Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 04. Jan. 2016 - L 11 AS 774/15 WA

bei uns veröffentlicht am04.01.2016

Tenor

I.

Die Klage auf Wiederaufnahme des durch Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 18.03.2015 abgeschlossenen Verfahrens L 11 AS 152/14 wird als unzulässig verworfen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 11 AS 152/14.

Der 1958 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in A. und B. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) i. H. v. 24,74 € monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 i. d. F des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.

Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 05.04.2011 u. a. auf, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 € für Heizkosten, insgesamt 1.440 € zu zahlen. Nach dem Verkauf einiger Grundstücke stellte der Beklagte mit „Zahlungsaufforderung“ vom 05.07.2012 die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 i. H. v. 11.870,04 € gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 € ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in R. (BA) Widerspruch „gegen diesen Bescheid“ und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Die dagegen vom Kläger erhobene Klage, mit der zudem die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die „Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010“, die Zahlung von „Landratskosten“ in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts O. beantragt worden ist, hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 (S 18 AS 665/12) abgewiesen.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt (L 11 AS 152/14). Der Senat hat mit Beschluss vom 11.02.2015 das Begehren des Klägers im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 abgetrennt und die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 18.03.2015 aufgehoben (L 11 AS 104/15). Im Übrigen hat der Senat mit weiterem Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 152/14) - antragsgemäß - den Gerichtsbescheid des SG vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts O. aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Nach Mitteilung des SG ist das Verfahren dort unter dem Az S 18 AS 184/15 ZVW anhängig.

Der Kläger hat beim LSG die Wiederaufnahme des Verfahrens L 11 AS 152/14 beantragt. Erst jetzt lägen die kompletten Urkunden vollständig vor und seien zuvor vom Senat nicht berücksichtigt worden. Die Urkunden seien beim SG am 20.07.2015 eingegangen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Verfahren L 11 AS 152/14 wieder aufzunehmen und das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 18.03.2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts O. aufzuheben sowie den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18.03.2015 - L 11 AS 152/14 - als unzulässig zu verwerfen bzw. im Falle der Zulässigkeit die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe für eine Wiederaufnahme seien nicht schlüssig dargelegt. Die vom Kläger benannten Urkunden seien für das Verfahren ohne Einfluss.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 11 AS 152/14 ist nicht statthaft und damit als unzulässig zu verwerfen. Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, weil die Wiederaufnahmeklage nicht statthaft ist (§ 158 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- analog; zur Möglichkeit, auch über nicht statthafte Wiederaufnahmeklagen durch Beschluss und ohne Hinzuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden: BSG, Beschluss vom 10.07.2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr. 6 Rn. 11; Beschluss vom 18.09.2014 - B 14 AS 85/14 B - juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 179 Rn. 9). Das Gericht hat den Kläger auch darauf hingewiesen, dass eine derartige Entscheidung durch Beschluss möglich ist. Einwendungen hiergegen hat er nicht vorgebracht. Eine mündliche Verhandlung hat im Rahmen des Verfahrens L 11 AS 152/14 bereits stattgefunden.

Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig, denn ihr fehlt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger will mit diesem Verfahren die Fortsetzung des früheren Berufungsverfahrens L 11 AS 152/14 sowie die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG erreichen. Dies ist jedoch bereits mit dem Urteil des Senats vom 18.03.2015 in dem genannten Verfahren erfolgt, denn der Senat hat den Gerichtsbescheid des SG vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Das entsprechende Verfahren ist beim SG unter dem Az S 18 AS 184/15 ZVW anhängig. Das ursprünglich - bis zur Abtrennung - ebenfalls im Berufungsverfahren streitige Begehren im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 hat sich durch die Aufhebung des Bescheides mit Urteil des Senats vom 18.03.2015 (L 11 AS 104/15) ebenfalls erledigt.

Die Wiederaufnahmeklage war demnach als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

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Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vorbehalten

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind der Erlass bzw. die Niederschlagung einer Darlehensforderung, die Übernahme von Versicherungsbeiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, die Zahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie die Begleichung einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt.

Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) iHv 24,74 € monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wird beim LSG unter dem Az L 11 AS 91/15 WA geführt. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.

Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 €. Mit Schreiben vom 05.04.2011 forderte er den Beklagten u.a. auf, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 € für Heizkosten, insgesamt 1.440 € zu zahlen. Dabei nahm er auf einen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 Bezug, worin ausgeführt ist, der Kläger habe angegeben, es fielen allein für Heizmaterial 60 € monatlich an. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 11.870,04 € gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 € ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in Bogen (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II verpflichtend aufzurechnen.

Am 20.01.2014 wandte sich der Kläger u.a. im Hinblick auf seine für die Jahre 2009 und 2010 an die AOK Bayern gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, einer "Verbuchung der Versicherungspflicht" zur Rentenversicherung und der Zahlung von "Landkreiskostenzuschüssen" iHv 60 € pro Monat für die Jahre 2009 und 2010 an den Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2014 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Mit seinem Schreiben wende sich der Kläger gegen die Einbeziehung der für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gewährten Darlehensleistungen in die Zahlungsaufforderung vom 05.07.2012. Der Widerspruch sei nach Ablauf der Jahresfrist eingegangen und damit verfristet. Eine dagegen gerichtete Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 abgewiesen (L 11 AS 763/14). Hiergegen hat der Kläger beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung (L 11 AS 763/14) eingelegt.

