Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Nov. 2018 - L 18 SB 84/18

bei uns veröffentlicht am14.11.2018

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen des Merkzeichens RF (Ermäßigung der Rundfunkgebühren).

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 07.07.2015 einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 ab 14.07.2014 fest und erkannte der Klägerin die Merkzeichen G und B zu. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die übrigen Merkzeichen (genannt wurde unter anderen das Merkzeichen RF) lägen nicht vor.

Mit Schreiben vom 12.06.2017 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Zuerkennung des Merkzeichens RF und fügte ihrem Antrag ärztliche Unterlagen bei. Sie leide unter Gleichgewichtsproblemen und Muskelschwäche.

Mit Bescheid „nach § 48 SGB X“ vom 08.08.2017 (Widerspruchsbescheid vom 19.09.2017) lehnte der Beklagte die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF ab. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen mit Hilfe einer Begleitperson sei möglich und zumutbar.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie sei nicht in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Nebenwirkungen beim Besuch von Veranstaltungen könnten auch nicht von einer Begleitperson aufgefangen werden. Der Beklagte lege § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zu ihren Ungunsten aus.

Das SG hat ärztliche Unterlagen beigezogen und ein Gutachten des Dr. Sch., Facharzt für Chirurgie, in Auftrag gegeben, das dieser nach entsprechenden Einwendungen der Klägerin (Schreiben vom 03.03.2018) am 06.04.2018 nach Aktenlage erstellt hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.05.018 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klage auf Zuerkennung des Merkzeichens aG sei mangels Verwaltungsentscheidung unzulässig. Eine Verwaltungsentscheidung hinsichtlich des im Klageverfahren zusätzlich beantragten Merkzeichens aG liege nicht vor. Die Klage hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens RF sei zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens RF. Nach §§ 4, 6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages könnten behinderte Menschen unter bestimmten gesundheitlichen Voraussetzungen, deren Vorliegen im Ausweis durch das Merkzeichen RF gekennzeichnet werde, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit bzw. diese ermäßigt werden. Nach dem Gesetz könnten nur noch taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe auf Antrag von der Beitragspflicht befreit werden. Eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages könne auf Antrag erfolgen für Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, für hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist und für behinderte Menschen, bei denen der Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 betrage und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Der Befreiungstatbestand der zuletzt genannten Möglichkeit setze kumulativ neben einem GdB von mindestens 80 voraus, dass der Behinderte wegen seiner Leiden ständig, das heißt im Allgemeinen und umfassend, von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Es genüge nicht, dass er nur an einzelnen Veranstaltungen, etwa Massenveranstaltungen, nicht teilnehmen könne. Vielmehr müsse er praktisch an das Haus bzw. an die Wohnung gebunden sein. Maßgeblich sei dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson. Wenn der Teilnahmeausschluss nicht behinderungsbedingt, sondern durch andere Umstände verursacht sei, könne dies nicht die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ begründen. Nach den ärztlichen Unterlagen und den Ausführungen im Sachverständigengutachten von Dr. Sch. seien die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ nicht erfüllt. Es deute nichts darauf hin, dass die Klägerin durch die vorliegenden Erkrankungen faktisch an Ihre Wohnung gebunden sei. Auch bei der Gesamtschau der bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergäben sich nicht die Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“. Das Merkzeichen „RF“ verlange einen allgemeinen und umfassenden Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen. Das Merkzeichen stehe nur bei Vorliegen der oben aufgezeigten Gesundheitsstörungen zu, wenn sie einen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen nach sich zögen. Dass die Klägerin mit einer Begleitperson und unter Zuhilfenahme von weiteren Hilfsmitteln, z.B. einem Rollstuhl, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könnte, habe auch der Sachverständige schlüssig dargelegt. Die Klägerin selbst führe aus, dass es ihr möglich sei, zu Einkäufen, Arztbesuchen und Physiotherapien die Wohnung zu verlassen. Sie selbst führe aus, dass ihre Leistungsfähigkeit mit Begleitperson auf maximal 3 Stunden außerhalb der Wohnung begrenzt sei. Damit bestehe kein Ausschluss an der Teilnahme von öffentlichen Veranstaltungen unter Zuhilfenahme von Begleitperson und/oder Hilfsmitteln. Wenn die Klägerin darlege, dass sie lange gebraucht habe, um ohne Rollstuhl zurechtzukommen, und dass sie deshalb keinen Rollstuhl benutzen wolle, seien dies zwar nachvollziehbare subjektive Gründe. Es seien diese Gründe aber nicht gleichzusetzen damit, dass hier objektiv ein Ausschluss an der Möglichkeit der Teilnahme von Veranstaltungen bestehe. Der Klägerin sei nach den ärztlichen Unterlagen, den Aussagen der Klägerin selbst und auch dem Sachverständigengutachten von Dr. Sch. unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen objektiv möglich.

Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt mit dem Ziel der Zuerkennung des Merkzeichens RF. Sie hat ausgeführt, ihr Gesundheitszustand habe sich in einer für das vorliegende Verfahren relevanten Weise weiter verschlechtert, und einen Befundbericht der Kardiologischen Praxis Dr. H. (H) vom 09.10.2018 vorgelegt. Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie erfülle die für die Befreiung von der Rundfunkgebühr vom Gesetzgeber geforderten Kriterien. Sie sei gesetzlich krankenversichert und müsse sich zulasten der Solidargemeinschaft einen Rollstuhl verschreiben lassen. Dabei würden ihr die Ärzte immer raten, sich immer wieder zu bewegen. Sie habe sich mit viel Kraft aus einem Rollstuhl gekämpft, und wolle sich jetzt nicht darauf verweisen lassen, sie könne ja in einem Rollstuhl Veranstaltungen besuchen. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen scheitere schon an dem maximalen Zeitfenster von drei Stunden, wobei die Klägerin stets eine Toilette in der Nähe haben müsse. Die Klägerin wohne in A-Stadt. Weder dort noch in Z. befänden sich Kinos, Theater oder andere Kulturstätten. Die Busverbindung nach N-Stadt würde alleine eine Fahrtzeit von zwei Stunden mit Umsteigen erfordern. Das übersteige die physische Leistungsfähigkeit der Klägerin. Es gäbe keine Hilfsmittel, die eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ermöglichen würden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.05.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin das Merkzeichen „RF“ zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Beklagtenakte Bezug genommen.

Gründe

Der Senat konnte in der im Rubrum genannten Besetzung entscheiden, weil das SG mit Gerichtsbescheid entschieden hatte (§§ 153 Abs. 5, 105 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und die Berufung mit Beschluss vom 14.12.2017 dem Berichterstatter übertragen worden ist. Ferner konnte der Senat nach Ausübung seines Ermessens trotz Nichterscheinens der Klägerin zum Termin vom 14.11.2018 aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung (zum Begriff Keller in Meyer-Ladewig, Keller / Leitherer / Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 126 Rn 4; Aussprung in Roos / Wahrendorf, SGG, § 126 Rn 26) entscheiden. Die Klägerin war ordnungsgemäß zu diesem Termin geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit einer Entscheidung im Falle ihres Ausbleibens hingewiesen worden.

Verfahrensgegenständlich sind die Bescheide vom 08.08.2017 und 19.09.2017 (Widerspruchsbescheid; § 95 SGG), mit denen der Beklagte die Zuerkennung des Merkzeichens RF abgelehnt hat. Streitgegenstand ist ausweislich des im Berufungsverfahren ausdrücklich gestellten Antrags der Klägerin nur noch die Zuerkennung des Merkzeichens RF. Die mit diesem Ziel geführte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück und nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf diese Gründe, die auch der Überzeugung des Senats entsprechen.

Ergänzend ist lediglich das Folgende auszuführen.

Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens RF ist § 152 Abs. 1, 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der ab 01.01.2018 gültigen Fassung vom 23.12.2016 (der im Wesentlichen der Vorgängerregelung des § 69 Abs. 1, 4 SGB IX entspricht) i.V.m. den Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RdFunkBeitrStVtr) in der Fassung der Bekanntmachung des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 07.06.2011 (Bayer. GVBl. S. 258). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht aus gesundheitlichen Gründen auf ein Drittel sind gemäß § 4 Abs. 2 RdFunkBeitrStVtr erfüllt bei blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 RdFunkBeitrStVtr), hörgeschädigten Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 RdFunkBeitrStVtr), und bei behinderten Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr).

