Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 04. Jan. 2016 - L 11 AS 774/15 WA
vorgehend
Tenor
I.
Die Klage auf Wiederaufnahme des durch Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
die Wiederaufnahmeklage gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts
Gründe
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Urteil einreichenBayerisches Landessozialgericht Beschluss, 04. Jan. 2016 - L 11 AS 774/15 WA zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vorbehalten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufgehoben.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.440 € für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 € bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts Schweinfurt aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vorbehalten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
-
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit steht die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens auf Rente wegen Erwerbsminderung.
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Das LSG hatte mit rechtskräftigem Urteil einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint, weil die Klägerin noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bei einem Leistungsvermögen von täglich mindestens sechs Stunden verrichten konnte und ihr zudem der behauptete Berufsschutz als Reiseverkehrskauffrau nicht zustand (LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.8.2010 - L 30 R 360/09; nachgehend Senatsbeschluss vom 4.3.2011 - B 13 R 345/10 B).
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Mit ihrem beim LSG am 27.4.2011 eingegangenen Wiederaufnahmeantrag hat die Klägerin vorgetragen, dass die Tatsachenfeststellung des LSG nicht der Realität entsprochen habe, weshalb das rechtskräftige Berufungsurteil unrichtig sei. Dies ergebe sich aus den dem Wiederaufnahmeantrag beigefügten Nachweisen (Kopien von Bescheinigungen der Pflegekasse bzw des Pflegedienstes, Zertifikate über Weiterbildungen, Leistungsnachweisen etc). Zudem seien die Feststellungen des LSG zu ihrem Berufsschutz als Reiseverkehrskauffrau unzutreffend.
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Der Berichterstatter hat die Klägerin mit Verfügung vom 27.5.2011 darauf hingewiesen, dass die von ihr behaupteten Gründe die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 179 SGG iVm §§ 578 ff ZPO) nicht rechtfertigten, weder als Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) noch als Restitutionsklage (§ 580 ZPO). Der Senat beabsichtige daher, die Wiederaufnahmeklage entsprechend § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss abzuweisen. Nach dieser Regelung könne das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, wenn es die Klage einstimmig für unbegründet halte.
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Mit Beschluss vom 21.6.2011 hat das LSG Berlin-Brandenburg die gegen das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.8.2010 (L 30 R 360/09) gerichtete Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen; sie sei unbegründet: Die Klägerin habe keinen der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederaufnahmegründe (§ 179 SGG, §§ 579, 580 ZPO) behauptet bzw sei ein solcher für das LSG nicht ansatzweise ersichtlich. Auch auf den gerichtlichen Hinweis vom 27.5.2011 habe die Klägerin solche Wiederaufnahmegründe nicht geltend gemacht. Allein das Behaupten eines materiellen Anspruchs rechtfertige die Rechtskraftdurchbrechung des Berufungsurteils nicht.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin die Verletzung von § 153 Abs 4 SGG. Nach dieser Vorschrift dürfe das LSG durch Beschluss nur über eine Berufung, nicht aber - wie hier - über eine Klage entscheiden. Hätte das LSG aufgrund mündlicher Verhandlung mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden, hätte die Klägerin Gelegenheit gehabt, das Gericht in vollständiger Besetzung von der Richtigkeit ihrer Argumente für die Wiederaufnahmeklage zu überzeugen.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
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Ein Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG liegt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darin, dass das LSG auf ihre - unzulässige - Wiederaufnahmeklage keine mündliche Verhandlung durchgeführt, sondern durch Beschluss entschieden hat. Daher lässt sich eine unvorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts - nur mit den Berufsrichtern - und damit das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO(stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 10; Nr 2 RdNr 10; SozR 4-1500 § 153 Nr 12) nicht feststellen.