Zur Begründung seiner gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe niemals ein Darlehen unterschrieben und die Leistungsbewilligung hätte zuschussweise erfolgen müssen. Er hat darüber hinaus die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Streitig seien die vom Kläger sinngemäß beantragte Aufhebung der verfügten Aufrechnung mit der Forderung aus den darlehensweise gewährten Leistungen und die Niederschlagung der Rückforderungssumme. Der Beklagte habe zu Recht im Umfange von 10 % des maßgeblichen Regelbetrags aufgerechnet. Die seinerzeitige Gewährung des Alg II als Darlehen sei rechtskräftig festgestellt. Die Darlehensgewährung sei wegen der nicht sofort verwertbaren Grundstücke erfolgt, so dass vorliegend zwar die Spezialvorschrift des § 42a Abs 3 SGB II greife. Die Aufrechnung sei aber möglich, wenn mit dem Erlös aus dem Vermögensverkauf keine Rückführung des Darlehens vorgenommen werde. Ein Aufrechnungsverbot bestehe nicht, wenn der Leistungsbezug nicht mehr darlehensweise erfolge. Die Teilverwertung sei gesetzlich nicht geregelt. Eine rechtliche Einschränkung, dass aufgrund des Wortlautes "soll" in § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II eine Vereinbarung zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger getroffen werden müsse, sei nicht nachvollziehbar, da sonst ein Leistungsempfänger auf Dauer die Rückführung erbrachter Darlehen vereiteln könne. Die Höhe der Aufrechnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Damit sei weiterhin das Existenzminimum gewährleistet. Der Kläger habe es in der Hand, die Aufrechnung durch Begleichung der Rückforderungssumme, zB durch Gelder aus dem weiteren Verkauf seines Vermögens jederzeit zu beenden. Zwingende Gründe für eine Niederschlagung der Forderung seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Das SG habe nicht über alle seine Anträge entschieden, ihm sei es um alle Begehren aus seiner Klageschrift und die in Bezug genommenen Punkte des Widerspruchsschreibens vom 07.08.2012 gegangen. Gegebenenfalls müsse das SG nach einer Zurückverweisung noch hierüber entscheiden. Mit Beschluss vom 11.02.2015 hat der Senat das Begehren des Klägers im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 abgetrennt (L 11 AS 104/15).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufzuheben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet. Das SG hat vorliegend verfahrensfehlerhaft nicht über alle vom Kläger geltend gemachten Verfahrensgenstände entschieden.

Mit seiner Klage beim SG vom 29.01.2014 hat der Kläger einerseits Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 erhoben. Hierüber hat das SG auch entschieden. Diese Klage ist Gegenstand des insofern abgetrennten Verfahrens L 11 AS 104/15. Daneben hat der Kläger aber auch die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum "2008/2010" sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Dies folgt einerseits bereits direkt aus der Klageschrift, andererseits aus der dortigen Bezugnahme auf ein Widerspruchsschreiben vom 07.08.2012. Ohne weitere Prüfung, ob u.a. der Beklagte insofern überhaupt passivlegitimiert ist, hat das SG einen Anspruch auf Erlass bzw. Niederschlagung der Forderung verneint, über die weiteren Begehren aber in der Sache nicht entschieden.

Unter Auslegung seines Begehrens geht es dem Kläger um die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt. Soweit er bezüglich der Zahlungszeiträume "2008/2010" angibt, folgt aus dem Zusammenhang mit den Zeiten der lediglich darlehensweisen Bewilligung der Kranken- und Pflegeversicherung und dem Wegfall der Gewährung von Rentenbeiträgen während der lediglich darlehensweisen Leistungsgewährung, dass damit die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 gemeint sein soll, mithin nach "2008" bis einschließlich "2010". Bei den "Landratskosten" von 1.440 € handelt es sich unter Berücksichtigung des Schreibens des Klägers vom 05.04.2011, worin er den Beklagten u.a. aufgefordert hat, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 € für Heizkosten, insgesamt 1.440 € zu zahlen, und den darin in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 um einen geltend gemachten Anspruch im Hinblick auf die Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung für Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 60 € monatlich. Hieraus folgt der geltend gemachte Betrag iHv 1.440 € (24 x 60 €).

Damit hat das SG zu Unrecht über wesentliche Teile des Streitgegenstandes in der Sache nicht entschieden. Dies stellt zudem einen Verfahrensfehler dar. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Dies hat das SG versäumt, weil es nicht über alle aus dem vom Kläger vorgebrachten Begehren folgenden Klageanträge (zur Auslegung vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 123 Rn 3) entschieden hat. Da bereits in dem vom SG im Tatbestand formulierten Klageantrag - als angeblich vom Kläger sinngemäß gestellt - die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt nicht genannt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das SG nur versehentlich hierüber nicht entschieden hat (vgl dazu Keller aaO § 123 Rn 6 und § 140 Rn 2c).

Der Gerichtsbescheid des SG vom 20.12.2013 war deshalb vorliegend teilweise aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit an das SG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 159 Abs 1 Nr 1 SGG). Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller aaO § 159 Rn 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Dabei wird das SG dann auch prüfen müssen, welche Behörde für die Frage eines Erlasses bzw. Niederschlagung der Forderung zuständig wäre, da diesbezüglich auch die BA als Vollstreckungsanordnungsbehörde in Betracht kommen könnte (vgl dazu BayLSG, Beschluss vom 29.04.2014 - L 7 AS 260/14 B ER - juris). Ebenso wird hinsichtlich der Heizkosten aufzuklären sein, inwieweit hier das Schreiben des Klägers vom 05.04.2011 gegebenenfalls als Überprüfungsantrag ausgelegt werden kann, hierüber vom Beklagten bereits verbeschieden worden ist und ob ein solcher zulässig und begründet wäre.

Das SG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Kosten insgesamt zu befinden haben (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn 2a).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufgehoben.

II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Aufrechnung einer Darlehensrückzahlungsforderung mit laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) iHv 24,74 € monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wird beim LSG unter dem Az L 11 AS 91/15 WA geführt. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.

Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 €. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 11.870,04 € gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 € ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in B. (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II verpflichtend aufzurechnen.

