Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 11 AS 612/13

bei uns veröffentlicht am26.02.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.07.2013 sowie der Bescheid vom 21.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011 aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Nichtwahrnehmung eines Meldetermins.

Der Kläger bezog seit Juli 2007 Alg II. Mit Bescheid vom 06.08.2009 bewilligte ihm der Beklagte u. a. für den Zeitraum 01.12.2009 bis 30.06.2010 monatlich 287,55 €. Die Fortzahlung des Alg II ab 01.07.2010 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2011 ab. Eine dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage (S 15 AS 870/11) wurde durch Klagerücknahmefiktion beendet, weil der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betrieben hatte.

Mit Schreiben vom 30.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011 lud der Beklagte den Kläger zum Zwecke der Vermittlung von Arbeit, Ausbildung oder einer Arbeitsgelegenheit, der Vorbereitung von Eingliederungsmaßnahmen sowie der Vorbereitung bzw. des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung für den 07.05.2010 ein. Dabei wurde auf die Rechtsfolgen insbesondere die Minderung des Alg II um 10 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung für drei Monate hingewiesen, die eintreten würden, sollte der Meldeaufforderung nicht Folge geleistet werden.

Nachdem der Kläger der Meldeaufforderung vom 30.04.2010 nicht nachgekommen war, senkte der Beklagte mit Bescheid vom 21.05.2010 die Regelleistung des Klägers um 10 vom Hundert für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.08.2010 ab. Der Hinweis des Klägers auf seine Meinung über die Politik in der Bundesrepublik Deutschland stelle keinen wichtigen Grund dar. Die Absenkung erfolge für den Fall, dass ein Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 01.07.2010 gestellt werde. Eine Entscheidung über eine Leistungsgewährung nach Ende des Bewilligungszeitraumes werde mit dem vorliegenden Bescheid ausdrücklich nicht getroffen. Auf dem in der Verwaltungsakte des Beklagten abgehefteten Entwurf des Bescheides ist u. a. vermerkt, der Bescheid sei nochmals am 26.05.2010 „mit Berechungsblatt“ zur Post gegeben worden. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2011 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Eine Vorsprache sei im Hinblick auf ein damals bereits anhängiges Gerichtsverfahren gegen den Beklagten nicht erforderlich gewesen. Er sei auch nicht anderweitig aufgeklärt worden. Im Übrigen fehle im Rahmen der Rechtsfolgenbelehrung und im Sanktionsbescheid die Angabe des konkreten Absenkungsbetrages. Mit Urteil vom 03.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid enthalte zumindest konkludent sowohl die Feststellung der Minderung als auch eine teilweise Aufhebung der aktuellen Leistungsbewilligung. Dies ergebe sich aus der Begründung nebst dem beigefügten Berechnungsblatt. Trotz ordnungsgemäßer schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung sei der Kläger zum Termin am 07.05.2010 nicht erschienen. Für das Fernbleiben gebe es keinen wichtigen Grund. Der Bescheid sei hinreichend bestimmt, da der konkrete Absenkungsbetrag eindeutig dem beigefügten Berechnungsblatt habe entnommen werden können. Zudem habe sie aus dem Verfügungssatz des Sanktionsbescheides unter Hinzuziehung des Bewilligungsbescheides ermittelt werden können. Eine Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger aus, seine überregionale, nicht gewerbliche Tätigkeit als Umweltaktivist führe zu einer Freistellungspflicht durch den Arbeitgeber bzw. bei Erwerbslosigkeit durch die Versorgungsbehörde.

Der Kläger beantragt:

„1. Die Gemeinnützigkeit meiner Tätigkeit als freischaffender Umweltaktivist wird grundsätzlich als Nothilfe im Sinne der Helfergleichstellung anerkannt. Daraus ergibt sich auch eine rückwirkende Freistellung vom gewerblichen Arbeitsmarkt während des Streitzeitraums.

2. Sind die für eine unabhängige Abwägung erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben, so dass eine belastbare Entscheidung der Hauptsache nicht möglich ist, ist unter Aussetzung der Hauptsacheentscheidung der einstweilige Rechtsschutz zu bekräftigen.