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1. Das LSG hat die Wiederaufnahmeklage der Klägerin durch Beschluss im Entscheidungssatz, erläutert durch II der Gründe (3. Absatz), als "unbegründet" abgewiesen. Diese Aussage ist jedoch anhand der weiteren Gründe auszulegen (vgl zB Senatsbeschluss vom 20.7.2011 - SozR 4-1500 § 158 Nr 4 RdNr 8 unter Hinweis auf BSGE 1, 283, 285 mwN). Insoweit führt das LSG aus, eine materielle Prüfung des Anspruchs sei nicht möglich. Denn "vorliegend (sei) keiner der gesetzlichen Wiederaufnahmegründe von der Klägerin auch nur behauptet oder für das Gericht ansatzweise ersichtlich". Auch nach gerichtlichem Hinweis habe sie entsprechende Wiederaufnahmegründe nicht geltend gemacht (S 5 Entscheidungsgründe).
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Damit ist die Wiederaufnahmeklage bereits in der Zulässigkeitsprüfung gescheitert. Denn die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage setzt - neben weiteren Prozessvoraussetzungen - die schlüssige Darlegung eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes voraus (vgl BSGE 81, 46, 47 zur Abgrenzung von BSGE 29, 10, 17 ff; vgl auch BSGE 63, 33, 35; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 179 RdNr 9). Auch wenn die vom LSG als Begründung für die von ihm gewählte Entscheidungsform "Beschluss" herangezogene Norm des § 153 Abs 4 S 1 SGG, die ihrem klaren Wortlaut nach voraussetzt, dass das LSG die Berufung für "unbegründet" hält, damit nicht anwendbar ist, lässt sich hieraus kein Verfahrensfehler herleiten, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann und der zur Zulassung der Revision führen könnte.
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2. Denn auch über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage kann durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (zum Anhörungserfordernis vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3). Dies folgt aus § 179 Abs 1 SGG iVm § 585 ZPO und entsprechender Anwendung von § 158 S 1 und S 2 SGG. Das Vierte Buch der ZPO (§§ 578 ff ZPO), auf das § 179 Abs 1 SGG verweist, enthält keine Bestimmung darüber, in welcher Form die gerichtliche Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage zu ergehen hat. § 589 Abs 1 S 2 ZPO normiert zwar, dass eine unzulässige Wiederaufnahmeklage zu verwerfen ist, sieht aber keine Regelung vor, ob dies durch Beschluss oder Urteil zu erfolgen hat. § 585 ZPO bestimmt lediglich, dass für das weitere Verfahren die allgemeinen Vorschriften entsprechend gelten. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass sich für das sozialgerichtliche Verfahren die Entscheidung im Beschlusswege verbieten würde.
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Vielmehr ist die Entscheidungsform der Wiederaufnahmeklage im sozialgerichtlichen Verfahren den entsprechenden Vorschriften des SGG zu entnehmen (für die verwaltungsgerichtliche Wiederaufnahmeklage vgl VGH Mannheim vom 12.4.1995 - 4 S 887/94 - NVwZ-RR 1996, 539).
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Die nach ihrem Wortlaut nur die unzulässige Berufung erfassende Vorschrift des § 158 S 1 SGG ist auf die unzulässige Wiederaufnahmeklage entsprechend anzuwenden(offen gelassen: BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 6; zweifelnd: BSG vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - Juris RdNr 22; befürwortend: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 158 RdNr 6a; Zeihe, SGG, Stand November 2010, § 158 RdNr 2b; Meßling in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 158 RdNr 7; aA Wolff-Dellen in Breitkreutz/Fichte, SGG, 2009, § 158 RdNr 5; wie hier vgl stRspr zu § 125 Abs 2 VwGO: BVerwG vom 31.10.1995 - 5 B 176/95 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr 29 und vom 15.9.1995 - 11 PKH 9/95 -; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 125 RdNr 45 mwN).
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Das SGG sieht im Berufungsverfahren - als Ausnahme von der Regel, dass durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 124 Abs 1, § 125 SGG) - in zwei Fällen die vereinfachte Form der Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung vor: 1. die Verwerfung einer unzulässigen Berufung (§ 158 SGG) und 2. die Zurückweisung einer einstimmig für unbegründet gehaltenen Berufung (§ 153 Abs 4 S 1 SGG). § 153 Abs 4 S 3 SGG verweist im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung auf § 158 S 3 und 4 SGG.
