Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 29. Juli 2015 - L 15 VG 19/15 B PKH

published on 29/07/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 29. Juli 2015 - L 15 VG 19/15 B PKH
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Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 2. April 2015 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zugrunde liegt ein Rechtsstreit aus dem Opferentschädigungsrecht, in dem die Klägerin und jetzige Beschwerdeführerin die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Versorgung begehrt.

Der Beklagte und jetzige Beschwerdegegner lehnte nach der Einholung eines ärztlichen Gutachtens bei Dr. E. (Gutachtensdatum: 26.08.2014) mit Bescheid vom 15.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2015 die Anerkennung von Schädigungsfolgen sowie die Gewährung von Versorgung ab.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 12.02.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg. Die Klage wurde damit begründet, dass die Ausführungen der vom Beschwerdegegner beauftragten Gutachterin im Hinblick auf die Ausführungen des die Beschwerdeführerin seit 2012 behandelnden Nervenarztes Dr. V. nicht nachvollziehbar seien. Dieser über einen langen Zeitraum behandelnde Arzt sei durchaus in der Lage, seine Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung korrekt darzustellen.

Gleichzeitig ist Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und die dafür erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt vorgelegt worden.

Das SG hat anschließend bei dem von der Klägerin angegebenen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. V. einen Befundbericht angefordert. Dieser hat im Befundbericht vom 26.03.2015 unter anderem über die Diagnose eines Verdachts auf posttraumatische Belastungsstörung berichtet.

Mit Beschluss vom 02.04.2015 hat das SG die Gewährung von PKH abgelehnt. Begründet hat das SG die Ablehnung damit, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe; das vom Beschwerdegegner im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten sei überzeugend. Gegen das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten habe - so das SG - die Klägerin keine begründeten Einwände erhoben, die über die Beiziehung der Verwaltungsakte und eines aktuellen Befundberichts hinausgehende Ermittlungen durch das Gericht bedingen würden. Die pauschale Behauptung der Beschwerdeführerin, dass sich aus den Befundberichten des Dr. V. ergebe, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, verkenne, dass dieser Arzt zu keinem Zeitpunkt die Behauptung aufgestellt habe, dass das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Beschwerdeführerin gesichert sei. Vielmehr habe Dr. V. in den im Verwaltungsverfahren eingeholten Befundberichten lediglich einen Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung geäußert. Auch der vom SG selbst eingeholte aktuelle Befundbericht weise nur die Verdachtsdiagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung auf, so dass sich insoweit kein Unterschied zu den vorherigen Befundberichten ergebe.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 06.05.2015 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Beschwerde hat sie wie folgt begründet: Nachdem sich das SG veranlasst gesehen habe, im vorliegenden Verfahren bei dem bisher behandelnden Nervenarzt Dr. V. einen Befundbericht anzufordern, habe es den Antrag auf PKH im Wesentlichen damit abgelehnt, dass die Gutachterin im Widerspruchsverfahren keine Schädigungsfolgen feststellen habe können. Im aktuellen Befundbericht des behandelnden Nervenarztes sei aber nach wie vor die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ in den Raum gestellt. Das Gutachten im Verwaltungsverfahren könne nicht überzeugen und habe auch nicht die Annahme des behandelnden Arztes entkräften können. Zudem seien bestimmte Annahmen im Gutachten, z. B. zur Einrichtung einer rechtlichen Betreuung, falsch gewesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber unbegründet.

Die Entscheidung des SG, die Gewährung von PKH wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abzulehnen, ist nicht zu beanstanden. Der Senat kann zu keinem Zeitpunkt eine hinreichende Aussicht auf Erfolg erkennen.

1. Voraussetzungen für die Gewährung von PKH - allgemein

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Aussicht auf Erfolg ist unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bezüge auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78). Verfassungsrechtlich ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Aussicht auf Erfolg soll aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, Az.: 2 BvR 94/88). Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann nicht nur die Behandlung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens führen. Auch Beweiserhebungen oder Beweiswürdigungen müssen daraufhin untersucht werden, ob sie den Rahmen des PKH-Verfahrens sprengen. So darf PKH nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008, Az.: 1 BvR 1807/07).