3. Die ausstehende Grundsicherung in Höhe von ca. 20.000 € ist unverzüglich auszuzahlen. Auf Versicherungskosten wird mit Zustimmung der nicht verwendeten Krankheitsversicherung verzichtet.

4. Aufgrund der verursachten Umstände möchte das Landratsamt W. zusätzlich zehn Prozent der Streitsumme an die im Schriftsatz benannte gemeinnützige Organisation zahlen.“

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit dem Hinweis im Sanktionsbescheid, es müsse für die Zeit ab 01.07.2010 ein Weiterbewilligungsantrag gestellt werden, habe man lediglich klarstellen wollen, dass an sich noch keine Aussage über eine Leistungsbewilligung und deren Höhe getroffen werden sollte. In Bezug auf eine Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides für Juni 2010 ändere der Sanktionsbescheid lediglich den Auszahlungsanspruch und nicht den Leistungsanspruch. Dies folge aus §§ 31b Abs. 1 Satz 1 und 39 Nr. 1 SGB II. Damit habe es auch einer speziellen Anhörung bezüglich der Aufhebung des Bescheides vom 06.08.2009 nicht bedurft. Der vom Kläger vorgenommenen Klageänderung werde nicht zugestimmt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 145, 153 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG vom 03.07.2013 ist aufzuheben. Der Bescheid vom 21.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Unter Berücksichtigung des bisherigen Vorbringens und bei rechtsschutzzielorientierter Auslegung (vgl. dazu im Einzelnen: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 123 Rn. 3) begehrt der Kläger zunächst, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.07.2013 sowie den Bescheid vom 21.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011 aufzuheben. Gegenstand des Verfahrens ist dabei allein der Bescheid vom 21.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 03.07.2013 hat der im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Kläger eine reine Anfechtungsklage erhoben. Auch im Berufungsverfahren ist insofern keine (zusätzliche) reine Leistungsklage auf Auszahlung der mit ggf. trotz der Sanktion nicht aufgehobenem Bescheid vom 06.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2009 für Juni 2010 bewilligten Leistungen erhoben worden. Es kann damit dahinstehen, ob eine entsprechende Klageänderung i. S. einer Klageerweiterung (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG) zulässig wäre (vgl. zur fehlenden Sachdienlichkeit einer solchen Klageänderung: Urteil des Senats vom 23.04.2014 - L 11 AS 512/13). Soweit der Kläger zuletzt darüber hinaus die Feststellung der Gemeinnützigkeit seiner Tätigkeit, einstweiligen Rechtsschutz unter Aussetzung der Hauptsache, ausstehende Grundsicherungsleistungen in Höhe von ca. 20.000 € und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 10% der Streitsumme an eine gemeinnützige Organisation begehrt, ist diese Klageerweiterung bzw. Klageänderung unzulässig. Der Klageänderung hat der Beklagte nicht zugestimmt und der Senat hält sie auch nicht für sachdienlich (§ 99 Abs. 1 SGG), denn der Rechtsstreit würde auf eine völlig neue Grundlage gestellt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 99 Rn. 10a). Gründe der Prozessökonomie sprechen vorliegend nicht für eine Sachdienlichkeit.

Die gegenüber dem Kläger verfügte Leistungsabsenkung für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.08.2010 war rechtswidrig. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom 30.07.2004 (BGBl I 2014) wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn dieser trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.

Der Beklagte hat den Kläger vorliegend mit Schreiben vom 30.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011 unter Angabe eines zulässigen Meldezweckes und mit einer zutreffenden und hinreichend konkreten Rechtsfolgenbelehrung ordnungsgemäß zu einem Meldetermin am 07.05.2010 um 10:30 Uhr eingeladen. Dem Kläger stand für sein Fernbleiben von diesem Termin kein wichtiger Grund zur Seite. Soweit er auf ein seinerzeit bereits anhängiges Verfahren verwiesen hat, bei dem es um die Berücksichtigung seiner ehrenamtlichen umweltpolitischen Aktivität ging, war dies nicht geeignet, seine Weigerung zum Erscheinen beim Beklagten zu entschuldigen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II müssen erwerbsfähige Hilfebedürftige alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Sie müssen aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Hierfür ist es u. a. nötig, dass im Rahmen eines persönlichen Gesprächs Potentiale ermittelt und Chancen ausgelotet werden, wie der Kläger wieder in den Arbeitsmarkt integriert wird oder auf welche andere Weise seine Bedürftigkeit gemindert werden kann. Damit wird schon offensichtlich alleine im Hinblick auf einen bloßen Vorsprachetermin nicht unzumutbar in die Belange des Klägers eingegriffen. Die Ausübung seines ehrenamtlichen Engagements für den Umweltschutz wird damit nicht unzulässig eingeschränkt.

