgungsehe sprächen. Die Eheschließung sei nachdrücklich erst betrieben worden, als die Erkrankung des Versicherten deutlich zu Tage getreten sei. Eine Vernehmung des angebotenen Zeugen J. W. sei entbehrlich.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 hat die Klägerin unter Hinweis auf einen an ihrer Hand befindlichen Ring erklärt, dass sie diesen erst kürzlich beim Aufräumen gefunden habe. Er handele sich um ihren Verlobungsring, den sie von ihrem Ehemann zum Neujahrsfrühstück 2005 geschenkt bekommen habe. Eine Datumsgravur enthalte der Ring nicht. Da sie selbst im Jahr 2007 an Darmkrebs erkrankt gewesen sei und auch weitere Mitglieder in ihrer Familie trotz einer Darmkrebserkrankung länger gelebt hätten, hätte sie keine Veranlassung gehabt, sich Sorgen wegen eines möglichen baldigen Ablebens ihres Ehemannes zu machen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Aktenauszüge des Standesamtes A-Stadt sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 20.12.2012 die Klage gegen den Bescheid vom 05.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2012 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten D. M., weil die Ehe weniger als 1 Jahr gedauert hat und die in § 46 Abs. 2a SGB VI enthaltene gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe von der Klägerin nicht widerlegt werden konnte.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Unstreitig wurde zwischen den Eheleuten die Eheschließung am 20.09.2011 vorgenommen. Der Versicherte verstarb am 24.12.2011. Die Ehedauer betrug deshalb weniger als 1 Jahr und löst die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI aus.

Das SG hat zutreffend in seinem Urteil vom 20.12.2012 dargelegt, welche Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe gestellt werden müssen. Das SG hat dabei ausführlich die aktuelle Rechtsprechung dargelegt. Auf die Ausführungen kann insoweit verwiesen werden.

Die Annahme des Anspruch ausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BSG vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R; BSG vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R m. w. N., jeweils veröffentlicht bei juris). Diese Umstände sind nachzuweisen, die Beweislast hierfür trägt der Antragsteller. Ein solcher Nachweis ist vorliegend nicht geglückt.

Im vorliegenden Fall sprechen - neben der kurzen Ehedauer vom 20.09.2011 - 24.12.2011 - mehrere Umstände für das Vorliegen einer Versorgungsehe. Zum einen hat die Klägerin bis zum September 2011, d. h. dem Monat der Eheschließung durchgehend in der tschechischen Republik gelebt, ein gemeinsamer Hausstand mit dem Kläger hat zu keiner Zeit bestanden. Man hat sich gegenseitig zunächst SMS oder E-Mails geschickt und hat sich dann gegenseitig besucht, später durchaus auch über mehrere Wochen im Jahr. Nach den eigenen Angaben der Klägerin stand sie bis zum 19.09.2011 in einem Krankenversicherungspflichtverhältnis bei einer tschechischen Krankenversicherung, erst ab dem 20.09.2011, dem Tag der Eheschließung, bestand eine Familienversicherung bei der S. BKK in E.. Obwohl die Klägerin angegeben hat, dass konkretere Heiratsabsichten bereits im Jahr 2005 bestanden hätten, was sie in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 durch den Hinweis auf den Verlobungsring offensichtlich untermauern wollte, sind keine konkreten Vorbereitungsmaßnahmen für ein Zusammenziehen, die Gründung eines gemeinsamen Hausstandes oder auch der Eheschließung selbst festzustellen. Die Klägerin gibt hierfür als Gründe an, ihre eigenen tschechischen Rentenanwartschaften erwerben zu müssen sowie die Sorge um ihre Söhne und die kranken Eltern. Eine eventuelle Übersiedlung ihres Ehemannes in die Tschechische Republik wird offenbar nicht in Erwägung gezogen, obwohl sich dieser selbst bereits seit 2001 in Altersrentenbezug befand und keine weitere Familie in A-Stadt hat.

Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass zu einem früheren Zeitpunkt als im Sommer 2011 bereits konkretere Vorbereitungsmaßnahmen für eine Eheschließung getroffen worden wären. Vielmehr wurden die Vorbereitungen zur Eheschließung erst in dem Zeitpunkt extrem intensiviert, als dem verstorbenen Versicherten von Seiten der behandelnden Ärzte erklärt worden ist, dass es keine sinnvollen Behandlungsalternativen mehr gibt. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen des Universitätsklinikums E. wurde der Kläger bereits im Januar 2011 mit einem ersten Zyklus einer palliativ-systemischen Reindukationstherapie behandelt. Die Metastasierung war trotzdem fortschreitend (Bericht der Uni-Klinik E. vom 11.03.2011). In diesem Bericht ist ausdrücklich festgehalten, dass die Befunde mit dem Patienten ausführlich besprochen wurden, nachdem sinnvolle systemische Therapieoptionen seitens des Klinikums nicht mehr gesehen werden konnten. Auf Wunsch des Versicherten wurden die ärztlichen Unterlagen dem Klinikum G. vorgelegt, um die Möglichkeit einer SIRT zu beurteilen. Dabei handelte es sich um eine damals offenbar noch nicht allgemein anerkannte Methode zur Behandlung von primären Lebertumoren und Lebermetastasen bei anderen primären Krebserkrankungen. Die Mediziner dort sahen aktuell eine Indikation zur selektiven internen Strahlentherapie, zu den ergänzenden und vorbereitenden Untersuchungen würde sich Herr M. demnächst dort vorstellen. Nach dem Bericht des Klinikums G. vom 07.07.2011 hat sich der Versicherte vom 20.06. bis 21.06.2011 im Klinikum befunden. Trotz der Behandlung ergab sich ein Progress der extra- und intrahepatischen Metastasen. Die Klinik bat um Weiterbetreuung des Patienten von onkologischer und internistischer Seite. Damit steht eindeutig fest, dass der verstorbene Versicherte bereits im Juni, spätestens Anfang Juli 2011 konkrete Kenntnis davon hatte, dass es keinerlei Behandlungsmöglichkeiten mehr für ihn gab, selbst das (damals noch neue) Verfahren der selektiven internen Radiotherapie hatte keine Wirkung gezeigt. Kurz darauf, nämlich am 27.07.2011, erteilte die Gemeinde A-Stadt auf Anfrage der Eheleute Auskünfte, welche Unterlagen zur Eheschließung benötigt würden.

Für die Eheschließung waren entgegen der Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch keine langwierigen Vorbereitungsmaßnahmen erforderlich. Nach Auskunft des Standesamtes A-Stadt vom 27.07.2011 über die notwendigen Unterlagen für eine Eheschließung wurde bereits am 04.08.2011 das Ehefähigkeitszeugnis erstellt, das dann als beglaubigte Übersetzung am 07.09.2011 dem Standesamt vorlag. Bereits am 10.08.2011 hat der verstorbene Versicherte die Klägerin mit notariellem Testament zur Alleinerbin seines Vermögens eingesetzt. Vorhergehende Testamente lagen wohl vor, wurden aber jedenfalls für gegenstandslos erklärt. Aus den Akten des Standesamtes A-Stadt geht hervor, dass die Anmeldung zur Eheschließung am 09.09.2011 erfolgt ist. Noch am gleichen Tag hat sich das Standesamt A-Stadt an das OLG M. gewandt, um eine möglichst kurzfristige Anerkennung der Scheidung der Klägerin in Tschechien zu erreichen. In diesem Schreiben des Standesamtes vom 09.09.2011 ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Ehemann an einer unheilbaren Krebserkrankung leidet und dass die Anerkennung der ausländischen Scheidung so schnell wie möglich erfolgen müsse, damit die Eheschließung so bald wie möglich vollzogen werden könne. Das Schreiben war auch noch mit „Eilt sehr“ überschrieben. Bereits am 14.09.2011 übersandte das OLG M. die Anerkennungserklärung und wies darauf hin, dass das Standesamt darauf achten möge, dass vor Aushändigung der Anerkenntniserklärung die Kostenrechnung beglichen werde. Die Kostenrechnung für die Anerkennung der ausländischen Scheidung datiert vom 19.09.2011, die Eheschließung ist am 20.09.2011 erfolgt.