Zur Begründung seiner dagegen beim SG erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe niemals ein Darlehen unterschrieben und die Leistungsbewilligung hätte zuschussweise erfolgen müssen. Er hat darüber hinaus die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Streitig seien die vom Kläger sinngemäß beantragte Aufhebung der verfügten Aufrechnung mit der Forderung aus den darlehensweise gewährten Leistungen und die Niederschlagung der Rückforderungssumme. Der Beklagte habe zu Recht im Umfange von 10 % des maßgeblichen Regelbetrags aufgerechnet. Die seinerzeitige Gewährung des Alg II als Darlehen sei rechtskräftig festgestellt. Die Darlehensgewährung sei wegen der nicht sofort verwertbaren Grundstücke erfolgt, so dass vorliegend zwar die Spezialvorschrift des § 42a Abs 3 SGB II greife. Die Aufrechnung sei aber möglich, wenn mit dem Erlös aus dem Vermögensverkauf keine Rückführung des Darlehens vorgenommen werde. Ein Aufrechnungsverbot bestehe nicht, wenn der Leistungsbezug nicht mehr darlehensweise erfolge. Die Teilverwertung sei gesetzlich nicht geregelt. Eine rechtliche Einschränkung, dass aufgrund des Wortlautes "soll" in § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II eine Vereinbarung zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger getroffen werden müsse, sei nicht nachvollziehbar, da sonst ein Leistungsempfänger auf Dauer die Rückführung erbrachter Darlehen vereiteln könne. Die Höhe der Aufrechnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Damit sei weiterhin das Existenzminimum gewährleistet. Der Kläger habe es in der Hand, die Aufrechnung durch Begleichung der Rückforderungssumme, zB durch Gelder aus dem weiteren Verkauf seines Vermögens jederzeit zu beenden. Zwingende Gründe für eine Niederschlagung der Forderung seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Mit Beschluss vom 11.02.2015 hat der Senat das Begehren des Klägers im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 abgetrennt. Die weiteren Begehren sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 152/14 geblieben. Der Kläger hat insbesondere ausgeführt, sein Vermögen sei seinerzeit völlig falsch bewertet worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und den Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 zu Unrecht abgewiesen. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren allein die (vom Verfahren L 11 AS 152/14 abgetrennte) Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012, mit dem dieser die Aufrechnung der Forderung aus dem mit Schreiben vom 05.07.2012 fällig gestellten Darlehen im Umfang von 10 % des maßgeblichen Regelsatzes ab 01.08.2012 erklärt hat. Keine eigenständige Regelungswirkung hat insofern der Bescheid vom 09.01.2014, mit dem der Beklagte die - zuvor im Hinblick auf das Klageverfahren ausgesetzte - Aufrechnung nach Erlass des Gerichtsbescheides vom 20.12.2013 wieder aufgenommen hat. Insofern wurde darin auch auf den "Vollzug" der Entscheidung des SG verwiesen. Er folgt dem Schicksal des Aufrechnungsbescheides vom 23.07.2012 und wird durch dessen Aufhebung gegenstandslos.

Der Beklagte hat vorliegend zu Unrecht mit dem Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 die Aufrechnung des Anspruchs auf Alg II im Umfange von 37,40 € monatlich mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch ab dem 01.08.2012 erklärt.

Nach § 42a Abs 3 Satz 1 SGB II idF der des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I 453) sind Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Abs 5 SGB II nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe fällig. Dies entspricht auch dem Hinweis in den Darlehensbewilligungsbescheiden des Beklagten für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010. Der Gesetzgeber hat für die zum 01.04.2011 in Kraft getretene Regelung des § 42a SGB II im Rahmen des § 77 SGB II und auch sonst keine Übergangsregelung getroffen, weshalb die Rückzahlungsmodalitäten des § 42a Abs 2 bis 6 SGB II zwingend auch für laufende, vor dem 01.04.2011 vergebene Darlehen gelten (vgl Bittner in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 42a Rn 57; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 02/2012, § 42a Rn 264). Die dem Kläger gewährten Darlehen wurden aufgrund von § 23 Abs 5 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl I 558) erbracht, der der Neufassung des § 24 Abs 5 SGB II entspricht.

Es kann dahinstehen, ob die sofortige Fälligkeit des Darlehens in voller Höhe bereits eingetreten ist, obwohl nur ein Teil der bei der Darlehensgewährung in Bezug genommenen Grundstücke verwertet worden sind, denn vorliegend hätte anstelle der vom Beklagten per Verwaltungsakt erklärten Aufrechnung iHv monatlich 37,40 € nach § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II eine Rückzahlungsvereinbarung mit dem Kläger geschlossen werden müssen. Sofern der erlangte Betrag den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht deckt, soll eine Vereinbarung über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden (§ 42a Abs 3 Satz 2 SGB II). Mit einer solchen Vereinbarung kann es dem Darlehensnehmer ermöglicht werden, den noch ausstehenden Betrag über einen längeren Zeitraum aufzubringen, und er kann damit vor der sofortigen Beitreibung der Forderung geschützt werden (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs 17/3404 S 116; vgl dazu auch Greiser in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 42a Rn 32; Hengelhaupt aaO Rn 232). Da der Gesetzgeber vorliegend für die Rückzahlung von fällig gewordenen Darlehen, die wegen eines vorübergehend nicht verwertbaren Vermögensgegenstand gewährt worden sind, mit § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II eine Sonderregelung geschaffen hat, kommt der Rückgriff auf die allgemeine Aufrechnungsmöglichkeit bei anderen Darlehen nach § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II nicht in Betracht (vgl dazu Bittner aaO Rn 42; Hengelhaupt aaO Rn 35 und 207). Insofern ging auch der Gesetzgeber von einer Sonderbestimmung in § 42a Abs 3 SGB II aus (BT-Drs 17/3404 S 116). Eine Beschränkung des Erfordernisses einer (vorrangigen) Vereinbarung über die Rückzahlung auf Fälle, bei denen auch nach Verwertung weiterhin die laufenden Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs 5 SGB II erbracht werden, kann weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem gesetzgeberischen Willen entnommen werden. Allenfalls dann, wenn eine Vereinbarung scheitern sollte, käme gegebenenfalls eine einseitige Aufrechnungserklärung des Beklagten in Betracht (vgl dazu Bender in Gagel, SGB II, Stand 12/2013, § 42a Rn 33). Dass der Beklagte den Verkaufserlös bislang nicht erhalten und er offenbar auch dem Kläger gar nicht selbst zugeflossen ist, liegt daran, dass es der Beklagte versäumt hat, von den Sicherungsmöglichkeiten in § 23 Abs 5 Satz 2 SGB II aF Gebrauch zu machen. Das Erfordernis des Abschlusses einer Vereinbarung bezieht sich auf den "ausstehenden" Betrag (so der Wortlaut von § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II), so dass sich dieses vorliegend auf den gesamten geschuldeten Darlehensbetrag erstreckt.

Es ist auch nicht das Vorliegen eines besonderen Falles erkennbar, der ein Abweichen vom Erfordernis einer Vereinbarung rechtfertigt. Vielmehr spricht gerade die Dauerhaftigkeit der Aufrechnung im Umfange von 10 vom Hundert der jeweils maßgebenden Regelbedarfshöhe, die sich aus der Höhe der Darlehensforderung von über 11.000 € und dem Lebensalter des Klägers ergibt, für eine Vereinbarung, die von der Regelung des § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II abweicht (zu Zweifeln an der verfassungsmäßigen Zulässigkeit einer dauerhaften Leistungsminderung: Hengelhaupt aaO Rn 24; Conradis in Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 42a Rn 17). Im Rahmen einer insofern zu treffenden und in der Rückzahlungsvereinbarung zu dokumentierenden Ermessensentscheidung hat der Beklagte die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zu berücksichtigen (vgl dazu Hengelhaupt aaO Rn 236).

