Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 09. Dez. 2014 - L 15 VK 2/14

published on 09/12/2014 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 09. Dez. 2014 - L 15 VK 2/14
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Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17. April 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob beim Kläger eine Verschlimmerung von Schädigungsfolgen im Sinn von § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vorliegt und ob seiner Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ein höherer Grad der Schädigung (GdS) als in Höhe von 80 zugrunde zu legen ist.

Der Kläger ist im Jahre 1929 geboren. Als der Wehrmacht unterstellter Hitlerjunge hat er im Bereich des heutigen Sloweniens am 2. Weltkrieg teilgenommen. Im Frühjahr 1945 erlitt er einen Durchschuss des linken Oberschenkels.

In einem ersten Bescheid vom 06.04.1966 wurden Schädigungsfolgen im Bereich des linken Oberschenkels und Knies anerkannt; die Anerkennung von Schädigungsfolgen im Bereich der Wirbelsäule wurde abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.

Als Schädigungsfolgen wurden mit Bescheid vom 19.07.1977 anerkannt:

1. Narben am linken Oberschenkel und über der linken Kniescheibe, erlebnisbedingter Persönlichkeitswandel.

2. Beginnende Blutumlaufstörung am linken Bein.

3. Krampfadern am linken Bein.

Der Kläger bezieht dafür seit Dezember 1984 eine Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (heute: GdS) in Höhe von 80 v. H. unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit (Bescheid vom 22.02.2000).

Mit Schreiben vom 24.12.2010 beantragte der Kläger die Höherbewertung seiner Kriegsverletzungen. Dabei nahm er Bezug auf ein an den VdK gerichtetes Schreiben vom 11.12.2010, in dem er eine Verschlimmerung der Durchblutungsstörungen an beiden Beinen mit nur 30% Durchblutung und damit verbundenen Krämpfen und heftigen Gehbeschwerden geschildert hatte.

Den vom Beklagten eingeholten medizinischen Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Kläger am Jahresende 2009 wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und eines postthrombotischen Syndroms behandelt worden ist (Arztbrief aus der Privatklinik K. vom 28.12.2009). Aus einem Bericht der Privatklinik L. vom 22.02.2010 ist zudem zu ersehen, dass der Kläger seit Jahren unter Rückenbeschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich leidet.

Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten äußerte sich nach Auswertung der eingeholten ärztlichen Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 06.06.2011 dahingehend, dass kein Zweifel daran bestehe, dass die vom Kläger angegebenen subjektiven Beschwerden nicht ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen seien. Es bestehe eine schädigungsfolgenfremde periphere arterielle Verschlusskrankheit. Die arteriosklerotischen Veränderungen würden bereits unterhalb des Abgangs der Nierenarterien beginnen. Auch die Unterschenkelgefäße seien betroffen. Unter Umständen würden die subjektiven Beschwerden durch die schädigungsfolgenfremden Veränderungen der Wirbelsäule verstärkt. Die arterielle Verschlusskrankheit könne keinesfalls auf die Splitterverletzung des linken Oberschenkels zurückgeführt werden. Im Vergleich zu den Untersuchungsbefunden des maßgeblichen Vorgutachtens vom 03.06.1975 ergebe sich keine wesentliche Änderung der anerkannten Schädigungsfolgen. Der GdS betrage nach wie vor 80 unter Einschluss einer besonderen beruflichen Betroffenheit.

Darauf gestützt lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2011 den Neufeststellungsantrag ab. Eine wesentliche Änderung sei gegenüber den Bescheiden vom 19.07.1977 und vom 22.02.2000 nicht eingetreten. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die subjektiven Beschwerden des Klägers nicht ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen seien. Die arterielle Verschlusskrankheit hänge keinesfalls mit der Splitterverletzung am linken Oberschenkel zusammen.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 07.07.2011 Widerspruch ein. In der Folge holte der Beklagte weitere medizinische Unterlagen bei den vom Kläger angegebenen Ärzten ein. Neue Gesichtspunkte ergaben sich daraus, so der Chirurg Dr. N. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.11.2011, nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein Zusammenhang zwischen der arteriellen Verschlusskrankheit und den anerkannten Schädigungsfolgen lasse sich nicht herstellen. Das gleiche gelte auch für die jahrelangen Wirbelsäulenbeschwerden. Die anerkannten Schädigungsfolgen seien weiterhin mit einem GdS von insgesamt 80 ausreichend bewertet.