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Damit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch im Berufungsverfahren nicht stets die Notwendigkeit besteht, die aufwändigere Entscheidungsform der mündlichen Verhandlung zu wählen, sondern hat den Berufsrichtern die Möglichkeit eingeräumt, unter Beachtung der prozessrechtlichen Voraussetzungen eine vereinfachte Entscheidung im Beschlusswege treffen zu können. Dies dient der Entlastung der Berufungsinstanz (vgl BR-Drucks 314/91, S 156 f, Zu Buchst d und S 158 Zu Nummer 10 unter Hinweis auf die parallelen Vorschriften von § 125 Abs 2, § 130a VwGO). Damit können aussichtslose Berufungen rasch und ohne besonderen Verfahrensaufwand erledigt werden. Das Wiederaufnahmeverfahren bezweckt schließlich nichts anderes als die Fortsetzung des abgeschlossenen Berufungsverfahrens und die Ersetzung der rechtskräftigen Entscheidung (vgl OVG Bremen vom 19.3.1990 - 2 T 1/90 - NJW 1990, 2337).
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Dieser gesetzgeberischen Zielrichtung entspricht es, unzulässige Wiederaufnahmeklagen nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 158 S 1 und 2 SGG zu verwerfen. Hätte hingegen die Entscheidung über die unzulässige Wiederaufnahmeklage zwingend in Form eines Urteils zu ergehen, widerspräche dies dem aufgezeigten Gesetzeszweck gerade in den Fällen, in denen die Wiederaufnahme eines Verfahrens begehrt wird, über das durch Beschluss (§ 153 Abs 4 S 1 SGG) entschieden wurde. Die Ablehnung eines unzulässigen Wiederaufnahmeantrags rechtfertigt kein aufwändigeres Verfahren als die Entscheidung über die Berufung selbst. Zudem existiert kein prozessualer Rechtssatz, wonach über die Wiederaufnahmeklage immer in jener Form zu entscheiden wäre, die das Berufungsgericht für die Entscheidung im vorausgegangen Berufungsverfahren gewählt hat.
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3. Zu Recht hat das LSG ausgeführt, dass die Klägerin keinen der in § 179 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO genannten Wiederaufnahmegründe schlüssig dargelegt hat. Entgegen der Meinung der Klägerin hat sie insbesondere durch die vorgelegten Kopien nicht den Wiederaufnahmegrund des "Auffindens einer Urkunde" iS von § 580 Nr 7b ZPO aufgezeigt. Denn hierzu zählen grundsätzlich nur Urkunden, die schon vor Abschluss des Berufungsverfahrens vorhanden waren, aber in diesem Verfahrens weder bereits vorgelegen haben noch hätten vorgelegt werden können (vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 580 RdNr 16a mwN).
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Wiederaufnahmegründe sind auch nicht dann dargetan, wenn die Klägerin vorträgt, die Beweiswürdigung des Gerichts (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) sei unrichtig. Die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht geltend gemacht werden.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. August 2013 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Beschluss vom 19.8.2013 hat das Landessozialgericht (LSG) in entsprechender Anwendung von § 158 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens als unzulässig verworfen. Diesem Beschluss vorausgegangen war auf gerichtlichen Hinweis eine Erklärung der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.10.2012, wonach die zuvor auf die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG eingelegte Berufung "aufgrund falscher Rechtsmittelbelehrung … namens und im Auftrag des Klägers zurück" und sie zugleich Nichtzulassungsbeschwerde erhebe. Auf den Beschluss vom 27.12.2012, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wurde, hat der Kläger mit Schreiben vom 17.6.2013 "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" gestellt und geltend gemacht, die der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegende Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstandes sei fehlerhaft gewesen.