Da der Beklagte bislang keinen Versuch unternommen hat, mit dem Kläger eine Vereinbarung nach § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II abzuschließen, ist eine einseitige Aufrechnungserklärung durch Verwaltungsakt, wie sie im Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 vorgenommen worden ist, rechtswidrig. Der Bescheid und der Gerichtsbescheid des SG vom 20.12.2013, soweit er diesen Gegenstand betroffen hat, waren damit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vorbehalten

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind der Erlass bzw. die Niederschlagung einer Darlehensforderung, die Übernahme von Versicherungsbeiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, die Zahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie die Begleichung einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt.

Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) iHv 24,74 € monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wird beim LSG unter dem Az L 11 AS 91/15 WA geführt. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.

Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 €. Mit Schreiben vom 05.04.2011 forderte er den Beklagten u.a. auf, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 € für Heizkosten, insgesamt 1.440 € zu zahlen. Dabei nahm er auf einen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 Bezug, worin ausgeführt ist, der Kläger habe angegeben, es fielen allein für Heizmaterial 60 € monatlich an. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 11.870,04 € gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 € ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in Bogen (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II verpflichtend aufzurechnen.

Am 20.01.2014 wandte sich der Kläger u.a. im Hinblick auf seine für die Jahre 2009 und 2010 an die AOK Bayern gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, einer "Verbuchung der Versicherungspflicht" zur Rentenversicherung und der Zahlung von "Landkreiskostenzuschüssen" iHv 60 € pro Monat für die Jahre 2009 und 2010 an den Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2014 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Mit seinem Schreiben wende sich der Kläger gegen die Einbeziehung der für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gewährten Darlehensleistungen in die Zahlungsaufforderung vom 05.07.2012. Der Widerspruch sei nach Ablauf der Jahresfrist eingegangen und damit verfristet. Eine dagegen gerichtete Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 abgewiesen (L 11 AS 763/14). Hiergegen hat der Kläger beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung (L 11 AS 763/14) eingelegt.

Zur Begründung seiner gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe niemals ein Darlehen unterschrieben und die Leistungsbewilligung hätte zuschussweise erfolgen müssen. Er hat darüber hinaus die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Streitig seien die vom Kläger sinngemäß beantragte Aufhebung der verfügten Aufrechnung mit der Forderung aus den darlehensweise gewährten Leistungen und die Niederschlagung der Rückforderungssumme. Der Beklagte habe zu Recht im Umfange von 10 % des maßgeblichen Regelbetrags aufgerechnet. Die seinerzeitige Gewährung des Alg II als Darlehen sei rechtskräftig festgestellt. Die Darlehensgewährung sei wegen der nicht sofort verwertbaren Grundstücke erfolgt, so dass vorliegend zwar die Spezialvorschrift des § 42a Abs 3 SGB II greife. Die Aufrechnung sei aber möglich, wenn mit dem Erlös aus dem Vermögensverkauf keine Rückführung des Darlehens vorgenommen werde. Ein Aufrechnungsverbot bestehe nicht, wenn der Leistungsbezug nicht mehr darlehensweise erfolge. Die Teilverwertung sei gesetzlich nicht geregelt. Eine rechtliche Einschränkung, dass aufgrund des Wortlautes "soll" in § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II eine Vereinbarung zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger getroffen werden müsse, sei nicht nachvollziehbar, da sonst ein Leistungsempfänger auf Dauer die Rückführung erbrachter Darlehen vereiteln könne. Die Höhe der Aufrechnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Damit sei weiterhin das Existenzminimum gewährleistet. Der Kläger habe es in der Hand, die Aufrechnung durch Begleichung der Rückforderungssumme, zB durch Gelder aus dem weiteren Verkauf seines Vermögens jederzeit zu beenden. Zwingende Gründe für eine Niederschlagung der Forderung seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Das SG habe nicht über alle seine Anträge entschieden, ihm sei es um alle Begehren aus seiner Klageschrift und die in Bezug genommenen Punkte des Widerspruchsschreibens vom 07.08.2012 gegangen. Gegebenenfalls müsse das SG nach einer Zurückverweisung noch hierüber entscheiden. Mit Beschluss vom 11.02.2015 hat der Senat das Begehren des Klägers im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 abgetrennt (L 11 AS 104/15).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufzuheben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet. Das SG hat vorliegend verfahrensfehlerhaft nicht über alle vom Kläger geltend gemachten Verfahrensgenstände entschieden.

Mit seiner Klage beim SG vom 29.01.2014 hat der Kläger einerseits Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 erhoben. Hierüber hat das SG auch entschieden. Diese Klage ist Gegenstand des insofern abgetrennten Verfahrens L 11 AS 104/15. Daneben hat der Kläger aber auch die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum "2008/2010" sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Dies folgt einerseits bereits direkt aus der Klageschrift, andererseits aus der dortigen Bezugnahme auf ein Widerspruchsschreiben vom 07.08.2012. Ohne weitere Prüfung, ob u.a. der Beklagte insofern überhaupt passivlegitimiert ist, hat das SG einen Anspruch auf Erlass bzw. Niederschlagung der Forderung verneint, über die weiteren Begehren aber in der Sache nicht entschieden.

Unter Auslegung seines Begehrens geht es dem Kläger um die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt. Soweit er bezüglich der Zahlungszeiträume "2008/2010" angibt, folgt aus dem Zusammenhang mit den Zeiten der lediglich darlehensweisen Bewilligung der Kranken- und Pflegeversicherung und dem Wegfall der Gewährung von Rentenbeiträgen während der lediglich darlehensweisen Leistungsgewährung, dass damit die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 gemeint sein soll, mithin nach "2008" bis einschließlich "2010". Bei den "Landratskosten" von 1.440 € handelt es sich unter Berücksichtigung des Schreibens des Klägers vom 05.04.2011, worin er den Beklagten u.a. aufgefordert hat, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 € für Heizkosten, insgesamt 1.440 € zu zahlen, und den darin in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 um einen geltend gemachten Anspruch im Hinblick auf die Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung für Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 60 € monatlich. Hieraus folgt der geltend gemachte Betrag iHv 1.440 € (24 x 60 €).