Mit Schreiben vom 27.01.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Dem Beklagten hat er, nachdem dieser beantragt hatte, die Klage abzuweisen, Mobbing und in diesem Zusammenhang die Entstehung einer posttraumatischen Belastungsstörung unter Bezugnahme auf einen von ihm beigelegten Internetartikel vorgeworfen (Schreiben vom 17.03.2012). In seinem Schreiben vom 01.11.2012 hat er nochmals die Ereignisse im Krieg geschildert, in dem er als jugendlicher Flakhelfer zusammen mit Kameraden den Auftrag gehabt habe, eine Brücke in Slowenien zu retten. Bei einem dieser Angriffe habe er einen Lehmbrocken auf den Rücken bekommen. Der Schaden an der Wirbelsäule sei Jahre später festgestellt worden. Er habe seit langem entsprechende Schmerzen.

Der den Kläger behandelnde Arzt Dr. P. hat am 05.04.2013 auf Nachfrage des Gerichts u. a. darüber berichtet, dass der Kläger durch die Kriegswirren eine sehr problematische Lebensaufbauzeit gehabt habe. Zusätzlich sei durch einen Erdrutsch am 11.04.1983 das Eigenheim seiner Familie zerstört und der Kläger sowohl körperlich (Prellungen, Blutergüsse, Wirbelsäulenverletzung) als auch psychisch (Verschüttungstrauma) schwer verletzt worden. Gerade die Wirbelsäulenverletzung würde auch heute noch deutliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursachen.

In dem auf Wunsch des Klägers nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 29.10.2013 ist der Internist und Sozialmediziner Dr. G. zu dem Ergebnis gekommen, dass lediglich die im Bescheid vom 19.07.1977 anerkannten Schädigungsfolgen auf schädigende Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen seien. Weitere beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen seien als nicht schädigungsbedingt anzusehen. Eine Änderung im Sinn einer Verschlechterung sei bei den Schädigungsfolgen nicht eingetreten. Die bei einer Untersuchung im November/Dezember 2009 festgestellte arterielle Verschlusskrankheit der Beine sei im Rahmen eines generalisierten arteriosklerotischen Gefäßprozesses zu beurteilen, der in erster Linie veranlagungsbedingt aufgetreten sei. Eine Verursachung der arteriellen Verschlusskrankheit durch die Kriegsverletzung sei praktisch auszuschließen. Die beim Kläger vorliegenden Wirbelsäulenbeschwerden seien auf einen allgemeinen degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkprozess zurückzuführen. Der arterielle Bluthochdruck sei ebenfalls als veranlagungsbedingt zu bezeichnen. Hinweise darauf, dass sich die psychische Situation des Klägers verschlechtert hätte, gebe es nicht. Der GdS sei unverändert mit 80 zu bewerten, wobei hier die besondere berufliche Betroffenheit bereits inbegriffen sei. Eine Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen im Sinn einer Verschlimmerung sei nicht eingetreten.

Nachdem dem Kläger das Gutachten mit dem Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten übersandt worden war, hat dieser mit Schreiben vom 23.12.2013 mitgeteilt, dass er von seinem Antragsrecht nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch mache und diesbezüglich den Arzt Dr. B. benenne. Zur Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG ist es aber nicht gekommen, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 20.02.2014 mitgeteilt hatte, dass er nicht bereit sei, den angeforderten Kostenvorschuss einzuzahlen.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2014 ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat sich das SG im Wesentlichen auf das bei Dr. G. eingeholte Gutachten gestützt.

Mit Schreiben vom 29.04.2014 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er auf seinen bisherigen Vortrag verwiesen.

Zum gerichtlichen Schreiben vom 07.07.2014 hat der Kläger mit Brief vom 18.07.2014 mitgeteilt, dass er bei dem Angriff von Tieffliegern einen Lehmbrocken auf das Kreuz bekommen und sich anschließend nicht mehr rühren habe können. Die daraus resultierenden Beschwerden hätten sich jetzt so verschlimmert, dass ein GdS von 100 gerechtfertigt sei. Erstmals aufgetreten sei diese Gesundheitsstörung im Jahr 1945 nach der Verletzung der Wirbelsäule und der Schussverletzung. Erstmals behandelt worden sei er wegen der Beschwerden im Februar 1966.