Allerdings erfolgte die mit Bescheid vom 21.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011 angeordnete Absenkung der Regelleistung um 10 vom Hundert für die Zeit vom 01.06.2010 bis 31.08.2010 „für den Fall, dass ein Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 01.07.2010 gestellt wird“. Damit hat der Beklagte die Absenkung der Regelleistung in unzulässiger Weise mit einer Bedingung verknüpft. Dies geschah insofern nicht beschränkt für die Zeit ab 01.07.2010, für die im Zeitpunkt des Erlasses des Sanktionsbescheides noch keine Leistungen bewilligt waren. Eine entsprechende Beschränkung ist der Regelung unter Berücksichtigung eines objektiven Empfängerhorizontes nicht zu entnehmen. Alleine der weitere Satz im Bescheid vom 21.05.2010 stellt klar, dass der Sanktionsbescheid keine Entscheidung über Leistungen ab 01.07.2010 enthalten sollte. Dies steht aber auch mit der Feststellung des Eintritts der Sanktion in keinen Zusammenhang.

Mit einer Nebenbestimmung darf nach § 32 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Bei dem hier angefochtenen Sanktionsbescheid handelt es sich zwar um einen gebundenen Verwaltungsakt, aber nicht um einen solchen, auf den der Kläger einen Anspruch hätte. Zudem ist eine Nebenbestimmung im Rahmen des § 31 Abs. 2 SGB II nicht gesetzlich vorgesehen und die vom Beklagten verfügte Bedingung stellt auch nicht die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der Sanktion sicher. Liegen die Voraussetzungen eines Meldeversäumnisses nach § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB II vor, tritt die Sanktionsfolge bereits kraft Gesetzes ein (vgl. S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 32 Rn. 32). Die Stellung eines Fortzahlungsantrages für die Zeit ab 01.07.2010, für die im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 21.05.2010 noch keine Leistungen bewilligt waren, bedurfte es hierfür nicht. Werden in einem solchen Fall keine Leistungen für die restliche Zeit des Sanktionszeitraums mehr beantragt oder bewilligt, geht die Sanktion alleine ins Leere (vgl. S. Knickrehm/Hahn, a. a. O., § 31b Rn. 15).

Auch auf § 32 Abs. 2 SGB X kann sich die Nebenbestimmung nicht stützen. Danach darf ein Verwaltungsakt unbeschadet des Abs. 1 mit den unter Nrn. 1-5 genannten Voraussetzungen mit Nebenbestimmungen versehen werden. Der Erlass der Nebenbestimmung und deren wesentlicher Inhalt steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen (§ 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -) der Behörde (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 32 Rn. 11). Es kann dahinstehen, ob sich diese Regelung nur auf Ermessenverwaltungsakte beschränkt, die unter eine Nebenbestimmung gestellt werden sollen, mangels eines eingeräumten Ermessens beim Erlass von Sanktionsbescheiden wäre die Bedingung schon deshalb rechtswidrig oder nicht (vgl. zu diesem Streit Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Juni 2006, § 32 Rn. 39 m. w. N.). In jedem Fall würde es an einer Ermessensausübung des Beklagten im Hinblick auf die Anordnung der Nebenbestimmung fehlen, so dass bereits deshalb das Verknüpfen der Sanktion mit der Bedingung eines Fortzahlungsantrages rechtswidrig wäre.