Damit hat das SG zu Unrecht über wesentliche Teile des Streitgegenstandes in der Sache nicht entschieden. Dies stellt zudem einen Verfahrensfehler dar. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Dies hat das SG versäumt, weil es nicht über alle aus dem vom Kläger vorgebrachten Begehren folgenden Klageanträge (zur Auslegung vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 123 Rn 3) entschieden hat. Da bereits in dem vom SG im Tatbestand formulierten Klageantrag - als angeblich vom Kläger sinngemäß gestellt - die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt nicht genannt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das SG nur versehentlich hierüber nicht entschieden hat (vgl dazu Keller aaO § 123 Rn 6 und § 140 Rn 2c).

Der Gerichtsbescheid des SG vom 20.12.2013 war deshalb vorliegend teilweise aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit an das SG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 159 Abs 1 Nr 1 SGG). Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller aaO § 159 Rn 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Dabei wird das SG dann auch prüfen müssen, welche Behörde für die Frage eines Erlasses bzw. Niederschlagung der Forderung zuständig wäre, da diesbezüglich auch die BA als Vollstreckungsanordnungsbehörde in Betracht kommen könnte (vgl dazu BayLSG, Beschluss vom 29.04.2014 - L 7 AS 260/14 B ER - juris). Ebenso wird hinsichtlich der Heizkosten aufzuklären sein, inwieweit hier das Schreiben des Klägers vom 05.04.2011 gegebenenfalls als Überprüfungsantrag ausgelegt werden kann, hierüber vom Beklagten bereits verbeschieden worden ist und ob ein solcher zulässig und begründet wäre.

Das SG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Kosten insgesamt zu befinden haben (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn 2a).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens auf Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Das LSG hatte mit rechtskräftigem Urteil einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint, weil die Klägerin noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bei einem Leistungsvermögen von täglich mindestens sechs Stunden verrichten konnte und ihr zudem der behauptete Berufsschutz als Reiseverkehrskauffrau nicht zustand (LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.8.2010 - L 30 R 360/09; nachgehend Senatsbeschluss vom 4.3.2011 - B 13 R 345/10 B).

3

Mit ihrem beim LSG am 27.4.2011 eingegangenen Wiederaufnahmeantrag hat die Klägerin vorgetragen, dass die Tatsachenfeststellung des LSG nicht der Realität entsprochen habe, weshalb das rechtskräftige Berufungsurteil unrichtig sei. Dies ergebe sich aus den dem Wiederaufnahmeantrag beigefügten Nachweisen (Kopien von Bescheinigungen der Pflegekasse bzw des Pflegedienstes, Zertifikate über Weiterbildungen, Leistungsnachweisen etc). Zudem seien die Feststellungen des LSG zu ihrem Berufsschutz als Reiseverkehrskauffrau unzutreffend.

4

Der Berichterstatter hat die Klägerin mit Verfügung vom 27.5.2011 darauf hingewiesen, dass die von ihr behaupteten Gründe die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 179 SGG iVm §§ 578 ff ZPO) nicht rechtfertigten, weder als Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) noch als Restitutionsklage (§ 580 ZPO). Der Senat beabsichtige daher, die Wiederaufnahmeklage entsprechend § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss abzuweisen. Nach dieser Regelung könne das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, wenn es die Klage einstimmig für unbegründet halte.

5

Mit Beschluss vom 21.6.2011 hat das LSG Berlin-Brandenburg die gegen das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.8.2010 (L 30 R 360/09) gerichtete Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen; sie sei unbegründet: Die Klägerin habe keinen der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederaufnahmegründe (§ 179 SGG, §§ 579, 580 ZPO) behauptet bzw sei ein solcher für das LSG nicht ansatzweise ersichtlich. Auch auf den gerichtlichen Hinweis vom 27.5.2011 habe die Klägerin solche Wiederaufnahmegründe nicht geltend gemacht. Allein das Behaupten eines materiellen Anspruchs rechtfertige die Rechtskraftdurchbrechung des Berufungsurteils nicht.

6

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin die Verletzung von § 153 Abs 4 SGG. Nach dieser Vorschrift dürfe das LSG durch Beschluss nur über eine Berufung, nicht aber - wie hier - über eine Klage entscheiden. Hätte das LSG aufgrund mündlicher Verhandlung mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden, hätte die Klägerin Gelegenheit gehabt, das Gericht in vollständiger Besetzung von der Richtigkeit ihrer Argumente für die Wiederaufnahmeklage zu überzeugen.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

8

Ein Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG liegt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darin, dass das LSG auf ihre - unzulässige - Wiederaufnahmeklage keine mündliche Verhandlung durchgeführt, sondern durch Beschluss entschieden hat. Daher lässt sich eine unvorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts - nur mit den Berufsrichtern - und damit das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO(stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 10; Nr 2 RdNr 10; SozR 4-1500 § 153 Nr 12) nicht feststellen.

9

1. Das LSG hat die Wiederaufnahmeklage der Klägerin durch Beschluss im Entscheidungssatz, erläutert durch II der Gründe (3. Absatz), als "unbegründet" abgewiesen. Diese Aussage ist jedoch anhand der weiteren Gründe auszulegen (vgl zB Senatsbeschluss vom 20.7.2011 - SozR 4-1500 § 158 Nr 4 RdNr 8 unter Hinweis auf BSGE 1, 283, 285 mwN). Insoweit führt das LSG aus, eine materielle Prüfung des Anspruchs sei nicht möglich. Denn "vorliegend (sei) keiner der gesetzlichen Wiederaufnahmegründe von der Klägerin auch nur behauptet oder für das Gericht ansatzweise ersichtlich". Auch nach gerichtlichem Hinweis habe sie entsprechende Wiederaufnahmegründe nicht geltend gemacht (S 5 Entscheidungsgründe).

10

Damit ist die Wiederaufnahmeklage bereits in der Zulässigkeitsprüfung gescheitert. Denn die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage setzt - neben weiteren Prozessvoraussetzungen - die schlüssige Darlegung eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes voraus (vgl BSGE 81, 46, 47 zur Abgrenzung von BSGE 29, 10, 17 ff; vgl auch BSGE 63, 33, 35; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 179 RdNr 9). Auch wenn die vom LSG als Begründung für die von ihm gewählte Entscheidungsform "Beschluss" herangezogene Norm des § 153 Abs 4 S 1 SGG, die ihrem klaren Wortlaut nach voraussetzt, dass das LSG die Berufung für "unbegründet" hält, damit nicht anwendbar ist, lässt sich hieraus kein Verfahrensfehler herleiten, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann und der zur Zulassung der Revision führen könnte.