Mit Schreiben vom 30.07.2014 hat der Kläger mitgeteilt, dass er die Berufung entgegen der Anregung des Gerichts nicht zurücknehme. Er wünsche die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Dr. B., Facharzt für Innere Medizin, Angiologie und Kardiologie, in A-Stadt/Österreich. Mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung sei er einverstanden.

Mit Beschluss vom 09.10.2014 ist das Verfahren dem Berichterstatter übertragen worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 17.04.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 10.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2011 zu verpflichten, eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen anzuerkennen und ihm Versorgung nach einem GdS von 100 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG Bayreuth beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 SGG vom09.10.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Der Senat hat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da die Beteiligten - der Kläger ohne irgendeine Einschränkung mit Schreiben vom 30.07.2014, der Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2014 - dazu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Eine Verschlimmerung von Schädigungsfolgen liegt nicht vor.

1. Streitgegenstand

Streitgegenstand ist eine Entscheidung des Beklagten unter den rechtlichen Gesichtspunkten des § 48 SGB X, also ob eine Verschlimmerung bei den Schädigungsfolgen vorliegt. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem angefochtenen Bescheid, in dem sich der Beklagte ausschließlich mit der Frage einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X auseinander gesetzt hat.

2. Zur Entscheidung gemäß § 48 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, wegen einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X eine höhere Versorgung zu gewähren.

Eine Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X liegt nicht vor. Weder haben sich die anerkannten Schädigungsfolgen verschlechtert noch sind nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid neue Schädigungsfolgen aufgetreten.

2.1. Voraussetzungen für die Anerkennung einer Verschlimmerung - allgemein

Der Kläger hätte gemäß § 48 SGB X einen Anspruch auf Anerkennung verschlimmerter Schädigungsfolgen oder weiterer Schädigungsfolgen und daraus resultierend auf eine Versorgung nach einem höheren GdS nur dann, wenn sich bei den tatsächlichen (oder rechtlichen) Verhältnissen, wie sie bislang der Gewährung von Versorgung zugrunde gelegt worden sind, eine wesentliche Änderung im Sinn einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommen nach ständiger Rechtsprechung (vgl. beispielhaft Urteil des Senats vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom Bundessozialgericht (BSG) bestätigt im Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B) (nur) eine Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen oder das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid.

Nichts davon ist vorliegend der Fall.

Sollten Schädigungsfolgen bereits vor dem letzten bestandskräftigen Bescheid vorgelegen haben, aber fälschlicherweise nicht berücksichtigt worden seien, könnten diese nicht über § 48 SGB X Berücksichtigung finden; dafür wäre ein Überprüfungsverfahren gemäß § 44 SGB X der richtige Weg. Eine Entscheidung unter diesem Gesichtspunkt enthält der angefochtene Bescheid nicht.

2.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen

Eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen ist gegenüber dem letzten bestandskräftigen Bescheid vom 22.02.2000 nicht nachgewiesen.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das Gutachten des Dr. G. vom 29.10.2013, das vom SG eingeholt worden ist. Dieses Gutachten ist auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers nach Aktenlage erstellt worden. Der Sachverständige hat die umfangreichen Akten vollständig berücksichtigt und sehr sorgfältig ausgewertet. Seine dezidierten und eingehenden Ausführungen würdigen sämtliche Umstände und auch das Vorbringen des Klägers umfassend und überzeugend. Der Senat macht sich dieses Gutachten bei seiner Überzeugungsbildung zu eigen.

Der Sachverständige hat überzeugend dargestellt, warum bei den anerkannten Schädigungsfolgen eine Änderung nicht eingetreten ist, also die versorgungsrechtlich relevanten Befunde seit dem letzten bestandskräftigen Bescheid weitgehend gleich geblieben sind. Insbesondere hat er dies ausführlich bezüglich der Durchblutungsstörungen begründet; dies macht sich der Senat zu eigen.