Der behandelnde Arzt des verstorbenen Versicherten Dr. D. hat mitgeteilt, dass der Kläger seit November 2006 Kenntnis von seiner schweren Krebserkrankung hatte und dass er im September 2011 jede Behandlung eingestellt hat. Er hat zunehmend an Gewicht verloren, war dyspnoeisch, wegen einer ausgeprägten Polyneuropathie durch die Chemotherapie hat er unter zusätzlichen Schmerzen gelitten, das Gehen sei stark eingeschränkt gewesen. Die Klägerin hat hierzu angegeben, dass der verstorbene Versicherte im Oktober 2011 eine alternative Behandlungsmethode in Angriff genommen hat, die sog. Breuss-Therapie, die er vom 08.10.2011 bis 18.11.2011 streng nach den Vorschriften durchgeführt habe. Diese habe ihm gut getan. Trotzdem musste sich der Versicherte knapp einen Monat später mit einem deutlich verschlechterten Allgemeinzustand, einer Ruhedynspnoe und seit 8 Tagen auftretenden blutigen Diarrhöen in das Krankenhaus St. A. begeben, wo er am nächsten Tag bereits verstarb.

Die Eheschließung wurde nachdrücklich erst dann vorangetrieben, als der Versicherte von seinem aussichtslosen Gesundheitszustand wusste, nämlich spätestens Anfang Juli 2011. Er setzte im August 2011 die Klägerin zur Alleinerbin seines Vermögens ein, im September konnte bereits die Eheschließung durchgeführt werden, zur gleichen Zeit, als alle Behandlungsmaßnahmen eingestellt wurden. Obwohl die Klägerin familiär doch so stark beansprucht war und sie sich seit 2008 dem psychischen Druck ihrer Eltern nicht entziehen konnte, ist ihre berufstätige Schwester im September 2011 quasi über Nacht in der Lage, die demente, inzwischen schwerpflegebedürftige Mutter zu sich zu nehmen, obwohl sie weiterhin berufstätig war, was vorher aber eine Pflege der Mutter durch die Schwester nicht zuließ. Auch aus dem Schreiben der Klägerin vom 07.08.2012 an das SG Nürnberg und aus den Einlassungen der Klägerin hier im Berufungsverfahren wird ersichtlich, dass der Versorgungsgedanke der Eheschließung wohl nicht nur für den verstorbenen Versicherten relevant war, sondern auch für die Klägerin selbst. Sie sei „ohne die kalkulierte Rente“ nicht in der Lage, das Haus zu unterhalten, dieses als ihren Lebensmittelpunkt im Sinne des letzten Willens ihres Ehemannes zu erhalten und müsste nach Tschechien zurückkehren. Niemand könnte sich mehr um das Grab ihres Ehemannes kümmern.

Ein neben dem Versorgungsgedanken wesentlicher, zumindest gleichwertiger Umstand, der die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2 a SGB VI hätte entkräften könne, ist nicht nachgewiesen und für den Senat auch nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat deshalb zu Recht mit Bescheid vom 05.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2012 einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente wegen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 46 Abs. 2 a SGB VI verneint. Diese Vorschrift begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Worin konkret eine Verletzung von Art. 6 GG bei älteren Ehegatten durch diese Vorschrift gesehen werden könnte, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf eine Witwenrente unabhängig vom Alter der Ehepartner immer dann aus, wenn eine kurze Ehezeit von unter einem Jahr vorliegt, sofern keine besonderen Umstände nachgewiesen werden können.

Die Einvernahme des angebotenen Zeugen W. war nach Ansicht des Senats nicht erforderlich. Allein subjektive Heiratsabsichten, wie in der eidesstattlichen Versicherung vom 01.06.2012 geschildert, genügen nicht, um den Versorgungscharakter bei kurzer Ehedauer zu entkräften. Es müssen sich hierfür auch objektive Anhaltspunkte für eine konkrete Umsetzung der Heiratsabsichten finden lassen. Diese liegen jedoch - wie oben ausgeführt - erst im Sommer 2011 vor.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 20.12.2012 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 22. Okt. 2014 - L 19 R 127/13 zitiert 7 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

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Bundessozialgericht Urteil, 06. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R

bei uns veröffentlicht am 06.05.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Ger

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(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.