Dies bedeutet im Gegenschluss, dass die Gewährung von PKH wegen fehlender hinreichender Aussicht auf Erfolg dann abzulehnen ist, wenn unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe die Beweisaufnahme nach Lage der Dinge mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem für den Betroffenen negativen Ergebnis führen wird oder wenn die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen ist und alles auf ein Scheitern des Begehrens in der Sache hindeutet. Gleiches gilt, wenn nach objektivem Maßstab eine Beweisaufnahme überhaupt nicht erforderlich ist und das Ergebnis des Verfahrens für den Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ sein wird (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 23.09.2014, Az.: L 15 SB 116/14).

Aus dem Grundsatz, dass nur eine objektiv erforderliche Beweisaufnahme einen Anspruch auf PKH begründet, folgt, dass nicht in jedem Fall, in dem das Gericht in die Ermittlungen von Amts wegen eintritt, auch PKH zu gewähren ist. Zwar wird im Regelfall davon auszugehen sein, dass gerichtliche Ermittlungen von Amts wegen einen Anspruch auf PKH nach sich ziehen. Dies gilt aber dann nicht, wenn die vom Gericht durchgeführten Ermittlungen allein deswegen veranlasst worden sind, weil die PKH begehrende Partei unzutreffende oder rein ins Blaue gerichtete Angaben gemacht hat und die Ermittlungen nur dazu erforderlich waren, die Unrichtigkeit des Vortrags des PKH-Antragstellers zu belegen (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 07.03.2012, Az.: XII ZB 391/10, der in einem derartigen Fall sogar von der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von PKH ausgeht). Denn in einem solchen Fall besteht, wie sich durch die Ermittlungen und damit im Nachhinein zeigt, kein objektiver Grund für weitere Ermittlungen von Amts wegen. Vielmehr hat in einem solchen Fall nur der tatsächlich unzutreffende Vortrag der Partei zunächst den falschen Eindruck vermittelt, dass weitere Ermittlungen erforderlich wären. Dass sich dieser Eindruck erst im Nachhinein als falsch herausstellt, kann nicht dazu führen, dass PKH zu gewähren wäre. Würde man dies anders sehen, hätte dies faktisch zur Konsequenz, dass sich ein Kläger durch das Aufstellen unrichtiger Behauptungen PKH verschaffen könnte, die ihm tatsächlich wegen fehlender Aussicht auf Erfolg nicht zustehen würde (vgl. Beschluss des Senats vom 01.07.2014, Az.: L 15 SB 33/14). Dies wäre nicht mit der Rechtsprechung des BVerfG vereinbar. Denn das BVerfG setzt als Vergleichsmaßstab immer einen vernünftig handelnden nicht Bedürftigen voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78). Dieser würde aber nicht auf solche Behauptungen gestützt ins gerichtliche Verfahren ziehen und damit ein völlig ungewisses Prozesskostenrisiko eingehen. Würde gleichwohl in einem solchen Fall PKH gewährt, wäre derjenige, der sich solcher unlauteren Mittel nicht bedienen würde, schlechter gestellt. Das wäre nicht nur verfassungsrechtlich inakzeptabel, sondern würde auch Anreize für eine destruktive Prozessführung setzen (vgl. Beschluss des Senats vom 03.05.2012, Az.: L 15 SB 53/12 B PKH).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Aussicht auf Erfolg ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, auch des Beschwerdegerichts (h.M., vgl. z. B. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 119, Rdnr. 4 - m. w. N.; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, § 73 a, Rdnr. 7d; Bayer. LSG, Beschluss vom 06.06.2011, Az.: L 8 AS 770/10 B PKH; Beschluss des Senats vom 05.11.2012, Az.: L 15 BL 10/11 B PKH). Davon abweichend ist aber dann auf einen früheren Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt der Entscheidungsreife, abzustellen, wenn die Entscheidung durch den Prozessgegner (z. B. durch eine verzögerte Aktenvorlage) oder das Gericht grundlos verzögert worden ist und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat (vgl. Leitherer, a. a. O., § 73 a, Rdnr. 7d). Denn eine Verzögerung der Entscheidung über den PKH-Antrag, die nicht der Antragsteller zu vertreten hat, darf sich nicht zu seinen Lasten auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 07.03.2012, Az.: XII ZB 391/10; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.08.1984, Az.: VII B 27/84).