11

2. Denn auch über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage kann durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (zum Anhörungserfordernis vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3). Dies folgt aus § 179 Abs 1 SGG iVm § 585 ZPO und entsprechender Anwendung von § 158 S 1 und S 2 SGG. Das Vierte Buch der ZPO (§§ 578 ff ZPO), auf das § 179 Abs 1 SGG verweist, enthält keine Bestimmung darüber, in welcher Form die gerichtliche Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage zu ergehen hat. § 589 Abs 1 S 2 ZPO normiert zwar, dass eine unzulässige Wiederaufnahmeklage zu verwerfen ist, sieht aber keine Regelung vor, ob dies durch Beschluss oder Urteil zu erfolgen hat. § 585 ZPO bestimmt lediglich, dass für das weitere Verfahren die allgemeinen Vorschriften entsprechend gelten. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass sich für das sozialgerichtliche Verfahren die Entscheidung im Beschlusswege verbieten würde.

12

Vielmehr ist die Entscheidungsform der Wiederaufnahmeklage im sozialgerichtlichen Verfahren den entsprechenden Vorschriften des SGG zu entnehmen (für die verwaltungsgerichtliche Wiederaufnahmeklage vgl VGH Mannheim vom 12.4.1995 - 4 S 887/94 - NVwZ-RR 1996, 539).

13

Die nach ihrem Wortlaut nur die unzulässige Berufung erfassende Vorschrift des § 158 S 1 SGG ist auf die unzulässige Wiederaufnahmeklage entsprechend anzuwenden(offen gelassen: BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 6; zweifelnd: BSG vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - Juris RdNr 22; befürwortend: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 158 RdNr 6a; Zeihe, SGG, Stand November 2010, § 158 RdNr 2b; Meßling in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 158 RdNr 7; aA Wolff-Dellen in Breitkreutz/Fichte, SGG, 2009, § 158 RdNr 5; wie hier vgl stRspr zu § 125 Abs 2 VwGO: BVerwG vom 31.10.1995 - 5 B 176/95 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr 29 und vom 15.9.1995 - 11 PKH 9/95 -; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 125 RdNr 45 mwN).

14

Das SGG sieht im Berufungsverfahren - als Ausnahme von der Regel, dass durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 124 Abs 1, § 125 SGG) - in zwei Fällen die vereinfachte Form der Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung vor: 1. die Verwerfung einer unzulässigen Berufung (§ 158 SGG) und 2. die Zurückweisung einer einstimmig für unbegründet gehaltenen Berufung (§ 153 Abs 4 S 1 SGG). § 153 Abs 4 S 3 SGG verweist im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung auf § 158 S 3 und 4 SGG.

15

Damit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch im Berufungsverfahren nicht stets die Notwendigkeit besteht, die aufwändigere Entscheidungsform der mündlichen Verhandlung zu wählen, sondern hat den Berufsrichtern die Möglichkeit eingeräumt, unter Beachtung der prozessrechtlichen Voraussetzungen eine vereinfachte Entscheidung im Beschlusswege treffen zu können. Dies dient der Entlastung der Berufungsinstanz (vgl BR-Drucks 314/91, S 156 f, Zu Buchst d und S 158 Zu Nummer 10 unter Hinweis auf die parallelen Vorschriften von § 125 Abs 2, § 130a VwGO). Damit können aussichtslose Berufungen rasch und ohne besonderen Verfahrensaufwand erledigt werden. Das Wiederaufnahmeverfahren bezweckt schließlich nichts anderes als die Fortsetzung des abgeschlossenen Berufungsverfahrens und die Ersetzung der rechtskräftigen Entscheidung (vgl OVG Bremen vom 19.3.1990 - 2 T 1/90 - NJW 1990, 2337).

16

Dieser gesetzgeberischen Zielrichtung entspricht es, unzulässige Wiederaufnahmeklagen nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 158 S 1 und 2 SGG zu verwerfen. Hätte hingegen die Entscheidung über die unzulässige Wiederaufnahmeklage zwingend in Form eines Urteils zu ergehen, widerspräche dies dem aufgezeigten Gesetzeszweck gerade in den Fällen, in denen die Wiederaufnahme eines Verfahrens begehrt wird, über das durch Beschluss (§ 153 Abs 4 S 1 SGG) entschieden wurde. Die Ablehnung eines unzulässigen Wiederaufnahmeantrags rechtfertigt kein aufwändigeres Verfahren als die Entscheidung über die Berufung selbst. Zudem existiert kein prozessualer Rechtssatz, wonach über die Wiederaufnahmeklage immer in jener Form zu entscheiden wäre, die das Berufungsgericht für die Entscheidung im vorausgegangen Berufungsverfahren gewählt hat.

17

3. Zu Recht hat das LSG ausgeführt, dass die Klägerin keinen der in § 179 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO genannten Wiederaufnahmegründe schlüssig dargelegt hat. Entgegen der Meinung der Klägerin hat sie insbesondere durch die vorgelegten Kopien nicht den Wiederaufnahmegrund des "Auffindens einer Urkunde" iS von § 580 Nr 7b ZPO aufgezeigt. Denn hierzu zählen grundsätzlich nur Urkunden, die schon vor Abschluss des Berufungsverfahrens vorhanden waren, aber in diesem Verfahrens weder bereits vorgelegen haben noch hätten vorgelegt werden können (vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 580 RdNr 16a mwN).

18

Wiederaufnahmegründe sind auch nicht dann dargetan, wenn die Klägerin vorträgt, die Beweiswürdigung des Gerichts (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) sei unrichtig. Die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht geltend gemacht werden.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 19.8.2013 hat das Landessozialgericht (LSG) in entsprechender Anwendung von § 158 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens als unzulässig verworfen. Diesem Beschluss vorausgegangen war auf gerichtlichen Hinweis eine Erklärung der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.10.2012, wonach die zuvor auf die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG eingelegte Berufung "aufgrund falscher Rechtsmittelbelehrung … namens und im Auftrag des Klägers zurück" und sie zugleich Nichtzulassungsbeschwerde erhebe. Auf den Beschluss vom 27.12.2012, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wurde, hat der Kläger mit Schreiben vom 17.6.2013 "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" gestellt und geltend gemacht, die der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegende Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstandes sei fehlerhaft gewesen.