In Betracht kommt vorliegend nur die dritte, letztgenannte Alternative. Auch deren Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Denn die Klägerin ist kein behinderter Mensch, der wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann.

Um dem Zweck der Ermäßigung der Rundfunkgebühren zu genügen, ist eine enge Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr geboten (BSG vom 12.02.1997, 9 RVs 2/96 juris Rn 11 m.w.N.). § 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr setzt daher - neben einem GdB von mindestens 80 - voraus, dass der Behinderte wegen seiner Leiden ständig, dh allgemein und umfassend, vom Besuch von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen ist. Es genügt nicht, dass er nur an einzelnen Veranstaltungen, etwa Massenveranstaltungen, nicht teilnehmen kann; vielmehr muss er praktisch an das Haus bzw. an die Wohnung gebunden sein (vgl. BSG vom 12.02.1997, 9 RVs 2/96 m.w.N.; LSG Bayern vom 11.10.2016, L 15 SB 207/15 juris Rn 46). Maßgeblich ist dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln, z.B. einem Rollstuhl, und / oder mit Hilfe einer Begleitperson (vgl. BSG vom 03.06.1987, 9a RVs 27/85; vom 11.09.1991, 9a/9 RVs 15/89). Ein Ausschluss aus anderen als behinderungsbedingten Gründen begründet das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF nicht (vgl. BSG vom 03.06.1987, 9a RVs 27/85; LSG Bayern, a.a.O.).

Ein behinderungsbedingter ständiger, allgemeiner und umfassender Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen ist vorliegend nicht gegeben. Dies ergibt sich - worauf auch das SG zutreffend verweist - aus dem Vorbringen der Klägerin selbst (dazu unter 1). Bestätigt wird dies durch das vom SG eingeholte Gutachten des S. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen nicht in das Fachgebiet des S fallenden Gesundheitsstörungen ständig vom Besuch von Zusammenkünften ausgeschlossen ist, liegen nicht vor (dazu unter 2).

1. Das Vorbringen der Klägerin spricht gegen die Zuerkennung des Merkzeichens RF. Denn es zeigt, dass der Klägerin die Teilnahme an Veranstaltungen in zumutbarer Weise möglich ist. Sie hat im Widerspruchsverfahren angegeben, die Forderungen des Beklagten, technische Hilfsmittel zu benutzen, seien kontraproduktiv und würden die bestehenden Erkrankungen und deren Therapie gefährden. Im Berufungsverfahren hat sie vorgetragen, sie verlasse die Wohnung nur zu Arztbesuchen, Physiotherapie und kleinen Einkäufen. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen scheitere schon an dem maximalen Zeitfenster von drei Stunden, wobei die Klägerin stets eine Toilette in der Nähe haben müsse. All dies zeigt, dass bei zutreffender Auslegung der einschlägigen Rechtsgrundlagen der Klägerin auch eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen möglich ist. Denn maßgeblich ist die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme (BSG vom 11.09.1991, 9a/9 RVs 15/89 juris Rn 11), die bei der Klägerin - ihre eigenen Angaben zugrunde gelegt - in zumutbarer Weise gegeben ist. Soweit es die Klägerin sinngemäß für bedeutsam hält, ob andere Teilnehmer an öffentlichen Veranstaltungen es als zumutbar hinnehmen müssten, dass sie öfter eine Toilette aufsuche und dadurch eventuell störe, ist zu beachten, dass das Merkzeichen RF nicht allein mit dem Ziel zuerkannt werden kann, besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Deshalb darf es nicht darauf ankommen, inwieweit sich Teilnehmer an öffentlichen Veranstaltungen durch Behinderte gestört fühlen (vgl. BSG vom 09.11.2017, B 9 SB 35/17 B juris Rn 11). Der auf gesellschaftliche Teilhabe gerichtete Zweck dieses Merkzeichens würde sonst in sein Gegenteil verkehrt (BSG vom 10.08.1993, 9/9a RVs 7/91 juris Rn 18). Deshalb steht das Merkzeichen RF andererseits besonders empfindsamen Behinderten auch nicht allein deshalb zu, weil sie die Öffentlichkeit um ihrer Mitmenschen willen meiden. Eine äußerste Randsituation, in der etwas Anderes gelten könnte (vgl. BSG vom 11.09.1991, 9a/9 RVs 15/89 juris Rn 11; BSG vom 10.08.1993, 9/9a RVs 7/91 juris Rn 16, 18 f.), ist vorliegend nicht gegeben. Die von der Klägerin angeführte ungünstige Lage des Wohnortes, in dessen Nahbereich nur ein begrenztes Angebot öffentlicher Veranstaltungen zu finden ist, stellt ebenfalls keinen Grund dar, das Merkzeichen RF zuzuerkennen. Insoweit ist die eingeschränkte Teilnahme am kulturellen Geschehen nicht behinderungs-, sondern wohnungsbedingt. Das Risiko der ungünstigen Wohnlage ist von jedermann selbst zu tragen und rechtfertigt keinen Nachteilsausgleich (BSG vom 03.06.1987, 9a RVs 27/85 juris Rn 12). Auf den von der Klägerin angesprochenen Umstand, dass sich an ihrem Wohnort keine Kulturstätten befinden, kommt es mithin nicht an.

2. S hat die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den für die Zuerkennung des Merkzeichens RF zu beachtenden Maßgaben in zutreffender Weise gewürdigt. S führt aus, die Klägerin sei auf eine Begleitperson angewiesen. Rollstuhlpflichtigkeit bestehe nicht. Für eine Verhinderung an der Teilnahme von Veranstaltungen wie z.B. Kinobesuchen oder Theater- und Opernaufführungen sieht S, insbesondere auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Arztberichte, bei der Klägerin keine Gründe. Es lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung nicht zuließen.

Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Gutachtenserstellung durch S in entscheidungserheblicher Weise geändert hätten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin selbst nicht substantiiert vorgetragen, dass sich ihr Gesundheitszustand in einer für die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF relevanten Weise auf Dauer verschlechtert hätte. Sie hat mit Schreiben vom 10.10.2018 zwar behauptet, ihr Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert, und einen Befundbericht der kardiologischen Praxis des H vom 09.10.2018 vorgelegt. Daraus ergeben sich aber schon deshalb keine Gesundheitsstörungen, die zu einem für die Klägerin günstigeren Verfahrensergebnis führen könnten, weil sich den von H gestellten Diagnosen kein Gesundheitszustand entnehmen lässt, der mit Blick auf die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF eine Verschlechterung auf Dauer belegt. Für die Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Merkzeichen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gesundheitliche Beeinträchtigungen relevant, die mehr als sechs Monate lang vorliegen. In dem Befundbericht des H werden eine Dyspnoe NYHA III „seit 4 Tage(n)“ und ein „V.a. KHK“, also ein Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit berichtet. Im Übrigen würde sich hieraus ungeachtet der Dauer der Gesundheitsstörung unter Zugrundelegung der oben dargelegten Maßgaben offensichtlich auch keine Berechtigung für das Merkzeichen RF ergeben.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin wegen nicht in das Fachgebiet des S fallenden Gesundheitsstörungen, etwa auf psychiatrischem Fachgebiet, ständig vom Besuch von Zusammenkünften ausgeschlossen wäre. Insbesondere ergeben sich solche Anhaltspunkte nicht aus den vom SG beigezogenen Befundberichten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. S. vom 26.05.2017 und vom 31.01.2018. Daher - und auch wegen des Vorbringens der Klägerin selbst - musste sich das SG nicht gedrängt fühlen, den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin - jedenfalls mit einem Rollstuhl und in Begleitung - in der Lage ist, die Wohnung zu verlassen, um öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Die mit dem Ziel der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF geführte Berufung ist daher unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Senat weist darauf hin, dass die Ladung zum - auf das Schreiben der Klägerin vom 16.08.2018 hin wieder abgesetzten - Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage nur erfolgt ist, um der Klägerin die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung darzulegen.