2

Die 1950 geborene Klägerin lebte seit 1978 mit dem 1946 geborenen und am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie heirateten am 2.7.2004. Aus der ersten Ehe der Klägerin waren ein Sohn und eine Tochter hervorgegangen, aus der ersten Ehe des Versicherten eine Tochter. Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoeinkommen von ca 2.400 Euro aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin.

3

Im Oktober 2002 erkrankte der Versicherte an einem Blasenkarzinom, das operativ entfernt wurde. Im Februar 2004 wurde eine fortschreitende Metastasierung diagnostiziert. Die ab 1.6.2004 durchgeführte Chemotherapie diente lediglich palliativen Zwecken. Der Versicherte wurde in den Zeiträumen vom 24.5. bis 3.6.2004 und vom 8.6. bis 10.6.2004 stationär behandelt, danach aufgrund einer deutlichen Verschlechterung erneut vom 14.6. bis 10.7.2004, wobei die Chemotherapie abgebrochen und die Behandlung mit Morphin fortgesetzt wurde. Unter dieser Medikation war der Versicherte mit Hilfe eines Stützrollators zeitweise gehfähig. Die Eheschließung erfolgte am 2.7.2004 auf der Krankenstation. Zur Entlassung des Versicherten wurde eine sog Homecare-Betreuung eingerichtet. Am 27.7.2004 wurde der Versicherte notfallmäßig erneut stationär aufgenommen; er verstarb noch am selben Tag.

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Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente lehnte die Beklagte ab, da sie von einer sog Versorgungsehe gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausging(Bescheid vom 13.6.2005, Widerspruchsbescheid vom 28.10.2005).

5

Das SG Berlin hat - nach Vernehmung der Schwester, des Sohnes und der Tochter der Klägerin sowie nach deren persönlicher Anhörung - die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, der Klägerin ab 27.7.2004 Witwenrente aus der Versicherung des Verstorbenen zu gewähren. Dem Anspruch stehe der Ausschlussgrund gemäß § 46 Abs 2a SGB VI nicht entgegen.

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Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 31.1.2007 die Berufung der Beklagten nach persönlicher Anhörung der Klägerin zurückgewiesen unter Neufassung des Tenors, dass der Klägerin ab 27.7.2004 große Witwenrente zu gewähren sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a SGB VI sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt, weil zur Überzeugung des Senats trotz der sehr kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass die Versorgung der Klägerin der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei. Hierbei stütze sich der Senat auf die glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen, im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf die Aussagen ihrer vom SG als Zeugen vernommenen Kinder. Danach stehe fest, dass - neben Versorgungserwägungen - zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung gewesen sei, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem Zusammenleben durch den Akt der Eheschließung den - nach Wortwahl der Klägerin - "offiziellen Segen" zu geben und so eine Rechtsposition zu erlangen. Die Klägerin habe überzeugend ausgeführt, dass der Heiratswunsch schon viele Jahre vor der Krebserkrankung bestanden habe, jedoch aus finanziellen Gründen und familiären Erwägungen nicht eher realisiert habe werden können. Die mit dem Versicherten im Familienverbund lebenden Kinder der Klägerin, die ihn als "Vater" angesehen hätten, hätten die langjährige Heiratsabsicht ebenfalls bestätigt.

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Der Umstand der seit 1978 gelebten langjährigen Liebesbeziehung stehe einem überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Die Liebesbeziehung sei ohnehin nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet gewesen, weil die Klägerin einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sei, mit der sie ohne Weiteres ihren eigenen Lebensunterhalt habe sichern können. Dies habe die Klägerin vor dem Senat eindrucksvoll dargelegt.

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Ebenso wenig spreche der Krankheitsverlauf des Versicherten gegen diese Einschätzung. Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass sie trotz palliativer Behandlung des Versicherten nicht davon ausgegangen sei, dass "mein Mann so bald würde sterben müssen". Doch auch wenn die Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung gewusst haben sollte, dass der Tod des Versicherten in naher Zukunft bevorstehe, verbliebe es bei dem vorrangigen Motiv der Eheschließung, der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben. Daher habe für den Senat keine Veranlassung bestanden, den von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisanträgen zu folgen. Selbst wenn eine Nottrauung gemäß § 7 Personenstandsgesetz (PStG) vorgelegen hätte, änderte dies nichts an der zur Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.