Die Nebenbestimmung ist vorliegend auch nicht isoliert aufzuheben. Sie schlägt sich vielmehr in der Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheides als solchem nieder. Der Kläger hat sich mit einer Anfechtungsklage nicht isoliert gegen die Nebenbestimmung gewandt. In ausreichender Weise hat er den Sanktionsbescheid als solchen angefochten (vgl. dazu auch Littmann in Hauck/Noftz, a. a. O., § 32 Rn. 9). Sein Rechtsschutzziel war nicht darauf ausgelegt, alleine die Nebenbestimmung zu beseitigen, sondern die Sanktion als solche. Im Übrigen ist die Wirksamkeit der Absenkung der Regelleistung auch untrennbar mit der Bedingung verbunden worden, da damit der Eintritt der Sanktion von der Stellung eines Fortzahlungsantrages abhängig gemacht werden sollte.

Im Übrigen ist anzumerken, dass der Beklagte seinen Bewilligungsbescheid vom 06.08.2009 nicht aufgehoben und mit dem Sanktionsbescheid vom 21.05.2010 alleine eine Absenkung des Anspruchs auf Alg II festgestellt hat. Für die Rechtslage bis 31.03.2011 wurde eine Aufhebung einer zuvor erfolgten Leistungsbewilligung für notwendig angesehen (vgl. dazu insbesondere BSG, Urteil vom 17.12.2009 B 4 AS 30/09 R juris = SozR 4-4200 § 31 Nr. 3), weil andernfalls weiterhin ein Zahlungsanspruch aus der ursprüngliche Leistungsbewilligung besteht. Das bloße Beifügen eines Berechnungsblattes für den Juni 2010 kann auch nicht als konkludente Aufhebungsentscheidung angesehen werden. Es handelt sich insoweit nicht um einen durch konkludentes Handeln erlassenen Verwaltungsakt, der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X wirksam wäre, weil ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder „in anderer Weise“ erlassen werden kann. Damit wird zwar auch konkludentes Handeln der Verwaltung erfasst. Es muss dabei aber stets Anhaltspunkte dafür geben, dass die Behörde die Rechtslage geprüft und eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat und auch treffen wollte (BSG, Urteil vom 07.07.2005 B 3 P 12/04 R - juris). Vorliegend ist schon ein Wille des Beklagten zum Erlass einer entsprechenden Regelung nicht erkennbar. So fehlen nicht nur im Sanktionsbescheid sondern auch im Widerspruchsbescheid Ausführungen zu einer etwaigen Rechtsgrundlage für die Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung für Juni 2010. Auch die Anhörung des Klägers vor Erlass des Sanktionsbescheides bezog sich nicht auf eine Aufhebung der früheren Bewilligung. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte zuletzt darauf verwiesen, es bedürfe gar keiner Aufhebungsentscheidung und dabei zu Unrecht, da für den vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht anwendbar auf die aktuellen Regelungen in § 31b SGB II verwiesen.

Nach alledem war die Berufung in der Hauptsache erfolgreich. Das Urteil des SG ist ebenso aufzuheben wie der mit der reinen Anfechtungsklage angegriffene unzulässigerweise mit einer Nebenbestimmung versehene Bescheid vom 21.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2011.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 11 AS 612/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 11 AS 612/13

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 11 AS 612/13 zitiert 16 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 99


(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 24 Abweichende Erbringung von Leistungen


(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 33 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31 Pflichtverletzungen


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis1.sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,2.sich weigern, eine zu

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 2 Grundsatz des Forderns


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mu

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 39 Ermessensleistungen


(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf p

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 32 Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt


(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfü

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31b Beginn und Dauer der Minderung


(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tri

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 11 AS 612/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 11 AS 612/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Apr. 2014 - L 11 AS 512/13

bei uns veröffentlicht am 23.04.2014

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.05.2013 und der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 aufgehoben. II. Der Beklagte hat die

Referenzen

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.05.2013 und der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Verhinderung der Anbahnung einer Tätigkeit.

Der 1983 geborene Kläger bezog nach einer Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann zuletzt aufgrund des Bescheides vom 28.01.2013 wegen der fehlenden Nebenkostenabrechnung und schwankenden Einkommens aus einer geringfügigen Tätigkeit vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.07.2013. Dabei war für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.03.2013 eine Sanktion in Höhe von 224,40 € aufgrund des Minderungsbescheides vom 30.11.2012 (60 v. H. des Regelbedarfes wegen einer ersten wiederholten Pflichtverletzung) berücksichtigt. Vorangegangen war eine Minderung wegen einer ersten Pflichtverletzung mit Bescheid vom 21.03.2012 für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.06.2012.