Ferner weist der Senat mit Blick auf die im verfahrensgegenständlichen Ausgangsbescheid enthaltene Wendung „nach § 48 SGB X“ auf Folgendes hin:

Diese Vorschrift setzt voraus, dass in den Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei der mit Bescheid vom 07.07.2015 erfolgten Ablehnung des Merkzeichens RF handelt es sich jedoch nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 07.07.2015 eine - der materiellen Bestandskraft fähige - Feststellung nur insoweit getroffen, als er den Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung des Merkzeichens RF nach dem damals maßgeblichen Sach- und Rechtsstand beurteilt und abgelehnt hat. Eine solche Ablehnung schließt (wie die Ablehnung eines Antrags auf eine Sozialleistung) das Verwaltungsverfahren ab, entfaltet jedoch keine Wirkung für die Zukunft, hat also keine Dauerwirkung (vgl. BSG vom 20.10.1999, B 9 SB 4/98 R juris Rn 19 f; Schütze in von Wulffen, SGB X 7. Aufl. 2010 § 48 Rn 3, § 45 Rn 65). Für die Beantwortung der Frage, ob der Klägerin auf ihren Antrag vom Juni 2017 hin das Merkzeichen RF zuzuerkennen war, musste der Beklagte daher eine neue inhaltliche Prüfung anstellen, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nunmehr vorlagen. Den festgestellten Sachverhalt hatte er aber ohne rechtliche Bindung an den Inhalt des Bescheides vom Juli 2015 rechtlich neu zu beurteilen (vgl. zum Ganzen BSG vom 20.10.1999, B 9 SB 4/98 R juris Rn 19 f; vom 10.05.1994, 9 BV 140/93; vom 30.01.1985, 1 RJ 2/84). Ausweislich der Begründung des Bescheides vom 08.08.2017 ist dies - entgegen der im Rubrum des Bescheides enthaltenen, irreführenden Wendung „nach § 48 SGB X“ - geschehen. Vom SG wird § 48 SGB X zu Recht ohnehin nicht als Rechtsgrundlage der verfahrensgegenständlichen Bescheide genannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 SGG. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung ohne Erfolg geblieben sind.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG), sind nicht gegeben.

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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. September 2015 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF (Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht) festgestellt wird.

Der Kläger ist im Jahr 1950 geboren. Bestandskräftig ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 (Bescheid vom 30.11.2004) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B anerkannt (vgl. zuletzt Bescheid vom 13.02.2007). Im April 2009 erfolgte eine Nierentransplantation. Die Pflegestufe 1 ist seit November 2013 anerkannt.

Am 20.08.2014 beantragte er die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen aG und RF.

Nach Beiziehung diverser medizinischer Unterlagen und Auswertung durch den versorgungsärztlichen Dienst lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2014 ab, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen aG und RF festzustellen. Die Ablehnung bezüglich des Merkzeichens RF wurde damit begründet, dass dem Kläger mithilfe einer Begleitperson bzw. technischen Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl) eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen möglich sei. Folgende Gesundheitsstörungen wurden zugrunde gelegt: 1. Polyneuropathie an beiden Füßen mit Schmerzen und Schwellungen, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke bei Meniskusschaden (Einzel-GdB 70) 2. Transplantierte Niere (nach Heilungsbewährung), unwillkürlicher Harnabgang (Einzel-GdB 60) 3. Herzleistungsminderung, Bluthochdruck, Herzklappenfehler, abgelaufener Herzinfarkt, Coronardilatation, Stentimplantation, Herzrhythmusstörungen, Herzschrittmacher (Einzel-GdB 40) 4. Schmerzen, Gefühlsstörung und Schwellung der linken Gesichtshälfte bei rezidivierender Gesichtsnervenlähmung links mit häufigen Entzündungen der Hornhaut des linken Auges (Einzel-GdB 30) 5. Depressive Verstimmungen mit Schlafstörungen und Kopfschmerzen (Einzel-GdB 30) 6. Zuckerkrankheit (Einzel-GdB 20) 7. Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen (Einzel-GdB 20) 8. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und zeitweisen Muskel- und Nervenreizerscheinungen (Einzel-GdB 20) 9. Funktionsbehinderung des Ellenbogengelenks (Einzel-GdB 10) 10. Chronische Magenschleimhautentzündung (Einzel-GdB 10).

Wegen der Ablehnung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF erhob der Kläger mit Schreiben vom 08.12.2014 Widerspruch. Wegen der Notwendigkeit der Urindauerableitung mittels eines suprabubischen Blasenfistelkatheters trage er - so der Kläger - Urinbeinbeutel, die mehrmals täglich und auch nachts entleert werden müssten. Da der Urinbeutel über Toiletten entsorgt werde, sei ihm ein längerer Aufenthalt außerhalb seiner Wohnung schwer möglich. Da er wegen der Nierentransplantation lebenslang Immunsuppressiva einnehmen müsse, sei er höchst gefährdet, Infektionen zu bekommen. Dadurch sei ihm ein längerer Aufenthalt außerhalb der Wohnung stark eingeschränkt möglich. Besuche von Konzerten, Kinoveranstaltungen und Ähnlichem seien ihm überhaupt nicht mehr möglich. Konzerte oder Ähnliches mit Rollstuhl und Begleitperson wären zwar möglich, mit den dazwischenliegenden Toilettengängen aber nicht mehr lebensfroh. Da er bereits das Merkzeichen B zugesprochen bekommen habe, sei die Zuteilung des Merkzeichens RF gerechtfertigt, da er ein Leben lang die Urinbeutel tragen müsse.

Nach Einholung weiterer ärztlicher Unterlagen äußerte sich der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten am 20.03.2015 dahingehend, dass, auch wenn beim Kläger eine Urindauerableitung durchgeführt werden müsse, dies keinen vollständigen Ausschluss vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen auch unter Benutzung eines Rollstuhls und in Begleitung bedeute. Der Urinbeutel lasse sich auch bei öffentlichen Veranstaltungen in den in der Regel vorhandenen behindertengerecht ausgestatteten Toiletten wechseln bzw. entleeren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2015 wurde der Widerspruch mit der vom versorgungsärztlichen Dienst gegebenen Begründung zurückgewiesen.

Am 21.04.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben. Er habe - so der Kläger - einen künstlichen Ausgang und sei zusätzlich auf einen elektrischen Rollstuhl/Elektrosooter (im Folgenden: Elektromobil) angewiesen. Das Elektromobil habe vier Räder und sei so schwer, dass es nicht hochgehoben werden könne. Mit diesem Hilfsmittel könne er keine öffentlichen Veranstaltungen besuchen. Ihm stehe daher das Merkzeichen RF zu.

Im Auftrag des SG hat der Internist Dr. M. den Kläger begutachtet. In seinem (ohne Anlagen) 23-seitigen Gutachten vom 19.06.2015 ist er zu der Einschätzung gekommen, dass in der Person des Klägers die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht vorlägen. Der Kläger sei ohne Weiteres in der Lage, die Wohnung zu verlassen, um öffentliche Veranstaltungen zu besuchen.

Zur Anfrage des SG, ob die Klage angesichts des Gutachtens zurückgenommen werde, hat der Kläger mit Schreiben vom 21.07.2015 mitgeteilt, dass er die Klage nicht zurücknehme. Es entspreche nicht der Wahrheit, dass er zum Termin in der Praxis des Sachverständigen mit Unterarmgehstützen erschienen sei. Er sei von seiner Ehefrau zur Praxis gebracht und von dort auch wieder abgeholt worden. Schon dies zeige, dass das Gutachten nicht sorgfältig erstellt sei. Der Gutachter habe eine mehr als 30 cm lange Narbe am Brustkorb übersehen. Dessen Einschätzung, dass er ein vergleichsweise normales Leben führen könne, dies aber dazu geführt habe, dass er erheblich an Gewicht zugenommen habe, sei schon sehr vermessen. Dem Gutachter seien offenbar die Nebenwirkungen des verordneten Cortisons (z. B. Gewichtszunahme) unbekannt. Ein weiteres Problem der ungenügenden Beurteilung sei, dass der Sachverständige nicht ausreichend auf die seit 2004 festgestellte Polyneuropathie hinweise. Er sei seit 2007 auf das Elektromobil angewiesen, das ihm von der Krankenkasse gestellt werde. Sofern der Sachverständige feststelle, dass eine Versorgung des Katheters im Bereich von öffentlichen Veranstaltungen problemlos möglich sei, vergesse dieser die Handhabung. Und das noch in einer jedermann zugänglichen öffentlichen Toilettenkabine, zumal als Transplantierter, der jeglichen Kontakt wegen Infektionsgefahr vermeiden solle! Dass es ihm sehr unangenehm sei, ständig eine öffentliche Toilette aufsuchen zu müssen, werde anscheinend nicht verstanden. Ein normaler Urinbeutel habe ein Fassungsvermögen von 700 ml. Zu berücksichtigen sei der erhöhte Urindrang bei einem Nierentransplantierten, der viel trinken solle. Interessant sei der vom Gutachter genannte angebliche Besuch beim Landwirtschaftswochenende; an diesen Besuch könne er sich „leider nicht erinnern“. Beigelegt hat der Kläger eine Auskunft des MVV, wonach in Bussen und Trambahnen ein Elektromobil nicht transportiert werden könne. Ein Transport in S- und U-Bahnen sowie in Regionalzügen sei grundsätzlich möglich.