9

Mit ihrer vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 46 Abs 2a SGB VI und von §§ 103, 128 SGG. Die Klägerin habe den Nachweis des Vorliegens "besonderer Umstände", die die Rechtsvermutung des § 46 Abs 2a SGB VI widerlegen könnten, nicht erbracht. Die Verrechtlichung einer Liebesbeziehung durch Eheschließung sei kein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund. Die zuvor seit 26 Jahren geführte eheähnliche Lebensgemeinschaft unterstreiche den Versorgungscharakter der Ehe. Im Fall der lebensbedrohlichen Erkrankung eines Partners sei die wirtschaftliche Absicherung des Überlebenden das maßgebliche Motiv für die Heirat. Konkrete Heiratspläne seien erst nach Bekanntwerden der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung gefasst und realisiert worden. Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überleben, könne kein besonderer Umstand im Sinne der Norm sein. Das LSG hätte sich zudem gedrängt fühlen müssen, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, den Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung bei der Nottrauung zu befragen, nachzukommen.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 sowie des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das angefochtene Urteil beruht - wie die Beklagte zutreffend rügt - auf einer Verletzung der Pflicht des Berufungsgerichts zur Sachaufklärung (§ 103 SGG). Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente zu Recht abgelehnt hat.

14

1. Gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte sie auch das 45. Lebensjahr vollendet.

15

Nach § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (vom 21.3.2001, BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 2.7. bis 27.7.2004); damit ist der Tatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 1 SGB VI erfüllt. Ob jedoch "besondere Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI vorliegen, die den Eintritt der entsprechenden Rechtsfolge - Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente - hindern, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

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2. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist der vom Berufungsgericht als maßgeblich zugrunde gelegte Beweggrund der Klägerin für die Eheschließung, nämlich der Wunsch, nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI zu begründen.

17

Der Senat hat im Urteil vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 mwN)zur Auslegung und Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI bereits entschieden, dass eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht möglich ist. Daran hält er in Kenntnis hiergegen vorgebrachter Bedenken (vgl Pötter, RVaktuell 2010, 15, 21) nach erneuter Prüfung fest. Wie in dem genannten Urteil näher dargelegt ist, sind nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (Senatsurteil aaO, RdNr 20). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (aaO RdNr 24). Diese Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung nach Maßgabe des § 46 Abs 2a SGB VI wird nicht dadurch entbehrlich, dass die damit verbundenen Anforderungen den Wunsch der Verwaltung nach "überprüfbaren … objektiven Kriterien"(vgl Pötter, aaO) nicht erfüllen können.

18

In diesem Zusammenhang kann es zwar nicht als Verletzung von Bundesrecht angesehen werden, wenn die Tatsacheninstanz annimmt, dass bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI nicht erfüllt sein wird. Gleichwohl darf dabei nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde. Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist (BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 27).

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Der Frage, ob besondere Umstände iS des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) nachzugehen (aaO RdNr 29 mwN). Sie ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten (BSG vom 15.9.2009 - B 5 R 282/09 B - BeckRS 2009, 72520 RdNr 7). Somit obliegt es zuvörderst den Tatsacheninstanzen, sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (vgl auch BSG vom 27.8.2009 - B 13 R 101/08 R - Juris RdNr 14 f). Ein Rentenversicherungsträger, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seine Annahme, dass eine Versorgungsehe vorliege, verteidigen will, kann deshalb durch das Stellen von Beweisanträgen darauf hinwirken, dass alle Umstände - auch die für eine Versorgungsehe sprechenden Indizien - in die Beweiswürdigung des Gerichts einbezogen werden.

20

3. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen solchen Beweisantrag zur Entscheidung des Gerichts gestellt; sie hat verlangt, den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung zu vernehmen. Diesem Beweisantrag hätte das LSG nachkommen müssen; seine Ablehnung unter Berufung darauf, dass unabhängig von den konkreten Umständen der Trauung die volle Überzeugung des Senats zur Motivationslage für die Heirat bereits feststehe, verletzt Bundesrecht (§ 103 SGG).