Für die Beschwerdeentscheidung folgt daraus, dass für die Entscheidung des Beschwerdegerichts bei der Beurteilung der Aussicht auf Erfolg der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung dann zugrunde zu legen ist, wenn zu diesem Zeitpunkt die Beurteilung der Aussicht auf Erfolg für den Antragsteller nicht ungünstiger ausfällt als zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife durch das für die Bewilligung zuständige Gericht. Dies kann im sehr seltenen Einzelfall dazu führen, dass eine erstinstanzliche, für den Antragsteller negative Entscheidung aufzuheben sein wird, wenn sich zwischenzeitlich eine für den Antragsteller rechtlich und/oder tatsächlich günstige Entwicklung ergeben hat (vgl. Beschluss des Senats vom 08.08.2011, Az.: L 15 SB 107/11 B PKH). Sofern demgegenüber der 7. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 07.03.2009, Az.: L 7 AS 52/09 B PKH, davon ausgegangen ist, dass es wegen des Gebots der Rechtsschutzgleichheit zwischen unbemittelten und bemittelten Prozessbeteiligten und der Rechtssicherheit bei der Beurteilung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen eines Antrags auf PKH ausschließlich auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife ankomme, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Denn in einem Rechtsstreit mit anfangs fehlender Aussicht auf Erfolg, die sich dann aber im Laufe des Verfahrens ergibt, in dem der 7. Senat auch im Rahmen der Beschwerdeentscheidung keinen Raum für die Bewilligung von PKH sehen würde, wäre ein jederzeit möglicher wiederholter Antrag auf PKH wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Aussicht auf Erfolg positiv zu verbescheiden. Dieser Entwicklung nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen eine Ablehnung von PKH Rechnung zu tragen und stattdessen einen förmlichen Neuantrag auf PKH beim Ausgangsgericht zu verlangen, erscheint dem Senat als ein - nicht nur im Sinn einer klägerfreundlichen Ausgestaltung des Verfahrens, sondern auch zur Entlastung des SG - unnötiger Formalismus.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist unstrittig der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, im Fall der Beschwerde der des Beschwerdegerichts (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 29.08.2008, Az.: L 7 B 662/08 AS PKH). Dies ergibt sich aus § 120 Abs. 4 ZPO, wonach eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch nach erfolgter Bewilligung relevant ist. Dies bedeutet, dass es sich verbietet, bei der Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf einen früheren Zeitpunkt als den der gerichtlichen Entscheidung, z. B. auf den der Entscheidungsreife über den PKH-Antrag, abzustellen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 07.03.2009, Az.: L 7 AS 52/09 B PKH).

2. Keine PKH im hier zu entscheidenden Fall

Das SG hat die Gewährung von PKH zu Recht wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abgelehnt. Weder zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife noch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung besteht eine Aussicht auf Erfolg. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Dr. E., das im Verwaltungsverfahren eingeholt worden ist.

2.1. Eingeholtes Verwaltungsgutachten als Grundlage für die Beurteilung der Aussicht auf Erfolg

Es ist nicht zu beanstanden, dass das SG die Aussicht auf Erfolg mit Hinweis auf das Gutachten der Dr. E. verneint hat.

Die vom Beschwerdegegner im Verwaltungsverfahren mit der Begutachtung beauftragte Psychiaterin Dr. E. hat nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin ein ausführlich begründetes und überzeugendes Gutachten erstellt. Danach liegen bei der Beschwerdeführerin keine Gesundheitsstörungen vor, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den sexuellen Missbrauch durch den Vater der Beschwerdeführerin zurückzuführen sind.

Einer Beurteilung der Aussicht auf Erfolg auf der Basis dieses im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachtens steht nichts entgegen.

Das Bundessozialgericht (BSG) weist in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss vom 26.05.2000, Az.: B 2 U 90/00 B) darauf hin, dass nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten zwar grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft und somit eine andere Aussagekraft besitzen als gerichtliche Gutachten. Dies stellt aber kein Hindernis dar, ein Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO zu verwerten und ihm im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu folgen. Dabei hat das BSG klargestellt, dass es sich bei einem von einem Sozialleistungsträger gemäß §§ 20, 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch eingeholten Gutachten nicht um ein bloßes „Privatgutachten“ handelt, sondern um ein im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben erstelltes Sachverständigengutachten, das auch die Entscheidungsgrundlage für das Gericht sein kann (vgl. BSG, Beschluss vom 12.10.1993, Az.: 13 RJ 71/92). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vom Sozialleistungsträger beauftragte Sachverständige weder dem ärztlichen Dienst des Sozialleistungsträgers angehört noch die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993, Az.: 9/9a BV 185/92). Weitere Ermittlungen von Amts wegen können allenfalls dann angezeigt sein, wenn der andere Verfahrensbeteiligte gegen das durch den Sozialleistungsträger eingeholte Gutachten nicht unerhebliche Einwendungen vorbringt (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1986, Az.: 5b RJ 80/85).