Mit Schreiben vom 11.08.2015 hat der Kläger nochmals darauf hingewiesen, dass es für ihn außerordentlich schwierig sei, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Selbstverständlich seien viele Einrichtungen wie Kino oder Theater behindertengerecht ausgestattet. Nur seien diese Einrichtungen für ihn teilweise schwer, teilweise gar nicht erreichbar. Eine Ausnahme sei das P-Theater. Dieses könne er mit seinem Elektromobil ohne Probleme erreichen, denn dieses befinde sich in seiner unmittelbaren Wohnumgebung. Nur immer P-Theater sei aber auch nicht erstrebenswert. Leider sei ein Transport durch den öffentlichen Verkehrsverbund nicht möglich. Mit dem Auto könne er zwar verschiedene Einrichtungen erreichen, jedoch nur ohne das Elektromobil. Dieses sei nicht transportfähig. Ohne sein Elektromobil könne er sich in solchen Einrichtungen nicht bewegen. Das Problem seines künstlichen Ausgangs möchte er gar nicht weiter erwähnen.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2015 ist die Klage abgewiesen worden.

Gegen den am 24.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 19.10.2015 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Die Berufung ist in der Folge trotz gerichtlicher Nachfrage nicht begründet worden. Die Ehefrau des Klägers hat nur mitgeteilt, dass dieser am 28.01.2016 im Klinikum I. zur stationären Behandlung aufgenommen worden sei. Auch zuvor habe er sich mehrfach ärztlicher oder krankenhausärztlicher Behandlung unterziehen müssen. Dem Kläger seien die nicht mehr funktionierenden Nieren entnommen worden. Weitere Operationen stünden an. Sobald der Kläger das Krankenhaus bzw. die Anschlussheilbehandlung hinter sich gebracht habe, werde er die Berufungsbegründung einreichen.

Mit vierseitigem gerichtlichem Schreiben vom 04.03.2016 ist dem Kläger erläutert worden, dass für die Berufung keine Erfolgsaussichten zu erkennen seien. Sollte sich sein Gesundheitszustand verschlechtern, ist ihm ein neuer Antrag beim Beklagten empfohlen worden.

Eine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 17.09.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 05.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.03.2015 zu verpflichten, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 31.05.2016 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, da dieser mit Schreiben des Senats vom 09.09.2016, dem Kläger am 13.09.2016 zugestellt, über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Beklagte und anschließend das SG sind zu der zutreffenden Einschätzung gekommen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF in der Person des Klägers nicht nachgewiesen sind.

Anspruchsgrundlage ist § 69 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), wonach die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale feststellen, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind, i. V. m. den Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RdFunkBeitrStVtr) in der Fassung der Bekanntmachung des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 07. 06.2011 (Bayer. GVBl. S. 258).

Die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht auf ein Drittel ergeben sich aus § 4 Abs. 2 RdFunkBeitrStVtr. Danach steht die Ermäßigung aus gesundheitlichen Gründen - blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 RdFunkBeitrStVtr), - hörgeschädigten Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 RdFunkBeitrStVtr), und - behinderten Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 RdFunkBeitrStVtr), zu [Anmerkung des Senats: Die Worte „vom Hundert“ im RdFunkBeitrStVtr sind als redaktionelles Versehen überflüssig.].

Keine der drei Alternativen ist vorliegend erfüllt.

Der Kläger ist weder blind oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung (vgl. vorgenannter erster Spiegelstrich) noch hörgeschädigt in der Form, dass er gehörlos wäre oder dass ihm eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich wäre (vgl. vorgenannter zweiter Spiegelstrich).

Der Kläger ist auch kein behinderter Mensch, dessen GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und der wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann (vgl. vorgenannter dritter Spiegelstrich).

Der Befreiungstatbestand der Konstellation im dritten Spiegelstrich setzt - kumulativ neben einem GdB von mindestens 80 - voraus, dass der Behinderte wegen seines Leidens ständig, d. h. allgemein und umfassend, von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist. Es genügt nicht, dass er nur an einzelnen Veranstaltungen, etwa Massenveranstaltungen, nicht teilnehmen kann; vielmehr muss er praktisch an das Haus bzw. an die Wohnung gebunden sein (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteile vom 17.03.1982, Az.: 9a/9 RVs 6/81, vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85, vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91, und vom 12.02.1997, Az.: 9 RVs 2/96; Urteile des Senats vom 31.03.2011, Az.: L 15 SB 105/10, vom 19.04.2011, Az.: L 15 SB 14/10, vom 19.12.2012, Az.: L 15 SB 26/10, und vom 20.10.2015, Az.: L 15 SB 163/13). Maßgeblich ist dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson (vgl. BSG, Urteile vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85, und vom 11.09.1991, Az.: 9a/9 RVs 15/89). Wenn der Teilnahmeausschluss nicht behinderungsbedingt, sondern durch andere Umstände verursacht ist, kann dies das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht begründen (vgl. BSG, Urteil vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85; Urteile des Senats vom 19.04.2011, Az.: L 15 SB 14/10, und vom 19.12.2012, Az.: L 15 SB 26/10).

Im vorliegenden Fall scheitert die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF daran, dass ein behinderungsbedingter ständiger, d. h. allgemeiner und umfassender Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen nicht nachgewiesen ist.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das überzeugende und nachvollziehbar begründete Gutachten, das der Sachverständige Dr. M. am 19.06.2015 im Verfahren vor dem SG erstellt hat. Der Gutachter hat die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben für das Merkzeichen RF zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich die Feststellungen des Sachverständigen zu eigen. Der Senat berücksichtigt bei seiner Entscheidung auch den eigenen Vortrag des Klägers zu seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Einschränkungen, wobei auch das Vorbringen des Klägers nicht für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF spricht. Die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten, die dieser im sozialgerichtlichen Verfahren erhoben hat - im Berufungsverfahren ist von Klägerseite her kein inhaltlicher Vortrag mehr erfolgt -, können den Senat hingegen nicht überzeugen. Irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers seit der Gutachtenserstellung für das Merkzeichen RF relevant dauerhaft geändert hätte, gibt es nicht.

1. Zur Einschätzung des Sachverständigen

Der Sachverständige Dr. M. hat nachvollziehbar erläutert, dass aus ärztlichsachverständiger Sicht in der Person des Klägers die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht vorliegen.

Der gerichtliche Gutachter hat sich in seinem überaus ausführlichen Gutachten vom 19.06.2015 eingehend und überzeugend mit sämtlichen beim Kläger vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen auseinandergesetzt. Er hat auch die beim Kläger durchgeführte medikamentöse Therapie sowie dessen Versorgung und Versorgbarkeit mit Hilfsmitteln in seine Überlegungen einbezogen. Er hat den körperlichen Befund gründlich erhoben und alle vorliegenden Diagnosen aufgelistet und beachtet. Unter Berücksichtigung dieser sehr ausführlichen Erhebungen ist der Sachverständige nachvollziehbar zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger ohne weiteres - mit entsprechenden Hilfsmitteln und in Begleitung - in der Lage ist, die Wohnung zu verlassen, um öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Für Veranstaltungen wie z. B. Kinobesuche sowie Theater- und Opernaufführungen sieht der Sachverständige beim Kläger keinerlei Hemmnisse. Hindernisse am Besuch öffentlicher Veranstaltungen wegen eines infolge der Nierentransplantation geschwächten Immunsystems hat der Sachverständige nicht beschrieben. Die beim Kläger vorliegende Versorgung mit einem suprapubischen Blasenfistelkatheter und das daraus resultierende Erfordernis, beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen in den dortigen öffentlichen Toiletten erforderlichenfalls den Urinbeutel zu wechseln, begründet keine Bindung an die eigene Wohnung. Das Tragen eines Urinbeutels beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen und dessen Wechsel in öffentlichen Toiletten ist technisch gesehen problemlos möglich und dem Kläger durchaus zumutbar. Irgendwelche Hindernisse, die einem Wechsel in öffentlichen Toiletten entgegenstünden, sind nicht ersichtlich, insbesondere auch keine erhöhte Infektionsgefahr. Diese Einschätzung des Sachverständigen macht sich der Senat zu eigen.