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Für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat der erkennende Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt L aus O beigeordnet (Beschluss vom 25.3.2014, zugestellt am 1.4.2014). Mit seiner am 1.4.2014 bei Gericht eingegangenen und am 19.5.2014 begründeten Beschwerde beantragt der Kläger nunmehr die Zulassung der Revision.
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II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes eines Verfahrensfehlers nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind nicht erfüllt.
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1. In formeller Hinsicht ist allerdings die Frist zur Einlegung der Beschwerde gewahrt. Dem Kläger ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Voraussetzung, dass ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG), ist erfüllt. Der wegen Bedürftigkeit an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehinderte Kläger hat innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde PKH beantragt und nach Bewilligung der PKH durch das Gericht die versäumte Beschwerdeeinlegung rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt (§ 67 Abs 2 Satz 3 iVm Satz 1 SGG; vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 3, 4). Dem Kläger ist daher auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren (§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG).
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2. Soweit der Kläger in der Sache vorrangig die Fortführung des Berufungsverfahrens erstrebt und der Auffassung ist, dass über seinen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" in dem entgegen der Auffassung des LSG durch die Erklärung seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten nicht beendeten Berufungsverfahren hätte entschieden werden müssen, bezeichnet er damit einen Mangel, der nicht dem hier angefochtenen Beschluss vom 19.8.2013, sondern nur der Behandlung des Berufungsverfahrens als beendet anhaften kann. Ob die Erklärung der Bevollmächtigten vom 17.10.2012 als Berufungsrücknahme zu werten ist oder wegen widersprüchlicher Erklärungen prozessual unbeachtlich war, kann deshalb nur im Rahmen eines Antrags auf Fortführung des Berufungsverfahrens und damit vom LSG geklärt werden.
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3. Soweit der Kläger hilfsweise die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens erstrebt und als Verfahrensfehler die Entscheidung über das Wiederaufnahmebegehren mit Beschluss vom 19.8.2013 durch (nur) drei Berufsrichter als Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) durch die vorschriftswidrige Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG) rügt, wird ein möglicher Verfahrensmangel zwar hinreichend bezeichnet iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, die Rüge ist aber unbegründet. Wie in der Rechtsprechung des BSG zwischenzeitlich geklärt ist, kann das LSG über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage wie über eine unzulässige Berufung durch Beschluss entscheiden.
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Da das Wiederaufnahmeverfahren nichts anderes als die Fortsetzung des abgeschlossenen Verfahrens bezweckt (vgl § 590 Abs 2 Satz 2 ZPO; Heßler/Greger in Zöller, ZPO, Vor § 578 RdNr 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl 2014, Grundz § 578 RdNr 2), entspricht es der gesetzgeberischen Zielrichtung, über einen unzulässigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der Berufungsinstanz ebenfalls in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden, wie es § 158 Satz 2 SGG bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung eröffnet(vgl BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 6 RdNr 11 ff; ebenso für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 160a SGG, BSG vom 23.4.2014 - B 14 AS 368/13 B - vorgesehen für SozR 4-1500 § 179 Nr 1 RdNr 12 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 158 RdNr 6a; ebenso jetzt: Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 158 RdNr 5; BVerwG vom 31.5.1995 - 5 B 176/95 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr 29; im Ergebnis ebenso BGH Beschluss vom 21.10.1994 - V ZR 151/93 - NJW 1995, 335, in dem eine als Antrag auf Wiederaufnahme ausgelegte Nichtigkeitsklage gegen einen Nichtannahmebeschluss abgewiesen wird). Die gegenteilige Auffassung (angedeutet in BSG vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 22; früher ausdrücklich: Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 1. Aufl 2009, § 158 RdNr 5), nach der über eine Wiederaufnahmeklage immer durch Urteil zu entscheiden ist, widerspricht dem Gesetzeszweck, aussichtslose Berufungen rasch und ohne besonderen Verfahrensaufwand erledigen zu können.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.12.2013 teilweise und der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2012 ganz aufgehoben.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.