2

Für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat der erkennende Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt L aus O beigeordnet (Beschluss vom 25.3.2014, zugestellt am 1.4.2014). Mit seiner am 1.4.2014 bei Gericht eingegangenen und am 19.5.2014 begründeten Beschwerde beantragt der Kläger nunmehr die Zulassung der Revision.

3

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes eines Verfahrensfehlers nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind nicht erfüllt.

4

1. In formeller Hinsicht ist allerdings die Frist zur Einlegung der Beschwerde gewahrt. Dem Kläger ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Voraussetzung, dass ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG), ist erfüllt. Der wegen Bedürftigkeit an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehinderte Kläger hat innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde PKH beantragt und nach Bewilligung der PKH durch das Gericht die versäumte Beschwerdeeinlegung rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt (§ 67 Abs 2 Satz 3 iVm Satz 1 SGG; vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 3, 4). Dem Kläger ist daher auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren (§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG).

5

2. Soweit der Kläger in der Sache vorrangig die Fortführung des Berufungsverfahrens erstrebt und der Auffassung ist, dass über seinen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" in dem entgegen der Auffassung des LSG durch die Erklärung seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten nicht beendeten Berufungsverfahren hätte entschieden werden müssen, bezeichnet er damit einen Mangel, der nicht dem hier angefochtenen Beschluss vom 19.8.2013, sondern nur der Behandlung des Berufungsverfahrens als beendet anhaften kann. Ob die Erklärung der Bevollmächtigten vom 17.10.2012 als Berufungsrücknahme zu werten ist oder wegen widersprüchlicher Erklärungen prozessual unbeachtlich war, kann deshalb nur im Rahmen eines Antrags auf Fortführung des Berufungsverfahrens und damit vom LSG geklärt werden.

6

3. Soweit der Kläger hilfsweise die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens erstrebt und als Verfahrensfehler die Entscheidung über das Wiederaufnahmebegehren mit Beschluss vom 19.8.2013 durch (nur) drei Berufsrichter als Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) durch die vorschriftswidrige Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG) rügt, wird ein möglicher Verfahrensmangel zwar hinreichend bezeichnet iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, die Rüge ist aber unbegründet. Wie in der Rechtsprechung des BSG zwischenzeitlich geklärt ist, kann das LSG über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage wie über eine unzulässige Berufung durch Beschluss entscheiden.

7

Da das Wiederaufnahmeverfahren nichts anderes als die Fortsetzung des abgeschlossenen Verfahrens bezweckt (vgl § 590 Abs 2 Satz 2 ZPO; Heßler/Greger in Zöller, ZPO, Vor § 578 RdNr 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl 2014, Grundz § 578 RdNr 2), entspricht es der gesetzgeberischen Zielrichtung, über einen unzulässigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der Berufungsinstanz ebenfalls in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden, wie es § 158 Satz 2 SGG bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung eröffnet(vgl BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 6 RdNr 11 ff; ebenso für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 160a SGG, BSG vom 23.4.2014 - B 14 AS 368/13 B - vorgesehen für SozR 4-1500 § 179 Nr 1 RdNr 12 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 158 RdNr 6a; ebenso jetzt: Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 158 RdNr 5; BVerwG vom 31.5.1995 - 5 B 176/95 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr 29; im Ergebnis ebenso BGH Beschluss vom 21.10.1994 - V ZR 151/93 - NJW 1995, 335, in dem eine als Antrag auf Wiederaufnahme ausgelegte Nichtigkeitsklage gegen einen Nichtannahmebeschluss abgewiesen wird). Die gegenteilige Auffassung (angedeutet in BSG vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 22; früher ausdrücklich: Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 1. Aufl 2009, § 158 RdNr 5), nach der über eine Wiederaufnahmeklage immer durch Urteil zu entscheiden ist, widerspricht dem Gesetzeszweck, aussichtslose Berufungen rasch und ohne besonderen Verfahrensaufwand erledigen zu können.

8

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufgehoben.

II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Aufrechnung einer Darlehensrückzahlungsforderung mit laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung (allein für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009) iHv 24,74 € monatlich (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren (Urteil des Senats vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) beim Bundessozialgericht waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wird beim LSG unter dem Az L 11 AS 91/15 WA geführt. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.

Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 €. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 iHv 11.870,04 € gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 € ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Bayern - Forderungsmanagement in B. (BA) Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II verpflichtend aufzurechnen.

Zur Begründung seiner dagegen beim SG erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe niemals ein Darlehen unterschrieben und die Leistungsbewilligung hätte zuschussweise erfolgen müssen. Er hat darüber hinaus die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" in Höhe von 1.440 € für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 abgewiesen. Streitig seien die vom Kläger sinngemäß beantragte Aufhebung der verfügten Aufrechnung mit der Forderung aus den darlehensweise gewährten Leistungen und die Niederschlagung der Rückforderungssumme. Der Beklagte habe zu Recht im Umfange von 10 % des maßgeblichen Regelbetrags aufgerechnet. Die seinerzeitige Gewährung des Alg II als Darlehen sei rechtskräftig festgestellt. Die Darlehensgewährung sei wegen der nicht sofort verwertbaren Grundstücke erfolgt, so dass vorliegend zwar die Spezialvorschrift des § 42a Abs 3 SGB II greife. Die Aufrechnung sei aber möglich, wenn mit dem Erlös aus dem Vermögensverkauf keine Rückführung des Darlehens vorgenommen werde. Ein Aufrechnungsverbot bestehe nicht, wenn der Leistungsbezug nicht mehr darlehensweise erfolge. Die Teilverwertung sei gesetzlich nicht geregelt. Eine rechtliche Einschränkung, dass aufgrund des Wortlautes "soll" in § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II eine Vereinbarung zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger getroffen werden müsse, sei nicht nachvollziehbar, da sonst ein Leistungsempfänger auf Dauer die Rückführung erbrachter Darlehen vereiteln könne. Die Höhe der Aufrechnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Damit sei weiterhin das Existenzminimum gewährleistet. Der Kläger habe es in der Hand, die Aufrechnung durch Begleichung der Rückforderungssumme, zB durch Gelder aus dem weiteren Verkauf seines Vermögens jederzeit zu beenden. Zwingende Gründe für eine Niederschlagung der Forderung seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Mit Beschluss vom 11.02.2015 hat der Senat das Begehren des Klägers im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheides vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 abgetrennt. Die weiteren Begehren sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 152/14 geblieben. Der Kläger hat insbesondere ausgeführt, sein Vermögen sei seinerzeit völlig falsch bewertet worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und den Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 zu Unrecht abgewiesen. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren allein die (vom Verfahren L 11 AS 152/14 abgetrennte) Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012, mit dem dieser die Aufrechnung der Forderung aus dem mit Schreiben vom 05.07.2012 fällig gestellten Darlehen im Umfang von 10 % des maßgeblichen Regelsatzes ab 01.08.2012 erklärt hat. Keine eigenständige Regelungswirkung hat insofern der Bescheid vom 09.01.2014, mit dem der Beklagte die - zuvor im Hinblick auf das Klageverfahren ausgesetzte - Aufrechnung nach Erlass des Gerichtsbescheides vom 20.12.2013 wieder aufgenommen hat. Insofern wurde darin auch auf den "Vollzug" der Entscheidung des SG verwiesen. Er folgt dem Schicksal des Aufrechnungsbescheides vom 23.07.2012 und wird durch dessen Aufhebung gegenstandslos.