2. Zum Vortrag des Klägers

Die Einwendungen des Klägers gegen die Einschätzung des Sachverständigen können den Senat nicht davon überzeugen, dass das Gutachten des Dr. M. unverwertbar wäre und dem Kläger das Merkzeichen RF zustünde. Auch die eigenen Angaben des Klägers begründen das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht. Weder die Tatsache, dass es der Kläger als unzumutbar empfindet, den Urinbeutel, den er wegen des künstlichen Harnausgangs benutzen muss, in öffentlichen Toiletten zu wechseln, noch der klägerische Hinweis darauf, dass er auf ein Elektromobil angewiesen sei, das so schwer sei, dass es nicht hochgehoben werden könne, und ihm daher der Besuch öffentlicher Veranstaltungen so gut wie unmöglich sei, sind mit dem Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF in Einklang zu bringen.

2.1. Vorwurf mangelnder Sorgfalt des Sachverständigen bei der Gutachtenserstellung

Der Senat kann nicht erkennen, dass der Sachverständige bei der Anfertigung seines Gutachtens zu wenig Sorgfalt aufgewendet hätte und das Gutachten daher nicht verwertbar wäre.

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass das Gutachten einen gewissen Widerspruch insofern enthält, als der Sachverständige einerseits auf Seite 16 des Gutachtens angegeben hat, dass der Kläger die Praxis mit Unterarmgehstützen betreten habe, andererseits auf Seite 4 des Gutachtens ausgeführt hat, dass Unterarmgehstützen nicht genutzt würden. Letztlich ist dieser Gesichtspunkt aber für die Beurteilung der Verwertbarkeit des Gutachtens irrelevant. Auf den Gesichtspunkt der Benutzung von Unterarmgehstützen hat der Sachverständige seine Bewertung ohnehin nicht aufgebaut; dies war für die Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF kein entscheidungsrelevanter Gesichtspunkt. Irgendwelche anderen Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige bei seiner Begutachtung nicht die gebotene Sorgfalt walten hätte lassen, sind für den Senat nicht ersichtlich. Das Gutachten stellt daher für den Senat ohne jeden Zweifel eine geeignete und maßgebliche Entscheidungsgrundlage dar.

Wenn der Kläger darin eine nachlässiges Vorgehen des Sachverständigen zu erkennen meint, dass dieser eine mehr als 30 cm lange Narbe am Brustkorb übersehen habe, irrt er. Vielmehr hat der Sachverständige auf Seite 17 des Gutachtens die Narbe am Brustkorb, dort bezeichnet als „Narbe nach Sternotomie“ ausdrücklich in seinem Gutachten erwähnt und damit zur Kenntnis genommen (vgl. auch Seite 6 des Gutachtens). Der Senat kann nur vermuten, dass der Kläger aufgrund der Verwendung des medizinischen Fachbegriffs durch den Sachverständigen nicht erkannt hat, dass dieser die Narbe am Brustkorb sehr wohl zur Kenntnis genommen hat. Von einem Übersehen kann keine Rede sein.

Dass der Sachverständige nicht ausreichend auf die beim Kläger vorliegende Polyneuropathie hingewiesen hätte, kann der Senat nicht nachvollziehen. Vielmehr hat der Sachverständige diese Erkrankung, insbesondere die daraus resultierenden Sensibilitätsstörungen an den unteren Extremitäten und die daraus resultierende Funktionseinschränkungen, in seine Überlegungen einbezogen, was im Übrigen auch die Ausführungen zur grobneurologischen Überprüfung zeigen (vgl. Seite 3, 7, 15, 16 und 19 des Gutachtens).

Sofern der Kläger die Aussage des Gutachters, dass der Kläger ein vergleichsweise normales Leben führen könne und daher erheblich an Gewicht zugenommen habe, als sehr vermessen und Diffamierung bezeichnet, weil der Sachverständige aus Sicht des Klägers nicht zu wissen scheine, dass er Cortison nehmen müsse und eine Nebenwirkung dieses Arzneimittels auch eine Gewichtszunahme sei, und er damit dem Sachverständigen sinngemäß mangelnde Objektivität und Fachkenntnis unterstellt, ist dies nicht nachvollziehbar. Hätte der Kläger - aus Sicht des Senats nicht nachvollziehbar - dem Sachverständigen eine Befangenheit unterstellen wollen, hätte er dies im Rahmen eines Befangenheitsantrags geltend machen müssen, was er nicht (fristgerecht) gemacht hat. Im Übrigen hält der Senat die Einschätzung des Sachverständigen durchaus für nachvollziehbar. Den Angaben des Klägers folgend ist davon auszugehen, dass er seit 2009 und der damaligen Nierentransplantation Cortison zu sich nimmt. Ein Übergewicht hat aber bereits vorher bestanden. So ist bei der versorgungsärztlichen Begutachtung vom 17.01.1997 bei einer Körpergröße von 170 cm ein Gewicht von 103 Kilo festgestellt worden; schon damals, vor der Nierentransplantation im Jahr 2009, hat also ein Übergewicht bestanden. Ebenfalls über ein Körpergewicht von 103 kg ist im Pflegegutachten vom 20.11.2013 berichtet worden. Zu diesem Zeitpunkt muss der Kläger schon seit mehreren Jahren Cortison zu sich genommen haben, ohne dass sich sein Körpergewicht im Vergleich zu der Zeit vor der Nierentransplantation wesentlich verändert hat. Wenn im Rahmen der gerichtlichen Begutachtung vom 18.06.2015 von Dr. M. ein Körpergewicht von nunmehr 119 kg festgestellt worden ist, liegt jetzt eine Gewichtszunahme vor, die sich nach den vorliegenden Unterlagen nicht allein mit der Cortisoneinnahme erklären lässt. Die Ausführungen des Sachverständigen und seine Hinweise zur Ernährung erscheinen dem Senat daher sachgerecht und stellen die Qualifikation des Sachverständigen und die Qualität seines Gutachtens nicht infrage.

Auch der Einwand des Klägers, der Sachverständige habe bei seinem Hinweis darauf, dass der Urinbeutel bei öffentlichen Veranstaltungen in öffentlichen Toiletten gewechselt werden könne, die Handhabung „vergessen“, ist nicht nachvollziehbar. Ganz abgesehen davon, dass der Kläger seinen Einwand nicht ansatzweise näher substantiiert hat, ist für den Senat nicht ersichtlich, warum ein Wechsel des Urinbeutels nicht auch in einer öffentlichen Toilette möglich sein sollte. Der Senat kann sich die Vorbehalte des Klägers nur damit erklären, dass der Kläger offenbar übersehen hat, dass in öffentlichen Toiletten mit dort regelmäßig vorhandenen Behindertentoiletten für den Behinderten ein abschließbar Raum in der erforderlichen Größe zur Verfügung steht, in dem auch einem Rollstuhlfahrer ein Wechsel des Urinbeutels ohne irgendwelche Probleme und insbesondere auch ohne eine Beobachtung durch Dritte möglich ist.

Der Hinweis des Klägers darauf, dass er bei öffentlichen Veranstaltungen nur einen normalen Urinbeutel mit einem Fassungsvermögen von 700 ml, nicht aber einen größeren, verwenden könne, gibt keinen Hinweis darauf, dass der Sachverständige irgendetwas bei seiner Beurteilung übersehen haben könnte. Ganz abgesehen davon, dass der Sachverständige - entgegen den Ausführungen des Klägers - in seinem Gutachten an keiner Stelle den Vorschlag gemacht habe, der Kläger solle beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen „große“ Urinbeutel anstelle von „normalen“ mit ca. 700 ml Fassungsvermögen benutzen, wäre die Größe des verwendeten Urinbeutels auch kein maßgebliches Kriterium bei der Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF. Im Gutachten deutet nichts darauf hin, dass der Sachverständige seine Beurteilung von der Größe des verwendeten Urinbeutels abhängig gemacht hätte, geht er doch davon aus, dass der Wechsel des Urinbeutels auch im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen problemlos möglich ist. Der Vorwurf des Klägers, der Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass er als Nierenkranker viel trinken müsse, geht deshalb auch ins Leere.