Am 07.12.2012 unterbreitete der Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag (VV). Der Kläger solle sich bei der Firma S.-R. als Reiseverkehrskaufmann per Email bewerben und Zeugnisse vorlegen. Bei Weigerung, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, sehe das Gesetz Leistungsminderungen vor. Das Alg II des Klägers sei zuletzt aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden (vgl. Bescheid vom 30.11.2012). Weigere er sich, die ihm mit dem VV angebotene Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen, entfalle das ihm zustehende Alg II vollständig. Ein weiterer wiederholter Pflichtverstoß liege auch vor, wenn er die Aufnahme der angebotenen Arbeit durch negatives Bewerbungsverhalten vereitele. In seiner Email vom 20.12.2012 an die Firma S.-R. bewarb sich der Kläger mit dem Hinweis, dass er die Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann im Dezember 2011 beendet habe und sich seither ehrenamtlich in sozialen und wirtschaftlichen Bereichen (z. B. O.-B.) als auch bei der sozialen und wirtschaftlichen Integration von Hilfebedürftigen sowie im Dauerprotest der Flüchtlinge und bei der Integration der Flüchtlinge engagiere. Eine Tätigkeit im Reisebüro lasse sich wunderbar mit seinen privaten und politischen Interessen verbinden, da interessante Gespräche über die jeweiligen Situationen in Problemgebieten an der Tagesordnung seien und so auch unter den Reisenden ein Bewusstsein für deren Einfluss auf die entsprechenden Ziele gebildet werden könne. Die Firma S.-R. teilte der Beklagten daraufhin mit, der Kläger habe keine Zeugnisse übersandt. Auf Anhörung zum Inhalt der Bewerbung und zur Nichtvorlage von Zeugnissen erklärte der Kläger, er habe seine Zeugnisse aufgrund eines Umzuges nicht finden können, habe dies aber in seiner Bewerbung nicht erwähnt, um nicht unorganisiert zu erscheinen. In seiner Bewerbung müsse er sich auch nicht besser darstellen als er sei. Im Übrigen habe er in seinem Lebenslauf ausführliche Angaben zu seinem persönlichen und beruflichen Werdegang gemacht. Mit Bescheid vom 21.02.2013 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung des Alg II in Höhe von 229,20 € monatlich für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 fest. Die Bewerbung per Email habe nicht dem entsprochen, was man nach herrschender Meinung unter einer Bewerbung verstehe. Er sei allein auf sein ehrenamtliches Engagement und auf seine Privatinteressen eingegangen und habe auch keine Zeugnisse vorgelegt. Dies habe zur Verhinderung der Arbeitsaufnahme geführt. Wichtige Gründe für sein Verhalten seien nicht dargelegt worden. Seit dem Umzug im Juli 2012 habe er sich um den Ersatz von Zeugnissen kümmern können. Nachdem er wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei ("vorangegangene Pflichtverletzung siehe laut Bescheid vom 21.03.2012"), werde für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 eine Minderung des Alg II um 60 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt.

Den Minderungsbescheid vom 30.11.2012 hob der Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2013 auf. Mit Bescheid vom 21.03.2013 hob der Beklagte zudem den Bewilligungsbescheid vom 28.01.2013 für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.04.2013 teilweise auf. Eine vom Kläger zu zahlende Nebenkostennachzahlung in Höhe von 165,57 € werde übernommen. Abzuziehen sei ein Minderungsbetrag aufgrund der festgestellten Sanktion in Höhe von 229,20 €. Die Leistungsbewilligung erfolge weiterhin wegen der ungeklärten monatlichen Lohnhöhe vorläufig.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2013 zurück. Der Kläger habe die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses durch die Nichtvorlage der Zeugnisse verhindert. Die Rechtsfolgenbelehrung im Vermittlungsvorschlag sei ordnungsgemäß gewesen. Die Minderung des Alg II um lediglich 60 v. H. stelle gegenüber dem in der erteilten Rechtsfolgenbelehrung genannten vollständigen Wegfall einen Vorteil für den Kläger dar.