Die vom Kläger im Krieg erlittene und als Schädigungsfolge anerkannte Durchschussverletzung des linken Oberschenkels hat in der Nähe der venösen Abflussbahnen gelegen; eine Arterienverletzung ist nie beschrieben worden. Im Gutachten vom 03.06.1975 sind zur arteriellen Durchblutungssituation keine Aussagen enthalten gewesen. Allerdings sind in einem früheren Gutachten vom 24.03.1966 tastbare Fußpulse und eine seitengleiche Hautfarbe und Hauttemperatur beider Füße beschrieben worden. Diese Angabe ist dahingehend zu interpretieren, dass zum damaligen Zeitpunkt arterielle Durchblutungsstörungen nicht bestanden haben. Bei einer angiologischen Untersuchung im November/Dezember 2009 ist eine Minderdurchblutung der Beinarterien beidseits diagnostiziert worden. Weiter sind ausgeprägte arteriosklerotische Veränderungen festgestellt worden. Auch in den Halsschlagadern sind beispielsweise Veränderungen im Sinne einer Arteriosklerose nachgewiesen. Somit ist es, wie der Sachverständige Dr. G. erläutert hat, als höchstwahrscheinlich anzusehen, dass die arterielle Verschlusskrankheit der Beine im Rahmen eines generalisierten arteriosklerotischen Gefäßprozesses zu beurteilen ist, der in erster Linie veranlagungsbedingt aufgetreten ist. Mit der im Krieg erlittenen Verletzung hat dies nichts zu tun. Im Übrigen ist als Risikofaktor beim Kläger ein arterieller Bluthochdruck zu nennen. Eine Verursachung der arteriellen Verschlusskrankheit durch die Kriegsverletzung ist damit praktisch auszuschließen; eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs fehlt unzweifelhaft. Dies ist damit zu begründen, dass eine arterielle Gefäßverletzung im Zusammenhang mit der Durchschussverletzung nicht beschrieben worden ist, die arterielle Verschlusskrankheit sich auf beide Beine und auf die Unterschenkel bezieht, wobei anatomisch kein Zusammenhang erkennbar ist, da auch eine Gefäßverletzung am linken Oberschenkel nicht nachgewiesen ist, die Latenzzeit von 64 Jahren absolut gegen einen Zusammenhang spricht und ein Zusammenhang nur dann möglich wäre, wenn an der Stelle des Durchschusses eine isolierte Gefäßeinengung nachgewiesen werden hätte können, was nie der Fall gewesen ist. Auch sonstige mögliche schädigende Einflüsse im Rahmen des Wehrdienstes können nicht für die Durchblutungsstörungen der Beine verantwortlich gemacht werden.

Darauf, dass sich der beim Kläger als Schädigungsfolge anerkannte Persönlichkeitswandel verschlechtert hätte, deutet nichts hin. In den umfassend eingeholten ärztlichen Berichten wird an keiner Stelle über eine Verschlimmerung seit dem letzten bestandskräftigen Bescheid vom 22.02.2000 berichtet. Sofern der Kläger - wiederholt - Internetauszüge zum medizinischen Thema einer posttraumatischen Belastungsstörung vorgelegt hat, ergibt sich daraus nicht ansatzweise, warum beim Kläger eine Verschlimmerung seiner psychischen Schädigungsfolgen vorliegen könnte. Abgesehen davon, dass nach den allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen eine Verschlechterung psychischer Schädigungsfolgen in einem derart großen Abstand zum belastenden Ereignis ohnehin sehr unwahrscheinlich ist, hat der Kläger selbst, obwohl er teilweise sehr umfassend vorgetragen hat, nichts geschildert, was auf eine Verschlimmerung der psychischen Beeinträchtigungen hindeuten könnte. Im Übrigen muss dem Kläger entgegen gehalten werden, dass er dem Beklagten und dem Gericht möglicherweise entscheidende Fakten vorenthalten hat. So ist dem Bericht seines behandelnden Arztes Dr. P. vom 05.04.2013 zu entnehmen, dass der Kläger im Jahr 1983 bei einem Erdrutsch neben körperlichen Verletzungen auch ein offenbar schweres psychisches Verschüttungstrauma erlitten hat. Ob infolge des Verschweigens dieses Traumas beim Kläger ein zu hoher Einzel-GdS auf psychiatrischem Fachgebiet angenommen worden ist und daher gegebenenfalls der der Versorgung zugrunde gelegte GdS zu hoch ist, ist in diesem Verfahren ohne rechtliche Bedeutung.