Wenn der Kläger mit seiner Aussage, er könne sich an einen Besuch beim Landwirtschaftswochenende im Landwirtschaftsministerium nicht erinnern, den der Sachverständige in seinem Gutachten erwähnt habe, suggerieren will, dass der Sachverständige unzutreffende und haltlose Ausführungen in sein Gutachten aufgenommen habe, stellt dies die Qualität des Gutachtens nicht infrage. Es ist für den Senat schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige seine diesbezüglichen Ausführungen einfach frei erfunden haben sollte. Ob der Kläger tatsächlich im Landwirtschaftsministerium gewesen ist oder nur durch (eventuell missverständliche) Äußerungen den Eindruck erweckt hat, er sei dort gewesen, mag dahingestellt bleiben. Denn angesichts der überaus überzeugenden und ausführlichen Erläuterungen des Sachverständigen hat der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Gutachters.

2.2. Benutzung von Inkontinenzartikeln in Form von Urinbeinbeuteln an sich kein Grund für das Merkzeichen RF

Dem Widerspruchsschreiben vom 08.12.2014 entnimmt der Senat, dass der Kläger der Meinung zu sein scheint, dass die Benutzung von Inkontinenzartikeln an sich bereits einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nach sich ziehe. Offenbar hat sich der Kläger diese Meinung gebildet, weil er die Hinweise auf Seite 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 05.11.2014 missverstanden hat. Dort - im dritten Spiegelstrich des zweiten Absatzes - hat der Beklagte die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF zutreffend damit erläutert, dass neben einem GdB von 80 Voraussetzung ist, dass dem Behinderten „auch mit Hilfe von Begleitpersonen und technischen Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl, Inkontinenzartikeln) eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht möglich ist.“ Neben einem GdB von 80 ist also Voraussetzung, dass der Behinderte an öffentlichen Veranstaltungen auch dann nicht teilnehmen kann, wenn er Inkontinenzartikel verwendet. Der Kläger scheint dies dahingehend missverstanden zu haben, dass neben einem GdB von 80 die Verwendung von Inkontinenzartikel ausreicht, um das Merkzeichen RF zu begründen.

2.3. Merkzeichen B und die Notwendigkeit der Benutzung von Urinbeuteln kein Grund für das Merkzeichen RF

Der letzte Absatz des Widerspruchsschreibens vom 08.12.2014 kann nur dahingehend interpretiert werden, dass der Kläger der Meinung ist, ihm stehe das Merkzeichen RF zu, weil ihm „das Merkzeichen B zugesprochen“ worden sei und ihn „ein Leben lang die Beinbeutel begleiten werden“. Ein derartiger Zusammenhang ist den gesetzlichen Regelungen fremd. Auch die Zuerkennung des Merkzeichens B ist kein entscheidendes Argument hinsichtlich des Merkzeichens RF.

2.4. Unzumutbarkeit des Tragens des Urinbeutels in der Öffentlichkeit und dessen Wechsels in öffentlichen Toiletten kein Grund für das Merkzeichen RF

Der Senat kann den Hinweis des Klägers darauf, dass er es als unzumutbar empfinde, in öffentlichen Toiletten den Urinbeutel zu wechseln, schon in der Sache nicht nachvollziehen. Bei den im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen zugänglichen öffentlichen Toiletten stehen regelmäßig auch Behindertentoiletten mit abgetrennten und abschließbaren Kabinen zur Verfügung. Derartige Toiletten sind vergleichsweise geräumig und gestatten es, den Urinbeutel ohne Anwesenheit Dritter zu wechseln. Im Übrigen dürfte ein solcher unbeobachteter Wechsel auch dann möglich sein, wenn keine spezielle Behindertentoilette zur Verfügung steht. Denn abschließbare Toilettenkabinen sind in öffentlichen Toiletten typischerweise vorhanden.

Der Senat kann es gleichwohl durchaus verstehen, dass sich der Kläger unwohl fühlt, wenn er im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen einen Urinbeutel bei sich trägt und nicht völlig ausgeschlossen ist, dass dies auch für dritte Personen erkennbar ist, beispielsweise auch dann, wenn er Vorkehrungen zum Wechsel des Urinbeutels trifft. Dieses subjektive Gefühl des Unwohlseins kann aber nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF begründen.

Das BSG (vgl. Urteile vom 09.08.1995, Az.: 9 RVs 3/95, und vom 12.02.1997, Az.: 9 RVs 2/96) hat wiederholt entschieden, dass aus einer Harninkontinenz unter dem Gesichtspunkt der Belastung der Umwelt kein Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF resultiert. Von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen im Sinn des Merkzeichens RF ausgeschlossen ist der Behinderte nur dann, wenn ihm das Aufsuchen fast aller öffentlichen Veranstaltungen mit Rücksicht auf die Störung anderer Teilnehmer nicht zugemutet werden kann. Das ist erst dann der Fall, wenn es anderen Teilnehmern an öffentlichen Veranstaltungen nicht zumutbar ist, den Behinderten wegen der Auswirkungen seiner Behinderung zu ertragen, insbesondere, weil er durch seine Behinderung auf die Umgebung unzumutbar, abstoßend oder störend wirkt. Beispielhaft können hier die Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können, oder ekelerregende oder ansteckende Krankheiten genannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1997, Az.: 9 RVs 2/96). Bei der Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit für die Umwelt des Behinderten ist aber zu bedenken, dass der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Belastung durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten ist, weil das Schwerbehindertenrecht die Eingliederung und nicht die Ausgrenzung Behinderter bezweckt (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91). Von einer solchen Belastung der Umwelt kann vorliegend nicht ausgegangen werden; auch der Kläger selbst hat dies nicht behauptet. Im Fall des Klägers kommt unter diesem Gesichtspunkt ohnehin noch dazu, dass eine Geruchsbelastung bei der bei ihm vorliegenden Katheterisierung samt Urinbeutel ohnehin nicht - oder allenfalls in ganz geringerem Umfang - vorliegt, anders als dies möglicherweise bei einer Versorgung mit Inkontinenzwindeln bei Harninkontinenz oder insbesondere bei einer Stuhlinkontinenz der Fall sein kann.

Der Gesichtspunkt eines subjektiven Unwohlseins selbst ist nicht geeignet, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF zu begründen (vgl. Urteil des Senats vom 31.03.2011, Az.: L 15 SB 105/10). Die sich aus der Katheterisierung ergebende Notwendigkeit der Benutzung von Urinbeuteln, die dann möglicherweise auch während der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung gewechselt werden müssen, ist nur eine Auswirkung der Behinderung. Bei einem Urinbeutel handelt sich um ein übliches und behindertengerechtes Hilfsmittel, dessen Benutzung als solches den behinderten Menschen nicht zusätzlich herabmindert, sondern im Rahmen des Möglichen die Auswirkungen seiner Behinderung abmildert. Das subjektive Empfinden des Behinderten, der dies als unangenehm empfinden mag, ist eine verständliche Begleiterscheinung seiner Erkrankung, hat aber nicht zur Folge, ihm deswegen überhaupt nicht mehr den Besuch öffentlicher Veranstaltungen zuzumuten; von einer Verletzung der Menschenwürde, die den Besuch von öffentlichen Veranstaltungen unmöglich machen würde, kann daher nicht ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.1995, Az.: 9 RVs 3/95). Das Merkzeichen RF steht einem (empfindsamen) Behinderten also nicht deshalb zu, weil er die Öffentlichkeit um der anderen willen meidet (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91). Vielmehr ist der Behinderte auch gehalten, aktiv im Rahmen des Zumutbaren an seiner Eingliederung mitzuwirken und (subjektive wie objektive) Hindernisse an der Teilnahme öffentlicher Veranstaltungen, soweit ihm möglich und zumutbar, abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.1997, Az.: 9 RVs 2/96). Dafür, dass es dem Kläger nicht zumutbar wäre, seine subjektiven Empfindungen und sein Unwohlsein infolge der Benutzung von Urinbeuteln zurückzustellen und gleichwohl an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Sofern der Kläger angibt, ein ihm mit Begleitperson und Rollstuhl durchaus möglicher Konzertbesuch oder Ähnliches sei wegen der dazwischen liegenden Toilettengänge „nicht mehr lebensfroh“, spricht dies daher nicht für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF, sondern ganz klar dagegen. Zudem hat der Senat auch nicht unerhebliche Zweifel daran, dass bei der Verwendung von vom Kläger als „normal“ bezeichneter Urinbeutel mit 700 ml Fassungsvermögen bei einem Opernbesuch die Toilette zum Wechsel des Urinbeutels überhaupt außerhalb der regulären Pausen aufgesucht werden muss, auch bei der vom Kläger angegebenen überdurchschnittlichen Trinkmenge. Jedenfalls bei einem Besuch von Museen oder Ausstellungen würde sich aus dem Wechsel des Urinbeutels keine Unterbrechung der Veranstaltung ergeben, die den Kläger oder seine Umwelt irgendwie über die Maßen beeinträchtigen würde. Im Übrigen scheint auch das BSG davon auszugehen, dass es nach allgemeiner Erfahrung durchaus nicht wenige öffentliche Veranstaltungen gibt, die nicht länger als 30 Minuten dauern (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.1991, Az.: 9a/9 RVs 15/89).