Gegen den Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und in der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2013 allein den Antrag gestellt, diese Bescheide aufzuheben. Mit Urteil vom 17.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe sich geweigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder deren Anbahnung durch sein Verhalten verhindert. Es handle sich um eine erste wiederholte Pflichtverletzung nach der mit Bescheid vom 21.03.2012 sanktionierten ersten Pflichtverletzung. Trotz ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung im Vermittlungsvorschlag habe der Kläger keine Zeugnisse vorgelegt. Unerheblich sei daher die Form und der Inhalt des Bewerbungsschreibens. Ein wichtiger Grund für die Nichtvorlage der Zeugnisse habe nicht vorgelegen. Diese in der Sphäre des Klägers liegende Nachlässigkeit des Verlegens seiner Zeugnisse sei ihm zuzurechnen und könne nicht als Entschuldigung dienen. Der Umstand, dass es nicht zu einem Wegfall des Alg II sondern lediglich zu einer Kürzung um 60 v. H. gekommen sei, stelle einen Vorteil für den Kläger dar. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung hat der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen hingewiesen. Seine Zeugnisse habe er zwischenzeitlich in einem Umzugskarton gefunden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.05.2013 sowie den Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 aufzuheben,

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, Alg II ohne Berücksichtigung einer Minderung wegen Nichtbewerbung aufgrund des Vermittlungsvorschlages vom 07.12.2012 aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 28.01.2013 in der Fassung des Bescheides vom 21.03.2013 für Mai 2013 auszuzahlen. Hilfsweise beantragt er die Vorlage des Verfahrens gemäß Artikel 100 GG an das Bundesverfassungsgericht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Bezugnahme auf den später aufgehobenen Sanktionsbescheid vom 30.11.2012 im VV sei unschädlich und im Zeitpunkt der Unterbreitung des VV zutreffend gewesen. Die Rechtsfolgenbelehrung zu einem vollständigen Wegfall des Alg II im Vermittlungsvorschlag stelle eine unschädliche Überbelehrung dar. Mit einer Klageänderung i. S. einer Klageerweiterung sei er nicht einverstanden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die vom Senat zugelassene Berufung (§§ 143, 144, 145, 153 Sozialgerichtsgesetz

-SGG-) ist begründet. Das Urteil des SG vom 17.05.2013 ist aufzuheben. Der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen [6] für die Feststellung des Eintritts einer Minderung des Anspruchs auf Alg II in Höhe von 60 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs liegen nicht vor.

Gegenstand des Verfahrens ist dabei allein der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 04.04.2013. Hiergegen hat der Kläger eine reine Anfechtungsklage erhoben, wie dem Protokoll des SG über die mündliche Verhandlung vom 17.05.2013 zu entnehmen ist. Die im Berufungsverfahren zudem hilfsweise erhobene reine Leistungsklage auf Auszahlung der mit - trotz der Sanktion zumindest für Mai 2013 nicht teilweise aufgehobenen - Bescheid vom 28.01.2013 in der Fassung des Bescheides vom 21.03.2013 bewilligten Leistungen stellt eine Klageänderung i. S. einer Klageerweiterung dar (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG), der Anspruch stützt sich auf einen anderen Lebenssachverhalt (vgl. dazu: § 99 Abs. 3 SGG). Der Klageänderung hat der Beklagte nicht zugestimmt und der Senat hält sie auch nicht für sachdienlich (§ 99 Abs. 1 SGG), denn der Rechtsstreit würde auf eine völlig neue Grundlage gestellt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 99 Rdnr.10a). Gründe der Prozessökonomie sprechen vorliegend nicht für eine Sachdienlichkeit.