2.3. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer, als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen

Neue Gesundheitsstörungen, die Schädigungsfolgen darstellen könnten und nach der letzten bestandskräftigen Entscheidung (Bescheid vom 22.02.2000) aufgetreten sind und daher im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 48 SGB X Berücksichtigung finden könnten, sind nicht nachgewiesen.

Sofern der Kläger die Anerkennung eines Wirbelsäulenleidens als Schädigungsfolge anstrebt, scheitert dies schon daran, dass dieses Leiden bereits lange vor dem Bescheid vom 22.02.2000 vorgelegen hat.

Sowohl den Akten als auch dem eigenen expliziten Vorbringen des Klägers auf Nachfrage des Senats ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Wirbelsäulenbeschwerden bereits seit Jahrzehnten vorliegen. Sie waren beispielsweise bereits Gegenstand des Bescheids vom 06.04.1966 (damals Ablehnung der Anerkennung als Schädigungsfolgen). Der Kläger selbst hat gegenüber dem Senat mit Schreiben vom 18.07.2014 angegeben, dass er seit 1945 Wirbelsäulenbeschwerden habe und deshalb erstmals im Jahr 1966 behandelt worden sei. Damit scheidet eine Anerkennung als Schädigungsfolge hier im Rahmen des Verfahrens gemäß § 48 SGB X schon deshalb aus, weil dieses Leiden nicht erst nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid aufgetreten ist.

Es kommt daher im Ergebnis auch nicht darauf an, dass - unabhängig vom zeitlich-rechtlichen Gesichtspunkt - auch aus medizinisch-rechtlichen Kausalitätsgründen eine Anerkennung als Schädigungsfolge nicht in Betracht käme. So hat der Sachverständige Dr. G. überzeugend dargelegt, dass die Wirbelsäulenbeschwerden Ausfluss eines allgemeinen degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkprozesses sind. Im Übrigen müsste dem Kläger auch entgegen gehalten werden, dass er einen potentiell naheliegenden Grund für seine Wirbelsäulenbeschwerden bisher verschwiegen hat. Dem Bericht seines behandelnden Arztes Dr. P. vom 05.04.2013 ist nämlich zu entnehmen, dass der Kläger im Jahr 1983 bei einem Erdrutsch eine Wirbelsäulenverletzung erlitten hat. Insofern liegt der Eindruck nicht ganz fern, dass der Kläger versucht, etwaige daraus resultierende Beschwerden als Folgen einer Kriegsverletzung, die versorgungsrelevant sein könnte, darzustellen.

Alle weiteren beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen sind, wie Dr. G. nachvollziehbar erläutert hat, keinesfalls mit der im Krieg erlittenen Verletzung in Zusammenhang zu bringen, so dass sich der Senat Überlegungen zum erstmaligen Auftreten ersparen kann.

Der Beklagte und das SG haben daher zur Recht eine Verschlimmerung von Schädigungsfolgen nicht gesehen.

3. Kein Gutachten gemäß § 109 SGG bei Dr. B.

Dem Antrag gemäß § 109 SGG ist der Senat nicht nachkommen, da es sich bei dem benannten Arzt um einen nicht in Deutschland, sondern in Österreich (A-Stadt) tätigen Arzt handelt und besondere Gründe für die Auswahl gerade dieses im Ausland tätigen Arztes nicht gegeben sind.

Das BSG hat sich im Urteil vom 20.04.2010, Az.: B 1/3 KR 22/08 R, mit der Frage einer Beauftragung eines ausländischen Arztes gemäß § 109 SGG befasst und dazu Folgendes ausgeführt:

„Der ernannte Sachverständige ist somit nach den §§ 407, 407a, 409, 411 ZPO zur Erstattung des Gutachtens verpflichtet, er kann im Weigerungsfalle mit einem Ordnungsgeld belegt und notfalls durch Wiederholung zur Erstattung des Gutachtens sowie zum Erscheinen vor Gericht gezwungen werden. Der nach § 109 SGG zum Sachverständigen ernannte Arzt muss deshalb in diesem Sinne für die deutsche Gerichtsbarkeit erreichbar sein. Dies ist aber bei einem im Ausland befindlichen Arzt grundsätzlich nicht der Fall. Denn die deutsche Gerichtsbarkeit macht an den Grenzen Deutschlands halt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 363 RdNr. 2). Es kann daher nicht der Sinn des § 109 SGG sein, das deutsche Gericht zur Anhörung eines Sachverständigen im Ausland zu zwingen, obwohl dieser nicht den Vorschriften des deutschen Prozessrechts unterliegt und deshalb die Beweisaufnahme nach den geltenden Verfahrensvorschriften nicht durchgeführt werden kann oder das Gericht zumindest die ordnungsgemäße Prozessführung aus der Hand geben müsste. Damit kann aber eine uneingeschränkte Pflicht des Gerichts, nach § 109 SGG auch einen lediglich im Ausland tätigen Arzt entweder unmittelbar oder durch Vermittlung einer ausländischen Behörde (§§ 363, 402 ZPO) mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen, nicht anerkannt werden. Das Recht auf Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG findet daher weiterhin grundsätzlich dort seine Grenze, wo auch der deutschen Gerichtsbarkeit Schranken gesetzt sind, nämlich an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland.

Ob insoweit durch die Regelung der §§ 1072 ff ZPO aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl EG L 174, 1) für alle Verfahren nach dem SGG eine Erweiterung stattgefunden hat, weil der Begriff der Zivil- oder Handelssachen europarechtskonform weit auszulegen ist, bedarf hier indes keiner Vertiefung. Auch soweit diese Regelungen nicht über § 202 SGG in Verfahren nach dem SGG einbezogen sind, muss das Gericht dem Antrag auf Anhörung eines im Ausland wohnhaften Arztes jedenfalls dann entsprechen, wenn besondere Gründe für die Auswahl gerade eines solchen Arztes vorliegen (so BSG SozR Nr. 38 zu § 109 SGG; Hauck in: Zeihe, a. a. O., § 109 RdNr. 4a; Pawlak in: Hennig, a. a. O., § 109 RdNr. 25; weitergehend Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 RdNr. 5a; Roller in: Lüdtke, Hk-SGG, 3. Aufl. 2009, § 109 RdNr. 7). Das ist z. B. anzunehmen, wenn eine Spezialfrage zu beantworten ist und der ausländische Arzt hierfür eine besondere Sachkunde aufweist (so: Keller und Roller, ebenda).“

Dass der gemäß § 109 SGG benannte Arzt als Internist und Angiologe über besondere Fachkenntnisse verfügen würde, die ein deutscher Arzt nicht haben könnte, hat weder der Kläger vorgetragen noch ist dies realistisch vorstellbar. Wie der Internetseite dieses Arztes (http://www...) zu entnehmen ist, handelt es sich um einen Facharzt in einer Privatklinik, der sich auf konservative und invasive Angiologie und Rehabilitationsmedizin spezialisiert hat. Daneben übt er eine Lehrtätigkeit an der Medizinischen Universität A-Stadt aus. Dieses Ausbildungs- und Tätigkeitsprofil unterscheidet sich nicht von dem, wie es auch bei nicht wenigen deutschen Ärzten zu finden ist. Irgendwelche Spezialfragen, die nur ganz besondere Spezialisten beantworten könnten, stehen zudem nicht im Raum. Genauswenig kann die Tatsache, dass der gemäß § 109 SGG benannte Arzt der behandelnde Arzt des Klägers ist - dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht des Dr. B. vom 13.12.2013 -, einen besonderen Grund für die Benennung des Dr. B. darstellen. Denn allein die Eigenschaft als behandelnder Arzt kann eine bessere Eignung zur Begutachtung nicht begründen. Vielmehr kann eine derartige Arzt-Patienten-Beziehung bei dem gleichzeitig als Sachverständigen tätigen Arzt auch einen Interessenkonflikt begründen, der einer unparteiischen Begutachtung möglicherweise hinderlich ist. Schließlich begründet auch der Gesichtspunkt, dass der Kläger selbst im Ausland lebt, kein vorbehaltloses Recht, einen ausländischen Arzt gemäß § 109 SGG zu benennen. Zwar ist dem Urteil des BSG vom 27.01.1970, Az.: 9 RV 80/69, zu entnehmen, dass es für die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei einem ausländischen Arzt sprechen kann, wenn der Kläger im Ausland lebt. Allein der ausländische Wohnsitz eines Klägers kann aber eine Verpflichtung des Gerichts, bei einem ausländischen Arzt ein Gutachten einzuholen, nicht begründen. Dies wird auch aus dem Urteil des BSG vom 27.01.1970 deutlich, wenn dort neben dem ausländischen Wohnsitz des Klägers noch verlangt wird, dass „außerdem noch die Einholung eines Gutachtens eines ausländischen Arztes unter den konkreten Umständen des Einzelfalles sachgemäß und deshalb geboten erscheint.“ Es muss daher neben dem ausländischen Wohnsitz des Klägers noch ein weiterer Grund für die Beauftragung des ausländischen Arztes vorhanden sein. Daran fehlt es hier. Insbesondere kann nicht allein der gesundheitliche Zustand, der eine Anreise des Klägers nach Deutschland zwar erschwert, nach den vorliegenden medizinischen Erkenntnissen aber ihr nach der Überzeugung des Senats nach Abwägung aller Gesichtspunkte nicht entscheidend entgegensteht, diesen weiteren Grund darstellen. Denn anderenfalls würde die Begutachtung gemäß § 109 SGG bei im Ausland lebenden Klägern fast zum Regelfall, da die Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren nicht selten gesundheitlich angeschlagen sind und dann so die Begutachtung bei einem ausländischen Arzt erzwingen könnten. Dies wäre mit der Prämisse des BSG, dass es nur in besonderen Fällen angezeigt sein kann, eine Begutachtung gemäß § 109 SGG bei einem ausländischen Arzt zuzulassen, nicht vereinbar.

Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Annotations

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.

(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, der sich hierzu vor Gericht bereit erklärt hat.

(1) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger sowie innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden kann. Ist das nicht der Fall, so hat der Sachverständige das Gericht unverzüglich zu verständigen.

(2) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Der Sachverständige hat dem Gericht solche Gründe unverzüglich mitzuteilen. Unterlässt er dies, kann gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden.

(3) Der Sachverständige ist nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt.

(4) Hat der Sachverständige Zweifel an Inhalt und Umfang des Auftrages, so hat er unverzüglich eine Klärung durch das Gericht herbeizuführen. Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen.

(5) Der Sachverständige hat auf Verlangen des Gerichts die Akten und sonstige für die Begutachtung beigezogene Unterlagen sowie Untersuchungsergebnisse unverzüglich herauszugeben oder mitzuteilen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so ordnet das Gericht die Herausgabe an.

(6) Das Gericht soll den Sachverständigen auf seine Pflichten hinweisen.

(1) Wenn ein Sachverständiger nicht erscheint oder sich weigert, ein Gutachten zu erstatten, obgleich er dazu verpflichtet ist, oder wenn er Akten oder sonstige Unterlagen zurückbehält, werden ihm die dadurch verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt. Im Falle wiederholten Ungehorsams kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden.

(2) Gegen den Beschluss findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Für die Durchführung der Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (ABl. L 405 vom 2.12.2020, S. 1) in ihrer jeweils geltenden Fassung gelten die §§ 1072 und 1073. Soweit die Verordnung (EU) 2020/1783 für die Beweisaufnahme im Ausland nicht maßgeblich ist, gelten hierfür die Absätze 2 und 3.

(2) Die Beweisaufnahme im Ausland ist nach denjenigen völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen, die im Verhältnis zu dem jeweiligen Staat gelten. Das Ersuchen zur Durchführung der Beweisaufnahme im Ausland ist von dem Vorsitzenden des Prozessgerichts zu stellen. Sieht eine völkerrechtliche Vereinbarung mehrere Wege zur Aufnahme von Beweisen vor, soll die Beweisaufnahme nur dann durch einen deutschen Konsularbeamten erfolgen, wenn ihre Erledigung durch die Behörden des ausländischen Staates nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten ist oder ein sonstiger begründeter Ausnahmefall vorliegt.

(3) Bestehen keine völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Beweisaufnahme im Ausland, ersucht der Vorsitzende des Prozessgerichts die Behörden des ausländischen Staates um Aufnahme des Beweises. Ist eine Beweisaufnahme durch diese nicht oder nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten oder liegt sonst ein begründeter Ausnahmefall vor, so kann der Vorsitzende des Prozessgerichts deutsche Konsularbeamte um Aufnahme des Beweises ersuchen.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.