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben steht einer Verwertung des Gutachtens der Dr. E. nichts entgegen. Dr. E. gehört nicht dem versorgungsärztlichen Dienst des Beschwerdegegners an, sondern ist eine niedergelassene Ärztin. Es gibt keinen Anlass, an ihrer Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit zu zweifeln. Die Sachverständige hat die Beschwerdeführerin ausführlich begutachtet und ihre Einschätzung umfassend und nachvollziehbar begründet. Nicht unerhebliche Einwendungen gegen dieses Gutachten hat die Beschwerdeführerin nicht erhoben. Die Annahme, dass der behandelnde Arzt Dr. V. nicht nur die Verdachtsdiagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern eine sichere Diagnose gestellt habe, hat sich durch den vom SG eingeholten Befundbericht dieses Arztes nicht bestätigt (vgl. dazu auch die Ausführungen unten unter Ziff. 2.2.). Die Schlussfolgerung, dass potentiell falsche Ausführungen im Gutachten zu den Tatsachen einer Personensorge und Einrichtung einer rechtlichen Betreuung auch auf eine medizinische Unrichtigkeit des Gutachtens hindeuten würden, entbehrt jeder Grundlage. Der Senat sieht keine Bedenken dagegen, dass sich das SG dieses Gutachten zu eigen macht und darauf gestützt die Gewährung von PKH wegen fehlender Aussicht auf Erfolg ablehnt.

2.2. Keine PKH wegen weiterer Ermittlungen durch das SG

Ein Anspruch auf Gewährung von PKH resultiert nicht daraus, dass das SG einen Befundbericht bei dem von der Klägerin als behandelnden Arzt angegebenen Nervenarzt eingeholt hat.

Die Einholung dieses Befundberichts bei Dr. V. war allein dadurch veranlasst, dass die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, dieser Arzt sei in der Lage dazu, „seine Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung korrekt darzustellen.“ Weiter hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin vorgetragen, dass nicht nachvollziehbar sei, warum die Gutachterin von der Einschätzung des behandelnden Arztes abweiche.

Der Einholung des Befundberichts durch das SG liegt die von der Beschwerdeführerin geweckte Annahme zugrunde, dass der behandelnde Arzt auf entsprechende Nachfrage des Gerichts hin (nachvollziehbar) erläutern werde, dass bei der Beschwerdeführerin eine posttraumatische Belastungsstörung als sichere Diagnose, nicht nur als Verdachtsdiagnose, gegeben sei, was von der Sachverständigen verneint worden ist. Diese Annahme hat sich aber nicht bestätigt. Vielmehr ist dem Befundbericht des behandelnden Nervenarztes Dr. V. vom 26.03.2015 - wie schon seinen im Verwaltungsverfahrens vorgelegten Arztberichten - zu entnehmen, dass er nur die Verdachtsdiagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt hat, nicht aber eine sichere Diagnose, die die Führung des Vollbeweises der Erkrankung zulässt. Eine von der Bewertung der Gutachterin im Verwaltungsverfahren abweichende Einschätzung des behandelnden Nervenarztes gibt es daher nicht.

Ein objektiver Grund für die Einholung des Befundberichts des Dr. V. im sozialgerichtlichen Verfahren hat daher nicht bestanden; die Ermittlungen des SG waren allein dadurch veranlasst, dass der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin unrichtige Angaben bzw. einen Vortrag ins Blaue hinein gemacht hat. Ein Anspruch auf Gewährung von PKH resultiert daher aus der Anforderung des Befundberichts durch das SG nicht.

Im vorliegenden Fall kommt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Klage zu keinem Zeitpunkt bestanden hat und daher die Bewilligung von PKH vom SG zu Recht abgelehnt worden ist.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

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published on 07/03/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 391/10 vom 7. März 2012 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114, 322 a) Bei der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe anzustellenden B
published on 01/07/2014 00:00

Tenor Der Antrag des Klägers im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26.03.2014 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten wird abgelehnt. Gründe I. Zugrunde liegt ein Rechtss
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Annotations

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.

(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,

1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken;
2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.

(4) (weggefallen)

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.