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der seit 01.04.2012 geltenden Fassung verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16 d oder ein nach § 16 e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen oder nachweisen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Weder die Form noch der Inhalt des Bewerbungsschreibens per Email selbst hat die Anbahnung einer Tätigkeit verhindert. Die Firma S.-R. hat nämlich allein mitgeteilt, der Kläger habe keine Zeugnisse vorgelegt. Sonstige Gründe für ein Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses hat der mögliche Arbeitgeber nicht genannt. Somit ist davon auszugehen, dass für diesen Arbeitgeber der Inhalt der Bewerbung nicht ausschlaggebend war, den Kläger nicht einzustellen. Im Übrigen war das Schreiben des Klägers weder provokant noch abschreckend und die Firma S.-R. hat das Bewerbungsschreiben offensichtlich auch nicht so verstanden. Hinsichtlich der Form und des Inhaltes des Bewerbungsschreibens fehlt es somit an einem vorwerfbaren Verhalten des Klägers. Der Beklagte stellt hierauf letztendlich im Widerspruchsbescheid vom 04.04.2013 auch nicht mehr ab. Allerdings hat der Kläger, obwohl im VV gefordert, keine Zeugnisse vorgelegt und dadurch die Anbahnung einer Tätigkeit verhindert. Ob hierfür ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegt, wenn der Kläger die Zeugnisse infolge eines Umzuges zunächst nicht finden kann, kann dahingestellt bleiben.

Für den Eintritt einer Minderung fehlt es nämlich bereits an einer ordnungsgemäß erteilten, hinreichenden Rechtsfolgenbelehrung. § 31 Abs.1 SGB II setzt in allen dort geregelten Alternativen voraus, dass der Hilfebedürftige die von ihm geforderte Handlung "trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis" unterlassen hat. Die Wirksamkeit einer solchen Rechtsfolgenbelehrung setzt voraus, dass sie konkret, richtig und vollständig ist, zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot einer Arbeit(sgelegenheit) erfolgt, sowie den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung, die angebotene Arbeit(sgelegenheit) anzutreten, für ihn ergeben, wenn für diese Weigerung kein wichtiger Grund vorliegt. Diese strengen Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 Abs. 1 SGB II zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen. Nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen (vgl. zum Ganzen: BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - veröffentlicht in Juris). Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an. Sämtliche in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Diese in der Rechtssprechung der Landessozialgerichte und in der sozialrechtlichen Literatur weitgehend geteilte Auffassung ist insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs. 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich dabei an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen. Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf verweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs. 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Dabei hat das BSG auch den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen bei der Pflichtverletzung zu warnen. Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Dies leitet das BSG nicht zuletzt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ab, in der das Bundesverfassungsgericht betont hat, dass das SGB II insgesamt der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Sinne des Artikel 1 Abs. 1 i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) diene (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - veröffentlicht in Juris m. w. N.).

Diesen Anforderungen entspricht die vom Beklagten erteilte Rechtsfolgenbelehrung im VV vom 07.12.2012 nicht. Sie ist nicht verständlich. Zunächst wird im Rahmen einer Rechtsfolgenbelehrung auf eine erste wiederholte Pflichtverletzung mit Hinweis auf eine Minderung um 60 v. H. eingegangen (Bescheid vom 30.11.2012), so dass es bei einer Weigerung, die mit Vermittlungsvorschlag vom 07.12.2012 angebotene Arbeit aufzunehmen, zu einem Wegfall des Anspruches auf Alg II komme. Danach führt der Beklagten aus, eine "weitere wiederholte Pflichtverletzung" liege auch vor, wenn der Kläger die Aufnahme der angebotenen Arbeit durch "negatives Bewerbungsverhalten" vereitele. Aus dieser Formulierung wird bereits nicht klar, ob lediglich die Aufnahme der Arbeit nicht verhindert werden dürfe oder ob auch die Verhinderung der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses zu einem Wegfall führe. Nachdem der Gesetzgeber die letztgenannte Variante ausdrücklich zur Klarstellung seit 01.04.2011 im Gesetz erwähnt (vgl. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31 Rn. 46), ist es erforderlich, die Rechtsfolgenbelehrung auch auf diese zusätzliche Alternative zutreffend und inhaltlich richtig auszudehnen. Die vom Beklagten gewählte Formulierung vermischt allerdings den Oberbegriff der Weigerung der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit mit dem Begriff der Vereitelung der Anbahnung einer Tätigkeit.