21

Einer der Ausnahmefälle, der es erlaubt hätte, auf die Vernehmung des von der Beklagten mit der Bezeichnung "den zuständigen Standesbeamten" hinreichend konkret benannten Zeugen zu verzichten, ist nicht gegeben. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl Senatsurteil vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R - SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 S 72 f; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 B - Juris RdNr 10; BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11; s auch BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

22

Auf die von der Beklagten unter Beweis gestellten tatsächlichen Umstände der Eheschließung kommt es schon deshalb entscheidungserheblich an, weil das LSG alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine Versorgungsabsicht sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen hat. Zur Klärung dieser tatsächlichen Voraussetzungen war der benannte Zeuge auch ein geeignetes und erreichbares Beweismittel. Als Standesbeamter, der die Eheschließung auf der Station im Krankenhaus vollzogen hat, hätte er zu den näheren Umständen der Heirat, wie etwa ihm gegenüber geäußerte Eheschließungsmotive der Eheleute, Zeugnis geben können. Bislang sind im gerichtlichen Verfahren nur Personen vernommen worden, die (als Kinder und Schwester) der Sphäre der Klägerin zugehörig sind. Nicht zuletzt beruht die Beweiswürdigung des LSG im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin zu ihren eigenen Beweggründen. Die Zeugenaussage des Standesbeamten könnte aber nicht nur Anhaltspunkte zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin ergeben, sondern darüber hinaus weitere Erkenntnisse zu den inneren Motiven beider Eheleute für die Heirat erbringen. Solche Ermittlungen waren auch deshalb angezeigt, weil sich die Klägerin zum Beweis des Vorliegens der besonderen Umstände iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI gerade auf ihre innere Motivation für die Heirat berufen und hierzu vor dem SG und dem LSG bereitwillig Auskunft gegeben hat. Eine unzulässige Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung (vgl dazu Senatsurteil vom 5.5.2009 - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 22, 29 mwN) stand daher nicht zu befürchten.

23

Das LSG hätte sich somit - ausgehend von seiner materiellen Rechtsansicht - zur Zeugenvernehmung des Standesbeamten zu den näheren Umständen der Trauung gedrängt fühlen müssen. Wenn es anstelle dessen ausgeführt hat, dass selbst im Fall einer sog Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung (§ 7 PStG idF des bis zum 31.12.2008 gültigen Gesetzes vom 4.5.1998, BGBl I 833) "dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat" ändere, so handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Einer der besonders gelagerten Ausnahmefälle, für die diskutiert wird, ob ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung dann abgelehnt werden darf, wenn aufgrund der Fülle und Güte bereits erhobener Beweise die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung - ihr Erfolg unterstellt - nicht mehr erschüttert werden kann (vgl BVerwG vom 11.4.1991 - 3 C 73.89 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nr 229 S 55 f mwN; BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f mwN; s auch BSG vom 31.8.1987 - 4a BJ 117/87 - Juris RdNr 5 - zu den beim Zeugenbeweis im Vergleich zum Sachverständigenbeweis strengeren Anforderungen), liegt hier nicht vor. Insbesondere zeigt das Urteil des LSG plausible Gründe für das Bestehen einer für jedermann nachvollziehbaren, unerschütterlichen Überzeugung des Berufungsgerichts nicht auf. Eine solche Überzeugung ist auch kaum denkbar, solange ausschließlich Personen aus dem Umfeld der Klägerin gehört und darauf verzichtet wurde, auch andere in Frage kommende Auskunftspersonen (vgl zB SG Düsseldorf vom 14.12.2009 - S 52 (10) R 22/09 - Juris) zu den Beweggründen der Nottrauung im Krankenhaus zu befragen.

24

Auf diesem Verstoß gegen § 103 SGG beruht die Entscheidung des LSG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach den beantragten weiteren Ermittlungen zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis gekommen wäre.

25

Das LSG wird die unterlassene Beweisaufnahme zu den näheren Umständen der Trauung nachzuholen und auf dieser Grundlage eine neue Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen haben. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.