2.5. Eingeschränkte Fortbewegungsfähigkeit bei Benutzung des Elektromobils kein Grund für das Merkzeichen RF

Auch wenn der Kläger durch die Benutzung des ihm von seiner Krankenkasse zur Verfügung gestellten Elektromobils vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen weitgehend ausgeschlossen wäre, kann das das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht begründen.

Selbst wenn der klägerische Vortrag dahingehend als zutreffend unterstellt wird, dass er bei Benutzung seines Elektromobils nur wenige öffentliche Veranstaltungen und diese nur in seinem näheren Wohnumfeld erreichen könne, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger praktisch an das Haus bzw. die Wohnung gebunden wäre. Denn entscheidend für die Frage der Bindung an Haus bzw. Wohnung können nicht die Umstände seien, die sich aus der beim Kläger vorliegenden spezifischen Versorgung mit dem dem Kläger konkret zur Verfügung stehenden Elektromobil ergeben.

Allein bei der Frage des Ausmaßes der gesundheitlichen Beeinträchtigung kommt es auf die individuelle Lage des Behinderten an. Im Übrigen sind jedoch individuelle Ansätze nicht maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91). Dies bedeutet, dass das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF - wie im Übrigen genauso nicht mit den konkreten Wohnumständen (vgl. BSG, Urteil vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85; Bayer. LSG, Urteil vom 19.04.2011, Az.: L 15 SB 14/10) - nicht durch eine spezifische Art der Versorgung mit einem bestimmten Hilfsmittel und den daraus resultierenden Schwierigkeiten beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen begründet werden kann, sofern es sich dabei nicht um die einzig mögliche oder zumutbare Art der Versorgung handelt. Vielmehr kann, solange ein Schwerbehinderter mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, nicht davon ausgegangen werden, dass er von der Teilnahme am öffentlichen Geschehen praktisch ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85; Urteil des Senats vom 19.04.2011, Az.: L 15 SB 14/10).

Der Kläger kann sich daher nicht darauf stützen, dass er bei Benutzung des Elektromobils aufgrund dessen Gewichts bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und möglicherweise auch bei manchen Veranstaltungen erheblich beeinträchtigt ist. Denn eine Unbenutzbarkeit beispielsweise von Bus und Trambahn resultiert nicht aus der behinderungsbedingten Einschränkung des Klägers, sondern aus der Verwendung des Elektromobils und dem hohen Gewicht dieses Hilfsmittels.

Dafür, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung zwingend auf die Benutzung eines Elektromobils angewiesen wäre und keinen normalen Rollstuhl, zumindest bei entsprechender Begleitung, benutzen könnte, spricht nichts. Die Versorgung mit einem Elektromobil durch die Krankenkasse lässt sich zwar problemlos damit erklären, dass der Kläger damit in Anbetracht der Gesamtheit seiner Behinderungen vergleichsweise mobil und dabei nicht auf die Unterstützung Dritter angewiesen ist. Insofern ist die Versorgung mit einem Elektromobil sicherlich ein nicht unbedeutender Beitrag zur Erhaltung der unabhängigen Mobilität des Klägers. Die Benutzung eines normalen und damit erheblich leichteren Rollstuhls mit Unterstützung einer Begleitperson ist dem Kläger aber ohne jeden Zweifel möglich. Irgendwelche Bedenken, dass ein nicht elektrobetriebener Rollstuhl vom Kläger nicht benutzt werden könnte, wenn er darin von einer Begleitperson geschoben wird, sind nicht ersichtlich. Würde der Kläger sich im öffentlichen Raum mit einem derartigen Rollstuhl und Begleitperson bewegen, wäre ihm die Teilnahme an einer Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen möglich; daran bestehen für den Senat nicht die geringsten Zweifel. Denn die vom Kläger angegebene Einschränkung der Unbenutzbarkeit mancher öffentlicher Verkehrsmittel wäre bei einem Rollstuhl nicht gegeben. Der Kläger hat selbst bei der Begutachtung angegeben, sich durchaus 50 bis 100 m ohne Hilfsmittel bewegen zu können. Insofern ist es ihm ohne weiteres möglich, mit allen öffentlichen Verkehrsmittel zu fahren, wenn er einen normalen Rollstuhl benutzt und er darin von seiner Begleitperson geschoben wird; ein Wechsel in das öffentliche Verkehrsmittel und die Überwindung von Schwellen oder Stufen ist angesichts der vom Kläger selbst angegebenen und vom Sachverständigen beschriebenen Gehfähigkeit ohne Zweifel möglich. Auch die vom Kläger angegebenen Probleme während des Besuchs mancher öffentlicher Veranstaltungen, z. B. bei der Überwindung von Türschwellen oder Stufen, wären dann nicht gegeben. Insofern ist festzuhalten, dass die vom Kläger angegebenen Schwierigkeiten beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen nicht aus seiner Behinderung, sondern aus der Art des von ihm verwendeten Hilfsmittels resultieren, bei der Verwendung eines anderen, ihm durchaus zumutbaren Hilfsmittels (normaler Rollstuhl) aber nicht gegeben wären.

2.6. Problematik der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel als Grund für das Merkzeichen RF

Wie bereits oben (vgl. oben Ziff. 2.5.) erläutert, kann der Senat die Schwierigkeit des Klägers, sich mit seinem Elektromobil in öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen, nachvollziehen. Derartige Probleme gibt es jedoch nicht, wenn der Kläger mittels eines normalen Rollstuhls und Begleitperson unterwegs ist. In diese Konstellation ist die Benutzung weitgehend aller öffentlicher Verkehrsmittel möglich, so dass sich unter diesem Gesichtspunkt kein weitgehender Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ergeben kann.

3. Keine weiteren Ermittlungen

Der Senat sah sich nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt und sah dazu auch keine verfahrensrechtliche Pflicht. Der Kläger hat weder im sozialgerichtlichen Verfahren nach Erstellung des dortigen Gutachtens noch im Berufungsverfahren vorgetragen, dass sich sein Gesundheitszustand mit Blick auf die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen RF auf Dauer verschlechtert hätte. Den Schreiben der Ehefrau des Klägers vom 06.02.2016 und 02.03.2016 ist zwar zu entnehmen, dass sich der Kläger zwischenzeitlich einer oder mehreren Operationen unterzogen hat und weitere operative Eingriffe zu erwarten sind. Da für die Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Merkzeichen genauso wie für die des GdB die Schwere einer Akuterkrankung allein kein maßgebliches Kriterium ist, sondern entscheidend ist, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Folge der Akutsituation verbleiben, wobei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX die negative Abweichung des Gesundheitszustands von dem für das Lebensalter typischen Zustand mehr als sechs Monate lang vorliegen muss, sah der Senat keinen Anlass, einen oder mehrere Berichte über möglicherweise gerade erst durchgeführte Operationen einzuholen, zumal nach der vorliegenden Mitteilung der Ehefrau des Klägers die Krankenhausaufenthalte bzw. die Anschlussheilbehandlung noch nicht abgeschlossen sind. Auch aus der vom Klinikum I. vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 29.02.2016 ergibt sich nichts, was Anlass für weitere Ermittlungen gegeben hätte. Dort ist lediglich berichtet worden, dass sich der Kläger seit dem 28.01.2016 wegen „Krankheit“ in stationärer Behandlung befinde, ohne irgendwelchen weiteren Angaben zu machen. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass operative Eingriffe regelmäßig mit dem Ziel der Besserung des Gesundheitszustands durchgeführt werden. Da der Kläger selbst keine Verschlechterungen vorgebracht oder vortragen lassen hat, waren weitere Ermittlungen ins Blaue hinein nicht durchzuführen.