Die erteilte Rechtsfolgenbelehrung leidet zudem an weiteren Unrichtigkeiten. Sie verweist zunächst als erste wiederholte Pflichtverletzung auf den Bescheid vom 30.11.2012, folgend auf eine erste Pflichtverletzung, die mit Bescheid vom 21.03.2012 festgestellt worden war. Der Bescheid vom 30.11.2012 ist jedoch nach Anfechtung durch den Kläger mit Bescheid vom 25.02.2013 aufgehoben worden, so dass die vorliegend zu prüfende Pflichtverletzung allenfalls eine erste wiederholte, nicht aber eine weitere wiederholte Pflichtverletzung darstellen kann. Die Rechtsfolgenbelehrung ist auch insofern unrichtig, als der Kläger dabei über die Folgen aufgrund des weiteren wiederholten Pflichtverstoßes (Wegfall des Alg II) aufgeklärt worden ist, nicht jedoch über die Folgen einer ersten wiederholten Pflichtverletzung (Minderung um 60 v. H.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ankündigung eines Wegfalles des Alg II die Leistungsbezieher ggf. zu einem anderen Verhalten veranlasst als die Androhung einer (bloßen) Minderung. Die Betroffenen müssen vorher wissen, welche Folgen auf sie konkret zukommen, um entscheiden zu können, ob sie einer Pflicht bzw. Obliegenheit Folge leisten oder nicht. Somit ist auch eine "Überbelehrung" eine unrichtige Belehrung. Auch wenn der Kläger über die Rechtsfolge der bloßen Minderung bereits durch die vor Erlass des Bescheides vom 30.11.2012 erteilte Rechtsfolgenbelehrung eventuell informiert worden sein sollte, so ist von ihm nicht zu erwarten, dass er nach Erhalt des VV vom 07.12.2012 hinsichtlich der Verhinderung der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses bei der Firma S.-R. aktuell die Kenntnis davon hatte, dass (nach später erfolgter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2012) nur eine Minderung um 60 v. H. in Betracht komme. Dazu müsste ihm auch aktuell der vorangegangene Pflichtverstoß, der mit Bescheid vom 21.03.2012 sanktioniert wurde, und auch die daraus resultierende Jahresfrist (vgl. § 31 a Abs. 1 Satz 5 SGB II) bekannt sein (vgl. dazu Knickrehm/Hahn a. a. O. § 31 Rn. 61/62). Erforderlich ist jedoch eine zeitnahe Rechtsfolgenbelehrung (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 a. a. O.). Den Nachweis der Kenntnis zu führen, gelingt dem Beklagten vorliegend nicht, zumal auch nicht erkennbar ist, dass der Mitarbeiter des Beklagten eventuell bei der Übergabe des Vermittlungsvorschlages am 07.12.2012 Anlass gehabt hätte, hierauf in einer mündlichen Belehrung einzugehen. Somit ist der Hinweis auf die erste wiederholte Pflichtverletzung, die auch für die Berechnung der Jahresfrist gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 5 SGB II von entscheidender Bedeutung ist, und der Hinweis, welches Verhalten sanktioniert werden kann, falsch bzw. in ihrem objektiven Erklärungswert zumindest unverständlich. Eine Kenntnis der Rechtsfolgen bei einem ersten wiederholten Pflichtverstoß ist dem Kläger nach Erhalt des VV vom 07.12.2012 nicht nachzuweisen.

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers hin das Urteil des SG vom 17.05.2013 und der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 aufgrund der erhobenen reinen Anfechtungsklage aufzuheben. Dahingestellt bleiben kann daher, dass der Bescheid vom 21.02.2013 bereits von einer Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 30.11.2012 ausging, obwohl dieser erst mit Bescheid vom 25.02.2013 aufgehoben wurde. Auf die hilfsweise gestellten Anträge des Klägers ist wegen des Erfolges in der Hauptsache nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Die Frage, ob zusätzlich zur Feststellung des Eintritts einer Sanktion die entsprechende (teilweise) Aufhebung eines von der Sanktion betroffenen Bewilligungsbescheides erfolgen muss, war vorliegend nicht zu klären.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.

(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.

(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere einen Kooperationsplan abschließen. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit

1.
einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung),
2.
einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung),
3.
einem Vorbehalt des Widerrufs
oder verbunden werden mit
4.
einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage),
5.
einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage.

(3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit

1.
einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung),
2.
einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung),
3.
einem Vorbehalt des Widerrufs
oder verbunden werden mit
4.
einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage),
5.
einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage.

(3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.