Der Beklagte hat vorliegend zu Unrecht mit dem Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 die Aufrechnung des Anspruchs auf Alg II im Umfange von 37,40 € monatlich mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch ab dem 01.08.2012 erklärt.

Nach § 42a Abs 3 Satz 1 SGB II idF der des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I 453) sind Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Abs 5 SGB II nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe fällig. Dies entspricht auch dem Hinweis in den Darlehensbewilligungsbescheiden des Beklagten für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010. Der Gesetzgeber hat für die zum 01.04.2011 in Kraft getretene Regelung des § 42a SGB II im Rahmen des § 77 SGB II und auch sonst keine Übergangsregelung getroffen, weshalb die Rückzahlungsmodalitäten des § 42a Abs 2 bis 6 SGB II zwingend auch für laufende, vor dem 01.04.2011 vergebene Darlehen gelten (vgl Bittner in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 42a Rn 57; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 02/2012, § 42a Rn 264). Die dem Kläger gewährten Darlehen wurden aufgrund von § 23 Abs 5 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl I 558) erbracht, der der Neufassung des § 24 Abs 5 SGB II entspricht.

Es kann dahinstehen, ob die sofortige Fälligkeit des Darlehens in voller Höhe bereits eingetreten ist, obwohl nur ein Teil der bei der Darlehensgewährung in Bezug genommenen Grundstücke verwertet worden sind, denn vorliegend hätte anstelle der vom Beklagten per Verwaltungsakt erklärten Aufrechnung iHv monatlich 37,40 € nach § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II eine Rückzahlungsvereinbarung mit dem Kläger geschlossen werden müssen. Sofern der erlangte Betrag den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht deckt, soll eine Vereinbarung über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden (§ 42a Abs 3 Satz 2 SGB II). Mit einer solchen Vereinbarung kann es dem Darlehensnehmer ermöglicht werden, den noch ausstehenden Betrag über einen längeren Zeitraum aufzubringen, und er kann damit vor der sofortigen Beitreibung der Forderung geschützt werden (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs 17/3404 S 116; vgl dazu auch Greiser in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 42a Rn 32; Hengelhaupt aaO Rn 232). Da der Gesetzgeber vorliegend für die Rückzahlung von fällig gewordenen Darlehen, die wegen eines vorübergehend nicht verwertbaren Vermögensgegenstand gewährt worden sind, mit § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II eine Sonderregelung geschaffen hat, kommt der Rückgriff auf die allgemeine Aufrechnungsmöglichkeit bei anderen Darlehen nach § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II nicht in Betracht (vgl dazu Bittner aaO Rn 42; Hengelhaupt aaO Rn 35 und 207). Insofern ging auch der Gesetzgeber von einer Sonderbestimmung in § 42a Abs 3 SGB II aus (BT-Drs 17/3404 S 116). Eine Beschränkung des Erfordernisses einer (vorrangigen) Vereinbarung über die Rückzahlung auf Fälle, bei denen auch nach Verwertung weiterhin die laufenden Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs 5 SGB II erbracht werden, kann weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem gesetzgeberischen Willen entnommen werden. Allenfalls dann, wenn eine Vereinbarung scheitern sollte, käme gegebenenfalls eine einseitige Aufrechnungserklärung des Beklagten in Betracht (vgl dazu Bender in Gagel, SGB II, Stand 12/2013, § 42a Rn 33). Dass der Beklagte den Verkaufserlös bislang nicht erhalten und er offenbar auch dem Kläger gar nicht selbst zugeflossen ist, liegt daran, dass es der Beklagte versäumt hat, von den Sicherungsmöglichkeiten in § 23 Abs 5 Satz 2 SGB II aF Gebrauch zu machen. Das Erfordernis des Abschlusses einer Vereinbarung bezieht sich auf den "ausstehenden" Betrag (so der Wortlaut von § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II), so dass sich dieses vorliegend auf den gesamten geschuldeten Darlehensbetrag erstreckt.

Es ist auch nicht das Vorliegen eines besonderen Falles erkennbar, der ein Abweichen vom Erfordernis einer Vereinbarung rechtfertigt. Vielmehr spricht gerade die Dauerhaftigkeit der Aufrechnung im Umfange von 10 vom Hundert der jeweils maßgebenden Regelbedarfshöhe, die sich aus der Höhe der Darlehensforderung von über 11.000 € und dem Lebensalter des Klägers ergibt, für eine Vereinbarung, die von der Regelung des § 42a Abs 2 Satz 1 SGB II abweicht (zu Zweifeln an der verfassungsmäßigen Zulässigkeit einer dauerhaften Leistungsminderung: Hengelhaupt aaO Rn 24; Conradis in Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 42a Rn 17). Im Rahmen einer insofern zu treffenden und in der Rückzahlungsvereinbarung zu dokumentierenden Ermessensentscheidung hat der Beklagte die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zu berücksichtigen (vgl dazu Hengelhaupt aaO Rn 236).

Da der Beklagte bislang keinen Versuch unternommen hat, mit dem Kläger eine Vereinbarung nach § 42a Abs 3 Satz 2 SGB II abzuschließen, ist eine einseitige Aufrechnungserklärung durch Verwaltungsakt, wie sie im Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 vorgenommen worden ist, rechtswidrig. Der Bescheid und der Gerichtsbescheid des SG vom 20.12.2013, soweit er diesen Gegenstand betroffen hat, waren damit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.