Der Kläger hat daher mit seiner Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. April 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die Zuerkennung des Merkzeichens RF.

2

Ihren darauf gerichteten Antrag lehnte der Beklagte ab, weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) verfehle. Sie könne an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, eventuell mit Hilfe der ihr gewährten Merkzeichen B und G (Bescheid vom 24.6.2014, Widerspruchsbescheid vom 2.9.2014).

3

Klage und Berufung sind nach medizinischen Ermittlungen erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, Harn- und Stuhldrang könne die Klägerin durch Inkontinenzartikel ausgleichen. Störungen durch das Aufsuchen einer Toilette seien anderen Veranstaltungsteilnehmern ohne Weiteres zuzumuten unter dem Gesichtspunkt der Inklusion. Sturzgefahr könne die Klägerin mit einem Rollstuhl vermeiden (Urteil vom 19.4.2017).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde erhoben. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und einen Verfahrensfehler begangen.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder der behauptete Verfahrensmangel (1.), noch eine grundsätzliche Bedeutung (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

6

1. Einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)durch die behauptete Verletzung des § 159 SGG hat die Beschwerde nicht substantiiert dargetan. Die Klägerin meint, das LSG habe bei seiner Entscheidung gegen eine Zurückverweisung an das SG sein Ermessen aus § 159 Abs 1 Nr 2 SGG verletzt. Die Beschwerde hat indes nicht dargelegt, warum dieses Ermessen überhaupt eröffnet gewesen sein sollte. Eine Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG schied aus, weil das SG durch Gerichtsbescheid in der Sache entschieden hatte. Eine Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG wäre nur infrage gekommen, wenn der vermeintliche Verfahrensfehler - die Entscheidung ohne ehrenamtliche Richter durch Gerichtsbescheid - umfangreiche und aufwändige neue Ermittlungen erfordert hätte. Dazu hat die Beschwerde nichts Konkretes vorgetragen.

7

2. Ebenso wenig hat die Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) dargelegt.

8

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

9

Diese Darlegungen enthält die Beschwerde nicht.

10

a) Soweit die Klägerin darin die Frage aufwirft,

        

ob die rechtliche Anspruchsgrundlage für die Feststellung des Nachteilsausgleichs RF in § 69 Abs 4 iVm Abs 1 SGB IX iVm § 4 Abs 2 Nr 3 RBStV Personen dieser Gruppe im Verhältnis zu der Personengruppe nach § 4 Abs 2 Nr 1 und 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen (unverhältnismäßig) benachteiligt und damit verfassungswidrig ungleichbehandelt, Art 20 Abs 3, 3 Abs 1 GG,

hat sie die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage nicht hinreichend substantiiert dargetan. Dafür wäre es ua erforderlich gewesen, unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen in substantieller Argumentation den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufzuzeigen, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung zu erörtern und die Verletzung der konkreten Vorschrift des GG im Einzelnen dazulegen (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 58 mwN). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hat es bereits versäumt, sich mit der einschlägigen Senatsrechtsprechung auseinanderzusetzen. Wie der Senat zur hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen im wesentlichen textgleichen Befreiungsvorschrift des § 1 Abs 1 Nr 3 der Hamburgischen Verordnung über die Befreiung von der Gebührenpflicht geurteilt hat, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass nicht allen verschiedenartigen Behindertengruppen, die in den Genuss einer Befreiung von oder Ermäßigung der Rundfunkgebühr kommen, jegliche Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen schlechthin unmöglich ist. Ein begünstigender Tatbestand im Sinne einer Generalklausel, der nicht an einzelne Indizien für den Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen anknüpft, muss demnach genauer und damit im Ergebnis strenger nach den zweckbestimmten Anforderungen ausgelegt werden als andere, bei denen das Vorliegen typisierter gesetzlicher Merkmale ausreicht. Diese Unterscheidung, die der gesetzlichen Regelungstechnik geschuldet ist, ist auch in anderen Bereichen des Versorgungsrechts anzutreffen (vgl Senat Urteil vom 17.3.1982 - 9a/9 RVs 6/81 - BSGE 53, 175, 181 = SozR 3870 § 3 Nr 15 S 43 f). Sie hält sich im Rahmen der zulässigen Befugnis des Gesetzgebers zur verallgemeinernden Typisierung (vgl Osterloh in Sachs, GG-Komm, 6. Aufl 2011, Art 3 GG RdNr 104 f mwN). Auf diese Erwägungen geht die Beschwerde nicht ein. Sie legt damit auch nicht dar, dass die neuere Rechtsprechung oder Literatur diese Ansicht infrage stellten.

11

b) Darüber hält die Klägerin sinngemäß die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob andere Teilnehmer an öffentlichen Veranstaltungen es als zumutbar hinnehmen müssten, dass sie mehrmals eine Toilette aufsuche und dadurch störe. Insoweit setzt sich die Beschwerde indes ebenfalls nicht mit der bereits vorhandenen Senatsrechtsprechung auseinander. Danach darf es nicht darauf ankommen, inwieweit sich Teilnehmer an öffentlichen Veranstaltungen durch Behinderte gestört fühlen. Das Merkzeichen RF kann nicht allein mit dem Ziel zuerkannt werden, besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Der auf gesellschaftliche Teilhabe gerichtete Zweck dieses Merkzeichens würde sonst in sein Gegenteil verkehrt. Deshalb steht das Merkzeichen RF andererseits besonders empfindsamen Behinderten auch nicht allein deshalb zu, weil sie die Öffentlichkeit um ihrer Mitmenschen willen meiden. Allenfalls in äußersten Randsituationen mag etwas Anderes gelten. Solche Situation festzustellen und zu bewerten ist indes grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl BSG Urteil vom 10.8.1993 - 9/9a RVs 7/91 - SozR 3-3870 § 48 Nr 2). Die Beschwerde legt nicht dar, welchen grundsätzlichen Klärungsbedarf der Fall über die Ergebnisse der genannten Rechtsprechung hinaus noch aufwerfen oder warum die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft sein sollten.

12

c) Die Klägerin hält es weiter für klärungsbedürftig, ob unter bestimmten Voraussetzungen ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen außerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 406 Abs 2 ZPO zulässig ist. Dieser Vortrag verfehlt ebenfalls die Anforderungen an eine Grundsatzrüge. Zwar können prinzipiell auch prozessuale Fragen grundsätzliche Bedeutung haben und eine Rechtsfortbildung im Verfahrensrecht erfordern. Diese darf aber nicht zur Umgehung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG führen, soweit dieser die Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln einschränkt(BSG Beschluss vom 25.6.2013 - B 12 KR 83/11 B - Juris). Insoweit hat die Beschwerde aber nicht dargelegt, wie eine vermeintlich verfahrensfehlerhafte Entscheidung des SG über das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG überhaupt noch als Verfahrensfehler geltend gemacht werden könnte. Nach § 172 Abs 2 SGG können Beschlüsse des SG über die Ablehnung von Sachverständigen grundsätzlich nicht einmal mit der Beschwerde zum LSG angefochten werden. Schon das LSG als Berufungsinstanz kann einen solchen unanfechtbaren Beschluss nach § 202 S 1 SGG iVm § 512 ZPO nicht unmittelbar überprüfen. Selbst das Berufungsgericht könnte insoweit allenfalls einen Verfahrensmangel berücksichtigen, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet (vgl Aubel in Zeihe, SGG, Stand 04/2017, § 172 RdNr 14c unter Hinweis auf BVerwG Beschluss vom 22.12.1997 - 8 B 255/97 - NJW 1998, S 2301). Schon dazu hat die Beschwerde in Bezug auf das abgelehnte Befangenheitsgesuch nichts vorgetragen. Unabhängig davon hat das LSG die Ablehnung auch in der Sache als gerechtfertigt angesehen; dagegen erhebt die Beschwerde ebenfalls keine stichhaltigen Einwendungen.

13

Sie ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

14

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

15

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.